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gehend bis zum Ende der obligatorischen<br />
Schulzeit erteilt wird. Zu<br />
den Details des Englischunterrichts<br />
äussert sich das bundesrätliche<br />
Modell nicht. Dafür wären weiterhin<br />
die Kantone zuständig. Viele be <br />
fürchten aber ein Referendum gegen<br />
diese vorgesehene Verschärfung des<br />
Sprachengesetzes, was letztlich in<br />
eine eidgenössische Volksabstimmung<br />
münden würde.<br />
Ob die Landessprachen aus einer<br />
solchen Abstimmung gestärkt hervorgehen<br />
würden, ist fraglich. Zu <br />
dem besteht die Gefahr, dass die<br />
sprachliche Mehrheit die sprachlichen<br />
Minderheiten überstimmen<br />
würde – mit nachhaltig negativen<br />
Folgen für den nationalen Zusammenhalt,<br />
wie man in anderen mehrsprachigen<br />
Ländern sehen kann, in<br />
denen ein Sprachenstreit tobt.<br />
Es könnte aber auch sein, dass die<br />
Willensnation Schweiz Stärke be <br />
weist und den Landessprachen im<br />
Schulunterricht einen prioritären<br />
Platz einräumt. Denn Englisch<br />
kommt heute auf allen Kanälen zu<br />
den Schülerinnen und Schülern: via<br />
Handy, Musik, Games, soziale<br />
Me dien und Videokanäle im Internet.<br />
Bessere Unterrichtsbedingungen<br />
Die Gretchenfrage lautet daher: Wer<br />
hat die besseren Argumente und<br />
kann diese durch Fakten belegen? In<br />
den Parlamentsdebatten und Abstimmungsargumentarien<br />
tobt ein<br />
richtiger Kampf der Studien. Sind<br />
die Schülerinnen und Schüler nun<br />
über- oder unterfordert? Lernt man<br />
Fremdsprachen besser, wenn man<br />
früher damit beginnt, oder doch<br />
effizienter auf der Oberstufe? Welche<br />
Gruppengrösse ist ideal, um auch die<br />
mündlichen Sprech- und Hörkompetenzen<br />
zu schulen, die heute gleich<br />
wichtig sind wie etwa die korrekte<br />
Schreibweise und das Passé simple?<br />
Auf all diese Fragen hat die evidenzgestützte<br />
Bildungsforschung<br />
keine eindeutigen Antworten. Aber<br />
eine Erkenntnis läuft wie ein roter<br />
Faden durch alle Studien und Evaluationen:<br />
Für das schulische<br />
Fremdsprachenlernen gilt nicht<br />
«weniger ist mehr», sondern «mehr<br />
ist mehr». Das heisst, je mehr Lektionen<br />
im Unterricht zur Verfügung<br />
stehen und je mehr Schuljahre dieser<br />
Unterricht dauert, desto besser<br />
sind die Resultate.<br />
Guter Unterricht hat eine positive<br />
Wirkung auf die Lernleistungen der<br />
Schülerinnen und Schüler in den<br />
Fremdsprachen, kurz: Teaching<br />
matters. Daher verlangt der LCH<br />
seit dem Beginn der Fremdsprachendebatte<br />
bessere Unterrichtsbedingungen,<br />
damit möglichst viele<br />
Lernende davon profitieren können.<br />
Dazu gehören mindestens drei<br />
Wochenlektionen, mehr Halbklassenunterricht<br />
und spezielle Förderungen<br />
für sprachschwache Schülerinnen<br />
und Schüler. Mit direkten<br />
Begegnungen und Austauschprojekten<br />
zwischen den Sprachregionen<br />
kann die Motivation zum Erlernen<br />
einer zweiten Landessprache zudem<br />
deutlich verbessert werden.<br />
Wer bezahlt die private<br />
Nachschulung?<br />
Wer früher mit schulpflichtigen Kindern<br />
von einem Kanton in einen<br />
anderen umziehen musste, weiss,<br />
was es bedeutet, Bekanntschaft mit<br />
einem anderen Schulsystem zu<br />
machen und dann auch noch mit<br />
unterschiedlichen Fremdsprachenkonzepten<br />
konfrontiert zu werden.<br />
Was tun, wenn zwei, drei oder gar<br />
vier Jahre Unterricht in einer Fremdoder<br />
Landessprache fehlen? Wer<br />
bezahlt die private Nachschulung?<br />
Und wie schafft mein Kind den be <br />
vorstehenden Stufenübertritt trotzdem<br />
noch? Nicht von ungefähr<br />
haben im Mai 20<strong>06</strong> 85 Prozent aller<br />
Stimmenden für den schulischen<br />
Harmonisierungsartikel in der Bundesverfassung<br />
gestimmt. Man hatte<br />
damals den Kantönligeist definitiv<br />
satt.<br />
Die Pflicht der Kantone, die schulischen<br />
Strukturen und die Ziele der<br />
Es ist die Pflicht der<br />
Kantone, die schulischen<br />
Strukturen und die<br />
Ziele der Bildungstufen<br />
zu harmonisieren.<br />
Bildungsstufen zu harmonisieren,<br />
ist seit dieser Abstimmung ein verbindlicher<br />
Auftrag an alle Kantone.<br />
Diese sind auch nicht untätig geblieben:<br />
23 von 26 Kantonen haben das<br />
Fremdsprachenmodell 3/5 der EDK<br />
weitgehend umgesetzt. Nur die Kantone<br />
Aargau, Appenzell-Innerrhoden<br />
und Uri haben noch abweichende<br />
Modelle.<br />
Statt den Rückwärtsgang einzulegen<br />
und die erreichte Harmonisierung<br />
wieder zu zerstören, ist es<br />
daher viel gescheiter, die Koordination<br />
im Fremdsprachenbereich zu<br />
Ende zu führen, aber auch die<br />
Unterrichtsbedingungen endlich zu<br />
verbessern und den Fremdsprachenunterricht<br />
von der Selektion für<br />
die Oberstufe zu entkoppeln. Dann<br />
können möglichst viele Kinder mit<br />
Freude ausrufen: Frühenglisch –<br />
«yes, I can», und Frühfranzösisch<br />
– «mais oui!».<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Juni/Juli <strong>2017</strong>49