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Erziehung & Schule<br />
Eine Norm im Zivilrecht<br />
bestimmt, dass Eltern<br />
die Meinung des Kindes<br />
berücksichtigen müssen.<br />
>>> Kinder vor, so bestimmt die<br />
gleiche Norm, dass die Eltern die<br />
Meinung des Kindes zu berücksichtigen<br />
haben. Da es sich im Bereich<br />
des Glaubens und der Religion um<br />
höchstpersönliche Rechte handelt,<br />
haben die Eltern die gefestigten Entscheidungen<br />
ihrer urteilsfähigen<br />
Kinder zu respektieren.<br />
Hat Edita also nachvollziehbare<br />
Gründe, weshalb sie das Kopftuch<br />
nicht mehr tragen will, und kann sie<br />
die Konsequenzen des Nichttragens<br />
absehen, so sollten die Eltern diesen<br />
Entscheid respektieren. Allerdings<br />
spielen hier nicht nur religiöse, sondern<br />
noch viele weitere Motivationen<br />
hinein. Ein Entscheid gegen den<br />
ausdrücklichen Wunsch der Eltern<br />
kann sich daher in der Realität als<br />
sehr schwierig erweisen.<br />
Wie steht es mit Lunas Wunsch<br />
nach Taufe und Erstkommunion?<br />
Mit der Taufe würde Luna Verpflichtungen<br />
begründen, die die Eltern<br />
mittragen müssten. Daher werden<br />
an Lunas Urteilsfähigkeit höhere<br />
Voraussetzungen gestellt. Wird ihre<br />
Urteilsfähigkeit verneint, ist die<br />
Zustimmung der Eltern notwendig.<br />
Mit Blick auf die zutiefst persönliche<br />
Frage nach Bestehen eines Glaubens<br />
oder dem Bedürfnis, eine Religion<br />
auszuüben, sollten Eltern ihr Entscheidungsrecht<br />
gegenüber dem<br />
geäusserten Willen des Kindes zu <br />
rückhaltend ausüben. Es sollte<br />
zumindest ein im Alltag lebbarer<br />
Kompromiss gefunden werden. Eine<br />
Religionsausübung beziehungsweise<br />
Nichtausübung ohne einen gewissen<br />
Grundkonsens in der Familie dürfte<br />
zu grossen Reibungen und damit zu<br />
ernsthaften Schwierigkeiten führen.<br />
Wenn die Schule ins Spiel kommt …<br />
Das Leben religiöser Riten und Traditionen<br />
in der Familie ist grundsätzlich<br />
vor Eingriffen des Staates<br />
geschützt, soweit die gesunde Entwicklung<br />
des Kindes dadurch nicht<br />
gefährdet wird. Eine andere Ausgangslage<br />
herrscht, wenn etwa Granit<br />
während des Ramadans den<br />
Sportunterricht nicht besucht oder<br />
der Lehrerin zur Begrüssung den<br />
Handschlag verweigert; wenn Edita<br />
nicht ins Schulschwimmen gehen<br />
oder das Kopftuch in der Schule tragen<br />
will.<br />
Die Schule steht dabei in einem<br />
Spannungsfeld: Einerseits ist sie verpflichtet,<br />
die in der Bundesverfassung<br />
garantierte Glaubens- und<br />
Gewissensfreiheit zu respektieren<br />
(siehe Box rechts unten), anderseits<br />
hat sie einen Bildungsauftrag. Bildungsziele<br />
enthalten nicht nur den<br />
Erwerb von Fachkenntnissen in<br />
Deutsch und Mathematik, sondern<br />
sie umfassen auch das Vermitteln<br />
von demokratischen Grundsätzen<br />
und gesellschaftlichen Werten. In<br />
manchen Volksschulgesetzen basieren<br />
diese Werte auf christlichen<br />
Grundsätzen. In den meisten Kantonen<br />
herrscht eine staatliche Neutralität<br />
vor, der eine offene Haltung<br />
für verschiedene Weltanschauungen<br />
und Glaubensbekenntnisse zugrunde<br />
liegt. Nur wenige Kantone wie<br />
etwa Genf oder Neuenburg kennen<br />
laizistisch orientierte Traditionen,<br />
die auf eine strenge Trennung von<br />
Kirche und Staat achten.<br />
Stossen nun Schulregeln oder Bildungsinhalte<br />
mit religiös motivierten<br />
Verhaltensweisen von Schülern<br />
zusammen, versucht die Schule,<br />
zusammen mit den Eltern und den<br />
betroffenen Kindern einen Konsens<br />
zu finden. Unumstritten ist etwa die<br />
Praxis, bei wichtigen religiösen Festen<br />
Dispensen für einzelne Tage zu<br />
erteilen. Ebenfalls soll während des<br />
Ramadans im Sportunterricht auf<br />
fastende Jugendliche Rücksicht<br />
genommen werden.<br />
Dennoch hatte das Schweizer<br />
Bundesgericht gewisse Fragen zu<br />
entscheiden: Im Jahr 2008 hat es<br />
zum Beispiel erwogen, dass die Integration<br />
einer Schülerin in den<br />
Unterricht einer Dispensation vom<br />
Schwimm unterricht vorgeht. Weiter<br />
entschied es im Dezember 2015,<br />
dass ein Kopftuchverbot für eine<br />
Schülerin ein weitreichender Eingriff<br />
in ihre Religionsfreiheit wäre<br />
und kein öffentliches Interesse dies<br />
Das gilt in der Schweiz<br />
Die Glaubens- und<br />
Gewissensfreiheit umfasst<br />
sowohl die (innere) Freiheit,<br />
zu glauben, nicht zu glauben<br />
oder seine religiösen<br />
Anschauungen zu ändern,<br />
als auch die (äussere)<br />
Freiheit, entsprechende<br />
Überzeugungen innerhalb<br />
gewisser Schranken zu<br />
äussern, zu praktizieren<br />
und zu verbreiten oder sie<br />
nicht zu teilen.<br />
46 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi