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06-07/2017

Fritz + Fränzi

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Fr. 7.50 6/Juni 7/Juli <strong>2017</strong><br />

Kämpfe am Esstisch<br />

Warum kein Kind<br />

gezwungen werden<br />

sollte, Gemüse zu essen<br />

Nach der Trennung<br />

Was passiert, wenn die<br />

Kinder beim Vater<br />

bleiben?<br />

JUBILÄUM<br />

125.<br />

Ausgabe<br />

Fritz+Fränzi<br />

Pflegefamilien<br />

Eltern<br />

auf Zeit


RAUM<br />

FAHRT<br />

ŠKODA SUPERB ab 25’950.–<br />

Platz und Komfort: Erleben Sie den Unterschied<br />

Welch ein Raumgefühl, welch ein Auftritt! Mit seinem luxuriösen Platzangebot bietet der<br />

ŠKODA SUPERB aussergewöhnlichen Komfort für die ganze Familie. Mit dem modernen<br />

4x4-Antrieb sind Sie auf jedem Terrain und bei jeder Witterung sicher und souverän unterwegs.<br />

Und die cleveren Fahrerassistenzsysteme machen jede Reise zum erholsamen Erlebnis. Auch<br />

der unschlagbare Preis sorgt für Entspannung, so wie Sie es vom vielfachen Preis-Leistungs-<br />

Sieger ŠKODA kennen. ŠKODA. Made for Switzerland.<br />

ŠKODA SUPERB Combi Active 1.4 l TSI, 125 PS, 6-Gang manuell, 27’950.– abzüglich Vertragsprämie 2’000.– = 25’950.–. 5.6 l/100 km*, 129 g CO2/km* (134 g Ø<br />

Neuwagen), 28 g CO2/km* Energie-Bereitst., Kat.: E*. Abgebildetes Fahrzeug: ŠKODA SUPERB Combi SportLine 2.0 l TSI, 220 PS, 6-Gang DSG, Lackierung Moon<br />

Weiss, 47’120.– abzüglich Vertragsprämie 2’000.– = 45’120.–. 6.5 l/100 km*, 147 g CO2/km* (134 g Ø Neuwagen), 33 g CO2/km* Energie-Bereitst., Kat.: F*. Vertragsprämie<br />

gültig für alle Neu- und Lagerfahrzeuge. Angebot gültig für Vertragsabschlüsse bis 30.<strong>06</strong>.<strong>2017</strong>. Alle Preise unverbindliche Empfehlung des Importeurs.<br />

* Provisorische Werte, Homologation in der Schweiz noch nicht abgeschlossen.


Editorial<br />

Bild: Geri Born<br />

Nik Niethammer<br />

Chefredaktor<br />

«Wir glauben immer noch,<br />

eine erfolgreiche<br />

Lebens bewältigung hänge von<br />

Wissen und Fertigkeiten ab.<br />

In der Vergangenheit war dies<br />

zweifelsohne der Fall, das gilt<br />

aber nicht für die Zukunft.»<br />

Remo Largo, Frit+Fränzi, September 2001.<br />

Liebe Leserin, lieber Leser<br />

«Fritz und Fränzi sind schulpflichtige Kinder. Hausaufgaben, Lernschwächen,<br />

Sackgeld, Gewalt, Drogenkonsum, Freizeitgestaltung, Ernährung – was vom<br />

ersten Schultag bis zur 9. Klasse Thema werden kann, sind die Inhalte dieses<br />

neuen Magazins.» Mit diesen Worten begrüsste Ellen Ringier, Präsidentin der<br />

Stiftung Elternsein und Herausgeberin von Fritz+Fränzi, die Leserinnen und<br />

Leser der ersten Ausgabe. Das war im September 2001.<br />

Die Kernaussage der Titelgeschichte («Armutsrisiko Kinder. Was sie<br />

kosten, fordern und verprassen») lautete: «Ein Teenager kostet rund<br />

700 Franken im Monat.» (Heute betragen die direkten Kinderkosten<br />

laut Bundesamt für Statistik bei Paaren mit einem Kind durchschnittlich<br />

sogar 942 Franken pro Monat.) Weitere Themen im ersten Heft:<br />

«Buben sind anders, Mächen auch. Sind diese Unterschiede vererbt<br />

oder anerzogen?». (In der modernen Verhaltensforschung geht man<br />

davon aus, dass jegliches Verhalten eine genetische Grundlage hat und<br />

gleichzeitig durch Umwelteinflüsse moduliert wird.) Und der Kinderarzt<br />

Remo Largo prangerte den Leistungsdruck an, der von der Schule<br />

und den Eltern ausgeht. (In diesen Tagen hat Largo<br />

sein neustes Buch veröffentlicht: «Das passende<br />

Leben. Was unsere Identität ausmacht und wie wir<br />

sie leben können». Seine Kritik an der Bildungspolitik<br />

ist ungebrochen: Sie sei eine Planwirtschaft,<br />

die Ziele durchsetze, wie etwa den Lehrplan 21<br />

oder Frühfranzösisch – obwohl das den Kindern<br />

nicht entspreche. «Deshalb leiden schon Jugendliche<br />

an Burnout», so Largo.<br />

Mit diesem Heft halten Sie die 125. Ausgabe von Fritz+Fränzi<br />

in den Händen. Die Themen, die Eltern von schulpflichtigen<br />

Kindern während den letzten 16 Jahren umtrieben, sind weitgehend<br />

dieselben geblieben. Einzig die Herangehensweise hat<br />

sich im Lauf der Jahre verändert. Heute ist der Wunsch nach Meinung, Erklärung<br />

und Analyse, die Sehnsucht nach Einordnung so gross wie nie. Wir betreiben<br />

keine Problembewirtschaftung, erheben nie den Zeigefinger, versprechen keine<br />

schnelle Lösung. Wir versuchen ernsthaft, sorgfältig und nachhaltig zu recherchieren,<br />

nehmen Sie, liebe Leserin, lieber Leser, ernst und versuchen bei jedem<br />

noch so schwierigen Thema eine Botschaft zu vermitteln: Bei aller Anstrengung<br />

macht es grosse Freude, Eltern zu sein.<br />

Im Namen von Verlag und Redaktion danke ich Ihnen herzlich für Ihr Interesse<br />

und Ihre Treue. Mit dieser Doppelnummer wünsche ich Ihnen viel Lesevergnügen.<br />

Die nächste Ausgabe von Fritz+Fränzi erscheint am 15. August. Bis dahin<br />

angenehme Tage. Kommen Sie gut durch den Sommer. Und bleiben Sie munter.<br />

Herzlichst – Ihr Nik Niethammer<br />

Fritz+Fränzi 1/2001<br />

Thema: Armutsrisiko Kinder<br />

Nach der Erstausgabe<br />

im September 2001<br />

erschien im Dezember<br />

die zweite Ausgabe.<br />

Bis 2009 waren es jeweils<br />

sechs Hefte pro Jahr,<br />

seit 2010 sind es zehn.<br />

850 Lehrstellen in 25 Berufen | www.login.org


Inhalt<br />

Ausgabe 6/Juni 7/Juli <strong>2017</strong><br />

Viele nützliche Informationen finden Sie auch auf<br />

fritzundfraenzi.ch und<br />

facebook.com/fritzundfraenzi.<br />

Psychologie & Gesellschaft<br />

40 Oh du lange Ferienzeit<br />

Die wenigsten Eltern haben 13 Wochen<br />

Ferien im Jahr. Sie sehen sich in dieser<br />

Zeit mit einem Betreuungsnotstand<br />

konfrontiert. Ein Lösungsansatz.<br />

Augmented Reality<br />

Dieses Zeichen im Heft bedeutet, dass Sie digitalen Mehrwert<br />

erhalten. Hinter dem ar-Logo verbergen sich Videos und<br />

Zusatzinformationen zu den Artikeln.<br />

10<br />

Dossier: Pflegefamilien<br />

10 In guten Händen<br />

In der Schweiz wohnen 15 000 Kinder<br />

nicht bei ihren Eltern. Wie lebt es sich in<br />

einer Pflegefamilie? Eine Annäherung.<br />

18 Wie werden wir Pflegeeltern?<br />

Sowohl Paare als auch Einzelpersonen<br />

können sich um ein Pflegekind bemühen.<br />

Dafür müssen sie aber einige<br />

Bedingungen erfüllen.<br />

Bild: Gabi Vogt / 13 Photo<br />

30 Wie die Pflege gelingt<br />

Wenn Kinder ihre Eltern verlassen müssen,<br />

ist das eine Katastrophe, weiss Irmela<br />

Wiemann. Wie diese überwunden wird,<br />

sagt die Familientherapeutin im Interview.<br />

Cover<br />

Lilly Kahler und<br />

Roger Gyger freuen<br />

sich über Shana –<br />

seit jenem Tag, an<br />

dem das Mädchen<br />

zu ihnen kam.<br />

Bilder: Gabi Vogt / 13 Photo, Regina Hügli / 13 Photo, Herbert Zimmermann / 13 Photo<br />

4


JUBILÄUM<br />

125.<br />

Ausgabe<br />

Fritz+Fränzi<br />

32<br />

56<br />

70<br />

Marguerite Dunitz-Scheer, müssen unsere<br />

Kinder mehr Gemüse essen?<br />

Bradie und Quentin leben beim Vater. Geht<br />

das gut? Sehr sogar, sagen die Buben.<br />

Fritz+Fränzi: ein Magazin und seine<br />

Erfolgsgeschichte.<br />

Erziehung & Schule<br />

38 Feriengrüsse<br />

Ob mit einer Postkarte oder einer<br />

Einladung zur Gartenparty, der<br />

Sommer bietet viele Möglichkeiten<br />

für Kinder, das Schreiben zu üben.<br />

44 Eine Glaubensfrage<br />

Welcher Religion Kinder angehören,<br />

bestimmen in den ersten Jahren die<br />

Eltern.<br />

48 Sprachenstreit<br />

Bei der Frage, ob Frühfranzösisch<br />

sinnvoll ist, scheiden sich die Geister.<br />

Beat Zemp vom LCH hat da eine<br />

ganz klare Meinung.<br />

50 Förderbedarf<br />

Wie lernschwachen Schülern in<br />

einer Regelklasse geholfen wird.<br />

56 «Wir wollen bei Papi wohnen!»<br />

Was ist, wenn die Kinder nach<br />

der Trennung beim Vater bleiben?<br />

Ein Hausbesuch.<br />

70 Zum 125. Mal Fritz+Fränzi<br />

Ellen Ringier über ihr Herzensprojekt.<br />

Digital & Medial<br />

80 Bibliotheken 2.0<br />

Laut der aktuellen JAMES-Studie<br />

gehen bei uns nur zwei Prozent der<br />

Jugendlichen in eine Bibliothek.<br />

Wirklich? Wir haben nachgefragt.<br />

84 Die Sache mit dem Smartphone<br />

Viele Kinder können sich kaum vom<br />

Handy lösen. Viele Eltern auch nicht –<br />

sagen ihre Kinder. Das sollte sich<br />

ändern.<br />

Rubriken<br />

03 Editorial<br />

<strong>06</strong> Entdecken<br />

32 Monatsinterview<br />

Familien müssten zurückfinden<br />

zu einem gesunden Ernährungsstil,<br />

sagt die Ernährungsexpertin<br />

Marguerite Dunitz-Scheer.<br />

42 Jesper Juul<br />

Der Familientherapeut über die<br />

Signale unserer Kinder – und<br />

wie wir diese richtig deuten.<br />

54 Fabian Grolimund<br />

Sollen wir unsere Kinder<br />

belohnen?<br />

66 Leserbriefe<br />

68 Michèle Binswanger<br />

Unsere Kolumnistin über eine<br />

Verfehlung ihres Sohns.<br />

90 Eine Frage – drei Meinungen<br />

Ein Kind leidet unter der Abwesenheit<br />

des Vaters. Was könnte ihm helfen?<br />

Service<br />

68 Verlosung<br />

77 Abo<br />

86 Unser Wochenende in ...<br />

… Liechtenstein<br />

88 Sponsoren/Impressum<br />

89 Buchtipps<br />

Die nächste Ausgabe erscheint<br />

am 15. August <strong>2017</strong>.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Juni/Juli <strong>2017</strong>5


Entdecken<br />

Flinke Musiker<br />

Ein Musikinstrument zu spielen,<br />

trainiert das Reaktionsvermögen.<br />

Forscher der kanadischen<br />

Université de Montréal<br />

unterzogen 16 langjährige Musiker<br />

und 19 Nichtmusiker einem<br />

Reaktionstest. Sie mussten so<br />

schnell wie möglich die Maustaste<br />

am PC klicken, sobald in<br />

der anderen Hand ein Summer<br />

vibrierte, es vor ihnen piepste<br />

oder beides. In allen Fällen<br />

schalteten die Musiker flinker.<br />

3 FRAGEN<br />

an Urs Rietmann<br />

«Wir sind keine Playstation»<br />

Das Kindermuseum Creaviva im Zentrum Paul Klee in Bern hat vor<br />

Kurzem seinen 100 000. Besucher gefeiert. Inwiefern sich die Ansprüche<br />

der jungen Kunstinteressierten seit den Anfängen des Creaviva verändert<br />

haben, weiss Museumsleiter Urs Rietmann.<br />

Interview: Evelin Hartmann<br />

Urs Rietmann, was erwartet junge Besucher im Creaviva?<br />

Wir sind ein Ort lebendiger Kreativität. Unterschiedliche Angebote sollen<br />

inspirierende Ausflüge in die Welt der Kunst ermöglichen. Im offenen<br />

Atelier beispielsweise können unsere Gäste unter der Anleitung einer<br />

Kunstvermittlerin jeden Tag selber kreativ werden.<br />

Kürzlich konnten Sie den 100 000. Knirps in einem Schulworkshop<br />

begrüssen. Wie haben sich die Ansprüche Ihrer Zielgruppe im Laufe<br />

der Zeit verändert?<br />

Wir stellen über die Jahre eine Verschiebung der Erwartungshaltung fest:<br />

weg vom eigenen Tun, hin zum Konsum. Viele Kinder, aber auch Erwachsene<br />

sind unverbindlich, lustbetont und unterhaltungsfixiert. Als wären wir<br />

eine Playstation. Wir gehen einen etwas anderen Weg. Gleichzeitig sind<br />

unsere Gäste dann aber doch begeistert, wie viel Spass ihnen das eigene<br />

schöpferische Schaffen machen kann, beispielsweise in einem Ferienkurs.<br />

Sind denn noch Plätze frei im Ferienprogramm?<br />

Absolut! Das offene Atelier steht jeden Tag drei Mal ohne Voranmeldung<br />

offen, ebenso unsere kostenlosen interaktiven Angebote. Auch in unseren<br />

Ferienkursen sind noch Plätze zu haben.<br />

www.creaviva-zpk.org<br />

2016 wurden insgesamt 71 Masern-Fälle<br />

in der Schweiz gemeldet. Im April des<br />

aktuellen Jahres war die Zahl bereits bei 69.<br />

(Quelle: Beitrag «Masern in der Schweiz stark auf dem Vormarsch»<br />

von tagesanzeiger.ch)<br />

Digitale Nachtschwärmer<br />

Einer von fünf Jugendlichen wacht<br />

offenbar nachts regelmässig auf, um<br />

in den sozialen Medien Nachrichten<br />

zu checken und zu senden. Dies ergab<br />

eine britische Studie. Hierfür<br />

befragten Psychologen mehr als<br />

900 Schülerinnen und Schüler<br />

zwischen 12 und 15 Jahren nach<br />

ihren Schlafgewohnheiten und der<br />

Zufriedenheit mit ihrem Leben.<br />

Die nachtaktiven Social-Media-<br />

Fans hatten eine dreimal höhere<br />

Wahrscheinlichkeit, sich tagsüber<br />

müder, unwohler und unzufriedener zu<br />

fühlen als ihre durchschlafenden Altersgenossen.<br />

Bilder: Kindermuseum Creaviva, Stephan Rappo / 13 Photo<br />

6 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Noé Hürlimann,<br />

Bio-Nachwuchsbauer<br />

aus Damphreux.<br />

Für die Liebe zur Natur.<br />

Naturaplan steht für echten und natürlichen Genuss. Denn jedes Naturaplan-Produkt ist wie ein Kuss von<br />

Mutter Natur. Als Bio-Pioniere lancierten wir 1993 die erste Bio-Marke des Schweizer Detailhandels. Heute<br />

bietet Naturaplan das grösste Bio-Sortiment der Schweiz. Und das wird auch in Zukunft so bleiben. Dafür<br />

stehen wir zusammen mit den nächsten Generationen von Bio-Bauern. Für die Liebe zur Natur.<br />

www.naturaplan.ch<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Juni/Juli <strong>2017</strong>7


Entdecken<br />

Ein Tag für die Familie<br />

Wie fährt sich eigentlich ein Elektroauto?<br />

Noch nie am Steuer gesessen? Dann sollten<br />

Sie in den Ferien einen Ausflug nach<br />

Spreitenbach einplanen. In der Umweltarena<br />

finden vom 15. Juli bis 20. August<br />

die Family Days mit einem gros sen Indoor-<br />

Parcours statt. Neben den Neuheiten<br />

auf dem Elektroauto-Markt stehen hier<br />

auch Tret-Karts, E-Bikes, E-Scooter und<br />

Kickboards für die jüngeren Besucher<br />

bereit. Diese dürfen sich ausserdem über<br />

Führungen durch die Ausstellung «Der<br />

Dachs, der bekannte Unbekannte» und eine<br />

Bastelwerkstatt freuen.<br />

Alle Infos auf www.umweltarena.ch<br />

Abtauchen in die digitale Welt Wie programiere ich? Was sind<br />

Algorithmen und digitale Tools? Laut einiger namhafter Experten sind dies die Fertigkeiten<br />

und Begriffe, die unsere Kinder in Zukunft brauchen werden. Digitalswitzerland bietet in<br />

seiner Initiative «nextgeneration» Sommercamps an, in denen Kinder und Jugendliche<br />

digitale Kompetenzen erwerben und vertiefen sollen. Und nicht nur das, die jungen<br />

Teilnehmer sollen ebenso in Problemlösung, Kommunikation, Teamarbeit und Leadership<br />

geschult werden. Natürlich altersgerecht und spielerisch. Schliesslich sind Ferien.<br />

Alle Infos und Preise auf www.digitalswitzerland.com<br />

«Meine Eltern konnten mich im<br />

Gymnasium auch nicht selber<br />

unterstützen und mussten sich Hilfe<br />

organisieren. Wenn dies für Eltern<br />

nicht möglich ist, stehen der Staat,<br />

die Schulen in der Pflicht.»<br />

Silvia Steiner in einem Interview auf tagesanzeiger.ch über die hohe<br />

Durchfallquote in der Probezeit an manchen Zürcher Gymnasien.<br />

Silvia Steiner ist<br />

Bildungsdirektorin des<br />

Kantons Zürich und<br />

Mitglied der CVP.<br />

Kultige Agenda<br />

Was ist «Nacht-Golf»? Wie<br />

reitet man ein Pferd trotz<br />

Sehbehinderung? Und was<br />

sind eigentlich die beliebtesten<br />

Sportarten junger<br />

Schweizerinnen und Schweizer?<br />

Die neue Pestalozzi-<br />

Agenda ist auf dem Markt,<br />

das Thema zum Schuljahr<br />

<strong>2017</strong>/18: Sport, in all seinen Facetten. Von spannenden<br />

Sportler-Porträts über Ernährung und Gesundheit bis<br />

hin zu mehr Bewegung im Alltag. Der kultige Schülerkalender<br />

begleitet Jugendliche seit Generationen<br />

durch den Schulalltag und ist für rund 16 Franken<br />

in den meisten Buchhandlungen zu haben.<br />

www.pestalozziagenda.ch<br />

Bilder: Digital Switzerland, Umweltarena.ch, ZVG<br />

8 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Rubrik<br />

DER NEUE TOYOTA<br />

PROACE VERSO<br />

RAUM UND SICHERHEIT<br />

FÜR IHRE FAMILIE. AB CHF 33’600.– *<br />

TOYOTA.CH<br />

OB FÜR DIE FAHRT IN DIE FERIEN ODER FÜR EINEN GROSSEINKAUF – DER NEUE TOYOTA PROACE<br />

BIETET IHNEN UND IHRER FAMILIE GENAU DEN RAUM, DEN SIE SICH SCHON IMMER GEWÜNSCHT<br />

HABEN. DIE KOMPLETTE SICHERHEITSAUSSTATTUNG UND INTELLIGENTE DETAILS, WIE<br />

BEISPIELSWEISE DER FUSSSENSOR ZUM ÖFFNEN DER ELEKTRISCHEN SCHIEBETÜRE , MACHEN<br />

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* Empf. Netto-Verkaufspreis nach Abzug der Cash-Prämie, inkl. MwSt. Proace Verso L0 Shuttle, 2,0 D-4D, M / T, 110 kW, Ø Verbr. 5,3 l / 100 km ( Benzinäquivalent 5,9 l / 100 km ), CO ₂ 139 g / km, CO ₂–Emissionen aus Treibstoff- und / oder<br />

Strombereitstellung 23 g / km, En.-Eff. D, CHF 37’600.– abzgl. CHF 4’000.– Cash-Prämie = CHF 33’600.–. Abgebildetes Fahrzeug : Proace Verso L1 Family, 2,0 D-4D, M / T, 110 kW, Ø Verbr. 5,3 l / 100 km ( Benzinäquivalent 5,9 l / 100 km ),<br />

CO Das ₂ 139 Schweizer g / km, CO ₂–Emissionen ElternMagazin aus Treibstoff- Fritz+Fränzi<br />

und / oder Strombereitstellung Juni/Juli <strong>2017</strong>9<br />

23 g / km, En.-Eff. C, CHF 47’400.– abzgl. CHF 4’000.– Cash-Prämie = CHF 43’400.–. Ø CO ₂-Emission aller in der Schweiz immatrikulierten Fahrzeugmodelle :<br />

134 g / km. Die Verkaufsaktionen sind gültig für Vertragsabschlüsse mit Inverkehrsetzung vom 1. Mai <strong>2017</strong> bis 30. Juni <strong>2017</strong> oder bis auf Widerruf. Die Abbildung zeigt aufpreispflichtige Optionen.


In guten<br />

Händen<br />

In der Schweiz leben rund 15 000 Kinder in<br />

Pflegefamilien und Heimen. Wer sind sie?<br />

Warum wachsen sie nicht bei Vater und Mutter<br />

auf? Und wie fühlt sich das an: Eltern auf Zeit?<br />

Eine Spurensuche.<br />

Text: Bettina Leinenbach Bilder: Gabi Vogt / 13 Photo<br />

10 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Weil sich ihr Sohn<br />

nach der Scheidung<br />

nicht um seine<br />

Tochter kümmern<br />

konnte, nahmen<br />

Ines und Edi Schmid<br />

ihr Enkelkind<br />

Siriwan in Pflege.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Juni/Juli <strong>2017</strong>11


Dossier<br />

12 <br />

Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Ein Kind gehört zu<br />

seinen Eltern, aber es<br />

gehört ihnen nicht.<br />

psychische Labilität, Krankheit,<br />

niedriges Bildungsniveau, kein so ­<br />

zia les Netzwerk am Wohnort, Trennung<br />

vom Partner, von der Partnerin,<br />

Verschuldung, Alkohol- und<br />

Substanzmissbrauch, Kriminalität<br />

und so weiter.<br />

Ein Teil der Mütter und Väter hat<br />

einen Migrationshintergrund, aber<br />

oft genug sind die strauchelnden<br />

Eltern auch Schweizer. Im schlimmsten<br />

Fall entlädt sich die Wut über das<br />

eigene Scheitern am Kind, manchmal<br />

muss es auch mit ansehen, wie<br />

beispielsweise der Vater die Mutter<br />

Wer Familie hat, schlägt. Eine weitere Form der Vernachlässigung<br />

liegt vor, wenn das<br />

weiss: Es läuft<br />

nicht immer Kind keinen geregelten Tagesablauf<br />

alles rund. Das hat, wenn es häufig alleine gelassen<br />

Kind entwickelt<br />

wird und niemand an seinem Bett<br />

Heute lebt<br />

Siriwan in Zürich.<br />

seine eigene Persönlichkeit,<br />

wächst den Eltern über den Kopf.<br />

Der negative Einfluss von Freunden<br />

bereitet Probleme, die Schule, die<br />

Berufswahl. Meistens jedoch gelingt<br />

es Eltern, ihren Kindern ein gutes<br />

Zuhause zu bieten.<br />

In der Schweiz haben alle Minderjährigen<br />

ein Anrecht darauf, von<br />

den Menschen, die sich um sie kümmern,<br />

gut versorgt, gefördert und<br />

geschützt zu werden. Sind Mama<br />

und Papa mit dem Elternjob dermas<br />

sen überfordert, dass das Wohl<br />

eines Kindes gefährdet ist und es<br />

sich nicht angemessen entwickeln<br />

kann, ist der Staat verpflichtet, einzugreifen.<br />

Der Begriff «Gefährdung» ist in<br />

diesem Zusammenhang weit gefasst.<br />

In den meisten Fällen finden sich auf<br />

sitzt, wenn es krank ist. Vorausgesetzt,<br />

da ist überhaupt ein Bett.<br />

Falls die Herkunftsfamilie ihren<br />

Auftrag nicht erfüllen kann, übernimmt<br />

der Staat symbolisch die Sorge<br />

für den jungen Menschen, steht<br />

ihm bei und nimmt seine Interessen<br />

wahr. Vertreten wird er in dem Fall<br />

durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde<br />

(KESB). Dort<br />

arbeiten Pädagogen, Psychologen,<br />

Sozialarbeiter und Juristen Seite an<br />

Seite. Geht eine Meldung ein, ist die<br />

Behörde verpflichtet, dieser nachzugehen.<br />

Die Fachleute klären nicht<br />

nur ab, sie beraten, begleiten und<br />

unterstützen die Mütter und Väter<br />

auch, damit diese ihren Alltag mit<br />

den Kindern besser meistern können.<br />

In vielen Fällen gelingt die<br />

Intervention durch die KESB und<br />

Ihren leiblichen<br />

Vater sieht sie<br />

Seiten der Eltern mehrere Faktoren,<br />

die zusammengenommen eine Krise<br />

die sozialen Dienste. Denn: >>><br />

nur noch selten. auslösen können: Überforderung,<br />

Lesen Sie bitte weiter auf Seite<br />

17<br />

13


Dossier<br />

Die Grosseltern<br />

übernahmen<br />

Siriwan Schmid ist 16 Jahre alt, sie<br />

lebt bei ihren Grosseltern Ines, 76,<br />

und Edi Schmid, 74, in Zürich.<br />

Wenn Siriwan ihre Augen schliesst,<br />

kommen die Erinnerungen. Nicht wie<br />

in einem Spielfilm, eher wie bei einem<br />

Diavortrag: Regenzeit, wunderschönes<br />

Land, grüne Hölle, Blechhütten, Habseligkeiten,<br />

wieder eine neue Schule,<br />

alleine sein, Papi, bekannte und unbekannte<br />

Gesichter. Die heute 16-Jährige<br />

hat die ersten acht Lebensjahre im<br />

Nordosten Thailands verbracht. Anfangs<br />

noch mit ihrer thailändischen Mutter<br />

und ihrem Schweizer Vater, doch sehr<br />

bald war sie auf sich alleine gestellt.<br />

Zumindest hat es sich für das Mädchen<br />

immer mal wieder so angefühlt. Siriwans<br />

Papi bekam nach der Trennung der<br />

Eltern zwar das Sorgerecht für sie, aber<br />

er war nicht wie andere Väter.<br />

Heute wissen Ines und Edi Schmid,<br />

warum ihr einziger Sohn seine Lehre<br />

abbrach und als 18-Jähriger die Idee<br />

hatte, nach Thailand auszuwandern. Sie<br />

verstehen nun auch besser, wieso er<br />

dort überstürzt heiratete, immer neue,<br />

abenteuerliche Geschäftsideen<br />

entwickelte und warum es ihm nicht<br />

gelang, mit dem Geld, das sie ihm<br />

regelmässig schickten, zu haushalten.<br />

Siriwans Vater war und ist nicht<br />

charakterschwach, sondern psychisch<br />

krank. Seit Kurzem hat das Leiden<br />

auch einen Namen: Schizophrenie. In<br />

akuten Krankheitsphasen verliert der<br />

mittlerweile 36-Jährige den Bezug zur<br />

Realität, fühlt sich verfolgt und bricht<br />

alle Brücken hinter sich ab. Oder er greift<br />

zur Flasche.<br />

Damals, in Thailand, als der junge Mann<br />

verzweifelt versuchte, sein Leben in den<br />

Griff zu bekommen und seinem Kind<br />

ein guter Vater zu sein, muss er gespürt<br />

haben, wie aussichtslos seine Situation<br />

war. Ines und Edi Schmid flogen so oft<br />

wie möglich nach Asien. Zeit nur für<br />

Siriwan, regelmässige Mahlzeiten, Gute-<br />

Nacht-Geschichten auf Züritüütsch.<br />

Wenn der Moment des Abschieds kam,<br />

brach für das Kind jeweils eine Welt<br />

zusammen. Zwei Mal durfte es alleine<br />

nach Zürich fliegen und jeweils für drei<br />

Monate bei den Grosseltern bleiben.<br />

Obwohl Siriwan ihren Papi vermisste,<br />

fühlte sie sich bei ihnen geborgen.<br />

Gegen Ende des zweiten Aufenthaltes<br />

hoffte das Kind auf ein Wunder. Das<br />

Wunder kam, je nach Perspektive war<br />

es aber gleichzeitig die Katastrophe.<br />

Siriwans Vater rief wenige Tage vor dem<br />

geplanten Rückflug in der Schweiz an.<br />

Er wirkte instabil. Als er seine Eltern bat,<br />

die Tochter nicht wieder in den Flieger<br />

zu setzen, fackelten die ehemalige<br />

Kindergärtnerin und der frühere Elektromonteur<br />

nicht lange. Sie beschlossen<br />

noch in derselben Nacht, offiziell die<br />

Pflegschaft für ihre Enkelin zu beantragen.<br />

Siriwan war im ersten Moment<br />

einfach nur erleichtert, die Traurigkeit<br />

kam erst später dazu.<br />

Das Mädchen wurde in Zürich eingeschult,<br />

kam zur Ruhe und hatte nun<br />

ein echtes Zuhause. Anfangs skypte es<br />

sehr oft mit seinem Vater, doch mit der<br />

Zeit zog es sich mehr und mehr zurück.<br />

Die Jahre in Thailand, das Alleinsein,<br />

die Alkoholexzesse des Vaters, seine<br />

Aggressionen – all das hatte Spuren in<br />

Siriwans Seele hinterlassen. Die junge<br />

Frau mit den ausdrucksstarken Augen ist<br />

immer noch in Therapie. Je älter sie wird,<br />

desto besser versteht sie, was damals<br />

geschehen ist. Aber viele ihrer Fragen<br />

bleiben unbeantwortet. Zu ihrer Mutter<br />

hat sie keinen Kontakt, und die Begegnungen<br />

mit ihrem Vater seitdem kann<br />

sie an einer Hand abzählen. Gerade ist<br />

er wieder in der Schweiz, wird stationär<br />

in der Psychiatrie behandelt. Es ist sein<br />

altes Muster: Wenn er eine schwere<br />

Krise hat, kommt er heim. Sobald<br />

es ihm etwas besser geht, flüchtet<br />

er nach Asien. Ines und Edi Schmid<br />

besuchen ihren Sohn regelmässig. Er<br />

fragt nach seiner Tochter. Die beiden<br />

Senioren müssen dann jeweils erklären,<br />

warum Siriwan nicht mitgekommen ist.<br />

Meistens versteht er.<br />

Wenn man erlebt, wie liebevoll die drei<br />

miteinander umgehen, wie selbstverständlich<br />

sie über die Vergangenheit,<br />

das Jetzt und die Zukunft sprechen, hat<br />

man das Gefühl, dass diese Geschichte<br />

sich zum Guten gewendet hat. Die<br />

Grosseltern haben die Elternrolle nicht<br />

nur angenommen, sondern – trotz ihres<br />

Alters – komplett ausgefüllt. Als Siriwan<br />

Schlittschuhlaufen lernen wollte, gingen<br />

Ines und Edi selbstverständlich mit ihr<br />

aufs Eis. Und wenn an der Kantonsschule<br />

Elternabend ist, dann sitzen die<br />

beiden zwischen den anderen Eltern. Die<br />

Grosseltern wissen, dass Siriwan für ihr<br />

Leben gerne Klavier spielt, wie wach ihr<br />

Verstand und wie gross ihr Herz ist, und<br />

dass sie nicht besonders gerne über ihre<br />

Geschichte spricht.<br />

Obwohl der Teenager die Pflegeeltern<br />

jung hält, ist allen bewusst, dass sich<br />

das Blatt wenden kann. Doch Ines und<br />

Edi Schmid haben vorgesorgt. Wenn<br />

sie nicht mehr in der Lage sein sollten,<br />

umfassend für die Enkelin da zu sein,<br />

wird Ines Schmids Bruder mit seiner<br />

Familie übernehmen. Siriwan ist mit<br />

dieser Variante einverstanden, denn sie<br />

weiss, dass das keine Notlösung wäre.<br />

Die Grosseltern füllen die<br />

Elternrolle – trotz ihres<br />

Alters – voll und ganz aus.<br />

14


Dossier<br />

Schmids sorgen<br />

nicht nur für ihre<br />

Enkelin, sondern<br />

kümmern sich<br />

auch um ihren<br />

kranken Sohn.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Juni/Juli <strong>2017</strong>15


Dossier<br />

16 <br />

Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

In der Schweiz lebt jedes<br />

hundertste Kind im Heim<br />

oder bei einer Pflegefamilie.<br />

Fatima Walser<br />

gab ihre Tochter<br />

Shana in Pflege,<br />

als diese zwei<br />

Jahre alt war.<br />

>>> Die meisten Eltern wollen das<br />

Beste für ihre Kleinen.<br />

Manchmal fruchten die Hilfsmassnahmen<br />

aber nicht oder nur<br />

teilweise. Dann kann es passieren,<br />

dass die Behörden zum Schluss<br />

kommen, dass es besser ist, ein Kind<br />

vorübergehend oder dauerhaft aus<br />

der Herkunftsfamilie herauszunehmen.<br />

Bis eine solche Fremdunterbringung<br />

vorgenommen wird, vergeht<br />

Zeit. Nur, wenn Gesundheit<br />

und Leben des Kindes akut gefährdet<br />

sind, wenn es misshandelt oder<br />

missbraucht wird oder wenn es<br />

komplett sich selbst überlassen ist,<br />

muss es schnell gehen.<br />

Sorge um das Wohl des Kindes<br />

Auch der umgekehrte Weg ist denkbar.<br />

Nicht selten wenden sich Eltern,<br />

die am Anschlag sind, an die Behörden<br />

und bitten um Hilfe. Das erfordert<br />

nicht nur Mut und die Fähigkeit,<br />

über die eigene Situation nachzudenken.<br />

Es ist auch ein eindrücklicher<br />

Beweis dafür, dass Mama und<br />

Papa sehr wohl um ihr Kind und sein<br />

Wohl besorgt sind.<br />

In der Schweiz leben schätzungsweise<br />

15 000 Kinder und Jugendliche<br />

in Pflegefamilien oder Heimen<br />

statt bei ihren leiblichen Eltern; mit<br />

anderen Worten jedes hundertste<br />

Kind. Während Teenager eher in<br />

Einrichtungen unterkommen, hat<br />

sich gerade bei jüngeren Kindern<br />

das Pflegefamilien-Modell bewährt.<br />

Dabei übernehmen andere Erwachsene<br />

im Alltag die Aufgaben, die<br />

eigentlich Elternsache wären.<br />

Die Gründe liegen auf der Hand:<br />

Je jünger ein Mensch ist, desto eher<br />

ist er noch in der Lage, sich an weitere<br />

Personen zu binden. Ausserdem<br />

haben vor allem Kleinkinder ein<br />

anderes Zeitgefühl, ein Jahr fühlt<br />

sich wie eine Ewigkeit an. Von Fall<br />

zu Fall können ganz unterschiedliche<br />

Arrangements sinnvoll sein.<br />

Neben der Dauerpflege, bei der das<br />

Kind komplett in der neuen Familie<br />

lebt, gibt es auch die sogenannte<br />

Wochenpflege, bei der es samstags<br />

und sonntags in die Herkunftsfamilie<br />

zurückkehrt. Eine Kurzzeitpflege<br />

kann nötig werden, wenn die Eltern<br />

beispielsweise erkranken oder in<br />

ganz seltenen Fällen in Untersuchungshaft<br />

kommen. Weitere Modelle<br />

wie die Entlastungspflege zielen<br />

darauf ab, Mama und Papa in<br />

lange anhaltenden, belastenden<br />

Situationen je nach Bedarf stundenoder<br />

tageweise regelmässig etwas<br />

Luft zu verschaffen.<br />

In der Stadt Zürich kümmert sich<br />

seit vielen Jahren die Fachstelle Pflegekinder<br />

als Teil der sozialen Dienste<br />

um die Suche, Abklärung, Vermittlung,<br />

Aufsicht und Begleitung<br />

von geeigneten Pflegefamilien. Stellenleiter<br />

Peter Hausherr weiss, dass<br />

eine Fremdplatzierung für die Mädchen<br />

und Buben immer ein einschneidendes<br />

Erlebnis ist: «Deswegen<br />

bemühen wir uns, die jeweils<br />

am besten passenden Pflegeeltern zu<br />

finden.»<br />

Häufig gelingt dies auf Anhieb,<br />

vorausgesetzt, der Fachstelle stehen<br />

genügend Pflegefamilien zur Verfügung.<br />

Die «Ersatzfamilie» kann entweder<br />

klassisch aus einem Paar oder<br />

nur aus einer Person bestehen<br />

(siehe Infobox Seite 18). Wer sich<br />

für die anspruchsvolle Aufgabe in -<br />

ter essiert, muss einen stan- >>><br />

17


Dossier<br />

Nur jedes fünfte Pflegekind<br />

lernt seine neuen Eltern<br />

erst im Verlauf der<br />

Vermittlung kennen.<br />

>>> dardisierten Abklärungsprozess<br />

durchlaufen, bei dem die<br />

zuständigen Sozialarbeitenden prüfen,<br />

ob man sich grundsätzlich für<br />

ein solches Engagement eignet.<br />

Wenn es zu einem späteren Zeitpunkt<br />

um die Vermittlung eines<br />

bestimmten Kindes geht, wird die<br />

Passung zwischen ihm und einer<br />

möglichen Ersatzfamilie nochmals<br />

genau geprüft. Das Kind und seine<br />

leiblichen Eltern werden – wann<br />

immer möglich – in den Auswahlprozess<br />

miteinbezogen. Es ist ein<br />

schmerzlicher Gedanke, aber Mama<br />

und Papa müssen den Entscheid im<br />

Interesse ihres Nachwuchses emotional<br />

mittragen.<br />

Aktuell begleiten die Mitarbeitenden<br />

der Fachstelle 130 Familien<br />

im Stadtgebiet Zürich, die ein Mädchen,<br />

einen Buben oder Geschwister<br />

bei sich aufgenommen haben. Interessanterweise<br />

werden 60 Prozent<br />

der Kinder von nahen Verwandten<br />

wie Grosseltern, Tanten oder<br />

Onkeln betreut. Geschätzte 20 Prozent<br />

sind bei Menschen aus >>><br />

Shana, ihre<br />

Mutter und die<br />

Pflegeeltern<br />

sehen sich als<br />

eine Familie. Das<br />

klappt gut.<br />

Wie werden wir Pflegeeltern?<br />

Wer mit dem Gedanken spielt, ein Kind in Pflege zu nehmen,<br />

sollte sich zuerst an die Gemeindeverwaltung seines<br />

Wohn ortes wenden. Diese leitet die Anfrage an die zuständige<br />

regionale oder kantonale Stelle weiter (Sozialdienst,<br />

Jugendsekretariat, Fachstelle usw.). Interessenten können<br />

sich auch direkt an eine der vielen Organisationen wenden,<br />

die sich auf die Vermittlung und Begleitung von Pflegekindern<br />

spezialisiert haben. Anschliessend wird abgeklärt, ob die<br />

Antragsteller für die anspruchsvolle Aufgabe geeignet sind.<br />

Laut Pflegekinderverordnung (PAVO) kann sich jede<br />

volljährige Person als Pflegemutter/Pflegevater bewerben.<br />

Die Interessenten sollten:<br />

• Freude am Zusammenleben mit Kindern haben und in<br />

der Lage sein, sich in ihre Welt einzufühlen und ihre<br />

Bedürfnisse zu erkennen;<br />

• körperlich und seelisch fit sein, wobei chronische<br />

Erkrankungen nicht automatisch ein Ausschluss kriterium<br />

sind;<br />

• genügend Platz (in der Wohnung und im Herzen)<br />

für ein (zusätzliches) Kind haben;<br />

• in einer stabilen Partnerschaft leben<br />

(falls sie gebunden sind);<br />

• sicherstellen, dass andere im Haushalt lebende Familienmitglieder<br />

ebenfalls mit der Aufnahme eines Pflegekindes<br />

einverstanden sind;<br />

• nicht überschuldet sein und über ein geregeltes Einkommen<br />

verfügen (Betreibungsregisterauszug);<br />

• nicht einschlägig vorbestraft sein (Strafregisterauszug);<br />

• akzeptieren, dass Pflegekinder ein Recht auf Umgang<br />

mit ihren leiblichen Eltern haben, und fähig sein, eine<br />

wertschätzende Haltung gegenüber der Herkunftsfamilie<br />

des Kindes einzunehmen;<br />

• verstehen, dass das Kind aufgrund seiner Geschichte<br />

möglicherweise Verhaltensweisen zeigt, die von denen<br />

ihrer eigenen Kinder abweichen;<br />

• bereit sein, mit den Behörden und Fachpersonen zusammenzuarbeiten<br />

und sich bei aufkommenden Konflikten frühzeitig<br />

beraten zu lassen.<br />

Übrigens: Bewerben sich Paare, spielt es keine Rolle, ob die<br />

Antragsteller ledig oder verheiratet sind beziehungsweise ob sie in<br />

einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben. Auch Verwandte,<br />

die ein Kind bei sich aufnehmen möchten, brauchen dafür<br />

eine Bewilligung. Von Gesetzes wegen müssen sie dieselben<br />

Voraussetzungen erfüllen und unterstehen ebenfalls der Aufsicht<br />

der Behörden.<br />

18


Dossier<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Juni/Juli <strong>2017</strong>19


Dossier<br />

20 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Viele Kinder sind traumatisiert.<br />

Das kann belastend für<br />

die Pflegeeltern und deren<br />

leibliche Kinder sein.<br />

>>> dem sozialen Umfeld der Herkunftsfamilie<br />

untergebracht, beispielsweise<br />

bei Paten, der guten<br />

Freundin der Mutter oder in der<br />

Nachbarsfamilie. Nur in etwa jedem<br />

fünften Fall hat das Pflegekind seine<br />

zweiten Eltern erst im Laufe der Vermittlung<br />

kennengelernt.<br />

Doris Python<br />

(Mitte) mit ihrer<br />

Schwester (l.)<br />

und einer<br />

Mitarbeiterin.<br />

Ein anspruchsvoller Job<br />

Aus der Perspektive der Mädchen<br />

und Buben ist es immer gut, wenn<br />

in dem Moment, in dem ihre vertraute<br />

Welt zusammenbricht,<br />

wenigstens ein paar Fixpunkte erhalten<br />

bleiben. Oft ist eine Platzierung<br />

im bekannten Umfeld besser, da die<br />

Kinder dann beispielsweise weiter<br />

ihre angestammte Schule besuchen<br />

können. Geschwister werden möglichst<br />

gemeinsam vermittelt. Aber<br />

selbst wenn sich im nahen Umfeld<br />

eine potenzielle Pflegefamilie findet,<br />

sind die Fachleute verpflichtet, den<br />

Platz erst sorgfältig abzuklären.<br />

Auf die Pflegeeltern wartet ein<br />

anspruchsvoller Job: Sie sollen den<br />

Kindern einen geregelten Alltag<br />

ermöglichen, ihnen Geborgenheit<br />

geben und ihr Selbstvertrauen stärken,<br />

kurzum, sie müssen für sie sorgen.<br />

Auf diese Weise entsteht im<br />

Idealfall eine enge Bindung. Die<br />

Ersatzeltern müssen aber akzeptieren<br />

können, dass die neuen Familienmitglieder<br />

mitunter irritierende<br />

Verhaltensmuster an den Tag legen.<br />

«In machen Fällen waren schon<br />

ganz junge Pflegekinder in ihrer ersten<br />

Familie für viele Dinge zuständig:<br />

Kleider auswählen, einkaufen,<br />

alleine essen, sich unter Umständen<br />

um die Eltern und kleineren >>><br />

21


Dossier<br />

>>> Geschwister kümmern»,<br />

erläutert Peter Hausherr. «Und jetzt<br />

sollen sie plötzlich wieder ein Kind<br />

sein, für das gesorgt wird und an<br />

dessen Alltagserlebnissen Anteil<br />

genommen wird?» Eine verunsichernde<br />

Situation, die auf beiden<br />

Seiten grosse Spannungen auslösen<br />

kann. Die Ankömmlinge brauchen<br />

viel Zeit, um sich an ihre Rollen zu<br />

gewöhnen, um zu verstehen, wie die<br />

neue Familie «tickt» – und umgekehrt.<br />

Viele Mädchen und Buben<br />

sind zudem traumatisiert und weisen<br />

Entwicklungsrückstände auf.<br />

Finanzielle Unterstützung<br />

Das alles kann nicht nur nervenaufreibend,<br />

sondern auch sehr belastend<br />

für die Pflegeeltern und allenfalls<br />

auch für mit im Haushalt lebende<br />

leibliche Kinder sein. Darum begleitet<br />

die Fachstelle «ihre» Familien<br />

intensiv, vermittelt und zahlt Beiträge<br />

an Fortbildungen und Supervisionen,<br />

um die Zweitmütter und -väter<br />

und «Geschwister» zu stärken.<br />

Selbstverständlich erhalten die<br />

Ersatzeltern auch eine finanzielle<br />

Unterstützung von den leiblichen<br />

Eltern oder – an deren Stelle – von<br />

den Städten und Gemeinden, um<br />

ihre laufenden Kosten decken zu<br />

können. Hinzu kommt noch eine<br />

Entschädigung für die geleistete<br />

Erziehungsarbeit. Je nach Situation<br />

können so bei Dauerpflege auf den<br />

Kanton Zürich bezogen zwischen<br />

900 und 2000 Franken pro Monat<br />

zusammenkommen.<br />

Ein zentraler Punkt ist die Beziehung<br />

zur Herkunftsfamilie. >>><br />

Ein Pflegekind hat ein<br />

Recht darauf, möglichst<br />

viel über seine «echten»<br />

Eltern zu erfahren.<br />

Geduld statt<br />

Druck<br />

Doris Python, 52, ist<br />

Pflegemutter in der<br />

Bereitschaftspflege und<br />

lebt in Herisau.<br />

Die Kinder und Jugendlichen, die<br />

auf Doris Pythons Appenzeller Hof<br />

ankommen, wollen oftmals vor<br />

allem eines: vergessen. Vergessen,<br />

wie verfahren ihre Situation ist, das<br />

Vergangene hinter sich lassen, herausfinden,<br />

was ihnen guttut – und<br />

sich neu orientieren. Wer zum Biobauernhof<br />

will, muss sich auf die<br />

Suche begeben. Der Schotterweg,<br />

der von der Strasse abzweigt, führt<br />

immer tiefer in den Wald hinein.<br />

St. Gallen liegt nur wenige Autominuten<br />

entfernt, aber hier scheint die<br />

Zeit stillzustehen. Irgendwann taucht<br />

das Gebäude aus dem 19. Jahrhundert<br />

auf. Es ist wie im Märchen:<br />

ein alter Garten, Obstbäume, Hühner,<br />

Pferde, zwei Pfauen, ein alter Hund<br />

und eine sehr grosse Katze.<br />

Doris Python arbeitet schon seit<br />

vielen Jahren in der sogenannten<br />

Bereitschaftspflege. Die 52-Jährige<br />

nimmt kurzfristig Mädchen und<br />

Buben auf, die aus den unterschiedlichsten<br />

Gründen im Moment nicht<br />

in ihrem gewohnten Umfeld leben<br />

können. Wer ein Zimmer auf ihrem<br />

Hof bezieht, hat in der Regel bereits<br />

viel hinter sich. Manche Kinder sind<br />

schon in einer Familie oder im Heim<br />

fremdplatziert, ecken dort aber<br />

an. Andere kommen direkt aus der<br />

Herkunftsfamilie, sind vielleicht<br />

psychisch angeschlagen und müssen<br />

stabilisiert werden. Der Aufenthalt<br />

funktioniert im Idealfall wie eine<br />

Auszeit. In den letzten zwölf Jahren<br />

hat Bussola, ein Anbieter im Be reich<br />

der Familienpflege, über 20 Kinder<br />

und Jugendliche auf den Biobauernhof<br />

vermittelt und begleitet.<br />

Da Doris Python eine Kleinheimbewilligung<br />

hat, kann sie bis zu fünf<br />

Pflegekinder gleichzeitig aufnehmen.<br />

Zimmer gibt es jedenfalls genug.<br />

Und einen sehr langen Tisch, an dem<br />

immer Platz für Neuankömmlinge<br />

ist. Früher sassen dort auch Doris<br />

Pythons Eltern und Grosseltern, ihr<br />

zwischenzeitlich verstorbener Mann<br />

und ihre mittlerweile erwachsenen<br />

Söhne. Heute nehmen dort neben<br />

der Hausmutter und den Kindern<br />

und Jugendlichen auch regelmässig<br />

Sonja Signer, ihre mitarbeitende<br />

Schwester, und weitere Hofangestellte<br />

Platz.<br />

Wenn ein junger Mensch in Not<br />

ist, dann überlegt das Team von<br />

Bussola, welche Pflegefamilie am<br />

besten helfen könnte, die Situation<br />

zu entschärfen, denn nicht alle<br />

Kinder würden vom Bauernhofidyll<br />

profitieren. Wenn es aber passen<br />

könnte, greift ein Mitarbeitender im<br />

Auftrag der Kindesschutzbehörde<br />

zum Hörer, schildert Doris Python die<br />

Situation und fragt nach, ob sie sich<br />

vorstellen könne, dem Mädchen oder<br />

dem Bubem ein Zuhause auf Zeit zu<br />

geben. Wenn die Pflegemutter einverstanden<br />

ist, geht es schnell. Zwei,<br />

drei Tage später sitzen die jungen<br />

Menschen bereits mit am Holztisch.<br />

Obwohl die meisten Pflegekinder im<br />

Teenageralter sind, kommt hin und<br />

wieder auch ein jüngeres Kind.<br />

Doris Python, ursprünglich<br />

Psychiatriepflegekraft, und ihre<br />

Schwester, gelernte Krankenpflegerin,<br />

strahlen beide Ruhe und<br />

Zuversicht aus – und sie bohren<br />

grundsätzlich nicht nach. Geduld<br />

statt Druck – für viele Teenager<br />

ist das eine neue Erfahrung.<br />

22


Dossier<br />

Auf dem<br />

Biobauernhof<br />

können die<br />

Kinder zur Ruhe<br />

kommen und<br />

durchatmen.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Juni/Juli <strong>2017</strong>23


Dossier<br />

24 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Falls Schmids<br />

einmal nicht<br />

mehr da sein<br />

können, wird<br />

Siriwans Onkel<br />

einspringen.<br />

Ein Pflegekind ist wie<br />

ein kleiner Planet, um den<br />

drei Monde kreisen.<br />

>>> Die Kinder haben ein Recht<br />

darauf, möglichst viel über ihre<br />

«echten» Mamis und Papis zu erfahren.<br />

Sie sollten, wenn nichts Gravierendes<br />

dagegenspricht, auch weiterhin<br />

Kontakt zu ihren Eltern haben.<br />

Und zwar nicht nur, wenn die Rückkehr<br />

von Beginn an ein erklärtes<br />

oder zumindest wahrscheinliches<br />

Ziel ist. Es klingt absurd, aber viele<br />

Mädchen und Buben wollen mit<br />

eigenen Augen sehen, dass es ihren<br />

Eltern trotz allem gut geht. Es ist<br />

wichtig, dass die Pflegemütter und<br />

-väter die leiblichen Eltern wertschätzen.<br />

Auf diese Weise verhindern<br />

sie, dass die Kleinen in einen<br />

Loyalitätskonflikt geraten, und helfen<br />

ihnen dabei, ihre eigene Identität<br />

zu entwickeln.<br />

Wenn sich herausstellt, dass die<br />

Treffen die Mädchen und Buben zu<br />

sehr belasten, müssen die Zusammenkünfte<br />

anders gestaltet oder<br />

eingestellt werden. Die Behörden<br />

prüfen – gemeinsam mit allen Beteiligten<br />

– in regelmässigen Abständen,<br />

ob eine Rückkehr des Kindes<br />

in seine Herkunftsfamilie möglich<br />

ist. Falls nichts dagegenspricht, wird<br />

auch dieser Schritt sorgfältig und<br />

mit Umsicht geplant.<br />

Ein Pflegekind ist wie ein kleiner<br />

Planet, um den drei Monde >>><br />

Vorteil Volg :<br />

Institution Dorfladen.<br />

Volg –<br />

und das<br />

Dorf lebt.<br />

«<br />

Wie unser Blaskapellen-Verein<br />

bringt auch der Volg-Laden die<br />

Gemeindemitglieder zusammen.<br />

Jost Arnold, Gemeinderat &<br />

Baritonhorn-Bläser<br />

»<br />

brandinghouse<br />

Der Dorfladen – ein echter Klassiker: beliebter<br />

Ort für den täglichen Einkauf, den regelmässigen<br />

Austausch und den kurzen Schwatz. Der Volg im<br />

Dorf ist darum sowohl Laden als auch Treffpunkt<br />

und erbringt einen wertvollen Beitrag zur Erhaltung<br />

der dörflichen Gemeinschaft.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Volg .Im Dorf daheim.<br />

In Allenwinden ZG zuhause.<br />

Juni/Juli <strong>2017</strong>25


Dossier<br />

>>> kreisen: Da wäre die Herkunftsfamilie,<br />

die trotz allem eine<br />

emotionale Bindung zu ihm hat,<br />

dann die Pflegeeltern, die die leiblichen<br />

Eltern vertreten, und natürlich<br />

die Fachleute, Beistände, Behördenvertreter.<br />

Man braucht nicht viel<br />

Fantasie, um sich vorzustellen, wie<br />

dicht der Verkehr auf den Umlaufbahnen<br />

werden kann. Kollisionen<br />

lassen sich fast nicht vermeiden.<br />

Solange aber alle Beteiligten akzeptieren,<br />

dass der kleine Planet das<br />

Zentrum des Universums ist und<br />

alle nur wegen ihm hier sind, kann<br />

es gelingen.<br />

Die Zürcher Fachstelle Pflegekinder<br />

ist ein öffentlicher Dienst. In<br />

manchen Fällen genügt es aber<br />

nicht, wenn die Sozialarbeitenden<br />

nur zu Bürozeiten erreichbar sind.<br />

Es gibt komplexe Pflegesituationen,<br />

bei denen sowohl die Kinder und<br />

Jugendlichen als auch die Pflegeeltern<br />

eine besonders engmaschige<br />

Unterstützung brauchen, damit die<br />

Fremdunterbringung gelingt und<br />

die Minderjährigen zur Ruhe kommen<br />

können.<br />

Bussola ist eines von verschiedenen<br />

Unternehmen im Bereich der<br />

Familienpflege, das sich auf genau<br />

solche Situationen spezialisiert hat.<br />

Der in der Ostschweiz ansässige<br />

Anbieter begleitet rund 40 Pflegefamilien<br />

im eher ländlichen Raum.<br />

«Wir sind an 365 Tagen im Jahr<br />

rund um die Uhr erreichbar, damit<br />

wir bei Krisen oder in Notlagen<br />

schnell und flexibel handeln können»,<br />

erläutert Gabriele Buss, So ­<br />

zialpädagogin und Mitglied der<br />

Geschäftsleitung. Heisst: Wenn sich<br />

in einer Herkunftsfamilie eine<br />

Literaturtipps<br />

• Handbuch Pflegekinder. Aspekte und<br />

Perspektiven. Herausgegeben von der<br />

Pflegekinder-Aktion Schweiz. 2016.<br />

• Adoptiv- und Pflegekindern ein Zuhause<br />

geben. Informationen und Hilfen für<br />

Familien. Von Irmela Wiemann. Balance<br />

Buch+Medien Verlag 2014.<br />

• Pflegekinder – Alles, was man wissen<br />

muss. Von Katrin Ferber-Bauer, Barbara<br />

Gillig-Riedle und Herbert Riedle. TiVan<br />

Verlag 2016.<br />

• Herzwurzeln. Ein Kinderfachbuch für<br />

Pflege- und Adoptivkinder. Von Schirin<br />

Homeier und Irmela Wiemann.<br />

Mabuse-Verlag 2016.<br />

• Netz. Fachzeitschrift für Pflegekinder<br />

und Kindesschutz. Herausgegeben<br />

von der Pflegekinder-Aktion Schweiz.<br />

26 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Shana, ihre<br />

Mutter und ihre<br />

Pflegeeltern<br />

verbringen oft<br />

Zeit zusammen.<br />

Situa tion zuspitzt, kann Bussola –<br />

mit dem Mandat der zuständigen<br />

Behörden – binnen 24 Stunden<br />

einen geeigneten Platz in einer Pflegefamilie<br />

bereitstellen. Und wenn es<br />

dort zu einer schwierigen Entwicklung<br />

kommt, sind die Bussola-Mitarbeiter<br />

auch schnell zur Stelle, um<br />

Konflikte zu entschärfen.<br />

Letztes Jahr hat Bussola insgesamt<br />

103 Minderjährige fremdplatziert,<br />

zwei Drittel davon waren<br />

Teenager, und häufig ging es um<br />

eine Art Auszeit. «Wir beobachten,<br />

dass die Anfragen steigen; die defi-<br />

nitiven Fremdunterbringungen sind<br />

aber rückläufig», so Buss. «Es gelingt<br />

den sozialen Diensten immer häufiger,<br />

mit ambulanten Massnahmen<br />

wie Erziehungsberatung, Schulsozial<br />

arbeit oder Familienbegleitung<br />

eine Fremdunterbringung zu verhindern.»<br />

Die Fachfrau begrüsst diese Entwicklung<br />

ausdrücklich, zeige sie<br />

doch, dass man auf einem guten<br />

Weg sei. «Wir sind aber erst dann<br />

am Ziel, wenn alle Kinder in ihren<br />

Herkunftsfamilien aufwachsen können.»<br />

>>><br />

Links<br />

• www.pa-ch.ch<br />

• www.pflegekinder.ch<br />

• www.stadt-zuerich.ch/pflegekinder<br />

• www.bussola.ch<br />

Bettina Leinenbach<br />

«Die Fremdunterbringungen<br />

sind rückläufig», sagt<br />

Gabriele Buss, Sozialpädagogin.<br />

hatte zu Beginn ihrer Recherche wenig<br />

Ahnung vom Pflegekindwesen – dafür viele<br />

Vorurteile. Die Journalistin und zweifache<br />

Mutter versteht mittlerweile besser, dass<br />

es sich niemand leicht macht, weder die<br />

Herkunftsfamilie noch die Pflegeeltern –<br />

und auch nicht der Staat.<br />

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Juni/Juli <strong>2017</strong>27


Dossier<br />

Das Modell<br />

funktioniert<br />

Shana Walser ist 13 Jahre alt,<br />

ihre leibliche Mutter Fatima<br />

Walser 48. Shana lebt werktags<br />

bei ihren Pflegeeltern Lilly<br />

Kahler, 49, und Roger Gyger, 50.<br />

Alle kommen aus Zürich.<br />

Das Langzeitgedächtnis bildet<br />

sich erst im zweiten Lebensjahr.<br />

Deshalb hat Shana Walser kaum<br />

Erinnerungen an ihre Babyzeit. Die<br />

13-Jährige schliesst die Lücken mit<br />

Hilfe des Fotoalbums, das ihre Mutter<br />

mit Schnappschüssen von damals<br />

angelegt hat. Shana auf der Krabbeldecke,<br />

Shana im Buggy. Herzige<br />

Aufnahmen, heile Welt. Die Bilder<br />

erzählen aber nur einen Teil der<br />

Geschichte. Könnte sich das Mädchen<br />

erinnern, wäre es vermutlich überfordert<br />

von den zum Teil widersprüchlichen<br />

Eindrücken, die der Rückblick<br />

mit sich bringen würde.<br />

Fatima Walser, Shanas Mama,<br />

hat hingegen keinen Augenblick<br />

vergessen. Es ist alles noch da, eingraviert<br />

in ihre Seele: die schönen<br />

Momente, aber auch die Erinnerung<br />

an die Angst, Verzweiflung und<br />

Ausweglosigkeit, die sie damals, vor<br />

über 13 Jahren, empfand. Die heute<br />

48-Jährige kam Ende der Achtzigerjahre<br />

in die Schweiz, um bei ihrem<br />

Schweizer Ehemann zu leben. Die<br />

Marokkanerin arbeitete schon bald als<br />

Übersetzerin. Die Ehe scheiterte. Als<br />

ein neuer Partner in Fatimas Leben<br />

trat, wurde sie schwanger, freute sich<br />

auf das Kind. Der werdende Vater<br />

verschwand jedoch von der Bildfläche.<br />

Die Strapazen von Shanas Geburt und<br />

die ersten Wochen alleine mit dem<br />

Neugeborenen brachten die junge<br />

Frau aus dem Gleichgewicht. Sie<br />

konnte nicht mehr schlafen und nicht<br />

mehr essen, wachte Tag und Nacht<br />

am Bett des Säuglings. Asthma anfälle,<br />

Panikattacken und die ständige<br />

Angst, nicht mehr für das Kind da<br />

sein zu können. Dass das auch die<br />

Symptome einer schweren Wochenbettdepression<br />

waren, wurde ihr erst<br />

später klar.<br />

Fatima Walser bekam Hilfe. Leider<br />

griffen die Massnahmen nicht wie<br />

erhofft. Die Mutter kümmerte sich<br />

liebevoll um ihr Kind, sie selbst schien<br />

aber vor den Augen der anderen<br />

zu verschwinden. Nach anderthalb<br />

Jahren schlug eine Familienbegleiterin<br />

eine Art Auszeit vor. Das kleine<br />

Mädchen könne für ein paar Tage in<br />

einem Kinderheim untergebracht<br />

werden, damit Fatima wieder Tritt<br />

fassen könne. Wohlgemerkt ohne<br />

Behördenanordnung, auf freiwilliger<br />

Basis. Denn: Es gab eigentlich nur eine<br />

Person, die an Fatimas Fähigkeiten<br />

als Mama zweifelte, und das war sie<br />

selbst. Obwohl man ihr versicherte,<br />

dass sie ihr Kind jederzeit wieder zu<br />

sich holen könne, fürchtete sie sich<br />

davor, Shana zu verlieren. Loslassen,<br />

durchatmen, Vertrauen in die eigenen<br />

Fähigkeiten fassen – das war gar nicht<br />

so einfach.<br />

Fatima besuchte ihr Kind im Heim,<br />

verbrachte viel Zeit mit ihm, kehrte<br />

aber immer nach Hause zurück,<br />

um Kraft zu tanken. Konnte das ein<br />

tragfähiges Modell für die Zukunft<br />

werden? Jemand brachte den Begriff<br />

«Pflegeeltern» ins Spiel. Vielleicht<br />

könne sich Fatima die Elternrolle mit<br />

anderen Menschen teilen. Die Mutter<br />

überlegte. Was würde das Kind dazu<br />

sagen, wenn es sprechen könnte?<br />

Während die Alleinerziehende versuchte,<br />

die beste Lösung zu finden,<br />

bemühten sich Lilly Kahler und Roger<br />

Gyger am anderen Ende der Stadt<br />

ebenfalls, nach vorne zu blicken.<br />

Sie wussten nach medizinischen<br />

Abklärungen, dass ihr Wunsch nach<br />

leiblichen Kindern nicht in Erfüllung<br />

gehen würde. Die Erwachsenenbildnerin<br />

und der Schulsozialarbeiter<br />

blickten dennoch nach vorne. Als das<br />

Paar sich über die Möglichkeit einer<br />

Adoption informierte, fiel auch das<br />

Stichwort «Pflegeelternschaft». Lilly<br />

Kahler und Roger Gyger waren offen<br />

für diese Möglichkeit, zumal er als<br />

Kind ebenfalls fremdbetreut worden<br />

war. Da sie ihr Leben mit einem Kind<br />

teilen wollten, bewarben sie sich bei<br />

der Zürcher Fachstelle Pflegekinder<br />

als Pflegeeltern.<br />

Schwer zu sagen, ob es Zufall<br />

war oder ob eine aufmerksame<br />

Mitarbeiterin erkannte, wie gut die<br />

Familien – zumindest auf dem Papier<br />

– zusammenpassen. Jedenfalls<br />

schlug man Fatima das Ehepaar als<br />

mögliche Pflegeeltern vor. Die Kindsmutter<br />

wünschte sich weltoffene,<br />

tolerante Bezugspersonen für ihre<br />

Tochter. Da ein erstes Treffen gut<br />

gelaufen war, wagte Fatima Walser<br />

den nächsten Schritt. Nun sollte auch<br />

Shana Lilly und Roger kennenlernen.<br />

Während sich die Erwachsenen weiter<br />

beschnupperten, hatte die damals<br />

Zweijährige, die normalerweise eher<br />

abwartend war, genug von der vornehmen<br />

Zurückhaltung und spielte<br />

mit den Pflegeeltern in spe, als kenne<br />

sie sie schon seit Jahren. Bei einem<br />

Die Kindsmutter wünschte<br />

sich weltoffene, tolerante<br />

Bezugspersonen für Shana.<br />

28 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


dritten Treffen durfte Shana dann ein<br />

paar Stunden im fremden Haushalt<br />

verbringen. Dort schlief sie prompt<br />

ein. Ein riesiger Vertrauensbeweis. Als<br />

die Mitarbeiterin der Fachstelle Fatima<br />

Walser fragte, ob sie weitere Kandidaten<br />

kennenlernen wolle, schüttelte<br />

diese den Kopf. Warum auch? Es war<br />

mehr als offensichtlich, dass Shana<br />

sich entschieden hatte.<br />

Aus dem kleinen Mädchen von<br />

damals ist längst ein Teenager<br />

geworden. Seit elf Jahren hat Shana<br />

zwei Lebensmittelpunkte: Werktags<br />

wohnt sie bei Lilly und Roger, geht<br />

dort in die Quartierschule, an den<br />

Wochenenden lebt sie bei ihrer Mama.<br />

Manchmal ist auch alles anders,<br />

dann gehört das Wochenende den<br />

Pflegeeltern oder alle unternehmen<br />

gemeinsam etwas.<br />

Shana, Fatima, Lilly und Roger<br />

sind eine Familie. Das ungewöhnliche<br />

Modell funktioniert. Es ist aber kein<br />

Selbstläufer. Mit der dauerhaften<br />

Unterstützung der Mitabeitenden<br />

der zuständigen Stellen haben die<br />

Erwachsenen realisiert, wie wichtig<br />

es ist, miteinander zu reden. Nicht<br />

nur über das Kind, sondern auch über<br />

eigene Werte, Erfahrungen und Erwartungen.<br />

Je genauer alle einschätzen<br />

können, was und wie die anderen<br />

Beteiligten denken, desto besser.<br />

Die Übergänge, wenn Shana die<br />

Familie «wechselt», sind etwas<br />

besonders. Eine Seite muss loslassen,<br />

Vertrauen haben, die andere Seite gibt<br />

das Versprechen, ihr Bestes zu geben.<br />

Als Fatima vor einiger Zeit an Brustkrebs<br />

erkrankte, wusste sie eines:<br />

Egal, was die Zukunft bringen würde,<br />

Shana war und ist bei Lilly und Roger<br />

in den besten Händen.<br />

Ein gutes Team:<br />

Shana lebt<br />

während der<br />

Woche bei Roger<br />

und Lilly.


«Liebe allein reicht nicht»<br />

Wenn Kinder ihre Eltern verlassen müssen, ist das immer eine Katastrophe. Was in<br />

diesen Mädchen und Buben vorgeht, wie die Pflegefamilie damit umgehen sollte und<br />

warum sie gut daran tut, die leiblichen Eltern nicht von ihrem Sockel zu stossen, weiss<br />

die Familientherapeutin Irmela Wiemann. Interview: Bettina Leinenbach<br />

Frau Wiemann, Sie haben unzählige<br />

Pflegekinder auf ihrem Weg begleitet.<br />

Wie fühlt es sich an, wenn man<br />

plötzlich nicht mehr bei seinen leiblichen<br />

Eltern leben kann, leben darf?<br />

Das ist immer eine Katastrophe, ein<br />

tiefer Einschnitt ins Leben – unabhängig<br />

davon, was die Mädchen und<br />

Jungen vorher erlebt haben. Sie fühlen<br />

sich in dieser Situation überwältigt<br />

und ohnmächtig.<br />

Dabei wurden sie aus der Familie<br />

genommen, damit es ihnen besser<br />

geht, oder?<br />

Diesen Zusammenhang können vor<br />

allem jüngere Kinder nicht herstellen.<br />

Sie haben das Gefühl, sie hätten<br />

Fehler gemacht, fühlen sich schuldig.<br />

Denken Sie an Sechs- oder Siebenjährige.<br />

Die sind ausserordentlich<br />

solidarisch mit ihren Eltern und<br />

bleiben auch loyal, obwohl sie tief in<br />

sich spüren, dass Mama und Papa<br />

ihnen nicht das geben können, was<br />

sie brauchen. Selbst wenn die Kleinen<br />

direkte oder indirekte Gewalt<br />

erlebt haben, empfinden sie neben<br />

Angst auch Zuneigung zu und Liebe<br />

für Mama und Papa. Das sind widersprüchliche<br />

Gefühle, die auch wir<br />

Erwachsenen nur schwer miteinander<br />

in Einklang bringen können.<br />

Ist es weniger belastend, wenn die<br />

Kinder bereits früh aus ihrer Familie<br />

genommen werden?<br />

Das hat man lange geglaubt. Heute<br />

wissen wir, dass sich eine frühzeitige<br />

Trennung dennoch als Bruch in der<br />

eigenen Biografie niederschlägt. Der<br />

wirkt lebenslang auf die Persönlichkeit<br />

eines Menschen. Wenn man ein<br />

Baby fremdplatziert, dann verliert<br />

es nicht nur seine Bezugspersonen,<br />

sondern auch die gewohnte Umgebung,<br />

die bekannten Gegenstände,<br />

den Familiengeruch. Die frühe Entwurzelung<br />

verursacht seelische Verletzungen,<br />

gerade weil Kleinkinder<br />

nicht durch Denken abstrahieren<br />

können.<br />

Wie zeigt sich dieser Schock, wenn<br />

die Kinder in der neuen Familie<br />

ankommen?<br />

Die einen Kinder weinen und signalisieren<br />

damit deutlich, wie verunsichert<br />

und überfordert sie sind.<br />

Andere tun so, als sei nichts gewesen.<br />

Dieses Verhalten zeigt, dass diese<br />

Mädchen und Jungen bereits früh<br />

gelernt haben, ihre Gefühle abzuspalten.<br />

Wie erleben Jugendliche eine Fremdplatzierung?<br />

Manche Teenager melden sich selbst<br />

bei der Kindesschutzbehörde, weil<br />

sie es daheim nicht mehr aushalten.<br />

Umgekehrt werden auch Eltern vorstellig,<br />

die sagen: Wir schaffen es<br />

nicht mehr mit dem pubertierenden<br />

Jugendlichen. Obwohl das gegensätzlich<br />

klingt, gibt es Parallelen: In<br />

beiden Fällen sind erneut gemischte<br />

Gefühle im Spiel. Enttäuschung und<br />

Wut neben Sehnsucht nach Normalität<br />

und Zuneigung. Wenn ein Kind<br />

seine Eltern ablehnt, dann kann es<br />

sich selbst auch nicht komplett lieben.<br />

Es ist ein Teil dieser Eltern.<br />

Können Pflegekinder lernen, mit<br />

ihren widersprüchlichen Gefühlen<br />

umzugehen?<br />

Ja. Kinder, die von ihren Eltern<br />

getrennt wurden, wollen verstehen,<br />

warum das passiert ist. Dabei ist es<br />

hilfreich, ihnen bewusst zu machen,<br />

dass ihre Mütter und Väter seelisch<br />

«beschädigt» sind. Oft haben sie<br />

nicht gelernt, wie man Bindungen<br />

eingeht. Man kann aber nur das weitergeben,<br />

was man selbst erfahren<br />

und verinnerlicht hat.<br />

Inwiefern?<br />

Ich glaube, dass die meisten Erwachsenen,<br />

denen man die Kinder wegnehmen<br />

musste, in ihrer Vergangenheit<br />

traumatisiert wurden und dabei<br />

gelernt haben, ihre Gefühle abzuschalten.<br />

Die Emotionen lassen sich<br />

nicht beliebig wieder einschalten.<br />

Traumatisierten Menschen fehlt oftmals<br />

das Einfühlungsvermögen in<br />

andere. Das ist aber eine Grundvoraussetzung<br />

für die Fähigkeit, Kinder<br />

zu versorgen.<br />

Was schlagen Sie vor?<br />

Sobald die Kinder und Jugendlichen<br />

verstehen, dass es sich bei ihren<br />

Eltern um seelisch verletzte Menschen<br />

handelt, die ihre Mutter- oder<br />

Vaterrolle nicht angemessen übernehmen<br />

konnten, ist ein wichtiger<br />

Schritt getan. Dann kann die Wut in<br />

Trauer umgewandelt werden und es<br />

beginnt so etwas wie «Aussöhnen»<br />

oder «Frieden schliessen». Manche<br />

Betroffene schaffen diesen Schritt<br />

bereits sehr früh.<br />

30 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Viele Pflegekinder idealisieren ihr<br />

altes Leben, obwohl sie nachweislich<br />

vernachlässigt und/oder misshandelt<br />

wurden. Wie ist das zu erklären?<br />

Sie schützen sich vor ihrem Schmerz,<br />

wenn sie davon ausgehen, dass die<br />

leibliche Familie toll ist. Und es gibt<br />

diesen gesellschaftlichen Mythos,<br />

dass Kinder zwangsläufig nach ihren<br />

Eltern kommen. Wenn also Mama<br />

und Papa «schlecht» sind, dann bin<br />

ich es auch. Stellt das Kind die Herkunftsfamilie<br />

hingegen auf einen<br />

Sockel, ist es selbst auch wertvoll.<br />

Und schon ist zumindest ein Teil<br />

seines Kummers abgemildert.<br />

Pflegeeltern sind nicht selten<br />

versucht, die Herkunftsfamilie von<br />

eben diesem Sockel zu stossen. Ist<br />

das klug?<br />

Nein, da man damit das Kind trifft.<br />

Warum erfindet es diese heile Welt?<br />

Weil es seine Eltern vermisst und<br />

weil der Wunsch nach einer «normalen»<br />

Vergangenheit stark ist. Statt<br />

es zu überführen, sollten die Pflegeeltern<br />

seine Gefühle aufgreifen.<br />

Wenn also mal wieder eine Geschichte<br />

kommt, in der die leibliche Mutter<br />

die tollsten Menüs gekocht hat,<br />

könnte die neue Familie sagen: Wir<br />

merken, dass dir deine Mama gerade<br />

sehr fehlt.<br />

Viele Menschen glauben, ein Kind<br />

brauche von seinen Pflegeeltern vor<br />

allem zwei Dinge: Liebe und Geborgenheit.<br />

Genügt das?<br />

Ich würde einen Schritt weitergehen.<br />

Die Ersatzeltern haben es immer mit<br />

einem seelisch verletzten Kind zu<br />

tun, das eine heilende Atmosphäre<br />

braucht, einen sicheren Ort, in dem<br />

es gefördert und gefordert wird. Die<br />

Erziehungsrezepte, die bei den leiblichen<br />

Kindern der Pflegeeltern ge ­<br />

klappt haben, müssen überdacht<br />

werden. Ein Timeout im Zimmer<br />

kann als bedrohlich gesehen werden.<br />

Das neue Kind wird unter Umständen<br />

in Panik geraten, da es nicht<br />

alleine sein kann, oder es sieht als<br />

bewiesen an, nicht geliebt zu werden.<br />

Welche Punkte müssen die neuen<br />

Eltern noch berücksichtigen?<br />

Sie haben nicht nur den Auftrag, für<br />

das Kind zu sorgen, sie sollten auch<br />

Die Erziehungsrezepte, die<br />

bei den leiblichen Kindern<br />

geklappt haben, müssen<br />

überdacht werden.<br />

den leiblichen Eltern einen Platz im<br />

Leben des Kindes einräumen. Das<br />

ist ein wichtiges Signal: Wir achten<br />

deine erste Mama und deinen ersten<br />

Papa. Und natürlich dürfen sie in<br />

deinem Herzen bleiben. Dort ist<br />

Platz für uns alle.<br />

Zur Person<br />

Irmela Wiemann ist eine ausgewiesene<br />

Expertin in der Beratung und Begleitung<br />

von Pflege-, Adoptiv- und Herkunftsfamilien.<br />

Sie veröffentlicht Bücher zum Thema und<br />

leitet Fortbildungsveranstaltungen. Die<br />

Psycho- und Familientherapeutin lebt in<br />

der Nähe von Frankfurt.<br />

www.irmelawiemann.de<br />

Im nächsten Heft:<br />

Autismus<br />

Bild: iStockphoto<br />

«Autismus» kommt aus dem Griechischen und<br />

bedeutet «sehr auf sich bezogen sein». Betroffene<br />

nehmen ihre Umwelt anders wahr. Aber wie<br />

denken, fühlen, handeln sie? Unsere Annäherung<br />

an ein grosses Thema in der August-Ausgabe.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Juni/Juli <strong>2017</strong>31


«Monotone Kost ist<br />

das Schlimmste,<br />

was Eltern einem<br />

Kind antun können»,<br />

sagt die<br />

Ernährungs expertin<br />

Marguerite<br />

Dunitz-Scheer.


Monatsinterview<br />

«Kein Kind sollte gezwungen<br />

werden, Gemüse zu essen»<br />

Wie vermeidet man Kämpfe am Esstisch? Worauf müssen Eltern achten, wenn sich die<br />

Familie vegetarisch ernährt? Sollen Kinder beim Einkaufen mitbestimmen dürfen?<br />

Die Kinderärztin und Ernährungsexpertin Marguerite Dunitz-Scheer über schwierige<br />

Esser, Kinder, die plötzlich abnehmen möchten, und gesundes Essverhalten.<br />

Interview: Claudia Füssler Bilder: Regina Hügli / 13 Photo<br />

Frau Dunitz-Scheer, machen wir uns<br />

zu viele Gedanken ums Essen?<br />

Auf jeden Fall. Das liegt daran, dass<br />

wir unsere Intuition und den Alltag<br />

in Sachen Esskultur und Kochkultur<br />

verloren haben. Einerseits kochen<br />

wir weniger oft als jemals zuvor<br />

selbst, andererseits messen wir einzelnen<br />

Nahrungsmitteln so viel<br />

Bedeutung bei wie noch nie. Dieses<br />

Pendeln zwischen zwei Extremen<br />

Mal in einer Gesellschaft leben, in<br />

der die tägliche Beschaffung der<br />

Nahrung mit minimalstem Aufwand<br />

möglich ist: Tütchen kaufen, aufreissen,<br />

warm machen, essen – fertig.<br />

Wer nicht will, muss sich überhaupt<br />

keine Gedanken ums Essen machen.<br />

Dahinter steht der Verlust einer ganzen<br />

kulturspezifischen sinnlichen<br />

Welt.<br />

Kochkultur zu einem Event verändert,<br />

der oft nur einmal in der Woche<br />

stattfindet. Mama steht am Herd und<br />

kocht – das ist eine Ausnahme, nichts<br />

Normales.<br />

Wie sieht diese Normalität denn aus?<br />

Ganz unspektakulär: seinen Kindern<br />

ein abwechslungsreiches Essen hinstellen<br />

und mindestens einmal am<br />

Tag kochen. So lernen die Kinder<br />

nebenbei, was eine lustvolle und gute<br />

zeigt: Uns ist die Normalität beim<br />

Esskultur ist. Und natürlich das<br />

Essen abhandengekommen.<br />

«Wer ein<br />

Kochen. Aber fragen Sie mal Zehnjährige,<br />

wie das bei ihnen zu Hause<br />

Wie konnte das passieren?<br />

gutes Mittelmass<br />

Das hat viele Gründe. Schauen Sie<br />

ist. Die meisten können sich nicht<br />

sich die vergangenen 70 Jahre seit bei der Ernährung einmal ein Spiegelei braten oder Pasta<br />

für sich und ein Geschwisterkind<br />

dem Zweiten Weltkrieg an: Europa<br />

vorlebt, hat kaum<br />

hat sich zum ersten Mal in der Ge ­<br />

kochen. Später schickt man den<br />

schichte der Menschheit in eine essgestörte Kinder.» Nachwuchs in spezielle Kinderkochkurse.<br />

Nahrungsüberflussgesellschaft verwandelt.<br />

Die Nahrungsmittelindustrie<br />

ist notwendigerweise offensiv bis<br />

aggressiv. Sie füttert nicht nur die<br />

Supermarktregale mit Angeboten,<br />

sondern auch unsere Köpfe mit Ideologien<br />

und viel zu viel Information.<br />

Das führt dazu, dass die Menschen<br />

Nahrung als Religions- und Identitätsersatz<br />

sehen.<br />

Das klingt, als ob wir uns ziemlich<br />

absurd verhalten.<br />

Und ob. Dieses riesige Angebot führt<br />

Aber daran sind nicht nur die Lebensmittelhersteller<br />

schuld.<br />

Nein, natürlich nicht. Es sind zahlreiche<br />

gesellschaftliche Veränderungen,<br />

welche man keinem Einzelnen<br />

oder einer Gruppe allein zum Vorwurf<br />

machen kann. Als ich in den<br />

60er-Jahren in der Schweiz aufgewachsen<br />

bin, ist keine Mutter arbeiten<br />

gegangen. Heute bleiben vielleicht<br />

zehn Prozent der Mütter<br />

Da wird dann künstlich etwas<br />

in ihr Leben hineingebracht, was sie<br />

ganz automatisch daheim hätten lernen<br />

können.<br />

Die Familie ist also der Schlüssel zu<br />

einem gesunden Essverhalten?<br />

Unbedingt. Die Eltern – und nicht<br />

nur die Mutter – haben eine Rollenmodellverpflichtung.<br />

Wenn sie es<br />

schaffen, ein vernünftiges, lustvolles<br />

Mittelmass bei der Ernährung vorzuleben,<br />

haben wir kaum essgestörte<br />

Kinder. Die kulinarische Familienkultur<br />

aber auch dazu, dass wir zum ersten da heim. In der Folge hat sich die<br />

ist die erste soziale >>><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Juni/Juli <strong>2017</strong>33


