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Digital & Medial<br />
Mein Kind, mein<br />
Smartphone und ich<br />
Kleine und grosse Bildschirme ziehen nicht<br />
nur unsere Kinder in ihren Bann, sondern<br />
auch uns Erwachsene. Wieso wir das ändern<br />
sollten und wie das geht. Text: Michael In Albon<br />
Bild: OcusFocus<br />
Auf dem Spielplatz,<br />
beim Abholen aus der<br />
Kinderkrippe, im<br />
Wohnzimmer: Nur<br />
noch kurz die Mails<br />
checken, eine WhatsApp-Nachricht<br />
beantworten, die Wettervorhersage<br />
studieren. Immer wieder. Mal ehrlich,<br />
wie oft haben Sie diese Woche<br />
zu Ihrem Kind gesagt: «Moment, ich<br />
hab gleich Zeit für dich, ich muss<br />
nur schnell …»? Dabei erfolgt der<br />
Griff zum Handy oft automatisch.<br />
Vor Kurzem haben Forscher des<br />
deutschen «Menthal Balance»-Projekts,<br />
die über eine App das Verhalten<br />
von 60 000 Smartphone-Nutzern<br />
beobachten, herausgefunden, dass<br />
jeder Nutzer das Smartphone täglich<br />
88 Mal einschaltet. Abzüglich ge -<br />
schätzter 8 Stunden Nachtruhe also<br />
alle 10 Minuten.<br />
Genau diese ständige Ablenkung<br />
hat der Basler Kinderarzt Cyril<br />
Lüdin in einem Interview in diesem<br />
Magazin kürzlich bemängelt: «Im<br />
Kontakt zum Kind müssen wir emotional<br />
und gedanklich dabei sein.<br />
Hantieren wir am Smartphone, sind<br />
wir nicht wirklich verfügbar. So fehlt<br />
schon dem Kleinkind die sprachliche<br />
Auseinandersetzung und damit<br />
die kommunikative Kompetenz.»<br />
Andere Experten gehen weiter und<br />
warnen zudem davor, dass Kinder<br />
dauerhafte Beziehungsstörungen<br />
entwickeln würden, wenn sie von<br />
ihren Eltern nicht ge nügend Zuwendung<br />
bekämen.<br />
Kinder fühlen sich vernachlässigt<br />
Der niederländische Internetsicherheitsanbieter<br />
AVG hat in einer «Digital<br />
Diaries»-Studie 6000 Familien<br />
aus neun Ländern befragt, wie das<br />
Handy die Beziehung zwischen<br />
Eltern und Kindern beeinflusse. 54<br />
Prozent der Kinder zwischen 8 und<br />
13 klagen: «Du schaust ständig auf<br />
dein Handy!», 32 Prozent fühlen sich<br />
unwichtig, wenn die Eltern zu oft<br />
aufs Display starren: «Das Handy ist<br />
dir wichtiger als ich.» Vor allem weil<br />
Eltern während Unterhaltungen und<br />
gemeinsamen Aktivitäten immer<br />
wieder aufs Handy schauen.<br />
Es gibt gute Gründe, als Mutter<br />
oder Vater wieder Herr seines Handys<br />
zu werden. Vielleicht helfen<br />
Ihnen meine folgenden Tipps.<br />
Öffnungszeiten: Schalten Sie die<br />
Benachrichtigungen über Neueingänge<br />
aus und checken Sie Ihre<br />
Arbeitsmails nur zu festgelegten und<br />
kommunizierten Zeiten. Ausnahmen<br />
sind möglich, aber nicht zu oft.<br />
Ruhemodus: Versetzen Sie Ihr<br />
Handy in den Ruhemodus und las-<br />
sen Sie es in der Tasche oder legen<br />
Sie es mit dem Bildschirm nach<br />
unten hin.<br />
Informieren: Sagen Sie Ihrem<br />
Kind, was Sie am Handy tun und wie<br />
lange es dauert – und halten Sie sich<br />
auch daran.<br />
Fokus: Notieren Sie kurz, was Sie<br />
am Handy machen wollen, bevor Sie<br />
es entsperren. Erledigen Sie dann<br />
auch nur das. Das mag umständlich<br />
erscheinen. Versuchen Sie, konsequent<br />
mit sich selbst zu sein, plötzlich<br />
wird es zum Automatismus.<br />
Ehrlichkeit: Gestehen Sie Ihrem<br />
Kind Ihre Schwäche, dem Onlinesog<br />
nicht immer widerstehen zu können.<br />
Zeigen Sie ihm, wie man mit<br />
Schwächen umgehen kann.<br />
Michael In Albon<br />
Michael In Albon ist Beauftragter<br />
Jugendmedienschutz und Experte<br />
Medienkompetenz von Swisscom.<br />
Auf Medienstark finden Sie Tipps und interaktive<br />
Lernmodule für den kompetenten Umgang mit<br />
digitalen Medien im Familienalltag.<br />
swisscom.ch/medienstark<br />
84 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi