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Erziehung & Schule<br />
wortung für die Kinder übernehmen zu wollen.<br />
Man wird bei einer Trennung im besten<br />
Fall schräg angeschaut, wenn man sagt,<br />
man wolle im Job reduzieren, und im<br />
schlechtesten nicht ernst genommen –<br />
auch von den Behörden nicht.<br />
Seit 2014 gilt bei einer Trennung die<br />
gemeinsame elterliche Sorge als Regel.<br />
Hat sich seither etwas getan für die<br />
Väter?<br />
Im Alltag nicht, nur in den Köpfen der Leute<br />
– aber das ist schon mal ein Anfang.<br />
Aus welchen Gründen bleiben Kinder<br />
beim Vater?<br />
Aus denselben, aus denen sie bei der Mutter<br />
bleiben. Entscheidend ist meines Erachtens,<br />
welcher Elternteil die besten Voraussetzungen<br />
für die Sorge und Obhut der<br />
Kinder hat. Kinder brauchen Stabilität, Fürsorge<br />
und ein sicheres Umfeld. Hat ein<br />
Elternteil zum Beispiel eine chronische<br />
Krankheit, finanzielle Schwierigkeiten oder<br />
ist durch den Job stark absorbiert, kann das<br />
schwierig sein in Bezug auf die Kinderbetreuung.<br />
Männer müssen offenbar mehr um<br />
die Obhut für ihre Kinder kämpfen als<br />
Frauen.<br />
Sofern sich sowohl Mutter als auch Vater<br />
damit einverstanden erklären, dass die Obhut<br />
beim Vater liegt, ist das kein Problem.<br />
Im Streitfall sieht das oft anders aus.<br />
Wird da auf die Wünsche der Kinder<br />
eingegangen?<br />
Kinder werden so früh wie möglich selbst<br />
befragt. Aber schlussendlich entscheidet<br />
das Gericht, welche Form der Obhut und<br />
Sorge angewendet wird – wobei sicherlich<br />
auch das Alter der Kinder eine Rolle spielt.<br />
Ältere Kinder können besser ausdrücken,<br />
was sie möchten.<br />
Kinder geraten in einen inneren Konflikt,<br />
wenn sie sich dazu äussern sollen,<br />
bei wem sie leben möchten. Wie soll<br />
man sich als Elternteil in einer solchen<br />
Situation verhalten?<br />
Das kann zu einer grossen Herausforderung<br />
und mitunter auch zu einer Überforderung<br />
aller Beteiligten führen. Es sollte<br />
unbedingt vermieden werden, dass das<br />
Kind unter Druck entscheiden muss. Die<br />
Eltern sollten möglichst oft gemeinsam mit<br />
dem Kind über die anstehende Veränderung<br />
sprechen und wenn nötig mit einer<br />
Fachstelle zusammenarbeiten.<br />
Wie reagieren Mütter auf die Äusserung<br />
der Kinder, beim Vater bleiben zu<br />
wollen?<br />
Wohl ebenso wie ein Vater, dessen Kinder<br />
bei der Mutter bleiben möchten. Väter werden<br />
nicht schwanger, gebären und stillen<br />
nicht. Doch das war es dann auch schon<br />
mit dem Unterschied zwischen Vater- und<br />
Muttersein. Ich denke, jeder Elternteil ist in<br />
dieser Situation gefordert, egal, ob selbst<br />
oder durch Fremdbestimmung entschieden<br />
wird, bei wem das Kind lebt. Eine Trennung<br />
und Scheidung ist eine Sache. Sein<br />
Kind nicht mehr – beziehungsweise nicht<br />
mehr regelmässig – zu sehen, ist noch mal<br />
viel schwerwiegender. Es gilt, den Entscheid<br />
des Kindes zu akzeptieren und den<br />
Kontakt, so gut es geht, aufrechtzuerhalten.<br />
Es gibt Väter, die ihre Kinder gern mehr<br />
bei sich hätten, aber aus irgendwelchen<br />
Gründen klappt das nicht. Oft ist in<br />
solchen Fällen auch die Kommunikation<br />
zwischen den Eltern gestört. Was raten<br />
Sie solchen Männern?<br />
Als Vater muss man sich erklären, wenn<br />
man nach einer Trennung die Verantwortung<br />
als Betreuungsperson wahrnehmen<br />
will: Warum will man mehr Verantwortung<br />
für die Kinder, will man wirklich weniger arbeiten?<br />
Eine Mutter muss das nicht. Es ist<br />
schwierig, aus diesem Rechtfertigungsmodus<br />
herauszukommen. Man sollte sich<br />
auf jeden Fall Unterstützung holen und Beratungsangebote<br />
nutzen.<br />
Väter, die hauptsächlich ihre Kinder<br />
betreuen, müssen sich vieles gefallen<br />
lassen, von schrägen Blicken bis zu<br />
offenen Anfeindungen. Wie geht man<br />
damit um?<br />
Da kann ich aus dem Nähkästchen plaudern:<br />
Mir wollte mal eine Frau meinen Sohn<br />
aus dem Arm nehmen, weil sie es komisch<br />
fand, dass ich vormittags allein mit dem<br />
Buben in der Badi war. Sie fragte mich<br />
mehrmals, wann denn die Mutter des Jungen<br />
käme, und fand es offenbar irritierend,<br />
als ich sagte, dass die Mutter bei der Arbeit<br />
sei. Ein Vater, der die Hauptverantwortung<br />
für seine Kinder trägt, braucht eine dicke<br />
Haut, aber auch den Austausch mit Gleichgesinnten.<br />
Das hilft.<br />
Wie lange, glauben Sie, dauert es noch,<br />
bis Väter und Mütter in der Schweiz<br />
wirklich gleichberechtigt sind in Beruf<br />
und Familie?<br />
Bis die Kinder, die jetzt in Familien aufwachsen,<br />
in denen sich die Eltern die Verantwortung<br />
teilen – egal, ob getrennt oder nicht –,<br />
in den Gremien ankommen, in denen entsprechende<br />
Entscheide gefällt werden.<br />
Gleichberechtigung ist das Thema einer<br />
Generation, und es wird eine Generation<br />
dauern, bis sich etwas ändert, auf ideologischer<br />
und auf politischer Ebene. Dann<br />
kann es auch sein, dass in Zukunft mehr<br />
Kinder als jetzt beim Vater leben. Ich möchte<br />
aber betonen, dass es das Ziel sein sollte,<br />
dass Kinder nach einer Trennung eine<br />
gleichwertige Beziehung zu beiden Elternteilen<br />
haben können.<br />
Zur Person<br />
Christoph Adrian Schneider ist Psychologe<br />
mit eigener Praxis in Bern und Vorstandsmitglied<br />
von männer.ch. Die Dachorganisation der Väterund<br />
Männer-Stellen der Schweiz unterstützt<br />
Männer in allen Belangen und setzt sich auch auf<br />
politischer Ebene für die Gleichstellung beider<br />
Geschlechter ein. Schneider ist geschieden<br />
und teilt sich die elterliche Sorge für die beiden<br />
Söhne, 7 und 8 Jahre alt, sowie deren Obhut mit<br />
der Mutter der Buben.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Juni/Juli <strong>2017</strong>61