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Monatsinterview<br />
>>> denen es bestimmte Dinge<br />
absolut nicht isst, muss man sich<br />
keine Sorgen machen – bei einer einfach<br />
gemischten Kost gleicht sich das<br />
über Wochen und Monate wieder<br />
aus. Noch einmal: Die Kost sollte so<br />
ausgewogen wie möglich sein.<br />
Wie schaffe ich das?<br />
Indem ich nicht nur ein Lebensmittel<br />
auf den Tisch bringe, sondern<br />
verschiedene. Und dem Kind die<br />
Wahl lasse. Vielleicht will es nur zwei<br />
oder drei der angebotenen Sachen,<br />
aber das ist total in Ordnung. Warum<br />
sollten Kinder da anders sein als wir?<br />
Wir suchen uns ja auch das aus, was<br />
uns schmeckt. Ich kann nicht steuern,<br />
was das Kind sich aussucht, aber<br />
ich kann sehr wohl steuern, worin<br />
die Auswahl besteht.<br />
Darf das Kind dann auch beim Einkaufen<br />
aussuchen, was es essen<br />
möchte?<br />
Das ist ein zweischneidiges Schwert.<br />
Zum einen: Eltern sollten ihre Kinder<br />
auf jeden Fall mitnehmen zum<br />
Einkaufen. Allerdings würde ich mit<br />
Kindern vor allem auf Märkte gehen.<br />
Dort kann eigentlich nichts schiefgehen.<br />
Auf so einem grossen Bauernmarkt<br />
sieht ein Kind die Äpfel<br />
neben den Tomaten und den Eiern,<br />
die Salate, die Käsesorten, das Fleisch<br />
«Eltern sollten mit<br />
Kindern häufig<br />
auf Bauernmärkte<br />
gehen. So ein<br />
Einkauf hat<br />
etwas ungeheuer<br />
Sinnliches.»<br />
im Metzgerwagen. Es erlebt die jahreszeitlichen<br />
Variationen. So ein<br />
Einkauf hat einen ungeheuer sinnlichen<br />
Aspekt, ich empfehle, das so oft<br />
wie möglich zu machen, auf alle Fälle<br />
einmal wöchentlich.<br />
Marguerite Dunitz-Scheer über ...<br />
... bio: Grundsätzlich ist jede Nahrung so<br />
naturbelassen wie möglich einzukaufen<br />
und so wenig verarbeitet wie möglich zu<br />
konsumieren. Je mehr Konservierungsstoffe<br />
ein Produkt hat, umso eher lasse ich<br />
die Finger davon – ausser wenn ich mich<br />
für eine Südpolexpedition ausrüste.<br />
... vegan: Das ist für mich eine extreme<br />
Form der Ernährung, von der ich Eltern<br />
von heranwachsenden Kindern abrate.<br />
Eltern, die ihr Kind streng vegan ernähren<br />
möchten, sollten auf jeden Fall einen<br />
Diätologen konsultieren und darauf<br />
achten, dass die Eiweissversorgung<br />
sichergestellt ist.<br />
... vegetarisch: Kinder können pro blemlos<br />
mit einer vegetarischen Ernährung aufwachsen,<br />
sie ist eiweissreich und enthält<br />
genügend Kalzium. Vegetarische Kost<br />
kann fantastisch geschmackvoll sein, aber<br />
Haben Sie noch einen Tipp?<br />
Man sollte es, so gut es geht, vermeiden,<br />
gerade jüngere Kinder mit in<br />
einen Supermarkt zu nehmen, der ja<br />
von Haus aus auf Verführung angelegt<br />
ist. Ich bin dort diejenige, welche<br />
die Auswahl aktiv beeinflusst. Die<br />
Kinder dürfen sich bei der Auswahl<br />
der Joghurts und Müeslis austoben.<br />
Meine Kinder wussten immer, dass<br />
ich keine Süssigkeiten kaufe. Wir<br />
hatten nie welche zu Hause, weil mir<br />
klar war, dass sie genug unterwegs<br />
bekommen, bei Freunden, an Geburtstagspartys<br />
oder wenn wir auf<br />
Reisen waren. Das genügt vollkommen.<br />
Also habe ich nie etwas gekauft,<br />
von dem ich nicht wollte, dass meine<br />
Kinder es essen.<br />
Sehr diszipliniert.<br />
Ich halte das für eine sinnvolle Herangehensweise.<br />
So erspart man sich<br />
unzählige Debatten und anstrengende<br />
Situationen. Am schlimmsten<br />
finde ich Süssigkeiten-Belohnungsschubladen.<br />
Denn dann fängt man<br />
an, Essen in gutes und schlechtes<br />
einzuteilen, und dabei sind plötzlich<br />
leider muss man erst nach Indien reisen,<br />
um das im Alltag zu erleben.<br />
... Geschmack: Ein Schweizer Kind<br />
kann meist mit zwölf Monaten zehn verschiedene<br />
Geschmäcker unterscheiden,<br />
ein französisches vierzig. Während<br />
Schweizer und deutsche Restaurants<br />
eigens Menüs mit angeblich kinderkompatiblen<br />
Fischstäbchen, Pommes und<br />
Spaghetti mit Tomatensauce auf die Karte<br />
setzen, liegt der Gedanke eines speziellen<br />
Kinderessens Eltern in vielen anderen Kulturen<br />
völlig fern. Indische Kinder wachsen<br />
zum Beispiel mit sehr würzigen Speisen<br />
auf, der Nachwuchs von Eskimos mit<br />
rohem Fisch, und in Israel essen selbst<br />
die Kleinsten schon geschmacksintensiven<br />
Hummus, Falafel und Oliven. Weil sie<br />
es von den Grossen so kennen.<br />
die ungesunden Sachen die erstrebenswerten.<br />
Der Klassiker: Komm,<br />
jetzt iss noch was von den Nudeln<br />
und dem Brokkoli, dann gibts<br />
danach auch die Schokolade. Wer<br />
Essen hierarchisiert, sorgt dafür, dass<br />
es schnell begehrte Lieblinge und<br />
einen Kampf darum gibt. Wenn Sie<br />
diese Belohnungsstrategien einmal<br />
anfangen, haben Sie verloren und<br />
sind erpressbar. Ganz zu schweigen<br />
davon, dass ein Kind so kein vernünftiges<br />
Verhältnis zu Nahrungsmitteln<br />
aufbauen kann.<br />
Welche Rolle spielen gemeinsame<br />
Mahlzeiten für die Essentwicklung?<br />
Da treffen Sie einen Nerv, denn der<br />
aktuelle Zustand ist eine Katastrophe.<br />
Eine gemeinsame Mahlzeit am<br />
Tag in einer Familie – das muss man<br />
doch mit ein bisschen Organisationstalent<br />
schaffen! Aber nein, einer<br />
isst um fünf, der andere um sechs,<br />
der Dritte abends um neun, wenn er<br />
endlich nach Hause kommt. Recht<br />
häufig ist, dass die Kinder um sechs<br />
essen und die Eltern dann allein um<br />
acht, wenn die Kinder im Bett sind.<br />
36 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi