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06-07/2017

Fritz + Fränzi

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Erziehung & Schule<br />

wortung für die Kinder übernehmen zu wollen.<br />

Man wird bei einer Trennung im besten<br />

Fall schräg angeschaut, wenn man sagt,<br />

man wolle im Job reduzieren, und im<br />

schlechtesten nicht ernst genommen –<br />

auch von den Behörden nicht.<br />

Seit 2014 gilt bei einer Trennung die<br />

gemeinsame elterliche Sorge als Regel.<br />

Hat sich seither etwas getan für die<br />

Väter?<br />

Im Alltag nicht, nur in den Köpfen der Leute<br />

– aber das ist schon mal ein Anfang.<br />

Aus welchen Gründen bleiben Kinder<br />

beim Vater?<br />

Aus denselben, aus denen sie bei der Mutter<br />

bleiben. Entscheidend ist meines Erachtens,<br />

welcher Elternteil die besten Voraussetzungen<br />

für die Sorge und Obhut der<br />

Kinder hat. Kinder brauchen Stabilität, Fürsorge<br />

und ein sicheres Umfeld. Hat ein<br />

Elternteil zum Beispiel eine chronische<br />

Krankheit, finanzielle Schwierigkeiten oder<br />

ist durch den Job stark absorbiert, kann das<br />

schwierig sein in Bezug auf die Kinderbetreuung.<br />

Männer müssen offenbar mehr um<br />

die Obhut für ihre Kinder kämpfen als<br />

Frauen.<br />

Sofern sich sowohl Mutter als auch Vater<br />

damit einverstanden erklären, dass die Obhut<br />

beim Vater liegt, ist das kein Problem.<br />

Im Streitfall sieht das oft anders aus.<br />

Wird da auf die Wünsche der Kinder<br />

eingegangen?<br />

Kinder werden so früh wie möglich selbst<br />

befragt. Aber schlussendlich entscheidet<br />

das Gericht, welche Form der Obhut und<br />

Sorge angewendet wird – wobei sicherlich<br />

auch das Alter der Kinder eine Rolle spielt.<br />

Ältere Kinder können besser ausdrücken,<br />

was sie möchten.<br />

Kinder geraten in einen inneren Konflikt,<br />

wenn sie sich dazu äussern sollen,<br />

bei wem sie leben möchten. Wie soll<br />

man sich als Elternteil in einer solchen<br />

Situation verhalten?<br />

Das kann zu einer grossen Herausforderung<br />

und mitunter auch zu einer Überforderung<br />

aller Beteiligten führen. Es sollte<br />

unbedingt vermieden werden, dass das<br />

Kind unter Druck entscheiden muss. Die<br />

Eltern sollten möglichst oft gemeinsam mit<br />

dem Kind über die anstehende Veränderung<br />

sprechen und wenn nötig mit einer<br />

Fachstelle zusammenarbeiten.<br />

Wie reagieren Mütter auf die Äusserung<br />

der Kinder, beim Vater bleiben zu<br />

wollen?<br />

Wohl ebenso wie ein Vater, dessen Kinder<br />

bei der Mutter bleiben möchten. Väter werden<br />

nicht schwanger, gebären und stillen<br />

nicht. Doch das war es dann auch schon<br />

mit dem Unterschied zwischen Vater- und<br />

Muttersein. Ich denke, jeder Elternteil ist in<br />

dieser Situation gefordert, egal, ob selbst<br />

oder durch Fremdbestimmung entschieden<br />

wird, bei wem das Kind lebt. Eine Trennung<br />

und Scheidung ist eine Sache. Sein<br />

Kind nicht mehr – beziehungsweise nicht<br />

mehr regelmässig – zu sehen, ist noch mal<br />

viel schwerwiegender. Es gilt, den Entscheid<br />

des Kindes zu akzeptieren und den<br />

Kontakt, so gut es geht, aufrechtzuerhalten.<br />

Es gibt Väter, die ihre Kinder gern mehr<br />

bei sich hätten, aber aus irgendwelchen<br />

Gründen klappt das nicht. Oft ist in<br />

solchen Fällen auch die Kommunikation<br />

zwischen den Eltern gestört. Was raten<br />

Sie solchen Männern?<br />

Als Vater muss man sich erklären, wenn<br />

man nach einer Trennung die Verantwortung<br />

als Betreuungsperson wahrnehmen<br />

will: Warum will man mehr Verantwortung<br />

für die Kinder, will man wirklich weniger arbeiten?<br />

Eine Mutter muss das nicht. Es ist<br />

schwierig, aus diesem Rechtfertigungsmodus<br />

herauszukommen. Man sollte sich<br />

auf jeden Fall Unterstützung holen und Beratungsangebote<br />

nutzen.<br />

Väter, die hauptsächlich ihre Kinder<br />

betreuen, müssen sich vieles gefallen<br />

lassen, von schrägen Blicken bis zu<br />

offenen Anfeindungen. Wie geht man<br />

damit um?<br />

Da kann ich aus dem Nähkästchen plaudern:<br />

Mir wollte mal eine Frau meinen Sohn<br />

aus dem Arm nehmen, weil sie es komisch<br />

fand, dass ich vormittags allein mit dem<br />

Buben in der Badi war. Sie fragte mich<br />

mehrmals, wann denn die Mutter des Jungen<br />

käme, und fand es offenbar irritierend,<br />

als ich sagte, dass die Mutter bei der Arbeit<br />

sei. Ein Vater, der die Hauptverantwortung<br />

für seine Kinder trägt, braucht eine dicke<br />

Haut, aber auch den Austausch mit Gleichgesinnten.<br />

Das hilft.<br />

Wie lange, glauben Sie, dauert es noch,<br />

bis Väter und Mütter in der Schweiz<br />

wirklich gleichberechtigt sind in Beruf<br />

und Familie?<br />

Bis die Kinder, die jetzt in Familien aufwachsen,<br />

in denen sich die Eltern die Verantwortung<br />

teilen – egal, ob getrennt oder nicht –,<br />

in den Gremien ankommen, in denen entsprechende<br />

Entscheide gefällt werden.<br />

Gleichberechtigung ist das Thema einer<br />

Generation, und es wird eine Generation<br />

dauern, bis sich etwas ändert, auf ideologischer<br />

und auf politischer Ebene. Dann<br />

kann es auch sein, dass in Zukunft mehr<br />

Kinder als jetzt beim Vater leben. Ich möchte<br />

aber betonen, dass es das Ziel sein sollte,<br />

dass Kinder nach einer Trennung eine<br />

gleichwertige Beziehung zu beiden Elternteilen<br />

haben können.<br />

Zur Person<br />

Christoph Adrian Schneider ist Psychologe<br />

mit eigener Praxis in Bern und Vorstandsmitglied<br />

von männer.ch. Die Dachorganisation der Väterund<br />

Männer-Stellen der Schweiz unterstützt<br />

Männer in allen Belangen und setzt sich auch auf<br />

politischer Ebene für die Gleichstellung beider<br />

Geschlechter ein. Schneider ist geschieden<br />

und teilt sich die elterliche Sorge für die beiden<br />

Söhne, 7 und 8 Jahre alt, sowie deren Obhut mit<br />

der Mutter der Buben.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Juni/Juli <strong>2017</strong>61

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