Monatsinterview<br />

>>> Bühne, auf der Kinder Essverhalten<br />

erleben und erlernen – die ist<br />

sinnlich fast lebenslang präsent und<br />

absolut entscheidend. Essen ist eine<br />

interaktive und soziale Entwicklungsleistung,<br />

und wenn die daheim<br />

«Kinder lernen das<br />

zu mögen, was man<br />

ihnen serviert.<br />

Das ist eine Frage<br />

der Erziehung.»<br />

gut funktioniert, muss in der Schule<br />

nicht die Bedeutung von Kohlenhydraten<br />

oder Ernährungspyramiden<br />

erklärt werden.<br />

Viele Eltern machen die Erfahrung,<br />

dass Kinder einfach schwierige Esser<br />

sind.<br />

Kinder lernen das zu mögen, was<br />

Eltern ihnen servieren. Das ist auch<br />

eine Frage der Erziehung. So, wie wir<br />

auf eine Hygieneentwicklung achten<br />

und den Kindern beibringen, sich die<br />

Haare zu kämmen, die Zähne zu putzen<br />

oder die Hände zu waschen. So<br />

selbstverständlich und diskussionslos<br />

muss auch die tägliche Essentwicklung<br />

stattfinden. Wir haben<br />

dafür ja zwölf, dreizehn Jahre Zeit.<br />

Und wann fängt man am besten mit<br />

der Esserziehung an?<br />

Es gibt kein Alter, wo man sagen<br />

könnte, dass die Kinder nicht empfänglich<br />

sind für die Esskultur um sie<br />

herum. Genau genommen fängt das<br />

alles schon vor der Geburt an, bei der<br />

Ernährung der Schwangeren. Und<br />

auch ein drei Monate altes Baby, das<br />

der Papa im Tragegurt vor sich hat,<br />

registriert, ob der Papa eine Suppe<br />

löffelt oder in eine Wurst beisst.<br />

Viele Kinder, die von ihren Eltern als<br />

schwierige Esser beschrieben werden<br />

oder die tatsächlich essgestört sind,<br />

fallen aber in der Kindertagesstätte<br />

überhaupt nicht auf.<br />

Diese Beobachtung mache ich auch.<br />

Dort essen sie völlig normal, und die<br />

Erzieher sind erstaunt, wenn sie<br />

hören, dass es damit zu Hause Probleme<br />

geben soll. Das Problem ist<br />

eigentlich, dass Eltern dazu neigen,<br />

das Essen zu analysieren, und eine<br />

halbe Wissenschaft daraus machen,<br />

was das Kind isst oder eben verweigert.<br />

Damit entsteht ein Machtpotenzial,<br />

eine Konfliktzone, wo ein<br />

wichtiger Bestandteil des Essens<br />

kaputtgeht: der Lustanteil, der stark<br />

durch das Umfeld bestimmt wird.<br />

Aber wenn mein Kind nun mal strikt<br />

Gemüse boykottiert? Das ist doch<br />

eine Situation, mit der ich mich ausein<br />

andersetzen muss.<br />

Der Wahn mit dem Gemüse kommt<br />

aus der Erwachsenenwelt, meist von<br />

solchen Leuten, die oft selbst gegen<br />

Übergewicht kämpfen und vielleicht<br />

schon ein Leben lang Diät halten.<br />

Nur etwa fünf Prozent der Kinder<br />

sind im Volksschulalter bereits echte<br />

Gemüseliebhaber. Die Minderheit<br />

aller gesunden Kinder liebt also<br />

Gemüse, ab der Pubertät ändert sich<br />

das dann. Das macht überhaupt<br />

nichts, kein Kind muss gezwungen<br />

werden, Gemüse zu essen. Damit<br />

macht man schlimmstenfalls sogar<br />

die Geschmackspräferenzentwicklung<br />

kaputt und sorgt höchstens<br />

dafür, dass dieser Mensch dann auch<br />

in späteren Jahren kein Gemüse mag.<br />

Natürlich soll niemand Zucker pur<br />

löffeln, aber man kann Gemüsemuffeln<br />

Vitamintropfen geben, und von<br />

Gemüse allein kann sowieso kein<br />

Kind wachsen.<br />

Wovon dann?<br />

Von einem Mix aus allen Nährstoffen:<br />

Kohlenhydrate, Eiweiss und<br />

Fett. Plus Vitamine und Mineralstoffe.<br />

Kein Extrem ist gut. Monotone<br />

Kost ist das Schlimmste, was Sie<br />

Ihrem Kind antun können. Als<br />

Faust regel gilt, dass ein wachsendes<br />

Kind ein Gramm Eiweiss pro Tag<br />

und Kilo Körpergewicht zu sich nehmen<br />

sollte – und es ist egal, ob das<br />

aus vollwertigem Getreide, aus Käse,<br />

Fleisch, Fisch, Wurst oder der Schokomilch<br />

kommt. Selbst wenn ein<br />

Kind mal Phasen hat, in >>><br />

34


Monatsinterview<br />

«Wer Süssigkeiten<br />

als Belohnung<br />

einsetzt, hat<br />

verloren», sagt<br />

Dunitz-Scheer.


Monatsinterview<br />

>>> denen es bestimmte Dinge<br />

absolut nicht isst, muss man sich<br />

keine Sorgen machen – bei einer einfach<br />

gemischten Kost gleicht sich das<br />

über Wochen und Monate wieder<br />

aus. Noch einmal: Die Kost sollte so<br />

ausgewogen wie möglich sein.<br />

Wie schaffe ich das?<br />

Indem ich nicht nur ein Lebensmittel<br />

auf den Tisch bringe, sondern<br />

verschiedene. Und dem Kind die<br />

Wahl lasse. Vielleicht will es nur zwei<br />

oder drei der angebotenen Sachen,<br />

aber das ist total in Ordnung. Warum<br />

sollten Kinder da anders sein als wir?<br />

Wir suchen uns ja auch das aus, was<br />

uns schmeckt. Ich kann nicht steuern,<br />

was das Kind sich aussucht, aber<br />

ich kann sehr wohl steuern, worin<br />

die Auswahl besteht.<br />

Darf das Kind dann auch beim Einkaufen<br />

aussuchen, was es essen<br />

möchte?<br />

Das ist ein zweischneidiges Schwert.<br />

Zum einen: Eltern sollten ihre Kinder<br />

auf jeden Fall mitnehmen zum<br />

Einkaufen. Allerdings würde ich mit<br />

Kindern vor allem auf Märkte gehen.<br />

Dort kann eigentlich nichts schiefgehen.<br />

Auf so einem grossen Bauernmarkt<br />

sieht ein Kind die Äpfel<br />

neben den Tomaten und den Eiern,<br />

die Salate, die Käsesorten, das Fleisch<br />

«Eltern sollten mit<br />

Kindern häufig<br />

auf Bauernmärkte<br />

gehen. So ein<br />

Einkauf hat<br />

etwas ungeheuer<br />

Sinnliches.»<br />

im Metzgerwagen. Es erlebt die jahreszeitlichen<br />

Variationen. So ein<br />

Einkauf hat einen ungeheuer sinnlichen<br />

Aspekt, ich empfehle, das so oft<br />

wie möglich zu machen, auf alle Fälle<br />

einmal wöchentlich.<br />

Marguerite Dunitz-Scheer über ...<br />

... bio: Grundsätzlich ist jede Nahrung so<br />

naturbelassen wie möglich einzukaufen<br />

und so wenig verarbeitet wie möglich zu<br />

konsumieren. Je mehr Konservierungsstoffe<br />

ein Produkt hat, umso eher lasse ich<br />

die Finger davon – ausser wenn ich mich<br />

für eine Südpolexpedition ausrüste.<br />

... vegan: Das ist für mich eine extreme<br />

Form der Ernährung, von der ich Eltern<br />

von heranwachsenden Kindern abrate.<br />

Eltern, die ihr Kind streng vegan ernähren<br />

möchten, sollten auf jeden Fall einen<br />

Diätologen konsultieren und darauf<br />

achten, dass die Eiweissversorgung<br />

sichergestellt ist.<br />

... vegetarisch: Kinder können pro blemlos<br />

mit einer vegetarischen Ernährung aufwachsen,<br />

sie ist eiweissreich und enthält<br />

genügend Kalzium. Vegetarische Kost<br />

kann fantastisch geschmackvoll sein, aber<br />

Haben Sie noch einen Tipp?<br />

Man sollte es, so gut es geht, vermeiden,<br />

gerade jüngere Kinder mit in<br />

einen Supermarkt zu nehmen, der ja<br />

von Haus aus auf Verführung angelegt<br />

ist. Ich bin dort diejenige, welche<br />

die Auswahl aktiv beeinflusst. Die<br />

Kinder dürfen sich bei der Auswahl<br />

der Joghurts und Müeslis austoben.<br />

Meine Kinder wussten immer, dass<br />

ich keine Süssigkeiten kaufe. Wir<br />

hatten nie welche zu Hause, weil mir<br />

klar war, dass sie genug unterwegs<br />

bekommen, bei Freunden, an Geburtstagspartys<br />

oder wenn wir auf<br />

Reisen waren. Das genügt vollkommen.<br />

Also habe ich nie etwas gekauft,<br />

von dem ich nicht wollte, dass meine<br />

Kinder es essen.<br />

Sehr diszipliniert.<br />

Ich halte das für eine sinnvolle Herangehensweise.<br />

So erspart man sich<br />

unzählige Debatten und anstrengende<br />

Situationen. Am schlimmsten<br />

finde ich Süssigkeiten-Belohnungsschubladen.<br />

Denn dann fängt man<br />

an, Essen in gutes und schlechtes<br />

einzuteilen, und dabei sind plötzlich<br />

leider muss man erst nach Indien reisen,<br />

um das im Alltag zu erleben.<br />

... Geschmack: Ein Schweizer Kind<br />

kann meist mit zwölf Monaten zehn verschiedene<br />

Geschmäcker unterscheiden,<br />

ein französisches vierzig. Während<br />

Schweizer und deutsche Restaurants<br />

eigens Menüs mit angeblich kinderkompatiblen<br />

Fischstäbchen, Pommes und<br />

Spaghetti mit Tomatensauce auf die Karte<br />

setzen, liegt der Gedanke eines speziellen<br />

Kinderessens Eltern in vielen anderen Kulturen<br />

völlig fern. Indische Kinder wachsen<br />

zum Beispiel mit sehr würzigen Speisen<br />

auf, der Nachwuchs von Eskimos mit<br />

rohem Fisch, und in Israel essen selbst<br />

die Kleinsten schon geschmacksintensiven<br />

Hummus, Falafel und Oliven. Weil sie<br />

es von den Grossen so kennen.<br />

die ungesunden Sachen die erstrebenswerten.<br />

Der Klassiker: Komm,<br />

jetzt iss noch was von den Nudeln<br />

und dem Brokkoli, dann gibts<br />

danach auch die Schokolade. Wer<br />

Essen hierarchisiert, sorgt dafür, dass<br />

es schnell begehrte Lieblinge und<br />

einen Kampf darum gibt. Wenn Sie<br />

diese Belohnungsstrategien einmal<br />

anfangen, haben Sie verloren und<br />

sind erpressbar. Ganz zu schweigen<br />

davon, dass ein Kind so kein vernünftiges<br />

Verhältnis zu Nahrungsmitteln<br />

aufbauen kann.<br />

Welche Rolle spielen gemeinsame<br />

Mahlzeiten für die Essentwicklung?<br />

Da treffen Sie einen Nerv, denn der<br />

aktuelle Zustand ist eine Katastrophe.<br />

Eine gemeinsame Mahlzeit am<br />

Tag in einer Familie – das muss man<br />

doch mit ein bisschen Organisationstalent<br />

schaffen! Aber nein, einer<br />

isst um fünf, der andere um sechs,<br />

der Dritte abends um neun, wenn er<br />

endlich nach Hause kommt. Recht<br />

häufig ist, dass die Kinder um sechs<br />

essen und die Eltern dann allein um<br />

acht, wenn die Kinder im Bett sind.<br />

36 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Ich finde das traurig. Wenn das<br />

gemeinsame Mahl ein schönes,<br />

wichtiges Ritual ist, nimmt sich auch<br />

ein hungriges Kind um sechs nur<br />

eine Kleinigkeit und wartet gerne,<br />

bis dann um halb acht alle essen –<br />

weil es dieses Ereignis nicht missen<br />

möchte. Dabei geht es dann ums<br />

Erzählen, ums Zuhören, also um<br />

Kommunikation, und ja, auch ums<br />

Essen, aber das passiert eher nebenbei<br />

und wird nicht übertrieben zelebriert.<br />

Wie sollten Eltern reagieren, wenn die<br />

13-jährige Tochter beschliesst, sie<br />

müsse jetzt abnehmen, weil sie zu<br />

dick sei?<br />

Zunächst einmal guckt man sich die<br />

Situation faktisch an. Die Mutter<br />

einer 13-Jährigen sollte wissen, ob<br />

ihre Tochter 50, 60 oder 70 Kilo<br />

wiegt. Erstrebenswert ist in diesem<br />

Alter etwa ein BMI von 20. Ist das<br />

Mädchen wirklich zu dick, sagt man<br />

ihm: Du, wir kriegen das gemeinsam<br />

hin, wir kochen etwas kohlenhydratärmer,<br />

und ich mache uns einfach<br />

mehr Salate. Am besten zieht<br />

die ganze Familie mit. Auch hier gilt:<br />

Das Ganze sollte so normal wie möglich<br />

gehandhabt werden. Auch bei<br />

jüngeren Kindern, die zu dick sind,<br />

kann so eine Veränderung des Angebots<br />

schnell Abhilfe schaffen. Das<br />

liegt in der Hand der Eltern, ebenso<br />

wie die Entscheidung, dass es dann<br />

mal bis auf Weiteres nur einmal pro<br />

Woche ein Dessert gibt.<br />

Viele Teenager sind gar nicht zu dick,<br />

aber dennoch vom Gedanken des<br />

Abnehmens besessen.<br />

Auch hier gucke ich mir als Elternteil<br />

das Kind selbst und seinen BMI an.<br />

«Gemeinsame<br />

Mahlzeiten sind<br />

für die gesunde<br />

Essentwicklung<br />

enorm wichtig.»<br />

Liegt der bei 18, bin ich besonders<br />

aufmerksam und stelle das Kind einmal<br />

die Woche auf die Waage. Ab<br />

einem BMI von 16 muss man Klartext<br />

reden und handeln. Dann muss<br />

dem Kind gesagt werden: Wir gucken<br />

ab jetzt nicht mehr zu, wie du dich<br />

kaputthungerst, wir holen jetzt Hilfe<br />

von ausgebildeten Menschen dazu.<br />

Niemand hat ein Problem damit, seinem<br />

Sohn oder seiner Tochter zu<br />

sagen, dass es auf keinen Fall ein<br />

Piercing oder weiche Drogen gibt,<br />

aber beim Essen stellen wir uns alle<br />

irgendwie an.<br />

Vielleicht, weil es dazu so viele widersprüchliche<br />

Informationen gibt?<br />

Das mag sein. Doch es ist wichtig,<br />

dass Eltern gleichzeitig verstehen,<br />

dass die Essentwicklung ein ganz<br />

normaler Teil der Kindesentwicklung<br />

ist, so wie die motorisch-sportliche,<br />

die schulisch-intellektuelle<br />

oder emotional-moralische auch.<br />

Der Einfluss, den die Eltern und alle<br />

Familienmitglieder auf diese Entwicklung<br />

haben, ist enorm, nimmt<br />

aber mit zunehmendem Alter langsam<br />

ab. Je mehr ich für mich selbst<br />

geklärt habe, wer ich bin und was ich<br />

esse, desto einfacher wird die autonome<br />

Essentwicklung des Kindes.<br />

Eine Mutter, die sich beim Essen<br />

entschuldigt und erklärt, dass sie<br />

heute nur Salat essen dürfe, und ein<br />

Vater, der vorrechnet, dass er die<br />

ganze Woche nur drei Scheiben<br />

Wurst hatte und dafür heute zwei<br />

Schnitzel darf – das sind die besten<br />

Voraussetzungen dafür, dass das<br />

Kind ein kompliziertes Verhältnis zu<br />

Nahrungsmitteln entwickelt.<br />

>>><br />

Zur Person<br />

Marguerite Dunitz-Scheer ist Professorin für<br />

Kinderheilkunde und Leiterin der Psychosomatischen<br />

Kinder- und Jugendstation an der Universitätsklinik<br />

Graz. Die Expertin für Essstörungen und<br />

sonderernährte Kinder hat sechs Kinder und sieben<br />

Enkelkinder. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie das<br />

Buch «Jenseits von dick und dünn: Kochen – Essen<br />

– Familie. Der etwas andere Ratgeber. Mit vielen<br />

praktischen Beispielen und Rezepten» geschrieben.<br />

Mehr unter www.notube.com<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Juni/Juli <strong>2017</strong>37


In Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Post<br />

Erziehung & Schule<br />

«Liebe Grüsse aus …»<br />

Sommerliche Familienaktivitäten bieten auch viele Anlässe zum Erzählen, Grüssen oder Einladen.<br />

Für Kinder eine schöne Gelegenheit, zu erfahren und zu üben, wie man mit Schrift kommunizieren kann.<br />

Text: Johanna Oeschger<br />

Bild: Fotolia<br />

Wir schreiben, um damit etwas Bestimmtes<br />

zu erreichen: Wir möchten<br />

jemandem etwas mitteilen, uns «etwas<br />

von der Seele» schreiben oder etwas<br />

Wichtiges für später festhalten. Das<br />

Schreiben an und für andere hat für das<br />

Schreibenlernen eine besondere Bedeutung:<br />

Wenn Kinder erleben, dass sie mit<br />

ihrem Schreiben beim Empfänger eine<br />

Reaktion bewirken können (Freude,<br />

Lachen, eine Antwort), motiviert sie dies<br />

speziell. Sie lernen dabei zudem Schritt<br />

für Schritt die wichtige Fähigkeit, auf<br />

schriftlichem Weg mit anderen zu kommunizieren.<br />

Feriengrüsse<br />

Helfen Kinder mit beim Verfassen von<br />

Feriengrüssen an Familie und Freunde,<br />

können sie erstmals erfahren, wie man<br />

mit Schrift kommuniziert. Grössere Kinder<br />

schreiben die Postkarte selbständig,<br />

Schreibanfänger können den Text diktieren<br />

oder ergänzen. Mit Grüssen und<br />

Zeichnungen aller Familienmitglieder<br />

wird die Karte zum bunten «Gemein­<br />

App-Tipp<br />

PostCard Creator<br />

Mit dem PostCard Creator können<br />

Kinder (und Eltern) direkt vom Handy<br />

aus Postkarten mit eigenem Foto<br />

und Text versenden. Eine Postkarte<br />

pro Tag ist gratis. Die App gibt es<br />

für Android und iOS.<br />

38 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


schaftswerk». Besonders eindrücklich<br />

für die Kinder ist es, wenn sie die Wirkung<br />

des Geschriebenen beobachten<br />

können. Vielleicht bekommen sie freudige<br />

Antwort auf ihre Nachricht oder<br />

entdecken ihre Postkarte von weit weg<br />

plötzlich am Kühlschrank der Grosseltern.<br />

Ferienbuch<br />

Einige Familien stellen zur Erinnerung<br />

oder zum Teilen mit den Daheimgebliebenen<br />

ein Ferientage- oder Fotobuch<br />

zusammen. Die Kinder können mitschreiben<br />

und mitgestalten: Fotos und<br />

Erinnerungsschnipsel auswählen und<br />

beschriften, spezielle Erlebnisse erzählen<br />

oder malen, Reiseroute einzeichnen,<br />

Ferienort porträtieren ...<br />

Einladung<br />

Ist eine Sommerparty oder ein Geburtstagsfest<br />

geplant? Beim Verschicken der<br />

Einladungen können auch die Kinder<br />

mithelfen – mit Formulieren, Adressieren,<br />

Gestalten, Verzieren.<br />

Johanna Oeschger<br />

ist Literatur- und Sprachwissenschaftlerin,<br />

unterrichtet Deutsch und Englisch<br />

auf der Sekundarstufe II und arbeitet<br />

als Mediendidaktikerin bei LerNetz.<br />

Schreiben<br />

verbindet<br />

Mach jemand Liebem<br />

eine Freude: Zeig deinen<br />

Grosseltern, der Gotte<br />

oder einem Freund, dass<br />

du an sie denkst, und<br />

lade sie zu einem<br />

gemeinsamen Sommerabenteuer<br />

ein. Für<br />

Kinder und Eltern zum<br />

gemeinsam oder selber<br />

Gestalten – Schreiben –<br />

Verschicken.<br />

So gehts:<br />

1. Vorderseite ausmalen<br />

2. Wunsch-Sommeraktivität<br />

ankreuzen<br />

3. Rückseite beschreiben<br />

4. Abschicken!<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Juni/Juli <strong>2017</strong>39


Psychologie & Gesellschaft<br />

Juhui, Ferien …<br />

oje, die Kinder haben frei<br />

Ferien sind toll, und die Kinder freuen sich auf die schulfreie Zeit.<br />

Ganz im Gegensatz zu den Eltern, die während der Schulferien<br />

oft mit Betreuungs lücken konfrontiert sind. Gedanken über<br />

ein familiäres Dilemma. Text: Susan Edthofer<br />

Meistens klappt die Verbindung von<br />

Beruf und Familie im normalen Alltag<br />

relativ gut. Angebote wie Mittagstisch<br />

und Aufgabenhilfe entlasten.<br />

Ganz anders sieht es während der<br />

Ferien aus. Was macht man mit Kindern, die fünf oder<br />

gar sechs Wochen zu Hause sind? Auch wenn Eltern<br />

ebenfalls Ferien einplanen, mehr als zwei, drei Wochen<br />

haben sie wohl kaum frei, und die Sommerpause ist<br />

damit längst nicht abgedeckt. Und auch im Frühling,<br />

Herbst und Winter fällt die Schule ein paar Wochen aus.<br />

Doch die wenigsten Familien können es sich zeitlich<br />

oder finanziell leisten, jedes Mal zu verreisen. Auf der<br />

Suche nach Betreuungsmöglichkeiten kommen nicht<br />

selten Grosseltern, Gotte, Götti und Freunde zum Einsatz<br />

– vorausgesetzt, sie wohnen in der Nähe, sind<br />

gesundheitlich auf der Höhe und haben Zeit. Wie bei<br />

einem Puzzlespiel werden die schulfreien Tage aufgesplittet<br />

und Lösungen gesucht, die allen behagen.<br />

Lösungen für Betreuungslücken<br />

Um unnötigem Stress entgegenzuwirken, lohnt es sich,<br />

die Schulferien frühzeitig zu planen. Vor allem bei jüngeren<br />

Kindern muss eine lückenlose Betreuung gewährleistet<br />

sein. Doch auch ältere Kinder sollten nicht tagelang<br />

sich selber überlassen werden. Auf der Suche nach<br />

familienfreundlichen Modellen sind Gesellschaft und<br />

Politik gefordert. Weil Schulferien zahlreiche Familien<br />

vor ein Problem stellen, bietet die öffentliche Hand in<br />

grösseren Städten Kinderbetreuung an.<br />

In der Regel sind die Kosten abhängig vom Einkommen<br />

der Eltern. Für Familien mit tiefem Einkommen<br />

sind zusätzliche Auslagen trotzdem kaum tragbar und<br />

immer noch zu hoch. Und ausserhalb der Städte fehlen<br />

solche Angebote meist gänzlich. Auf dem Land sind<br />

Familien oftmals auf Verwandte oder ein gut funktionierendes<br />

Nachbarschaftsnetz angewiesen. Doch auch<br />

die tollsten, flexibelsten Nachbarinnen und Nachbarn<br />

möchte man nicht unnötig strapazieren. Bestimmt hilft<br />

man sich gerne gegenseitig aus, doch zu häufig möchte<br />

man nicht anfragen, und zu lange sollte ein<br />

Einsatz ebenfalls nicht dauern.<br />

Freizeitangebote in der Region nutzen<br />

Zum Glück gibt es attraktive Alternativprogramme, die<br />

Eltern entlasten und Kinder ausfüllen. Der Ferienpass<br />

ist ein massgeschneidertes Ferienangebot für Daheimgebliebene.<br />

In verschiedenen Gemeinden der Schweiz<br />

führt Pro Juventute rund 7500 Programme durch. Aus<br />

einem breiten Angebot wählen die Kinder Tageskurse,<br />

Wochenkurse oder ein Lager aus. Beispielsweise können<br />

sie einen Tag auf einem Bauernhof verbringen, sich kreativ<br />

betätigen, Höhlen erforschen, Sportarten ausprobieren<br />

und neue Medien kennenlernen. Dass spannende<br />

und abwechslungsreiche Ferientage auch zu Hause möglich<br />

sind, entlastet Eltern enorm.<br />

«Spannende<br />

Ferientage sind<br />

auch zu Hause<br />

möglich.»<br />

Susan Edthofer ist Redaktorin<br />

im Bereich Kommunikation<br />

von Pro Juventute.<br />

Was Eltern tun können – vier Tipps<br />

• Tauschen Sie sich mit anderen Eltern aus. Oft entwickelt man<br />

Lösungen zusammen. Vielleicht ist auch eine gemeinsame<br />

Kinderbetreuung in der Nachbarschaft eine Option.<br />

• Fragen Sie Grosseltern, Gotte, Götti rechtzeitig an, ob Ihr Kind<br />

ein paar Tage zu Besuch kommen darf.<br />

• Schauen Sie sich frühzeitig nach den Ferienprogrammen<br />

in Ihrer Region um.<br />

• Viele Unternehmen unterstützen die Vereinbarkeit von Beruf<br />

und Familie. Versuchen Sie, mit Ihrem Chef, Ihrer Chefin über die<br />

Schulferien eine familienfreundliche Regelung der Arbeitszeit<br />

auszuhandeln.<br />

Pro Juventute Elternberatung<br />

Bei Pro Juventute Elternberatung können Eltern und Bezugspersonen von<br />

Kindern und Jugendlichen jederzeit telefonisch (058 261 61 61) oder online<br />

(www.projuventute-elternberatung.ch) Fragen zum Familienalltag, zu<br />

Erziehung und Schule stellen. Ausser den normalen Telefongebühren fallen<br />

keine Kosten an. Auf www.projuventute.ch/Ferienpass.20.0.html finden<br />

sich die Ferienpass-Angebote der verschiedenen Regionen.<br />

40 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Publireportage<br />

Psychologie & Gesellschaft<br />

Jungwacht<br />

Blauring<br />

Freizeitspass und Lebensschule<br />

Alt-Bundesrätin Ruth Metzler war dabei. Marathonläufer Viktor<br />

Röthlin und Kabarettist Emil Steinberger ebenfalls. Die Rede ist von<br />

Jungwacht Blauring, kurz Jubla. Der Kinder- und Jugendverband<br />

bietet Kindern ab 7 Jahren sinnvolle und hochwertige Freizeitgestaltung.<br />

Das bedeutet Freizeitspass und Lebensschule.<br />

Samstag, 13.30 Uhr, Kerns. «Lasst die<br />

Suche beginnen!» 18 Jubla-Kinder<br />

machen sich mit ihren Leitungspersonen<br />

auf in Richtung Wald. Am nahegelegenen<br />

Waldrand gilt es herauszufi nden,<br />

wer sich hinter dem mysteriösen Mister X<br />

verbirgt. Doch die Hinweise sind gut versteckt;<br />

da ist Zusammenarbeit gefragt:<br />

«Natur» mit Blättern auf den Waldboden<br />

schreiben, eine Menschenpyramide<br />

bauen oder einen Samariterknoten<br />

machen. Jene Gruppe, die den Mister<br />

X als erstes entlarvt, darf beim anschliessenden<br />

Grillplausch auch die ersten<br />

«Schoggibananen» essen. Umgeben<br />

von den leuchtenden Kinderaugen und<br />

lachenden Gesichtern wird schnell klar:<br />

Die Jubla ist ein Riesenspass! Auf die<br />

Frage, was ihr an den regelmässigen<br />

Gruppenstunden gefällt, antwortet die<br />

achtjährige Livia strahlend: «Die abenteuerlichen<br />

und lustigen Spiele. Und<br />

dass man mit Freunden zusammen ist».<br />

Verantwortung übernehmen<br />

Über 29´000 Mitglieder zählt die Jubla<br />

schweizweit. Davon sind rund 9´000<br />

ehrenamtliche Leitende. Die meisten<br />

waren von Klein auf in der Jubla<br />

und haben später Verantwortung als<br />

Leitungsperson übernommen. So auch<br />

«Gute Freunde, Schoggibanane und<br />

das Lachen der Kinder bringt mir mehr<br />

als 100-tausend Franken», sagt er. Mit<br />

seinen Schützlingen geht er am liebsten<br />

in die Natur. «So ermögliche ich den<br />

Kleinen Neues zu entdecken – etwas,<br />

das sie im Alltag nicht erleben». Über<br />

die Jahre entstünden tiefe Freundschaften,<br />

so Kilian. Das bestätigt auch<br />

sein Jubla-Freund Joel. «In der Jubla<br />

wird Gemeinschaft gelebt. Ausserdem<br />

können sich bei uns Kinder fern von Leistungsdruck<br />

entfalten, ihre Fähigkeiten<br />

entdecken und weiterentwickeln. Dabei<br />

lernen sie auch, Verantwortung für sich<br />

und andere zu übernehmen».<br />

Ganzheitliche Lebensschule<br />

Gemeinschaftliche Erfahrung, Aktivitäten<br />

im Freien, grenzenlose Fantasie.<br />

Die Jubla ist eine ganzheitliche Lebensschule.<br />

«Insbesondere in unserer heute<br />

so individualisierten, leistungsorienterten<br />

und schnellebigen Gesellschaft gibt die<br />

Jubla Kindern und Jugendlichen Halt<br />

und Orientierung.», meint Alice Stierli,<br />

Co-Präsidentin Jubla Schweiz. Diese gelebten<br />

Werte prägen den Jubla-Alltag<br />

stark. Ganz im Zeichen der Solidarität<br />

sind in der Jubla denn auch alle willkommen,<br />

unabhängig ihrer Fähigkeiten,<br />

Das ist «Jubla»<br />

Momente am Lagerfeuer<br />

geniessen, gemeinsam lachen,<br />

unvergessliche Augenblicke<br />

erleben, im Wald «Versteckis»<br />

spielen, wandern und unter<br />

dem Sternenhimmel übenachten,<br />

über dem Feuer kochen,<br />

eine Schatzkarte zeichnen,<br />

«Bändeli» knüpfen, Seifenkisten<br />

bauen, sich verkleiden, Köpfe<br />

zusammenstecken und Ideen<br />

entwickeln, besondere Momente<br />

feiern, Freundinnen und<br />

Freunde fürs Leben fi nden –<br />

das alles und vieles mehr bietet<br />

Jungwacht Blauring (Jubla).<br />

Komm vorbei<br />

und entdecke<br />

Jungwacht Blauring<br />

Jubla-Tag<br />

Am Samstag, 9. September<br />

<strong>2017</strong>, laden Jubla-Gruppen<br />

aus der ganzen Schweiz<br />

interessierte Kinder, Jugendliche<br />

und Eltern auf eine Reise<br />

durch die Welt der Jubla ein!<br />

Sei auch du mit dabei und<br />

entdecke Jungwacht Blauring.<br />

Informationen zum Programm<br />

in deiner Nähe fi ndest du<br />

unter jubla.ch/jublatag.<br />

der 22-jährige Kilian der Jubla Kerns. Herkunft und Religion.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Juni/Juli <strong>2017</strong>41


Kolumne<br />

Die Signale müssen verstanden werden<br />

Durch die Luft fliegende Metallautos, Wutausbrüche und Kraftausdrücke –<br />

eine Mutter weiss nicht mehr weiter mit ihrem Sohn.<br />

Jesper Juul<br />

ist Familientherapeut und Autor<br />

zahlreicher internationaler Bestseller<br />

zum Thema Erziehung und Familien.<br />

1948 in Dänemark geboren, fuhr er<br />

nach dem Schulabschluss zur See, war<br />

später Betonarbeiter, Tellerwäscher<br />

und Barkeeper. Nach der<br />

Lehrerausbildung arbeitete er als<br />

Heimerzieher und Sozialarbeiter<br />

und bildete sich in den Niederlanden<br />

und den USA bei Walter Kempler zum<br />

Familientherapeuten weiter. Seit 2012<br />

leidet Juul an einer Entzündung der<br />

Rückenmarksflüssigkeit und sitzt im<br />

Rollstuhl.<br />

Jesper Juul hat einen erwachsenen<br />

Sohn aus erster Ehe und ist in zweiter<br />

Ehe geschieden.<br />

Eine Leserin schreibt<br />

Jesper Juul: Mit viel<br />

Inter esse verfolge ich<br />

Ihre Rubrik im Magazin<br />

Fritz+Fränzi. Ich bin<br />

immer sehr gespannt auf Ihre Antwort<br />

und überlege mir im Voraus,<br />

wie ich handeln würde. Nun bin ich<br />

auch in einer Situation, wo ich mir<br />

nicht mehr zu helfen weiss, deshalb<br />

gelange ich an Sie.<br />

Wir haben zwei Jungs im Alter<br />

von knapp 8 Jahren und 4 Jahren.<br />

Beide sind meistens lieb zueinander<br />

und verstehen sich trotz Altersunterschied<br />

ziemlich gut. Aktuell hat aber<br />

der Kleinere immer wieder extreme<br />

Wutausbrüche, wenn etwas nicht<br />

nach seinem Gutdünken läuft. Das<br />

typische Trotzen in diesem Alter.<br />

Nur fliegen leider Sachen wie Metallautos<br />

und Legosteine in unsere Richtung<br />

(unsere Köpfe sind auch schon<br />

getroffen worden), wenn er noch im<br />

Wohnzimmer ist, sonst knallt er seine<br />

Türe zu und wirft auch dort seine<br />

Sachen an die Wand. Dies ist ziemlich<br />

anstrengend. Ich bin der Meinung,<br />

dass er in dieser Situation in<br />

Das wütende und frustrierte<br />

Verhalten des Sohnes bedeutet,<br />

dass er sich bei dieser Art<br />

Erziehung nicht wohl fühlt.<br />

sein Zimmer muss, nur wird er dann<br />

noch viel wütender. Haben Sie einen<br />

«besseren» Vorschlag, wie wir diese<br />

Wut in den Griff bekommen können?<br />

Vor allem möchte ich nicht,<br />

dass er uns Objekte an den Kopf<br />

wirft.<br />

Ein weiteres Problem sind seine<br />

Kraftausdrücke. Wie sollen wir re ­<br />

agieren, wenn er uns zum Beispiel<br />

sagt, wir seien doof, oder seinem<br />

Bruder, er sei ein Doppel-A…? Seit<br />

einem halben Jahr bringen wir dies<br />

einfach nicht mehr von ihm weg.<br />

Obwohl sein grosser Bruder sehr<br />

selten solche Wörter verwendet, hat<br />

der Kleine keine Hemmungen, diese<br />

zu brauchen. Gespannt freue ich<br />

mich auf Ihre Antwort!<br />

Jesper Juul antwortet<br />

Verhaltensweisen, wie Sie sie für<br />

Ihre zwei Söhne beschreiben, sind<br />

nur selten an ein spezifisches Alter<br />

gebunden. Sie sind lediglich das,<br />

was wir in der modernen Entwicklungspsychologie<br />

«Signale» nennen.<br />

In diesem Fall nennen Sie es ein<br />

Pro blem, das nach einer Lösung<br />

verlangt. Wenn wir es jedoch ein<br />

Signal nennen, verlangt es nach Verständnis.<br />

Lassen Sie mich mit Ihrem jüngsten<br />

Sohn beginnen. Sein frustriertes<br />

oder wütendes Verhalten ist ein<br />

Si gnal, welches Ihnen zeigt, dass er<br />

sich nicht wohl fühlt so, wie Sie ihn<br />

zu erziehen versuchen. Wenn ein<br />

Kind das Gefühl verliert, wertvoll zu<br />

sein, und darauf mit Aggressionen<br />

Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren<br />

42 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Kinder brauchen etwa zehn Jahre, um<br />

zu lernen, ihre Impulse konstruktiv<br />

umzusetzen, und Erwachsene, die für<br />

ihre Aggression Verständnis haben.<br />

reagiert – ob diese nun destruktiv<br />

oder selbstdestruktiv sind –, liegt<br />

das immer an der bewussten oder<br />

unbewussten Botschaft der Erwachsenen,<br />

die dem Kind zu verstehen<br />

geben, dass es mehr Belastung als<br />

Vergnügen ist. Frustration/Aggression<br />

(bei Kindern wie auch bei Er ­<br />

wachsenen) kann ein Zeichen dafür<br />

sein, dass Ihr Sohn nicht mag, was<br />

Sie von ihm zu tun oder zu lassen<br />

verlangen. Es ist aber auch ein Zeichen<br />

dafür, dass es für Ihren Sohn<br />

nicht angenehm, ja vielleicht sogar<br />

verletzend ist, wie Sie mit ihm gerade<br />

umgehen. In so einem Konflikt<br />

geht es oft viel mehr um das Wie als<br />

um das Was.<br />

Signale entstehen immer als ein<br />

Resultat, wie wir in der Gemeinschaft<br />

(als Familie) zusammenleben.<br />

Wenn nun ein Familienmitglied<br />

immer wieder wütend und frustriert<br />

ist, ist das eine Botschaft an die<br />

Eltern, dass es sinnvoll ist, neue und<br />

konstruktivere Wege für das Miteinander<br />

zu finden. (Ich habe dies in<br />

meinem Buch «Aggression» be ­<br />

schrieben.)<br />

Aggression und Wut sind in vielen<br />

Familien aus moralischer Sicht<br />

generell nicht willkommen. Der traditionelle<br />

Weg, diese Gefühle bei<br />

den Kindern auszulöschen, ist die<br />

Anwendung von Macht: zum Beispiel<br />

das Kind in sein Zimmer zu<br />

schicken, ihm einen Klaps zu geben,<br />

das Kind zu beschimpfen, es anzuschreien,<br />

zu bestrafen. Von der<br />

Ge sellschaft werden diese Erziehungsmassnahmen<br />

oft als solche<br />

gutgeheissen.<br />

Hier ist eine Alternative: Setzen<br />

Sie sich zu einem konfliktfreien<br />

Zeitpunkt mit Ihrem Sohn hin,<br />

sehen Sie ihm freundlich in die<br />

Augen und sagen Sie ihm: «Hör zu,<br />

mein Schatz, ich mag die Art und<br />

Weise nicht, wie wir streiten, wenn<br />

wir uns uneinig sind, und ich weiss,<br />

dass es in meiner Verantwortung<br />

liegt, dies zu ändern. Ich brauche<br />

deine Hilfe. Sag mir bitte, was ich<br />

anders machen kann, wenn es wieder<br />

so destruktiv zwischen uns wird.<br />

Ich will nämlich nicht, dass du<br />

Gegenstände herumschmeisst und<br />

Sachen beschädigst.»<br />

Auf diesem Weg wird er sich<br />

geliebt und wertvoll für Ihr Leben<br />

und die Familie fühlen, und ich verspreche<br />

Ihnen, dass er Ihnen einen<br />

oder mehrere Anhaltspunkte geben<br />

wird, um Sie zu konstruktiverer und<br />

effektiverer Kindererziehung zu<br />

führen.<br />

Dass er mit seiner Zunge schlägt<br />

(Kraftausdrücke, die sie er wähnen),<br />

ist nur eine andere Form von Ag ­<br />

gression und ein anderes Signal,<br />

welches Ihnen zeigt, dass er sich als<br />

Familienmitglied unwohl fühlt. Ein<br />

Vierjähriger kann nicht kommen<br />

und sagen: «Ich möchte euch allen<br />

etwas sagen: Schon seit Längerem<br />

fühle ich mich unwohl mit meinem<br />

Leben in unserer Familie, und ich<br />

brauche eure Hilfe, um herauszufinden,<br />

was falsch läuft. Würdet ihr mir<br />

bitte helfen?»<br />

Auch die meisten Erwachsenen<br />

können das nicht. Die Erwachsenen<br />

brauchen oft auch eine Zeit, in welcher<br />

sie meckern, gereizt, kritisch<br />

oder deprimiert sind – was alles für<br />

ihr Umfeld nicht «nett» ist. Es kann<br />

ein beliebiges Familienmitglied sein,<br />

welches schimpft und schlecht<br />

gelaunt ist. Auch da können sie dieselbe<br />

Vorgehensweise wählen: «Ich<br />

habe bemerkt, dass du dich in letzter<br />

Zeit nicht wohl fühlst mit uns, und<br />

sofern du es mir erzählen kannst,<br />

möchte ich wissen, warum. Ich liebe<br />

dich genauso, auch wenn du dich<br />

schlecht fühlst.»<br />

Das Einzige, was Sie als Elternteil<br />

oder Partner tun müssen, ist Folgendes:<br />

Lassen Sie die anderen Familienmitglieder<br />

wissen, dass Sie von<br />

ihnen nicht erwarten, immer glücklich<br />

zu sein, und dass sie auch auf<br />

Ihre Liebe und Unterstützung zählen<br />

können, wenn sie es nicht sind<br />

oder nicht in der Lage sind, die richtigen<br />

Worte für ihr Unwohlsein zu<br />

finden. Kinder brauchen eine Kindheit<br />

lang – etwa zehn Jahre –, um<br />

ihre Impulse konstruktiv und kreativ<br />

umzusetzen. Damit ihnen das<br />

gelingt, brauchen sie Erwachsene,<br />

die Verständnis für ihre Frustration/<br />

Aggression haben.<br />

Die Kolumnen von Jesper Juul entstehen<br />

in Zusammenarbeit mit<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Juni/Juli <strong>2017</strong>43


Erziehung & Schule<br />

Die Eltern bestimmen<br />

die Religion ihrer Kinder<br />

Im Verlauf der letzten Jahre haben sich vermehrt Fragen im Spannungsfeld<br />

von Religionsrecht und Schule ergeben. Wo verlaufen die Grenzen<br />

zwischen Entscheidungsmacht der Eltern, Glaubensfreiheit der Kinder<br />

und dem Bildungsauftrag der Schule? Text: Gisela Kilde<br />

Bild: Maskot / Plainpicture<br />

44 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Erleben Sie<br />

Bewegung!<br />

Ardit und Samira sind<br />

die Eltern von Granit,<br />

16, und Edita, 14.<br />

Den Eltern liegt es<br />

sehr am Herzen,<br />

ihren Kindern die Traditionen und<br />

die Kultur ihres Herkunftslandes<br />

Kosovo zu vermitteln. Dazu gehört<br />

auch ihre Religion, der Islam.<br />

War die Religionszugehörigkeit<br />

in der Familie von Ardit und Samira<br />

von Anfang an klar, wurde diese<br />

Frage von Theo und Lea, den Eltern<br />

von Luna, 8, kontrovers diskutiert.<br />

Als Atheist wollte Theo, dass sein<br />

Kind ohne Religion aufwachsen<br />

sollte. Lea besucht zwar keinen Gottesdienst<br />

mehr, ist aber weiterhin<br />

Mitglied der katholischen Kirche.<br />

Während Leas Schwangerschaft<br />

führte erst die Frage der zukünftigen<br />

Grosseltern nach der Kindstaufe zur<br />

ernsthaften Auseinandersetzung mit<br />

diesem Thema. Theo und Lea einigten<br />

sich schliesslich darauf, ihre<br />

Tochter Luna vorerst ohne Religion<br />

aufwachsen zu lassen. Sie sollte die<br />

Freiheit erhalten, sich selber für eine<br />

Religion zu entscheiden.<br />

Gemäss Zivilgesetzbuch bestimmen<br />

die Eltern über die religiöse<br />

Die Eltern dürfen und sollen<br />

Einfluss auf den Glauben ihrer<br />

Kinder und damit verbundene<br />

Werthaltungen nehmen.<br />

Erziehung der Kinder. Dieses Recht<br />

ist Teil der elterlichen Sorge. Bei<br />

gemeinsamer elterlicher Sorge müssen<br />

sich daher die Eltern einigen. Ist<br />

ein Elternteil allein sorgeberechtigt,<br />

so steht nur ihm die Entscheidungskompetenz<br />

über die religiöse Erziehung<br />

des Kindes zu.<br />

Ab 16 Jahren haben Jugendliche<br />

selber das Sagen<br />

Zunächst bestimmen also die Eltern<br />

vollumfänglich über die Ausübung<br />

oder Nichtausübung einer Religion.<br />

Was aber ist, wenn die eigenen Kinder<br />

sich nicht oder nicht mehr an die<br />

Religionsvorschriften halten wollen?<br />

Darf Granit von sich aus entscheiden,<br />

den Ramadan nicht mehr einzuhalten?<br />

Was passiert, wenn Edita<br />

das Kopftuch nicht mehr tragen will?<br />

Und wie steht es mit Luna, die wie<br />

ihre Schulfreundinnen gerne die<br />

Erstkommunion feiern möchte?<br />

Wird vom religiösen Gehalt dieser<br />

Fragen abgesehen, sind es zuerst<br />

einmal Streitpunkte, wie sie in jeder<br />

Familie auftauchen. In allen Familien<br />

gelten gewisse Verbote und Ge ­<br />

bote, die besonders von Jugendlichen<br />

in Frage gestellt werden.<br />

Entsprechend ist auch hier familienintern<br />

eine Einigung in den Streitfragen<br />

zu suchen. Rechtlich gesehen<br />

haben die Eltern das Recht und die<br />

Pflicht, ihre Kinder gemäss ihren<br />

Verhältnissen zu erziehen. Darin ist<br />

auch die Weitergabe ihrer Kultur<br />

und ihrer Werte mitenthalten. Die<br />

Eltern dürfen und sollen daher Einfluss<br />

auf den Glauben ihrer Kinder<br />

und damit verbundene moralische<br />

Werthaltungen nehmen.<br />

Sieht das Zivilrecht ausdrücklich<br />

eine Gehorsamspflicht für >>><br />

Die wichtigsten Vorbilder von<br />

Kindern sind ihre Eltern. Auch<br />

wenn es um Bewegung geht.<br />

Ein bewegtes Familienleben<br />

ist daher für die Entwicklung<br />

Ihres Kindes nur von Vorteil.<br />

Keine Angst, Sie müssen sich<br />

mit Ihrem Kind jetzt nicht<br />

auf Jogging-Runden begeben.<br />

Schaffen Sie stattdessen als<br />

Familie gemeinsame Bewegungserlebnisse,<br />

die mehr<br />

sind als einfach nur gesund:<br />

Ergänzen Sie einen Waldspaziergang<br />

doch mit spannenden<br />

Denkaufgaben. Damit<br />

profitiert nicht nur der Körper,<br />

sondern auch der Geist.<br />

Langweilig wird es so<br />

garantiert niemandem.<br />

Mehr gemeinsame Bewegungstipps<br />

finden Sie übrigens<br />

im neuen Ratgeber<br />

«Bewegung, Spiel und Spass<br />

in der ganzen Familie» der<br />

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Lukas Zahner<br />

Departement für Sport,<br />

Bewegung und Gesundheit<br />

der Universität Basel<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Juni/Juli <strong>2017</strong>45


Erziehung & Schule<br />

Eine Norm im Zivilrecht<br />

bestimmt, dass Eltern<br />

die Meinung des Kindes<br />

berücksichtigen müssen.<br />

>>> Kinder vor, so bestimmt die<br />

gleiche Norm, dass die Eltern die<br />

Meinung des Kindes zu berücksichtigen<br />

haben. Da es sich im Bereich<br />

des Glaubens und der Religion um<br />

höchstpersönliche Rechte handelt,<br />

haben die Eltern die gefestigten Entscheidungen<br />

ihrer urteilsfähigen<br />

Kinder zu respektieren.<br />

Hat Edita also nachvollziehbare<br />

Gründe, weshalb sie das Kopftuch<br />

nicht mehr tragen will, und kann sie<br />

die Konsequenzen des Nichttragens<br />

absehen, so sollten die Eltern diesen<br />

Entscheid respektieren. Allerdings<br />

spielen hier nicht nur religiöse, sondern<br />

noch viele weitere Motivationen<br />

hinein. Ein Entscheid gegen den<br />

ausdrücklichen Wunsch der Eltern<br />

kann sich daher in der Realität als<br />

sehr schwierig erweisen.<br />

Wie steht es mit Lunas Wunsch<br />

nach Taufe und Erstkommunion?<br />

Mit der Taufe würde Luna Verpflichtungen<br />

begründen, die die Eltern<br />

mittragen müssten. Daher werden<br />

an Lunas Urteilsfähigkeit höhere<br />

Voraussetzungen gestellt. Wird ihre<br />

Urteilsfähigkeit verneint, ist die<br />

Zustimmung der Eltern notwendig.<br />

Mit Blick auf die zutiefst persönliche<br />

Frage nach Bestehen eines Glaubens<br />

oder dem Bedürfnis, eine Religion<br />

auszuüben, sollten Eltern ihr Entscheidungsrecht<br />

gegenüber dem<br />

geäusserten Willen des Kindes zu ­<br />

rückhaltend ausüben. Es sollte<br />

zumindest ein im Alltag lebbarer<br />

Kompromiss gefunden werden. Eine<br />

Religionsausübung beziehungsweise<br />

Nichtausübung ohne einen gewissen<br />

Grundkonsens in der Familie dürfte<br />

zu grossen Reibungen und damit zu<br />

ernsthaften Schwierigkeiten führen.<br />

Wenn die Schule ins Spiel kommt …<br />

Das Leben religiöser Riten und Traditionen<br />

in der Familie ist grundsätzlich<br />

vor Eingriffen des Staates<br />

geschützt, soweit die gesunde Entwicklung<br />

des Kindes dadurch nicht<br />

gefährdet wird. Eine andere Ausgangslage<br />

herrscht, wenn etwa Granit<br />

während des Ramadans den<br />

Sportunterricht nicht besucht oder<br />

der Lehrerin zur Begrüssung den<br />

Handschlag verweigert; wenn Edita<br />

nicht ins Schulschwimmen gehen<br />

oder das Kopftuch in der Schule tragen<br />

will.<br />

Die Schule steht dabei in einem<br />

Spannungsfeld: Einerseits ist sie verpflichtet,<br />

die in der Bundesverfassung<br />

garantierte Glaubens- und<br />

Gewissensfreiheit zu respektieren<br />

(siehe Box rechts unten), anderseits<br />

hat sie einen Bildungsauftrag. Bildungsziele<br />

enthalten nicht nur den<br />

Erwerb von Fachkenntnissen in<br />

Deutsch und Mathematik, sondern<br />

sie umfassen auch das Vermitteln<br />

von demokratischen Grundsätzen<br />

und gesellschaftlichen Werten. In<br />

manchen Volksschulgesetzen basieren<br />

diese Werte auf christlichen<br />

Grundsätzen. In den meisten Kantonen<br />

herrscht eine staatliche Neutralität<br />

vor, der eine offene Haltung<br />

für verschiedene Weltanschauungen<br />

und Glaubensbekenntnisse zugrunde<br />

liegt. Nur wenige Kantone wie<br />

etwa Genf oder Neuenburg kennen<br />

laizistisch orientierte Traditionen,<br />

die auf eine strenge Trennung von<br />

Kirche und Staat achten.<br />

Stossen nun Schulregeln oder Bildungsinhalte<br />

mit religiös motivierten<br />

Verhaltensweisen von Schülern<br />

zusammen, versucht die Schule,<br />

zusammen mit den Eltern und den<br />

betroffenen Kindern einen Konsens<br />

zu finden. Unumstritten ist etwa die<br />

Praxis, bei wichtigen religiösen Festen<br />

Dispensen für einzelne Tage zu<br />

erteilen. Ebenfalls soll während des<br />

Ramadans im Sportunterricht auf<br />

fastende Jugendliche Rücksicht<br />

genommen werden.<br />

Dennoch hatte das Schweizer<br />

Bundesgericht gewisse Fragen zu<br />

entscheiden: Im Jahr 2008 hat es<br />

zum Beispiel erwogen, dass die Integration<br />

einer Schülerin in den<br />

Unterricht einer Dispensation vom<br />

Schwimm unterricht vorgeht. Weiter<br />

entschied es im Dezember 2015,<br />

dass ein Kopftuchverbot für eine<br />

Schülerin ein weitreichender Eingriff<br />

in ihre Religionsfreiheit wäre<br />

und kein öffentliches Interesse dies<br />

Das gilt in der Schweiz<br />

Die Glaubens- und<br />

Gewissensfreiheit umfasst<br />

sowohl die (innere) Freiheit,<br />

zu glauben, nicht zu glauben<br />

oder seine religiösen<br />

Anschauungen zu ändern,<br />

als auch die (äussere)<br />

Freiheit, entsprechende<br />

Überzeugungen innerhalb<br />

gewisser Schranken zu<br />

äussern, zu praktizieren<br />

und zu verbreiten oder sie<br />

nicht zu teilen.<br />

46 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Ein Bildungsziel der Schule ist<br />

auch das Vermitteln von<br />

demokratischen Grundsätzen<br />

und gesellschaftlichen Werten.<br />

rechtfertigen könne. Die Verweigerung<br />

des Handschlags von Jugendlichen<br />

gegenüber einer weiblichen<br />

Lehrperson wurde letztes Jahr be ­<br />

kannt und prompt Gegenstand eines<br />

rechtlichen Gutachtens. Darin wurde<br />

festgehalten, dass ein Handschlag<br />

durchaus eingefordert werden dürfe.<br />

Die Begrüssung der Lehrperson ist<br />

wichtig und unverzichtbar. Eine auf<br />

Konsens ausgerichtete Haltung<br />

könnte aber eine Begrüssungsalternative<br />

in Erwägung ziehen, etwa<br />

eine Verbeugung oder eine Handgeste<br />

ohne Körperkontakt.<br />

Die Diskussion, inwiefern unterschiedliche<br />

Weltanschauungen und<br />

Glaubensbekenntnisse respektiert<br />

werden und wie viel Anpassung eingefordert<br />

werden soll, ist auf jeden<br />

Fall noch nicht abgeschlossen.<br />

>>><br />

Mit Kopftuch in die Schule?<br />

In Deutschland und in der Schweiz ist<br />

Schülerinnen das Kopftuchtragen erlaubt.<br />

Viele Kantone haben Richtlinien und<br />

Hinweise zum Umgang mit religiösen<br />

Wertvorstellungen in der Schule erlassen.<br />

Frankreich bekennt sich zu einer strikten<br />

Trennung von Staat und Religion, was zu<br />

einem gänzlichen Verbot des Kopftuchs<br />

in der Schule führte.<br />

Gisela Kilde<br />

Dr. iur., ist Koordinatorin und Lehrbeauftragte am<br />

Institut für Familienforschung und -beratung an<br />

der Universität Freiburg.<br />

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Juni/Juli <strong>2017</strong>47


Erziehung & Schule<br />

Frühfranzösisch – mais oui!<br />

Sollen Frühenglisch und Frühfranzösisch auf der Primarstufe unterrichtet werden? Und falls ja, in<br />

welcher Reihenfolge, ab welchem Schuljahr und mit wie vielen Wochenlektionen? Sollen die Leistungen<br />

in den Fremdsprachen beim Übertrittsentscheid für die Sekundarstufe I eine wichtige Rolle spielen?<br />

Und wie sind eigentlich die Eltern von diesem nationalen Sprachenstreit betroffen? Ein Plädoyer gegen<br />

den Kantönligeist und für die Willensnation Schweiz. Text: Beat Zemp<br />

«Es ist gescheiter,<br />

die Koordination im<br />

Fremdsprachenbereich<br />

zu Ende zu führen.»<br />

Beat W. Zemp ist Zentralpräsident<br />

des Dachverbands Lehrerinnen<br />

und Lehrer Schweiz (LCH).<br />

Für das schulische<br />

Fremdsprachenlernen gilt<br />

nicht «weniger ist mehr»,<br />

sondern «mehr ist mehr».<br />

Es kommt selten vor, dass<br />

am gleichen Tag zum<br />

gleichen Thema gleich<br />

zwei gewichtige Vorentscheide<br />

fallen: Mit 68 zu<br />

53 Stimmen hat der Thurgauer<br />

Gros se Rat am 3. Mai <strong>2017</strong> beschlossen,<br />

auf eine Gesetzesänderung einzutreten,<br />

welche die Abschaffung<br />

des Frühfranzösisch-Unterrichts an<br />

den Primarschulen verlangt. Damit<br />

würde nur noch Frühenglisch unterrichtet,<br />

die zweite Landessprache<br />

Französisch müsste sich ihren Platz<br />

im bereits stark belasteten Stundenplan<br />

der Sekundarstufe I erkämpfen.<br />

Sehr zum Ärger der Sekundarlehrpersonen<br />

im Kanton Thurgau, die<br />

eine solche Lösung des Sprachenstreits<br />

mehrheitlich ablehnen.<br />

Eine kantonale Volksinitiative im<br />

Kanton Graubünden will ebenfalls<br />

nur noch eine Fremdsprache auf der<br />

Primarstufe, und zwar Englisch für<br />

den deutschsprachigen Kantonsteil<br />

und Deutsch für den rätoromanischen<br />

und italienischen Teil. Diese<br />

Forderung sei diskriminierend für<br />

die Sprachminderheiten und damit<br />

rechtsungültig, entschied der Grosse<br />

Rat. Doch das Bundesgericht korrigierte<br />

diesen Entscheid am 3. Mai<br />

<strong>2017</strong>. Die Fremdspracheninitiative<br />

sei rechtsgültig, weil die Bündner<br />

Primarschulen zusätzliche Fremdsprachen<br />

fakultativ anbieten könnten<br />

und daher keine Diskriminierung<br />

vorliege. Deshalb soll das Volk<br />

darüber abstimmen können. Weitere<br />

ähnliche Abstimmungen sind<br />

auch in den Kantonen Zürich,<br />

Luzern und Baselland vorgesehen.<br />

Rote Linie überschritten!<br />

Sollten die Thurgauer, Zürcher und<br />

Bündner und weitere Kantone tatsächlich<br />

den Unterricht in der zweiten<br />

Landessprache aus der Primarschule<br />

kippen, wäre die rote Linie<br />

überschritten, die Bundesrat Alain<br />

Berset im Namen der Landesregierung<br />

definiert hat – der Sprachenstreit<br />

wäre definitiv auf der nationalen<br />

Ebene angekommen. Der Bund<br />

wäre dann gemäss unserer Verfassung<br />

befugt, verbindliche Regelungen<br />

für alle Kantone zu erlassen, weil<br />

sich diese nicht auf ein einheitliches<br />

Modell einigen konnten.<br />

Das vom Bundesrat favorisierte<br />

Modell sieht vor, dass der Unterricht<br />

in der zweiten Landessprache auf<br />

der Primarstufe einsetzt und durch-<br />

48 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


gehend bis zum Ende der obligatorischen<br />

Schulzeit erteilt wird. Zu<br />

den Details des Englischunterrichts<br />

äussert sich das bundesrätliche<br />

Modell nicht. Dafür wären weiterhin<br />

die Kantone zuständig. Viele be ­<br />

fürchten aber ein Referendum gegen<br />

diese vorgesehene Verschärfung des<br />

Sprachengesetzes, was letztlich in<br />

eine eidgenössische Volksabstimmung<br />

münden würde.<br />

Ob die Landessprachen aus einer<br />

solchen Abstimmung gestärkt hervorgehen<br />

würden, ist fraglich. Zu ­<br />

dem besteht die Gefahr, dass die<br />

sprachliche Mehrheit die sprachlichen<br />

Minderheiten überstimmen<br />

würde – mit nachhaltig negativen<br />

Folgen für den nationalen Zusammenhalt,<br />

wie man in anderen mehrsprachigen<br />

Ländern sehen kann, in<br />

denen ein Sprachenstreit tobt.<br />

Es könnte aber auch sein, dass die<br />

Willensnation Schweiz Stärke be ­<br />

weist und den Landessprachen im<br />

Schulunterricht einen prioritären<br />

Platz einräumt. Denn Englisch<br />

kommt heute auf allen Kanälen zu<br />

den Schülerinnen und Schülern: via<br />

Handy, Musik, Games, soziale<br />

Me dien und Videokanäle im Internet.<br />

Bessere Unterrichtsbedingungen<br />

Die Gretchenfrage lautet daher: Wer<br />

hat die besseren Argumente und<br />

kann diese durch Fakten belegen? In<br />

den Parlamentsdebatten und Abstimmungsargumentarien<br />

tobt ein<br />

richtiger Kampf der Studien. Sind<br />

die Schülerinnen und Schüler nun<br />

über- oder unterfordert? Lernt man<br />

Fremdsprachen besser, wenn man<br />

früher damit beginnt, oder doch<br />

effizienter auf der Oberstufe? Welche<br />

Gruppengrösse ist ideal, um auch die<br />

mündlichen Sprech- und Hörkompetenzen<br />

zu schulen, die heute gleich<br />

wichtig sind wie etwa die korrekte<br />

Schreibweise und das Passé simple?<br />

Auf all diese Fragen hat die evidenzgestützte<br />

Bildungsforschung<br />

keine eindeutigen Antworten. Aber<br />

eine Erkenntnis läuft wie ein roter<br />

Faden durch alle Studien und Evaluationen:<br />

Für das schulische<br />

Fremdsprachenlernen gilt nicht<br />

«weniger ist mehr», sondern «mehr<br />

ist mehr». Das heisst, je mehr Lektionen<br />

im Unterricht zur Verfügung<br />

stehen und je mehr Schuljahre dieser<br />

Unterricht dauert, desto besser<br />

sind die Resultate.<br />

Guter Unterricht hat eine positive<br />

Wirkung auf die Lernleistungen der<br />

Schülerinnen und Schüler in den<br />

Fremdsprachen, kurz: Teaching<br />

matters. Daher verlangt der LCH<br />

seit dem Beginn der Fremdsprachendebatte<br />

bessere Unterrichtsbedingungen,<br />

damit möglichst viele<br />

Lernende davon profitieren können.<br />

Dazu gehören mindestens drei<br />

Wochenlektionen, mehr Halbklassenunterricht<br />

und spezielle Förderungen<br />

für sprachschwache Schülerinnen<br />

und Schüler. Mit direkten<br />

Begegnungen und Austauschprojekten<br />

zwischen den Sprachregionen<br />

kann die Motivation zum Erlernen<br />

einer zweiten Landessprache zudem<br />

deutlich verbessert werden.<br />

Wer bezahlt die private<br />

Nachschulung?<br />

Wer früher mit schulpflichtigen Kindern<br />

von einem Kanton in einen<br />

anderen umziehen musste, weiss,<br />

was es bedeutet, Bekanntschaft mit<br />

einem anderen Schulsystem zu<br />

machen und dann auch noch mit<br />

unterschiedlichen Fremdsprachenkonzepten<br />

konfrontiert zu werden.<br />

Was tun, wenn zwei, drei oder gar<br />

vier Jahre Unterricht in einer Fremdoder<br />

Landessprache fehlen? Wer<br />

bezahlt die private Nachschulung?<br />

Und wie schafft mein Kind den be ­<br />

vorstehenden Stufenübertritt trotzdem<br />

noch? Nicht von ungefähr<br />

haben im Mai 20<strong>06</strong> 85 Prozent aller<br />

Stimmenden für den schulischen<br />

Harmonisierungsartikel in der Bundesverfassung<br />

gestimmt. Man hatte<br />

damals den Kantönligeist definitiv<br />

satt.<br />

Die Pflicht der Kantone, die schulischen<br />

Strukturen und die Ziele der<br />

Es ist die Pflicht der<br />

Kantone, die schulischen<br />

Strukturen und die<br />

Ziele der Bildungstufen<br />

zu harmonisieren.<br />

Bildungsstufen zu harmonisieren,<br />

ist seit dieser Abstimmung ein verbindlicher<br />

Auftrag an alle Kantone.<br />

Diese sind auch nicht untätig geblieben:<br />

23 von 26 Kantonen haben das<br />

Fremdsprachenmodell 3/5 der EDK<br />

weitgehend umgesetzt. Nur die Kantone<br />

Aargau, Appenzell-Innerrhoden<br />

und Uri haben noch abweichende<br />

Modelle.<br />

Statt den Rückwärtsgang einzulegen<br />

und die erreichte Harmonisierung<br />

wieder zu zerstören, ist es<br />

daher viel gescheiter, die Koordination<br />

im Fremdsprachenbereich zu<br />

Ende zu führen, aber auch die<br />

Unterrichtsbedingungen endlich zu<br />

verbessern und den Fremdsprachenunterricht<br />

von der Selektion für<br />

die Oberstufe zu entkoppeln. Dann<br />

können möglichst viele Kinder mit<br />

Freude ausrufen: Frühenglisch –<br />

«yes, I can», und Frühfranzösisch<br />

– «mais oui!».<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Juni/Juli <strong>2017</strong>49


Erziehung & Schule<br />

Schulstart: mit Unterstützung<br />

die ersten Hürden meistern<br />

Emma hat sich so auf die Schule gefreut! Dort angekommen, läuft es mit dem Lernen nicht<br />

ganz rund. Sie ist oft ungeduldig und lustlos. Bei manchen Kindern zeigen sich beim Schulstart<br />

Lernschwierigkeiten. Die Schulische Heilpädagogin ist dazu da, über die ersten Hürden<br />

hinwegzuhelfen. Text: Claudia Ziehbrunner Bild: Thomas Burla<br />

Emma ist ein aufgewecktes<br />

Kind. Im Kindergarten<br />

stellte sie unermüdlich<br />

fragend ihre Welt auf den<br />

Kopf. In ra schem Wechsel<br />

tauschte sie eine Aktivität gegen<br />

die nächste. Sie war ständig in Bewegung.<br />

Auf die Schule hat sich Emma<br />

gefreut. Wenn die ältere Schwester an<br />

den Hausaufgaben sass, wollte Emma<br />

mitmachen, aber ihr Zappeln und<br />

Schwatzen störte, und die Schwester<br />

schickte sie weg.<br />

In der ersten Klasse klappt es mit<br />

dem Rechnen nicht gut. Obwohl<br />

Emma die Zahlen bis zehn im Kindergarten<br />

gelernt hat, führt nun das<br />

Abzählen der Rechnungen an den<br />

Fingern zu vielen Fehlern. Rasch verliert<br />

Emma das Interesse. Das Arbeiten<br />

im Klassenzimmer macht sie<br />

lustlos und ungeduldig. Es geht<br />

Emma nicht gut. Die Eltern sind ratlos.<br />

Emma und die Schule scheinen<br />

nicht zusammenzupassen.<br />

Wie Emma ergeht es auch anderen<br />

Kindern in der Schuleingangsphase.<br />

Die moderne Schule soll<br />

darauf ausgerichtet sein,<br />

allen Lernbedürfnissen<br />

gerecht zu werden.<br />

50 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Die Fachperson für Schulische<br />

Heilpädagogik ist Expertin<br />

für Lernschwierigkeiten.<br />

Lernschwierigkeiten können dabei<br />

nicht nur beim Rechnen auftreten,<br />

auch beim Lesen- und Schreibenlernen<br />

läuft es nicht immer rund.<br />

Erschwerend können mangelnde<br />

Deutschkenntnisse sein oder Konzentrationsschwierigkeiten.<br />

Wurden<br />

Kinder mit besonderen Lernbedürfnissen<br />

früher in separaten Klassen<br />

unterrichtet, soll die moderne Schule<br />

darauf ausgerichtet sein, allen<br />

Lernbedürfnissen gerecht zu werden.<br />

Die Schule lernt, sich an die<br />

Kinder anzupassen.<br />

Heute verfügen Schweizer Schulen<br />

über Konzepte zu sogenannter<br />

integrativer Förderung. Diese unterstützt<br />

Kinder bei Lernschwierigkeiten<br />

und hilft ihnen über die schulischen<br />

Hürden hinweg. Dazu arbeitet<br />

die Klassenlehrperson mit einer<br />

agogik SHP zusammen, die während<br />

einiger Lektionen in der Woche<br />

im Unterricht anwesend ist. Die<br />

SHP ist Expertin für Lernschwierigkeiten.<br />

Über die Beobachtung von<br />

Lernergebnissen und in der Arbeit<br />

mit dem einzelnen Kind kann sie<br />

feststellen, wo das Kind in seiner<br />

Lernentwicklung steht, welches die<br />

nächsten möglichen Lernschritte<br />

sind und wie diese Lernschritte im<br />

schulischen Alltag unterstützt werden<br />

können.<br />

Frau Zellweger ist Schulische Heilpädagogin<br />

an Emmas Klasse. Sie weiss,<br />

dass es für den Mathematikerwerb<br />

überaus wichtig ist, dass Emma das<br />

Abzählen an den Fingern durch geeignetere<br />

Strategien ersetzt. Mit der Klassenlehrperson<br />

plant sie den Unterricht<br />

das Verdoppeln und Halbieren im<br />

Zahlenraum 1 bis 20 intensiv zu üben,<br />

ohne die Finger zu Hilfe zu nehmen.<br />

Erst danach werden die Aufgabenstellungen<br />

schrittweise erweitert. Dieser<br />

Unterricht kommt auch den anderen<br />

Kindern zugute. In den Stunden, in<br />

denen Frau Zellweger mit im Unterricht<br />

ist, beobachtet sie Emma beim<br />

Lernen, stellt ihr angepasstes Übungsmaterial<br />

bereit, lobt Fortschritte und<br />

unterstützt bei auftretenden Schwierigkeiten.<br />

Emma freut sich, wenn Frau<br />

Fachperson für Schulische Heilpäd- so, dass Emma Gelegenheit hat, zuerst Zellweger da ist. Manchmal >>><br />

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Juni/Juli <strong>2017</strong>51<br />

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Erziehung & Schule<br />

Integrative Förderung<br />

Die Schulbildung von Kindern<br />

und Jugendlichen mit<br />

besonderen Lernbedürfnissen<br />

liegt in der Zuständigkeit der<br />

Kantone. Seit 2004 wurden von<br />

allen Kantonen Konzepte dazu<br />

erarbeitet. Eltern können diese<br />

Konzepte über die kantonalen<br />

Schulämter einsehen. Darauf<br />

aufbauend verfügt jede<br />

Einzelschule über ein<br />

spezifisches Konzept zur<br />

integrativen Förderung.<br />

Schulleitungs- und<br />

Lehrpersonen können Eltern<br />

darüber Auskunft geben.<br />

Schulische Heilpädagogik<br />

(SHP)<br />

Detaillierte Informationen zum<br />

Berufsbild der Schulischen<br />

Heilpädagogin und des<br />

Schulischen Heilpädagogen sind<br />

unter www.hfh.ch/de/studium/<br />

ma-schulische-heilpädagogik<br />

zu finden.<br />

Zur integrativen Förderung<br />

gehören regelmässige<br />

Standortgespräche.<br />

>>> darf sie mit ihr und zwei, drei<br />

weiteren Kindern in den Gruppenraum.<br />

Dort steht ein Trampolin. Das<br />

Springen macht Spass, und das Rechnen<br />

fällt Emma dabei viel leichter.<br />

Integrative Förderung kann an den<br />

Schulen verschieden aussehen. Möglich<br />

ist, dass die Klassenlehrperson<br />

und die SHP gemeinsam unterrichten,<br />

die SHP im Klassenverband<br />

Kinder mit besonderen Lernbedürfnissen<br />

zusätzlich unterstützt oder<br />

mit diesen einzeln oder in kleinen<br />

Gruppen vorübergehend in einem<br />

separaten Raum arbeitet. Für die<br />

Lektionen ohne die SHP berät sie die<br />

Klassenlehrperson, wie die besonderen<br />

Lernbedürfnisse berücksichtigt<br />

werden können. Der Unterricht wird<br />

laufend überprüft und an die Lernbedürfnisse<br />

der Kinder angepasst.<br />

Einige Kinder nehmen die allfälligen<br />

Hürden beim Schuleintritt<br />

rasch, etwa den Übergang vom zählenden<br />

zum nicht zählenden Rechnen.<br />

Für sie ist nur kurze Zeit eine<br />

zusätzliche Unterstützung nötig.<br />

Andere brauchen längere und auch<br />

vielseitigere Unterstützung. Der Einbezug<br />

der Eltern ist wichtig, denn<br />

gerade sie kennen die Besonderheiten<br />

der Entwicklung ihres Kindes<br />

seit dessen Geburt und können auf­<br />

grund ihrer Erfahrungen das schulische<br />

Lernen mitunterstützen.<br />

Zur integrativen Förderung ge ­<br />

hören deshalb regelmässige Standortgespräche,<br />

in denen Eltern und<br />

Lehrpersonen gemeinsam über die<br />

Lernentwicklung des Kindes sprechen,<br />

Lernziele vereinbaren und<br />

Möglichkeiten festhalten, wie diese<br />

erreicht werden können. Dabei geht<br />

es ausser um die Förderung von<br />

Rechnen oder Lesen und Schreiben<br />

auch darum, wie das Kind allgemein<br />

lernt, ob es zum Beispiel zuhört und<br />

aufmerksam ist, Regeln einhält und<br />

seine Meinung sagen kann oder ob<br />

es mit anderen zusammenarbeitet<br />

und Freunde findet. Dies alles kann<br />

einen Einfluss auf die Lernentwicklung<br />

des Kindes haben.<br />

Herr Suter, Emmas Klassenlehrer, hat<br />

zu einem Standortgespräch eingeladen.<br />

Die Ziele, die vor einem halben<br />

Jahr festgelegt worden sind, sollen<br />

überprüft und weitere Schritte geplant<br />

werden. Frau Zellweger berichtet über<br />

Emmas Fortschritte im Rechnen. Das<br />

Verdoppeln und Halbieren ist ge festigt<br />

und darauf aufbauend gelingen ihr<br />

Plus- und Minus-Rechnungen im<br />

Zahlenraum bis 20 zunehmend automatisiert.<br />

Dieses Ziel ist gut erreicht.<br />

Am runden Tisch wird vereinbart,<br />

dass Frau Zellweger Emma auch im<br />

Übergang in die zweite Klasse im<br />

Mathematikerwerb unterstützt.<br />

Das zweite Förderziel, Zuhören<br />

und Aufmerksamsein, ist weniger gut<br />

erreicht. Vor allem, wenn Herr Suter<br />

alleine mit der Klasse arbeitet, ist<br />

Emma häufig abgelenkt und trotz<br />

vieler Bewegungspausen, mit denen<br />

Herr Suter seinen Unterricht kindgerecht<br />

strukturiert, immer irgendwie<br />

auf dem Sprung. Dies erweist sich als<br />

nachteilig für ihre Konzentration und<br />

damit für ihr Lernen. Zudem kann<br />

sich ihre Ablenkbarkeit störend auf<br />

den Unterricht insgesamt auswirken.<br />

Damit die Lernziele erreicht werden<br />

können, erhalten Kinder mit besonderen<br />

Lernbedürfnissen angepasste<br />

52 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Eltern können ihre Kinder<br />

darin unterstützen, Schule als<br />

Lernort zu verstehen.<br />

Lernangebote. Das ist das Grundverständnis<br />

der integrativen Förderung.<br />

Gleichzeitig sind die Kinder Teil<br />

einer Klasse und einer Schule. Lernen<br />

findet nicht alleine, sondern in<br />

Gemeinschaft statt. Damit sie funktioniert,<br />

bedarf es bestimmter<br />

Regeln, die von allen eingehalten<br />

werden. Dazu gehören Pünktlichkeit,<br />

Aufmerksamkeit, ein konstruktiver<br />

Umgang mit Konflikten oder<br />

einfach, dass in der Mathematikstunde<br />

gerechnet wird. Mit dem<br />

Eintritt in die Schule erfolgt auch der<br />

Eintritt in die Lerngemeinschaft der<br />

Klasse. Schritt für Schritt lernt das<br />

Kind, sich der Schule anzupassen.<br />

Diese Anpassung fällt nicht allen<br />

Kindern leicht. Eltern können ihre<br />

Kinder darin unterstützen, Schule<br />

als Lernort zu verstehen, für den<br />

bestimmte Regeln gelten.<br />

Die Eltern, Herr Suter und Frau Zellweger<br />

sind sich einig: Emma muss sich<br />

an die Regeln des schulischen Lernens<br />

anpassen. Sie vereinbaren, dass<br />

Emma in der Freizeit Gelegenheit<br />

erhalten soll, sich viel zu bewegen, wie<br />

es ihrem Naturell entspricht. Dies soll<br />

ein Ausgleich dazu sein, dass in der<br />

Schule mehr und mehr Aufmerksamkeit<br />

von Emma gefordert wird. In<br />

Emmas Wohngemeinde gibt es einen<br />

aktiven Fussballklub. Die Eltern wollen<br />

sich dort erkundigen, ob eine baldige<br />

Anmeldung möglich ist. Emma<br />

freut sich!<br />

>>><br />

Claudia<br />

Ziehbrunner<br />

Professorin, ist Co-Leiterin des Departements<br />

für Heilpädagogische Lehrberufe an der<br />

Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik<br />

(HfH).<br />

Papi, der grosse Held<br />

für den kleinen Alltag<br />

Allein mit Papi unterwegs läuft alles irgendwie anders. Bei kleinen<br />

Dingen des Alltags improvisiert er gerne mal – und dabei kommt<br />

manchmal ganz Lustiges heraus. Wir haben uns umgehört:<br />

Publireportage<br />

Für Sara, 10, aus Pratteln BL, ist Papi<br />

der «Überlebenskünstler»:<br />

«Mein Papi ist ein echter Abenteurer.<br />

Wenn er sich etwas vorgenommen hat,<br />

hält ihn nichts davon ab. Zum Beispiel<br />

Brätle im Wald. Feuerstelle parat, schönes<br />

«Schiiteli» gebaut. Doch leider hats<br />

geregnet, das Holz ist nass. Ende Feuer.<br />

Der Cervelat wird roh gegessen.»<br />

Für David, 13, aus Rothrist AG ist<br />

Dad der «praktische Stylist»:<br />

«Mein Dad hat seinen eigenen Style:<br />

praktisch und schnell. Warum zum<br />

Coiffeur, wenn die Stirnfransen lästig in<br />

die Augen fallen? Dad löst das Problem<br />

kurz und bündig mit seinem Rasierapparat.<br />

Er hat das Gerät voll im Griff, und am<br />

Schluss sieht die Frise mega-cool aus.»<br />

Für Max, 9, aus Schaffhausen SH Für Lara, 9, aus Frauenfeld TG<br />

ist Vati der «Alles-Flicker»:<br />

ist Paps das «Wäsche-Gespenst»:<br />

«Vati ist ein Tüftler. Hosenknopf ab? «Paps ist manchmal richtig kindisch.<br />

Vati schliesst die Hose mit einer Auch wenn er mal bei der Hausarbeit<br />

Sicherheitsnadel. Der Lieblingsfilzstift helfen muss, macht er immer wieder<br />

Wie lustig wird es erst, wenn Papi seine<br />

schreibt nicht mehr? Er gibt ein paar einen Spass draus. Zum Beispiel beim<br />

Überlebenskünste auf Abenteuerreise<br />

Wassertropfen hinein – und man Wäsche-Aufhängen: Da wirft er plötzlich<br />

beweist? Gewinne auf conci-world.ch eine<br />

kann wieder damit malen!»<br />

die frisch gewaschene Bettwäsche<br />

Woche Camperferien mit deiner Familie<br />

über den Kopf und erschrickt als Gespenst<br />

und kurve durch die ganze Schweiz.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>2017</strong>53<br />

die Nachbarin. Das ist so<br />

Juni/Juli lustig!»<br />

WETTBEWERB<br />

Jetzt online mitmachen!


Elterncoaching<br />

Belohnungen:<br />

ein zweischneidiges Schwert<br />

«Was halten Sie von Belohnungen?» Diese Frage wird<br />

mir von Eltern und Lehrpersonen immer wieder gestellt.<br />

Fabian Grolimund<br />

ist Psychologe und Autor («Mit<br />

Kindern lernen»). In der Rubrik<br />

«Elterncoaching» beantwortet<br />

er Fragen aus dem Familienalltag.<br />

Der 37-Jährige ist verheiratet<br />

und Vater eines Sohnes, 4,<br />

und einer Tochter, 1. Er lebt<br />

mit seiner Familie in Freiburg.<br />

www.mit-kindern-lernen.ch<br />

www.biber-blog.com<br />

Während Belohnungsprogramme<br />

ein fester<br />

Bestandteil vieler<br />

Erziehungskurse<br />

sind, finden sich auch Stimmen,<br />

die jede Form von Belohnung<br />

verteufeln und diese sogar als moderne<br />

Form der Bestrafung sehen. Ich<br />

selbst würde zu einem sorgsamen<br />

Umgang raten.<br />

Belohnungen können hilfreich sein<br />

Belohnungen können für Kinder wie<br />

auch für Erwachsene eine Unterstützung<br />

sein. Sie können als eine Art<br />

Krücke dienen, die uns das Gehen<br />

erleichtert, bis die Beine genügend<br />

Kraft haben, um uns zu tragen. Das<br />

gilt besonders dann, wenn bestimmte<br />

Handlungen zu Beginn schwerfallen<br />

oder unangenehm sind, mit<br />

zunehmender Übung aber Freude<br />

bereiten.<br />

Ich denke dabei zum Beispiel an<br />

ein Mädchen mit einer Leseschwäche.<br />

Es las sehr langsam und stockend<br />

und empfand einen zunehmenden<br />

Widerwillen gegen das<br />

Belohnen Sie Ihr Kind möglichst<br />

nicht zusätzlich für Dinge,<br />

die es sowieso gerne tut.<br />

Lesen. Zudem fand das Mädchen es<br />

«total ungerecht», dass es in den<br />

Sommerferien jeden Tag 15 Minuten<br />

lesen sollte. Da es in den Ferien<br />

zuvor fast alle Buchstaben wieder<br />

vergessen hatte, war das Üben<br />

jedoch dringend nötig.<br />

Zwei kleine Belohnungen sollten<br />

dem Mädchen zu Beginn das Lesen<br />

erleichtern. Die erste Belohnung<br />

bestand darin, dass sich die Eltern<br />

bereit erklärten, abwechselnd zu<br />

lesen. Nach ein paar Zeilen las ihm<br />

die Mutter oder der Vater den Rest<br />

der Seite vor. Es durfte sich zurücklehnen<br />

und die Geschichte geniessen.<br />

Diese Belohnung ist deswegen<br />

sinnvoll, weil sie in einem engen<br />

Zusammenhang mit der Tätigkeit<br />

steht und dem Kind verdeutlicht:<br />

Lesen gibt dir Zugang zu wunderbaren<br />

Geschichten.<br />

Die zweite Belohnung sollte die<br />

«Kosten» aufwiegen, die für das<br />

Mädchen entstanden. Es fand es zu<br />

Beginn der Beratung «total ungerecht»,<br />

dass ihm die schöne Freizeit<br />

gestohlen werde, um lesen zu üben<br />

– das werde von den anderen Kindern<br />

auch nicht verlangt. Die Eltern<br />

und ich mussten ihm beipflichten<br />

und vereinbarten daher Folgendes:<br />

Du darfst während der Ferien selbst<br />

entscheiden, ob du lesen möchtest.<br />

Wenn du deine wertvolle Freizeit<br />

dafür hergibst, darfst du dafür am<br />

Abend eine halbe Stunde länger aufbleiben<br />

– so geht dir die Zeit nicht<br />

Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren<br />

54 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


verloren. Gleichzeitig wurde dem<br />

Mädchen gesagt, dass dieser «Deal»<br />

natürlich nur für das freiwillige,<br />

zusätzliche Lesen gelte – und keinesfalls<br />

auf Pflichten wie die Hausaufgaben<br />

ausgedehnt werden könne.<br />

An den meisten Tagen entschied es<br />

sich für das Lesen und Aufbleiben.<br />

Im Weiteren wurde darauf ge ­<br />

achtet, dass die Leseübungen so<br />

gestaltet wurden, dass sie Spass<br />

machen. Mit zunehmender Lesefertigkeit<br />

war das Mädchen gewillt,<br />

grössere Abschnitte selbst zu lesen.<br />

Mit Beginn des neuen Schuljahrs<br />

wurde zudem der «Deal» umfunktioniert:<br />

Das Mädchen durfte auch<br />

während der Schulzeit 15 Minuten<br />

später das Licht löschen. Allerdings<br />

galt: Du musst bereits im Bett sein,<br />

darfst aber noch lesen.<br />

Dass sich die Haltung zum Lesen<br />

endgültig verändert hatte, bemerkten<br />

die Eltern einige Monate später,<br />

als sie ihre Tochter dabei erwischten,<br />

wie sie nach dem Lichterlöschen<br />

unter der Bettdecke mit der<br />

Taschenlampe weiterlas.<br />

In diesem Beispiel sehe ich<br />

Belohnungen als wertvolle Krücke.<br />

Das Lesen machte dem Mädchen<br />

aufgrund seiner Schwäche zunächst<br />

keine Freude. Es war anstrengend.<br />

Die Belohnungen erhöhten die<br />

Attraktivität des Lesens, bis die Fertigkeit<br />

so weit entwickelt war, dass<br />

das Lesen selbst Spass machte.<br />

Belohnungen können aber auch<br />

unerwünschte Nebenwirkungen<br />

haben.<br />

Zusätzliche Anreize können die<br />

Freude an einer Sache untergraben<br />

Mit Belohnungen sollte man zurückhaltend<br />

sein, wenn ein Kind etwas<br />

bereits von sich aus gerne tut. Eine<br />

zusätzliche Belohnung kann in diesem<br />

Fall die ursprüngliche, von<br />

innen kommende Motivation untergraben.<br />

Dieser Vorgang wird als<br />

Korrumpierungseffekt bezeichnet.<br />

Wenn ein Kind beispielsweise<br />

eine Sportart gerne ausübt, zunehmend<br />

besser wird und anfängt, Tur­<br />

niere zu gewinnen, kann die Belohnung<br />

in Form von Turniersiegen<br />

wichtiger werden als die Freude an<br />

der Bewegung. Solange die Erfolge<br />

da sind, stellen sie eine zusätzliche<br />

Motivation dar. Bleiben sie plötzlich<br />

aus, kann es sein, dass das Kind<br />

nicht mehr die gleiche Begeisterung<br />

für den Sport empfindet wie zu<br />

Beginn. Das Problem tritt also auf,<br />

wenn eine zusätzliche Belohnung<br />

hinzugefügt wird, die ab einem<br />

bestimmten Zeitpunkt wieder entzogen<br />

wird.<br />

Noch negativer wirken sich Be ­<br />

lohnungen aus, wenn wir jemandem<br />

helfen möchten. Ein Beispiel dafür<br />

wäre das Kind, das seinen Grosseltern<br />

den Rasen mäht, weil es ihnen<br />

etwas zuliebe tun möchte. Geben<br />

ihm die Grosseltern dafür fünf Franken,<br />

kann es sein, dass das Kind von<br />

diesem Moment an den Rasen nicht<br />

mehr mähen wird.<br />

Mit dem Geld haben die Grosseltern<br />

das Kind für seine Arbeit «be ­<br />

zahlt» und so seine ursprüngliche<br />

Motivation, ihnen etwas zuliebe zu<br />

tun, durchkreuzt. Die Freude der<br />

Grosseltern und das Gefühl, eine<br />

gute Tat vollbracht zu haben, wären<br />

dem Kind den Aufwand wert gewesen<br />

– für fünf Franken ist ihm die<br />

Arbeit aber zu mühsam.<br />

Belohnungen können falsche<br />

Anreize setzen<br />

Belohnungen können auch falsche<br />

Anreize setzen. Gut geführte KMU<br />

können oft auf die Loyalität ihrer<br />

Mitarbeiter zählen. Sie motivieren<br />

durch ein Gefühl der Zugehörigkeit<br />

und gemeinsame Ziele und Werte.<br />

Grosse Konzerne, die auf Profitmaximierung<br />

aus sind, versuchen ihre<br />

Mitarbeiter über Boni zu halten und<br />

anzuspornen. Das hat oft zur Folge,<br />

dass jeder nur noch an sich denkt<br />

– und für einen grösseren Bonus<br />

auch gerne zur direkten Konkurrenz<br />

wechselt.<br />

Auf ähnliche Weise können Be ­<br />

lohnungssysteme in Familien und<br />

Schulen das Gefühl der Gemein­<br />

Belohnen Sie Kinder nicht<br />

dafür, dass sie Ihnen etwas<br />

zuliebe tun – freuen Sie sich<br />

einfach und bedanken Sie sich!<br />

schaft untergraben. Viele Familien<br />

stellen nach einer motivierenden<br />

Anfangsphase mit Belohnungsplänen<br />

fest, dass die Kinder nur noch<br />

an ihre Punkte denken, immer grössere<br />

Belohnungen einfordern und<br />

– wenn sie um einen Gefallen ge ­<br />

fragt werden – fragen: «Was kriege<br />

ich dafür?»<br />

Kinder benötigen Eltern und<br />

Lehrpersonen, die mit ihnen in<br />

Beziehung treten und sie führen –<br />

wenn wir diese Aufgabe an ein Be ­<br />

lohnungssystem delegieren, schwächen<br />

wir unsere Rolle und die<br />

Beziehung zum Kind.<br />

Kurztipps zum Einsatz von<br />

Belohnungen<br />

• Gehen Sie sorgsam und sparsam<br />

mit Belohnungen um.<br />

• Achten Sie darauf, dass die Belohnung<br />

möglichst in einem Zusammenhang<br />

mit der Tätigkeit steht<br />

(wie beim Vorlesen).<br />

• Machen Sie Ihrem Kind bewusst,<br />

dass die Belohnung nur über eine<br />

bestimmte Zeit hinweg für eine<br />

ganz spezifische Situation eingesetzt<br />

wird.<br />

• Belohnen Sie Ihr Kind möglichst<br />

nicht zusätzlich für Dinge, die es<br />

sowieso gerne tut.<br />

• Belohnen Sie Kinder nicht dafür,<br />

dass sie Ihnen etwas zuliebe tun<br />

– freuen Sie sich einfach darüber<br />

und bedanken Sie sich.<br />

In der nächsten Ausgabe:<br />

Mein Kind vergleicht sich ständig mit anderen<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Juni/Juli <strong>2017</strong>55


«Wir wollen<br />

bei Papi<br />

wohnen!»<br />

Noch immer leben in der Schweiz nach einer Trennung die<br />

meisten Kinder bei der Mutter. Bei Familie Baumeler und<br />

Familie Schaffner ist das anders. Ein Modell mit Zukunft?<br />

Text: Sandra Casalini Bilder: Herbert Zimmermann / 13 Photo<br />

56 56 <br />

Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Erziehung & Schule<br />

André Schaffner<br />

mit Quentin<br />

und Bradie.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Juni/Juli <strong>2017</strong>57


Erziehung & Schule<br />

Es ist Sommer, in der Badi<br />

ordentlich was los. Der<br />

zehnjährige Marcel<br />

schlägt sich am Beckenrand<br />

den Zeh auf und<br />

blutet. «Oje, wo ist denn dein<br />

Mami?», fragt eine Frau besorgt.<br />

Marcel schaut sie an. Und schweigt.<br />

«Ich wusste nicht, was ich sagen<br />

soll», gesteht er verlegen. Denn ihr<br />

Mami sehen Marcel und seine siebenjährige<br />

Schwester Danielle nur<br />

jedes zweite Wochenende. Seit ihre<br />

Eltern sich trennten und ihre Mutter<br />

aus der gemeinsamen Wohnung<br />

auszog, leben die beiden bei ihrem<br />

Vater.<br />

Roger Baumeler war von Anfang<br />

an hauptsächlich für die Betreuung<br />

der Kinder zuständig. «Meine Ex-<br />

Frau hatte den besser bezahlten Job<br />

als ich und berufliche Ambitionen.<br />

Also haben wir uns nach der Geburt<br />

des ersten Kindes dafür entschieden,<br />

dass sie hundert Prozent arbeitet»,<br />

sagt der gelernte Informatiker. Er<br />

übernahm die Betreuung von Marcel<br />

und Danielle und ging freiberuflich<br />

diversen Nebenjobs nach, unter<br />

anderem im Vorstand einer Kinderkrippe.<br />

«Das stimmte so für alle.»<br />

Vor drei Jahren kam es zur Scheidung.<br />

«Man kann leider nicht sagen,<br />

dass die Trennung friedlich abgelaufen<br />

ist», sagt Roger Baumeler. Dass<br />

Nachdem Roger Baumeler<br />

das Urteil angefochten hatte,<br />

wurden die Kinder angehört.<br />

Ihre Aussagen waren deutlich.<br />

er nach wie vor die hauptsächliche<br />

Betreuungsperson seiner Kinder<br />

bleiben wollte, war für ihn klar –<br />

schliesslich war das sein «Job». Vor<br />

Gericht wurden Marcel und Danielle<br />

aber in einem ersten Verfahren<br />

der Mutter zugesprochen. Ein Urteil,<br />

das Roger Baumeler bis heute nicht<br />

versteht – und das später auch durch<br />

das Kantonsgericht Luzern gerügt<br />

wurde: «Ich hatte die Kinder immer<br />

zu Hause betreut, während ihre<br />

Mutter arbeitete. Offenbar ist das<br />

Vorurteil, dass Kinder in jedem Fall<br />

zur Mutter gehören, extrem stark,<br />

und die reale Gleichstellung von<br />

Mann und Frau ist in solchen Themenbereichen<br />

kaum angekommen.»<br />

Die Kinder selbst seien nicht gefragt<br />

worden. Roger Baumeler: «Ich fühlte<br />

mich total hilflos.»<br />

Väter haben grossen Respekt vor<br />

dieser Aufgabe<br />

Gut 2<strong>07</strong> 000 sogenannte Ein-Eltern-Familien<br />

gibt es laut Bundesamt<br />

für Statistik in der Schweiz. In 83<br />

Prozent dieser Familien leben die<br />

Kinder hauptsächlich bei der Mutter,<br />

in 17 Prozent wohnen sie beim Vater.<br />

Vergleichbare Zahlen aus früheren<br />

Jahren gibt es laut dem Bundesamt<br />

für Statistik nicht. In einer Publikation<br />

von 2009 («Kinder und Scheidung<br />

– Der Einfluss der Rechtspraxis<br />

auf familiale Übergänge»)<br />

schreiben die Rechtswissenschaftlerin<br />

Andrea Büchler und die Psychologin<br />

Heidi Simoni jedoch von<br />

8 Prozent der Kinder, die nach der<br />

Trennung beim Vater bleiben. Im<br />

Gegensatz zu 86 Prozent, die hauptsächlich<br />

von der Mutter betreut werden.<br />

6 Prozent wohnten alternierend<br />

bei beiden Elternteilen. Das lässt<br />

zwar erahnen, dass die Zahl der<br />

Väter, welche die Hauptverantwortung<br />

für ihre Kinder übernehmen,<br />

stetig steigt. Trotzdem sind sie auch<br />

heute noch eher die Ausnahme.<br />

Dass Mütter nach einer Trennung<br />

nach wie vor mehr Verantwortung<br />

übernehmen als Väter, liege sicherlich<br />

auch daran, dass die Männer<br />

grossen Respekt vor dieser Aufgabe<br />

hätten und sich überfordert fühlten,<br />

meint Christoph Adrian Schneider,<br />

Vorstandsmitglied von männer.ch<br />

(siehe Interview Seite 60). Aber<br />

nicht nur. «Wenn beide Elternteile<br />

die genau gleichen Voraussetzungen<br />

mitbringen, die Obhut über die Kinder<br />

auszuüben, muss man halt einen<br />

Entscheid fällen», sagt Charlotte<br />

Christener, Anwältin und Präsidentin<br />

der KESB Bern. «Ist die alternierende<br />

Obhut kein Thema, kann ich<br />

mir durchaus vorstellen, dass man<br />

im Zweifel die Kinder eher der Mutter<br />

zuspricht. Vielleicht spielt dabei<br />

eine Rolle, dass – rein rechtlich gesehen<br />

– immer sicher ist, wer die Mutter<br />

des Kindes ist, während beim<br />

Vater in den meisten Fällen kein<br />

Beweis vorliegt, dass er der biologische<br />

Vater ist», sagt die Juristin, und:<br />

«Wir bei der KESB Bern sind aber<br />

sehr bemüht, in jedem Fall genderneutral<br />

danach zu fragen, welche<br />

Lösung dem Wohl des Kindes am<br />

besten entspricht.»<br />

Den Alltag meistert das Trio<br />

problemlos<br />

Nachdem Roger Baumeler das Urteil<br />

des Richters angefochten hatte, wurden<br />

die Kinder angehört. Die Aussagen<br />

von Marcel und Danielle<br />

waren deutlich: «Wir wollen bei Papi<br />

wohnen!» Papi habe ja viel mehr Zeit<br />

für sie als Mami, erklärt Marcel. «Er<br />

macht Sachen mit uns, kocht und<br />

hilft bei den Hausaufgaben.» Klar<br />

vermisse er sein Mami manchmal.<br />

«Aber eigentlich ist es gar nicht so<br />

viel anders als vorher.» Jedes zweite<br />

Wochenende verbringen die Kinder<br />

bei ihrer Mutter. Die Übergabe findet<br />

nach wie vor mit einer Begleitung<br />

durch eine Fachstelle statt, koordiniert<br />

durch eine Besuchsrechtsbeistandschaft.<br />

Obwohl sich die Eltern<br />

das Sorgerecht teilen, funktioniert<br />

die Kommunikation zwischen ihnen<br />

nicht. «Aber das ist unser Problem,<br />

nicht das der Kinder, und ich gebe<br />

mir grosse Mühe, das zu trennen»,<br />

sagt Roger Baumeler. Den Alltag<br />

58 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Ein gutes Team:<br />

Roger Baumeler<br />

mit seinen<br />

Kindern Marcel<br />

und Danielle.<br />

meistert das Trio problemlos. Auch<br />

wenn er sich hin und wieder blöde<br />

Sprüche anhören müsse, weil er von<br />

der Mutter seiner Kinder Alimente<br />

beziehe, so Baumeler, der mittlerweile<br />

zu 50 Prozent als Berfusschullehrer<br />

arbeitet. Ob seiner Tochter<br />

manchmal eine weibliche Bezugsperson<br />

fehle? «Nun ja, eine Zeit lang<br />

fragte sie wahllos Frauen, ob sie<br />

ihren Papi heiraten wollten. Aber seit<br />

ich eine neue Partnerin habe, hat sie<br />

damit aufgehört», meint Roger Baumeler<br />

lachend. Danielle grinst breit<br />

und zeigt eine grosse Zahnlücke. «Es<br />

gibt nichts, was ich Papi nicht erzählen<br />

würde», sagt sie. «Es ist gut so,<br />

wie es ist.»<br />

Das findet auch der achtjährige<br />

Bradie. Zumal er gerade Geburtstag<br />

hatte und diese Tatsache die Legosammlung<br />

in seinem Zimmer<br />

beachtlich erweiterte. Nur ein<br />

Geschenk fehlt noch. «Von Mami<br />

bekomme ich ein spezielles Ninjago-<br />

Set, wenn ich das nächste Mal bei ihr<br />

bin», erzählt er aufgeregt. Vor einem<br />

Jahr ging die Beziehung seiner<br />

Eltern in die Brüche, seither leben<br />

Bradie und sein Bruder Quentin, 10,<br />

bei ihrem Vater André Schaffner.<br />

Genau wie Roger Baumeler war<br />

auch Schaffner bereits zuvor mit den<br />

Kindern zu Hause. Vor gut drei Jahren<br />

hatten der gelernte Schriftenmaler<br />

und seine damalige Freundin<br />

beschlossen, die bisherigen Rollen<br />

zu tauschen. «Ich konnte mir das<br />

schon immer vorstellen, und sie<br />

Als sich das Paar trennte,<br />

war klar, dass sie auszieht.<br />

Ohne die Kinder.<br />

wollte mehr arbeiten, also versuchten<br />

wir es, und es hat bestens funktioniert.»<br />

Als sich das Paar trennte,<br />

war klar, dass sie auszieht und er mit<br />

den Kindern in der gemeinsamen<br />

Wohnung bleibt. Das Erstaunliche<br />

daran: André ist nicht Quentins<br />

leiblicher Vater. «Er trat in mein<br />

Leben, als er 18 Monate alt war. Für<br />

mich ist er mein Sohn», betont André<br />

Schaffner. Und: «Wir hätten ihn<br />

niemals von seinem Bruder ge -<br />

trennt.» Die Buben verbringen jeden<br />

Sonntag bei ihrer Mutter, Quentin<br />

ist jedes zweite Wochenende bei seinem<br />

biologischen Vater, den >>><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Juni/Juli <strong>2017</strong>59


«Als Vater<br />

braucht man eine<br />

dicke Haut»<br />

Christoph Adrian Schneider ist<br />

Psychologe mit eigener Praxis in<br />

Bern und Vorstandsmitglied von<br />

männer.ch. Im Interview spricht er<br />

darüber, warum Männer im Falle<br />

einer Trennung gegenüber Frauen in<br />

Fragen der Obhut noch immer das<br />

Nachsehen haben, das Wohl des<br />

Kindes aber immer im Zentrum<br />

stehen sollte. Interview: Sandra Casalini<br />

>>> er «Dädi» nennt – und so<br />

nennt Bradie ihn auch! Das Sorgerecht<br />

für Quentin teilen sich dessen<br />

Eltern, André hat sein Aufenthaltsrecht.<br />

Die Sorge für Bradie teilt er<br />

sich mit seiner Ex-Partnerin. «Zwischen<br />

uns ist alles okay, wir sprechen<br />

uns ab, wenn sie die Jungs am Sonntagabend<br />

nach Hause bringt»,<br />

erzählt André. Zu Elternabenden<br />

gehen sie zu zweit. «Einmal kam<br />

auch Quentins Vater mit. Da kam<br />

«Als alleinerziehender Vater<br />

bist du ein Frauenmagnet»,<br />

witzelt André Schaffner.<br />

Herr Schneider, war es nie ein Thema,<br />

dass Ihre Söhne nach der Trennung<br />

hauptsächlich bei Ihnen leben?<br />

Als unsere Kinder geboren wurden, haben<br />

wir bereits beschlossen, dass wir nie um die<br />

Sorge streiten werden. Da wir beide sehr<br />

gerne Mutter und Vater sind, wir uns die<br />

finanzielle Mehrbelastung durch zwei<br />

Haushalte leisten können und das Zusammenleben<br />

mit unseren Kindern eine sehr<br />

hohe Priorität für uns beide hat, stand es<br />

immer ausser Frage, dass wir uns Sorge<br />

und Obhut zur Hälfte teilen.<br />

In der Schweiz lebt nach einer Trennung<br />

der Eltern immer noch der grösste Teil<br />

der Kinder mehrheitlich bei der Mutter.<br />

Woran liegt es, dass die Väter so wenig<br />

Verantwortung übernehmen? Wollen,<br />

können oder dürfen sie nicht?<br />

In erster Linie liegt es wohl daran, dass die<br />

meisten Paare vor der Trennung ein eher<br />

klassisches Modell wählten, in dem der Vater<br />

mehr arbeitet als die Mutter, und sie<br />

dieses danach so beibehalten – nicht zuletzt<br />

um die finanzielle Sicherheit zu gewährleisten.<br />

Es ist aber sicherlich auch so,<br />

dass viele Männer Respekt haben vor dieser<br />

Aufgabe und sich überfordert fühlen.<br />

Sie konzentrieren sich gern auf die Rolle<br />

des Ernährers. Man muss aber auch sagen,<br />

dass es einem als Mann nicht gerade<br />

schmackhaft gemacht wird, mehr Verantich<br />

mir dann schon ein bisschen<br />

komisch vor – auch wenn man uns<br />

ja mittlerweile kennt im Dorf»,<br />

gesteht André lachend und wuschelt<br />

seinem Ältesten durchs Haar.<br />

«Ich vermisse den Alltag mit<br />

meinen Söhnen»<br />

Quentin lächelt, beisst auf der goldenen<br />

Kette herum, die um seinen<br />

Hals baumelt. An ihr hängt ein<br />

Sternzeichen-Anhänger, eine >>><br />

60 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Erziehung & Schule<br />

wortung für die Kinder übernehmen zu wollen.<br />

Man wird bei einer Trennung im besten<br />

Fall schräg angeschaut, wenn man sagt,<br />

man wolle im Job reduzieren, und im<br />

schlechtesten nicht ernst genommen –<br />

auch von den Behörden nicht.<br />

Seit 2014 gilt bei einer Trennung die<br />

gemeinsame elterliche Sorge als Regel.<br />

Hat sich seither etwas getan für die<br />

Väter?<br />

Im Alltag nicht, nur in den Köpfen der Leute<br />

– aber das ist schon mal ein Anfang.<br />

Aus welchen Gründen bleiben Kinder<br />

beim Vater?<br />

Aus denselben, aus denen sie bei der Mutter<br />

bleiben. Entscheidend ist meines Erachtens,<br />

welcher Elternteil die besten Voraussetzungen<br />

für die Sorge und Obhut der<br />

Kinder hat. Kinder brauchen Stabilität, Fürsorge<br />

und ein sicheres Umfeld. Hat ein<br />

Elternteil zum Beispiel eine chronische<br />

Krankheit, finanzielle Schwierigkeiten oder<br />

ist durch den Job stark absorbiert, kann das<br />

schwierig sein in Bezug auf die Kinderbetreuung.<br />

Männer müssen offenbar mehr um<br />

die Obhut für ihre Kinder kämpfen als<br />

Frauen.<br />

Sofern sich sowohl Mutter als auch Vater<br />

damit einverstanden erklären, dass die Obhut<br />

beim Vater liegt, ist das kein Problem.<br />

Im Streitfall sieht das oft anders aus.<br />

Wird da auf die Wünsche der Kinder<br />

eingegangen?<br />

Kinder werden so früh wie möglich selbst<br />

befragt. Aber schlussendlich entscheidet<br />

das Gericht, welche Form der Obhut und<br />

Sorge angewendet wird – wobei sicherlich<br />

auch das Alter der Kinder eine Rolle spielt.<br />

Ältere Kinder können besser ausdrücken,<br />

was sie möchten.<br />

Kinder geraten in einen inneren Konflikt,<br />

wenn sie sich dazu äussern sollen,<br />

bei wem sie leben möchten. Wie soll<br />

man sich als Elternteil in einer solchen<br />

Situation verhalten?<br />

Das kann zu einer grossen Herausforderung<br />

und mitunter auch zu einer Überforderung<br />

aller Beteiligten führen. Es sollte<br />

unbedingt vermieden werden, dass das<br />

Kind unter Druck entscheiden muss. Die<br />

Eltern sollten möglichst oft gemeinsam mit<br />

dem Kind über die anstehende Veränderung<br />

sprechen und wenn nötig mit einer<br />

Fachstelle zusammenarbeiten.<br />

Wie reagieren Mütter auf die Äusserung<br />

der Kinder, beim Vater bleiben zu<br />

wollen?<br />

Wohl ebenso wie ein Vater, dessen Kinder<br />

bei der Mutter bleiben möchten. Väter werden<br />

nicht schwanger, gebären und stillen<br />

nicht. Doch das war es dann auch schon<br />

mit dem Unterschied zwischen Vater- und<br />

Muttersein. Ich denke, jeder Elternteil ist in<br />

dieser Situation gefordert, egal, ob selbst<br />

oder durch Fremdbestimmung entschieden<br />

wird, bei wem das Kind lebt. Eine Trennung<br />

und Scheidung ist eine Sache. Sein<br />

Kind nicht mehr – beziehungsweise nicht<br />

mehr regelmässig – zu sehen, ist noch mal<br />

viel schwerwiegender. Es gilt, den Entscheid<br />

des Kindes zu akzeptieren und den<br />

Kontakt, so gut es geht, aufrechtzuerhalten.<br />

Es gibt Väter, die ihre Kinder gern mehr<br />

bei sich hätten, aber aus irgendwelchen<br />

Gründen klappt das nicht. Oft ist in<br />

solchen Fällen auch die Kommunikation<br />

zwischen den Eltern gestört. Was raten<br />

Sie solchen Männern?<br />

Als Vater muss man sich erklären, wenn<br />

man nach einer Trennung die Verantwortung<br />

als Betreuungsperson wahrnehmen<br />

will: Warum will man mehr Verantwortung<br />

für die Kinder, will man wirklich weniger arbeiten?<br />

Eine Mutter muss das nicht. Es ist<br />

schwierig, aus diesem Rechtfertigungsmodus<br />

herauszukommen. Man sollte sich<br />

auf jeden Fall Unterstützung holen und Beratungsangebote<br />

nutzen.<br />

Väter, die hauptsächlich ihre Kinder<br />

betreuen, müssen sich vieles gefallen<br />

lassen, von schrägen Blicken bis zu<br />

offenen Anfeindungen. Wie geht man<br />

damit um?<br />

Da kann ich aus dem Nähkästchen plaudern:<br />

Mir wollte mal eine Frau meinen Sohn<br />

aus dem Arm nehmen, weil sie es komisch<br />

fand, dass ich vormittags allein mit dem<br />

Buben in der Badi war. Sie fragte mich<br />

mehrmals, wann denn die Mutter des Jungen<br />

käme, und fand es offenbar irritierend,<br />

als ich sagte, dass die Mutter bei der Arbeit<br />

sei. Ein Vater, der die Hauptverantwortung<br />

für seine Kinder trägt, braucht eine dicke<br />

Haut, aber auch den Austausch mit Gleichgesinnten.<br />

Das hilft.<br />

Wie lange, glauben Sie, dauert es noch,<br />

bis Väter und Mütter in der Schweiz<br />

wirklich gleichberechtigt sind in Beruf<br />

und Familie?<br />

Bis die Kinder, die jetzt in Familien aufwachsen,<br />

in denen sich die Eltern die Verantwortung<br />

teilen – egal, ob getrennt oder nicht –,<br />

in den Gremien ankommen, in denen entsprechende<br />

Entscheide gefällt werden.<br />

Gleichberechtigung ist das Thema einer<br />

Generation, und es wird eine Generation<br />

dauern, bis sich etwas ändert, auf ideologischer<br />

und auf politischer Ebene. Dann<br />

kann es auch sein, dass in Zukunft mehr<br />

Kinder als jetzt beim Vater leben. Ich möchte<br />

aber betonen, dass es das Ziel sein sollte,<br />

dass Kinder nach einer Trennung eine<br />

gleichwertige Beziehung zu beiden Elternteilen<br />

haben können.<br />

Zur Person<br />

Christoph Adrian Schneider ist Psychologe<br />

mit eigener Praxis in Bern und Vorstandsmitglied<br />

von männer.ch. Die Dachorganisation der Väterund<br />

Männer-Stellen der Schweiz unterstützt<br />

Männer in allen Belangen und setzt sich auch auf<br />

politischer Ebene für die Gleichstellung beider<br />

Geschlechter ein. Schneider ist geschieden<br />

und teilt sich die elterliche Sorge für die beiden<br />

Söhne, 7 und 8 Jahre alt, sowie deren Obhut mit<br />

der Mutter der Buben.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Juni/Juli <strong>2017</strong>61


