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Erziehung & Schule<br />
Frühfranzösisch – mais oui!<br />
Sollen Frühenglisch und Frühfranzösisch auf der Primarstufe unterrichtet werden? Und falls ja, in<br />
welcher Reihenfolge, ab welchem Schuljahr und mit wie vielen Wochenlektionen? Sollen die Leistungen<br />
in den Fremdsprachen beim Übertrittsentscheid für die Sekundarstufe I eine wichtige Rolle spielen?<br />
Und wie sind eigentlich die Eltern von diesem nationalen Sprachenstreit betroffen? Ein Plädoyer gegen<br />
den Kantönligeist und für die Willensnation Schweiz. Text: Beat Zemp<br />
«Es ist gescheiter,<br />
die Koordination im<br />
Fremdsprachenbereich<br />
zu Ende zu führen.»<br />
Beat W. Zemp ist Zentralpräsident<br />
des Dachverbands Lehrerinnen<br />
und Lehrer Schweiz (LCH).<br />
Für das schulische<br />
Fremdsprachenlernen gilt<br />
nicht «weniger ist mehr»,<br />
sondern «mehr ist mehr».<br />
Es kommt selten vor, dass<br />
am gleichen Tag zum<br />
gleichen Thema gleich<br />
zwei gewichtige Vorentscheide<br />
fallen: Mit 68 zu<br />
53 Stimmen hat der Thurgauer<br />
Gros se Rat am 3. Mai <strong>2017</strong> beschlossen,<br />
auf eine Gesetzesänderung einzutreten,<br />
welche die Abschaffung<br />
des Frühfranzösisch-Unterrichts an<br />
den Primarschulen verlangt. Damit<br />
würde nur noch Frühenglisch unterrichtet,<br />
die zweite Landessprache<br />
Französisch müsste sich ihren Platz<br />
im bereits stark belasteten Stundenplan<br />
der Sekundarstufe I erkämpfen.<br />
Sehr zum Ärger der Sekundarlehrpersonen<br />
im Kanton Thurgau, die<br />
eine solche Lösung des Sprachenstreits<br />
mehrheitlich ablehnen.<br />
Eine kantonale Volksinitiative im<br />
Kanton Graubünden will ebenfalls<br />
nur noch eine Fremdsprache auf der<br />
Primarstufe, und zwar Englisch für<br />
den deutschsprachigen Kantonsteil<br />
und Deutsch für den rätoromanischen<br />
und italienischen Teil. Diese<br />
Forderung sei diskriminierend für<br />
die Sprachminderheiten und damit<br />
rechtsungültig, entschied der Grosse<br />
Rat. Doch das Bundesgericht korrigierte<br />
diesen Entscheid am 3. Mai<br />
<strong>2017</strong>. Die Fremdspracheninitiative<br />
sei rechtsgültig, weil die Bündner<br />
Primarschulen zusätzliche Fremdsprachen<br />
fakultativ anbieten könnten<br />
und daher keine Diskriminierung<br />
vorliege. Deshalb soll das Volk<br />
darüber abstimmen können. Weitere<br />
ähnliche Abstimmungen sind<br />
auch in den Kantonen Zürich,<br />
Luzern und Baselland vorgesehen.<br />
Rote Linie überschritten!<br />
Sollten die Thurgauer, Zürcher und<br />
Bündner und weitere Kantone tatsächlich<br />
den Unterricht in der zweiten<br />
Landessprache aus der Primarschule<br />
kippen, wäre die rote Linie<br />
überschritten, die Bundesrat Alain<br />
Berset im Namen der Landesregierung<br />
definiert hat – der Sprachenstreit<br />
wäre definitiv auf der nationalen<br />
Ebene angekommen. Der Bund<br />
wäre dann gemäss unserer Verfassung<br />
befugt, verbindliche Regelungen<br />
für alle Kantone zu erlassen, weil<br />
sich diese nicht auf ein einheitliches<br />
Modell einigen konnten.<br />
Das vom Bundesrat favorisierte<br />
Modell sieht vor, dass der Unterricht<br />
in der zweiten Landessprache auf<br />
der Primarstufe einsetzt und durch-<br />
48 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi