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Elterncoaching<br />
Belohnungen:<br />
ein zweischneidiges Schwert<br />
«Was halten Sie von Belohnungen?» Diese Frage wird<br />
mir von Eltern und Lehrpersonen immer wieder gestellt.<br />
Fabian Grolimund<br />
ist Psychologe und Autor («Mit<br />
Kindern lernen»). In der Rubrik<br />
«Elterncoaching» beantwortet<br />
er Fragen aus dem Familienalltag.<br />
Der 37-Jährige ist verheiratet<br />
und Vater eines Sohnes, 4,<br />
und einer Tochter, 1. Er lebt<br />
mit seiner Familie in Freiburg.<br />
www.mit-kindern-lernen.ch<br />
www.biber-blog.com<br />
Während Belohnungsprogramme<br />
ein fester<br />
Bestandteil vieler<br />
Erziehungskurse<br />
sind, finden sich auch Stimmen,<br />
die jede Form von Belohnung<br />
verteufeln und diese sogar als moderne<br />
Form der Bestrafung sehen. Ich<br />
selbst würde zu einem sorgsamen<br />
Umgang raten.<br />
Belohnungen können hilfreich sein<br />
Belohnungen können für Kinder wie<br />
auch für Erwachsene eine Unterstützung<br />
sein. Sie können als eine Art<br />
Krücke dienen, die uns das Gehen<br />
erleichtert, bis die Beine genügend<br />
Kraft haben, um uns zu tragen. Das<br />
gilt besonders dann, wenn bestimmte<br />
Handlungen zu Beginn schwerfallen<br />
oder unangenehm sind, mit<br />
zunehmender Übung aber Freude<br />
bereiten.<br />
Ich denke dabei zum Beispiel an<br />
ein Mädchen mit einer Leseschwäche.<br />
Es las sehr langsam und stockend<br />
und empfand einen zunehmenden<br />
Widerwillen gegen das<br />
Belohnen Sie Ihr Kind möglichst<br />
nicht zusätzlich für Dinge,<br />
die es sowieso gerne tut.<br />
Lesen. Zudem fand das Mädchen es<br />
«total ungerecht», dass es in den<br />
Sommerferien jeden Tag 15 Minuten<br />
lesen sollte. Da es in den Ferien<br />
zuvor fast alle Buchstaben wieder<br />
vergessen hatte, war das Üben<br />
jedoch dringend nötig.<br />
Zwei kleine Belohnungen sollten<br />
dem Mädchen zu Beginn das Lesen<br />
erleichtern. Die erste Belohnung<br />
bestand darin, dass sich die Eltern<br />
bereit erklärten, abwechselnd zu<br />
lesen. Nach ein paar Zeilen las ihm<br />
die Mutter oder der Vater den Rest<br />
der Seite vor. Es durfte sich zurücklehnen<br />
und die Geschichte geniessen.<br />
Diese Belohnung ist deswegen<br />
sinnvoll, weil sie in einem engen<br />
Zusammenhang mit der Tätigkeit<br />
steht und dem Kind verdeutlicht:<br />
Lesen gibt dir Zugang zu wunderbaren<br />
Geschichten.<br />
Die zweite Belohnung sollte die<br />
«Kosten» aufwiegen, die für das<br />
Mädchen entstanden. Es fand es zu<br />
Beginn der Beratung «total ungerecht»,<br />
dass ihm die schöne Freizeit<br />
gestohlen werde, um lesen zu üben<br />
– das werde von den anderen Kindern<br />
auch nicht verlangt. Die Eltern<br />
und ich mussten ihm beipflichten<br />
und vereinbarten daher Folgendes:<br />
Du darfst während der Ferien selbst<br />
entscheiden, ob du lesen möchtest.<br />
Wenn du deine wertvolle Freizeit<br />
dafür hergibst, darfst du dafür am<br />
Abend eine halbe Stunde länger aufbleiben<br />
– so geht dir die Zeit nicht<br />
Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren<br />
54 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi