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06-07/2017

Fritz + Fränzi

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Ich finde das traurig. Wenn das<br />

gemeinsame Mahl ein schönes,<br />

wichtiges Ritual ist, nimmt sich auch<br />

ein hungriges Kind um sechs nur<br />

eine Kleinigkeit und wartet gerne,<br />

bis dann um halb acht alle essen –<br />

weil es dieses Ereignis nicht missen<br />

möchte. Dabei geht es dann ums<br />

Erzählen, ums Zuhören, also um<br />

Kommunikation, und ja, auch ums<br />

Essen, aber das passiert eher nebenbei<br />

und wird nicht übertrieben zelebriert.<br />

Wie sollten Eltern reagieren, wenn die<br />

13-jährige Tochter beschliesst, sie<br />

müsse jetzt abnehmen, weil sie zu<br />

dick sei?<br />

Zunächst einmal guckt man sich die<br />

Situation faktisch an. Die Mutter<br />

einer 13-Jährigen sollte wissen, ob<br />

ihre Tochter 50, 60 oder 70 Kilo<br />

wiegt. Erstrebenswert ist in diesem<br />

Alter etwa ein BMI von 20. Ist das<br />

Mädchen wirklich zu dick, sagt man<br />

ihm: Du, wir kriegen das gemeinsam<br />

hin, wir kochen etwas kohlenhydratärmer,<br />

und ich mache uns einfach<br />

mehr Salate. Am besten zieht<br />

die ganze Familie mit. Auch hier gilt:<br />

Das Ganze sollte so normal wie möglich<br />

gehandhabt werden. Auch bei<br />

jüngeren Kindern, die zu dick sind,<br />

kann so eine Veränderung des Angebots<br />

schnell Abhilfe schaffen. Das<br />

liegt in der Hand der Eltern, ebenso<br />

wie die Entscheidung, dass es dann<br />

mal bis auf Weiteres nur einmal pro<br />

Woche ein Dessert gibt.<br />

Viele Teenager sind gar nicht zu dick,<br />

aber dennoch vom Gedanken des<br />

Abnehmens besessen.<br />

Auch hier gucke ich mir als Elternteil<br />

das Kind selbst und seinen BMI an.<br />

«Gemeinsame<br />

Mahlzeiten sind<br />

für die gesunde<br />

Essentwicklung<br />

enorm wichtig.»<br />

Liegt der bei 18, bin ich besonders<br />

aufmerksam und stelle das Kind einmal<br />

die Woche auf die Waage. Ab<br />

einem BMI von 16 muss man Klartext<br />

reden und handeln. Dann muss<br />

dem Kind gesagt werden: Wir gucken<br />

ab jetzt nicht mehr zu, wie du dich<br />

kaputthungerst, wir holen jetzt Hilfe<br />

von ausgebildeten Menschen dazu.<br />

Niemand hat ein Problem damit, seinem<br />

Sohn oder seiner Tochter zu<br />

sagen, dass es auf keinen Fall ein<br />

Piercing oder weiche Drogen gibt,<br />

aber beim Essen stellen wir uns alle<br />

irgendwie an.<br />

Vielleicht, weil es dazu so viele widersprüchliche<br />

Informationen gibt?<br />

Das mag sein. Doch es ist wichtig,<br />

dass Eltern gleichzeitig verstehen,<br />

dass die Essentwicklung ein ganz<br />

normaler Teil der Kindesentwicklung<br />

ist, so wie die motorisch-sportliche,<br />

die schulisch-intellektuelle<br />

oder emotional-moralische auch.<br />

Der Einfluss, den die Eltern und alle<br />

Familienmitglieder auf diese Entwicklung<br />

haben, ist enorm, nimmt<br />

aber mit zunehmendem Alter langsam<br />

ab. Je mehr ich für mich selbst<br />

geklärt habe, wer ich bin und was ich<br />

esse, desto einfacher wird die autonome<br />

Essentwicklung des Kindes.<br />

Eine Mutter, die sich beim Essen<br />

entschuldigt und erklärt, dass sie<br />

heute nur Salat essen dürfe, und ein<br />

Vater, der vorrechnet, dass er die<br />

ganze Woche nur drei Scheiben<br />

Wurst hatte und dafür heute zwei<br />

Schnitzel darf – das sind die besten<br />

Voraussetzungen dafür, dass das<br />

Kind ein kompliziertes Verhältnis zu<br />

Nahrungsmitteln entwickelt.<br />

>>><br />

Zur Person<br />

Marguerite Dunitz-Scheer ist Professorin für<br />

Kinderheilkunde und Leiterin der Psychosomatischen<br />

Kinder- und Jugendstation an der Universitätsklinik<br />

Graz. Die Expertin für Essstörungen und<br />

sonderernährte Kinder hat sechs Kinder und sieben<br />

Enkelkinder. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie das<br />

Buch «Jenseits von dick und dünn: Kochen – Essen<br />

– Familie. Der etwas andere Ratgeber. Mit vielen<br />

praktischen Beispielen und Rezepten» geschrieben.<br />

Mehr unter www.notube.com<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Juni/Juli <strong>2017</strong>37

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