Erziehung & Schule<br />

62 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Erziehung & Schule<br />

Zeit für sich selbst hat André<br />

Schaffner nur sonntags, wenn<br />

die Jungs bei ihrer Mutter sind.<br />

>>> Waage. Quentins Sternzeichen<br />

ist nicht Waage. «Aber das von<br />

Mami», sagt er leise. Ob er manchmal<br />

lieber bei ihr wohnen würde? Er<br />

zuckt die Schultern. «Manchmal.<br />

Aber manchmal auch nicht.» Es ist<br />

nicht immer alles Gold, was glänzt.<br />

Das weiss auch Fabienne Zollinger,<br />

die Mutter von Quentin und<br />

Bradie. «Natürlich gibt es Vorteile<br />

für mich. Weniger Diskussionen mit<br />

den Kindern, weniger Verantwortung»,<br />

sagt sie. «Aber den Preis, den<br />

ich dafür zahle, machen diese nicht<br />

wett. Ich vermisse den Alltag mit<br />

meinen Söhnen, die kleinen<br />

Momente, wenn sie beispielsweise<br />

morgens verschlafen zu mir kommen<br />

oder wenn ich sie abends ins<br />

Bett bringe.» Trotzdem ist sie überzeugt,<br />

dass die Entscheidung, die<br />

Buben bei ihrem Vater wohnen zu<br />

lassen, richtig war: «André ist ein<br />

toller Vater und hat sein ganzes<br />

Leben nach den Buben ausgerichtet.<br />

Ich könnte ihnen gar nicht so ge ­<br />

recht werden wie er.» Schräg angeschaut<br />

oder gar angefeindet werde<br />

sie nicht, sagt Fabienne Zollinger:<br />

«Die Leute sind eher neugierig, weil<br />

unsere Konstellation halt nicht der<br />

Norm entspricht.» Auch André<br />

Schaffner hat im Alltag keine<br />

schlechten Erfahrungen gemacht.<br />

«Im Gegenteil, als alleinerziehender<br />

Vater bist du ein Frauenmagnet»,<br />

witzelt er. Dabei habe er kaum Zeit,<br />

jemanden kennenzulernen – Zeit<br />

für sich selbst hat er nur sonntags,<br />

wenn die Jungs bei ihrer Mutter<br />

sind. «Mein Sozialleben hält sich in<br />

Grenzen. Aber das ist okay, ich vermisse<br />

nichts», sagt André Schaffner.<br />

Sein grösstes Ziel? «Dass meine<br />

Söhne später einmal sagen: «Wir<br />

hatten eine tolle Kindheit!»<br />

>>><br />

Bitte lesen Sie weiter auf Seite 64.<br />

Sandra Casalini<br />

blieb nach der Trennung ihrer Eltern<br />

ebenfalls beim Vater, was sie nie bereut hat.<br />

Auch wenn ihre Ernährung als Teenager zu<br />

wünschen übrig liess, da niemand im<br />

Vater-Tochter-Haushalt kochen konnte.<br />

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Und<br />

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Erziehung & Schule<br />

«Ich wurde als Mutter<br />

disqualifiziert»<br />

Unsere Autorin Sandra Casalini war 15, als sich ihre<br />

Eltern trennten. Sie blieb nach der Trennung auf eigenen<br />

Wunsch beim Vater, der in der Folge auch das Sorgerecht<br />

für sie erhielt. In einem Mutter-Tochter- Gespräch erzählt<br />

ihre Mutter, wie das damals für sie war.<br />

Mama, ehrlich gesagt, kann ich mich<br />

kaum an die Zeit eurer Trennung<br />

erinnern. Gab es eigentlich einmal<br />

dieses «eine» Gespräch, in dem<br />

ihr meinem Bruder und mir gesagt<br />

habt, dass ihr euch trennt?<br />

Es gab so ein Gespräch, ja. Das war allerdings<br />

gar nicht mal als Trennungsgespräch<br />

gedacht, auch wenn uns allen<br />

die täglichen Streitereien zusetzten. Wir<br />

hatten uns nach fast zwanzig Jahren<br />

einfach unterschiedlich entwickelt.<br />

Alles, was ich zu dem Zeitpunkt wusste,<br />

war, dass ich mehr Raum brauchte. Wir<br />

haben diskutiert und debattiert. Und<br />

irgendwann bist du aufgestanden und<br />

hast gesagt: «Bitte, Mami, geh endlich!»<br />

Du warst 15.<br />

War von Anfang an klar, dass ich bei<br />

Papi bleibe?<br />

Du hattest das bereits so beschlossen.<br />

Auf meine Frage, was denn mit euch sei,<br />

wenn ich ausziehe, sagtest du: «Mein<br />

Bruder geht mit dir, ich bleibe bei Papi.»<br />

Dein Bruder brauchte Therapien und<br />

spezielle Unterstützung, das hätte dein<br />

Vater nicht gekonnt, das wusstest du.<br />

Aber du und er, das funktionierte. Es<br />

war aber wichtig, dass das von dir kam.<br />

Weisst du, warum ich bei ihm<br />

bleiben wollte?<br />

Du hast es mir später unter vier Augen<br />

gesagt: «Dich habe ich immer, egal, was<br />

passiert. Ihn werde ich verlieren, wenn<br />

ich nicht bei ihm bleibe.»<br />

Wie hast du reagiert?<br />

Ich bin fast verzweifelt daran, dass du<br />

dir selbst so viel Verantwortung aufgeladen<br />

hast.<br />

Du hast trotz meines eindeutigen<br />

Wunsches, beim Vater zu bleiben,<br />

das Sorgerecht für mich bean -<br />

tragt.<br />

Das heisst nicht, dass ich deinen<br />

Wunsch nicht respektiert habe. Ich war<br />

mir nur nicht sicher, ob du mit deinen<br />

noch nicht einmal 16 Jahren die ganzen<br />

Konsequenzen deines Entscheides abschätzen<br />

konntest.<br />

Wie hast du dich gefühlt, als mein<br />

Sorgerecht Papi zugesprochen<br />

wurde?<br />

Beschissen. Man kann sich nicht vorstellen,<br />

wie sehr ich angegriffen wurde,<br />

von Freunden, Verwandten, Arbeitskollegen,<br />

weil ich scheinbar nicht genügend<br />

um dich gekämpft hatte. Niemand<br />

akzeptierte, dass du das so wolltest. Ich<br />

wurde als Mutter disqualifiziert.<br />

Gab es das Besuchsrecht betreffend<br />

eine Regelung?<br />

Die gab es zwar, aber du hast das von<br />

Anfang an so gehalten, wie es dir gepasst<br />

hat. Manchmal bist du täglich bei<br />

mir reingeschneit, dann hast du dich<br />

eine Woche nicht blicken lassen. Dein<br />

Bruder war jedes zweite Wochenende<br />

beim Vater.<br />

Hast du mitbekommen, wie wir<br />

zurechtkamen?<br />

Du hast zwar nur selektiv erzählt, aber<br />

ich war auch dank der Besuche deines<br />

Bruders im Bilde, was wie läuft. Ich<br />

glaube, dein Vater hat das gut gemacht,<br />

auch wenn er zur grösseren «Gluggere»<br />

mutierte, als ich das je war. Aber er<br />

musste von 0 auf 100 Prozent die Verantwortung<br />

für dich übernehmen, das<br />

ist nicht so einfach. Speziell war, dass<br />

du mir jeweils erzählt hast, was du so<br />

entschieden hast in deinem Leben –<br />

und ich hatte rein rechtlich absolut<br />

nichts dazu zu sagen. Unsere Beziehung<br />

bekam dadurch eine andere<br />

Dimension. Ich konnte dich unterstützen,<br />

ohne die Verantwortung zu tragen.<br />

Würdest du rückblickend etwas<br />

anders machen?<br />

Nein. In dieser Situation war es das Beste<br />

für deinen Bruder und dich, auch<br />

wenn es für mich unglaublich hart war.<br />

Das ist jetzt 25 Jahre her, und ich<br />

fürchte, dass sich seither in den Köpfen<br />

der Leute nicht viel verändert hat. Man<br />

denkt immer noch, dass mit der Mutter<br />

etwas nicht stimmt, wenn ein Kind nach<br />

der Trennung beim Vater lebt, ohne die<br />

genauen Lebensumstände zu kennen.<br />

Diese Stigmatisierung der Mutterrolle<br />

ist bedenklich, da viele Väter diese Verantwortung<br />

übernehmen wollen und<br />

können. Wir wurden mit dieser Lösung<br />

als Familie im wahrsten Sinn des Wortes<br />

erwachsen.<br />

Bild: ZVG<br />

64 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Erziehung & Schule<br />

© UBS <strong>2017</strong>. Alle Rechte vorbehalten.<br />

Es geht um viel<br />

mehr als den Sieg.<br />

Grosse Emotionen am UBS Kids Cup erleben.<br />

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Juni/Juli <strong>2017</strong>65


Mai <strong>2017</strong><br />

Kurt Alberma n<br />

ist ärztlicher<br />

Leiter des<br />

Instituts<br />

Kinders ele<br />

Schweiz iks.<br />

Kinder, deren Mu ter oder Vater psychisch erkrankt, werden oft in eine Erwachsenenro le<br />

gedrängt. Der Kinderpsychiater Kurt Albermann erklärt, warum sie häufig übersehen<br />

werden, worunter sie am meisten leiden und wie es Betro fenen gelingt, zu einem<br />

Sozialpädiatrisches Zentrum<br />

Winterthur, erster Stock. Kurt<br />

Albermanns Händedruck zur<br />

Begrüssung ist fest, sein Lächeln<br />

charmant. Mit einer einladenden<br />

Geste weist er den Weg in ein<br />

Sitzungszimmer und o feriert Ka f e.<br />

Während des Gesprächs haut er<br />

mehrmals so fest auf den Tisch, da s<br />

das Getränk aus der Tasse zu<br />

schwappen droht. «Ich bin<br />

manchmal ein bi schen lebhaft»,<br />

sagt er dann und lächelt.<br />

He r Alberma n, Sie ne nen Kinder,<br />

die mit einem psychisch erkrankten<br />

fa len. Sie sprechen nicht darüber,<br />

wie es ihnen geht und da s die Eltern<br />

manchmal komisch war. Sie ging<br />

ein Problem haben. So übersieht es morgen zu Mi ta geben so lte,<br />

und kaufte dafür ein. Ihre Eltern<br />

phasenweise vor Müdigkeit kaum<br />

man ihre Bedürfni se in der Situa­<br />

Ist es nicht eher so, dass gerade diese<br />

Kinder oft au fä lig sind in ihrem Verhalten?<br />

übersehen.<br />

Kö nen Sie einen Fall ne nen, der<br />

spielsweise Kinder mit einer depre siven<br />

Mu ter oder einem Vater leiden? der<br />

Und was erwartete den T enager nach<br />

Schule?<br />

Ich erinnere mich an eine Vierzehnjährige<br />

mit zwei jüngeren Geschwistern,<br />

die sich an unsere Beratungsste<br />

le gewandt hat. Seit sie denken<br />

konnte, kümmerte sie sich um die<br />

lagen Table tenpackungen. Die stän­<br />

Mu ter und um ihre Ge schwister.<br />

dige Unsicherheit und Sorge um die<br />

Mu ter veränderte die Hierarchie zu<br />

mu ste schon früh ihre eigenen Be­<br />

selbs traurig. Und wütend.<br />

Sie ha te kaum Ko leginnen, schäm­<br />

Weil diese Kinder häufig nicht aufgegrenzt,<br />

weil sie nie Zeit ha te und<br />

Sie überlegte bereits am Vortag, was<br />

auch nicht zum Sport. Von den Protion,<br />

in der sie leben.<br />

waren geschieden. Die Mu ter kam etwas, ihr wäre es peinlich gewesen,<br />

«Ich gehe in der<br />

Schweiz von bis zu<br />

300 000 betroffenen<br />

Wie sah ihr Tag konkret aus?<br />

machte Zmorge und Znüni. Sie<br />

schafft es kaum zum Unte richt,<br />

weil sie die Schwester noch in den<br />

Kindergarten und den Bruder zu den<br />

Nachbarn bringen mu ste.<br />

Im besten Fa l eine «funktionierende»<br />

Mu ter. Es kam aber auch vor,<br />

da s die Tochter die Sanität rufen<br />

mu ste, weil sich die Mu ter nicht<br />

wecken lie s. Auf dem Nach tisch<br />

Hause. Die Vierzehnjährige übernahm<br />

die Ro le der Erwachsenen. Sie<br />

dürfni se hintanste len. Oft war sie<br />

Mit welchen Folgen?<br />

te sich, jemanden mit nach Hause zu<br />

bringen. In der Kla se wurde sie aus­<br />

blemen ihrer Mu ter wu ste niemand<br />

Man schätzt, da s in der Schweiz<br />

20 000 bis 50 000 Kinder mit einem<br />

psychisch erkrankten Elterntei leben.<br />

Woher kommt diese Zahl?<br />

Sie stammt aus einer Umfrage, die<br />

wir in Winterthur bereits vor<br />

Leserbriefe<br />

«Das Niveau ist<br />

beeindruckend»<br />

Monatsinterview<br />

« Viele Kinder schämen sich<br />

für die Krankheit ihrer Eltern –<br />

und fühlen sich schuldig»<br />

harmonischen Familienleben zurückzufinden. Interview: Sandra Casalini Bilder: Filipa Peixeiro / 13 Photo<br />

Elternteil aufwachsen, in einer Studie<br />

«verge sene Kinder». Warum?<br />

Kindern aus.»<br />

Manchmal schon. Aber der Zusammenhang,<br />

da s ein Elternteil eine<br />

psychische Erkrankung hat, wird<br />

aus dem Be t. Deshalb weckte das<br />

Mädchen morgens die jüngeren<br />

Geschwister, half beim Ankleiden,<br />

darüber zu sprechen. Die Leistungen<br />

in der Schule waren gut, obwohl sie<br />

sich oft unendlich müde fühlte.<br />

zeigt, unter welchen Belastungen bei- >>><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi April <strong>2017</strong> 45<br />

«Schade, dass die<br />

öffentliche<br />

Berufs beratung nicht<br />

erwähnt wurde»<br />

(Sonderheft «Berufswahl»,<br />

Mai <strong>2017</strong>)<br />

Die Roboter kommen<br />

Welche Berufe<br />

verschwinden werden<br />

Was will ich<br />

werden?<br />

Cool bleiben!<br />

Alles Wissenswerte zur<br />

Stellensuche – auf 68 Seiten!<br />

Wie Eltern ihre Kinder am<br />

besten unterstützen<br />

Welcher Job passt zu mir?<br />

Wie Jugendliche den<br />

richtigen Beru finden<br />

Berufswahl<br />

Kürzlich hat uns Ihr Heft «Berufswahl» erreicht. Ich habe als<br />

Verantwortliche für dieses Themenfeld im Kanton Bern die<br />

Beiträge von Herrn Michel und die Illustration durch Herrn<br />

Adhihetty natürlich genau angeschaut. Ich war erfreut von<br />

der Qualität und den ausgewählten Themen und gratuliere<br />

Ihnen zu diesem rundum gelungenen Heft! Das Niveau ist<br />

wirklich beeindruckend und deckt sämtliche Fragebereiche,<br />

die Eltern von Jugendlichen im Berufswahlalter auch bei uns<br />

in der Beratung äussern, sehr gut ab.<br />

Einzig einen kleinen Wermutstropfen möchte ich<br />

erwähnen: Eltern wenden sich häufig auch an die öffentliche<br />

Berufsberatung und nutzen unsere Dienstleistungen in der<br />

Information und Beratung zur Klärung ihrer Anliegen. Dass<br />

Eltern Jugendliche im Prozess eng begleiten und auch an<br />

den Gesprächen mit unseren Fachleuten teilnehmen, ist<br />

ausdrücklich erwünscht und schweizweit eine etablierte<br />

Tradition. Deshalb finde ich es schade, dass die öffentliche<br />

Berufsberatung im Heft nicht explizit als professionelle<br />

Anlaufstelle genannt wird. Durch unsere enge Zusammenarbeit<br />

mit den Volksschulen und unsere spezifischen<br />

Angebote für Eltern werden diese überhaupt erst an den<br />

Prozess der Berufswahl an sich herangeführt. Sicher können<br />

einige Jugendliche auch ohne Beizug der Berufsberatung<br />

einen erfolgreichen Berufswahlentscheid treffen, doch die<br />

Mehrheit der Jugendlichen und deren Eltern nutzen<br />

zumindest unser Informationsangebot. Es wäre deshalb<br />

sicher auch von Interesse gewesen, uns als Anlaufstelle<br />

speziell auch für Eltern zu erwähnen.<br />

Shirley Barnes (per Mail)<br />

Geschäftsbereichsleiterin Berufswahl Kanton Bern<br />

«Als Mutter kann man an diesem<br />

Anspruch fast zerbrechen»<br />

(Monatsinterview, Heft 4/<strong>2017</strong>)<br />

Als Mutter mit mehreren Kindern und mit einer Traumafolgestörung<br />

hat mich das Interview mit Herrn Albermann natürlich<br />

brennend interessiert. Das Interview zeigt aber nur einen<br />

kleinen Teil der Probleme, die aus einer psychischen Beeinträchtigung<br />

resultieren. Die Kinder werden einem nicht<br />

automatisch weggenommen, aber die «Hilfe», die ich erhalten<br />

habe, gleicht zum Beispiel eher einer «Überwachung» und ist<br />

für mich eher demütigend. Ich finde, es kommt auch sehr<br />

darauf an, welche psychische Erkrankung die Mutter oder<br />

der Vater hat. Es gibt nicht nur depressive Eltern. Das ganze<br />

Spektrum der dissoziativen Störungen wird hier nicht<br />

genannt.<br />

Ein Aspekt scheint mir auch wichtig zu sein. Seit ich die<br />

Diagnose einer Traumafolgestörung erhalten habe, habe ich<br />

das Gefühl, eh nichts mehr richtig machen zu können.<br />

Sämtliche Schwierigkeiten, und seien sie auch noch so<br />

normal, werden mit meiner Befindlichkeit als Mutter in Zusammenhang<br />

gebracht. Denn es gilt die Regel: «Geht es den Eltern<br />

gut, dann geht es auch den Kindern gut.» An diesem Anspruch<br />

kann man als Mutter fast zerbrechen, denn egal, was man tut,<br />

es ist nie mehr genug. So stehe ich mit einem Schuldgefühl<br />

auf und gehe mit diesem auch wieder ins Bett.<br />

Dann hätte ich mir zum Schluss noch etwas konkretere<br />

Hilfsangebote gewünscht, zum Beispiel ein paar konkrete<br />

Adressen. Grundsätzlich finde ich es gut, dass die Diskussion<br />

über dieses heikle Thema stattfindet.<br />

Maja Gfeller-Christen, Bern (per Mail)<br />

Schreiben Sie uns!<br />

Ihre Meinung ist uns wichtig. Sie erreichen uns über:<br />

leserbriefe@fritzundfraenzi.ch oder<br />

Redaktion Fritz+Fränzi, Dufourstrasse 97, 8008 Zürich<br />

66 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Nicole Althaus<br />

alles «geil» findet.<br />

Peter Schneider<br />

von zwei Kindern, 16 und 12.<br />

und Mu ter von zwei Kindern, 10 und 7.<br />

erwachsenen Sohnes.<br />

Haben Sie auch eine Frage?<br />

Schreiben Sie eine E-Mail an:<br />

redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />

Lehrer und<br />

Schüler sind<br />

uneins, wie viel<br />

das Bü feln nach<br />

der Schule bringt.<br />

Do sier<br />

Eine Frage – drei Meinungen<br />

Nie mehr<br />

Hausaufgaben?<br />

Der beste Freund unseres Sohnes, 13, betitelt a le möglichen Personen<br />

als «schwul». Wie sollen wir eingreifen, wenn fremde Kinder<br />

Schimpfwörter benutzen? Claudia, 37, und Marc, 38, Suhr AG<br />

Sie sorgen in vielen Familien regelmässig für Frust und Ärger:<br />

Hausaufgaben. Sind Hausaufgaben wirklich nötig? Warum schafft<br />

man sie nicht einfach ab? Und mit welchen Tricks geht das Lernen<br />

leichter? Eine Annäherung an ein hoch emotionales Thema.<br />

Text: Claudia Landolt Bilder: Désirée Good / 13 Photo<br />

Der Junge ist alt genug, um<br />

eine klare Ansage zu hören:<br />

da s «schwul» kein Schimpfwort<br />

ist, sondern eine sexuelle<br />

Ausrichtung. Da s es genau<br />

so falsch und sexistisch ist,<br />

«schwul» als Schimpfwort zu<br />

gebrauchen, wie «Nigger»<br />

ra sistisch ist und da s Sie<br />

deshalb das in ihrem Haus nicht dulden.<br />

Tonia von Gunten<br />

Greifen Sie ein, und zwar so:<br />

«Du bezeichnest andere Menschen<br />

al schwul. Darüber<br />

möchte ich mit di reden.<br />

Mich stört, da s du da sagst,<br />

und ich wei s nicht, was daran<br />

lustig sein so l. Ich wünsche<br />

mir, da s du deinen<br />

Umgang mit Leuten überdenkst<br />

und damit aufhörst, Mitmenschen aufgrund<br />

ihres Au sehens oder ihrer sexue len Präferenz zu beleidigen.<br />

Wie siehst du das?»<br />

«Gleiches mit Gleichem<br />

vergelten ist keine Lösung»<br />

Wenn der Freund Ihres Sohnes<br />

einen gewi sen Sinn für<br />

paradoxe Ironie hä te, könnten<br />

Sie ihm sagen, sie fänden<br />

den Gebrauch des Wortes<br />

«schwul» als Schimpfwort<br />

«total behindert» und wo lten<br />

das Wort daher in Ihrer<br />

Gegenwart nicht mehr hören.<br />

Andererseits mü sen sie auch nicht a lzu hysterisch<br />

reagieren, denn ein Schwulenha ser wird man kaum<br />

deshalb, weil man in seiner unbedarften Jugend un ­<br />

angemessenen Schimpfwörtern ausgesetzt war. Man<br />

wird auch keine Nymphomanin, weil die Freundin<br />

Nicole Althaus, 48, ist Kolumnistin, Autorin<br />

und Mitglied der Chefredaktion der «N Z am<br />

So ntag». Zuvor war sie Chefredaktorin von «wir<br />

eltern» und hat den Mamablog auf «Tagesanzeiger.<br />

ch» init iert und geleitet. Nicole Althaus ist Mu ter<br />

Tonia von Gunten, 43, ist Elterncoach, Pädagogin<br />

und Buchautorin. Sie leitet elternpower.ch, ein<br />

Programm, das frische Energie in die Familien<br />

bringen und Eltern in ihrer Beziehungskompetenz<br />

stärken möchte. Tonia von Gunten ist verheiratet<br />

Peter Schneider, 59, ist praktizierender<br />

Psychoanalytiker, Autor und SRF-Satiriker («Die<br />

andere Pre seschau»). Er lehrt als Privatdozent<br />

für klinische Psychologie an der Uni Zürich und<br />

ist Profe sor für Entwicklungspsychologie an<br />

der Uni Bremen. Peter Schneider ist Vater eines<br />

82 April <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Bilder: A ne Gabriel-Jürgens / 13 Photo, Pino Stranieri, HO<br />

«Das Fundament für<br />

den späteren Berufsweg»<br />

10 April <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi April <strong>2017</strong> 1<br />

(Eine Frage – drei Meinungen, Nr. 4/<strong>2017</strong>)<br />

(Dossier «Hausaufgaben», Nr. 4/<strong>2017</strong>)<br />

Herr Schneider schreibt zum Thema «Hilfe, der Freund<br />

unseres Sohns betitelt alle möglichen Personen als ‹schwul›»<br />

Folgendes: «Wenn der Freund Ihres Sohnes einen gewissen<br />

Sinn für paradoxe Ironie hätte, könnten Sie ihm sagen, Sie<br />

fänden den Gebrauch des Wortes ‹schwul› als Schimpfwort<br />

‹total behindert›.»<br />

Was ist schlimmer, ein Kind, das als Schimpfwort schwul<br />

verwendet, oder ein Psychoanalytiker und Privatdozent für<br />

klinische Psychologie, der den Rat gibt, solche Kinder als total<br />

behindert zu bezeichnen? Wenn sich jemand falsch verhält,<br />

dann ist er nicht behindert, denn behinderte Menschen sind<br />

keine Menschen, die sich falsch verhalten. Gleiches mit<br />

Gleichem vergelten ist auch im gewissen Sinn für paradoxe<br />

Ironie keine Lösung.<br />

Irene Gresch-Gisler, Trachslau (per Mail)<br />

Warum diese Debatte? Die Eltern, die ja arbeiten müssen, um<br />

zwei Autos und ein Einfamilienhaus bezahlen zu können,<br />

finden keine Zeit mehr, mit ihren Kindern Hausaufgaben zu<br />

lösen. Die Eltern sind von ihren Jobs gefordert, und am Abend<br />

wollen sie Ruhe haben. Für viele Eltern sind die Kinder nur<br />

noch Staffage und ein Zeigeprodukt.<br />

Gemeinsam die Hausaufgaben machen bringt einen Dialog<br />

und Wärme in die Beziehung – wie auch die gemeinsam<br />

erarbeitete gelungene Lösung.<br />

Hausaufgaben erledigen ist das Fundament für den<br />

späteren Berufsweg. Ein Kind braucht Disziplin, denn das<br />

Leben schenkt einem nicht viel. Als Jungmenschen müssen<br />

sie wissen: ohne Fleiss kein Preis.<br />

E. Schürmann, Gams (per Brief)<br />

Richtig Grosswerden mit bunten Schulbleistiften<br />

Aller Anfang ist schwer – aber mit STABILO macht Schreibenlernen einfach Spass!<br />

STABILO begleitet Schüler von 5 bis 12 Jahren bei allen Herausforderungen und Lern-Etappen: In bunten Farben sind die Schulbleistifte Weggefährten<br />

für die Jüngsten. Schreibenlernen, Zeichnen und Skizzieren. Der EASYgraph für Schreibanfänger, der Trio und Trio dick für Grundschüler<br />

und der pencil 160, der in jedem Schulfach überzeugt. Bunter Schreibspass für alle – unabhängig von Können und Schreibdruck!<br />

Der EASYgraph macht Lust aufs Schreibenlernen<br />

Durch die ergonomische Dreikantform und die passgenauen Griffmulden finden Vorschulkinder und<br />

Schüler ab 5 Jahren intuitiv die richtige Handhaltung. Die Finger der Schreibhand bleiben auch beim<br />

intensiven Üben von Buchstaben und Zahlen locker und entspannt.<br />

Für farbverliebte Schreibanfänger gibt es den EASYgraph in den Farben petrol, blau, pink, orange und<br />

grün, für linkshändige ABC-Schützen erstrahlt der Schaft des EASYgraphs in petrol, blau und pink.<br />

Trio und Trio dick – die Begleiter für die Grundschulzeit<br />

Der Dreikant-Schulbleistift, der zu den Fähigkeiten passt: Mit einer bruchsicheren Grafitmine ist der Trio<br />

der richtige Begleiter für Grundschüler, die schon erste Erfahrungen mit Bleistiften gesammelt haben.<br />

Feine Linien, Kästchen und Kreise sind kein Problem. Der Trio dick hat eine breitere Mine (3.15mm) für die kleinen Schreibanfänger, die noch ein<br />

wenig Übung für den richtigen Schreibdruck brauchen. Die beiden Bleistifte leuchten in den fünf schicken Schaftfarben petrol, blau, pink,<br />

orange und grün und in den Härtegraden HB (mittelweich) – perfekt für Schreibanfänger und der ideale Begleiter zum Schreibenlernen.<br />

Im pencil 160 stecken 160 Jahre an Erfahrung<br />

Bruchsichere Grafitmine? Na klar! Der neue Sechskant-Bleistift pencil 160 ist nicht nur superpraktisch und ein echter<br />

Alleskönner sondern auch schön bunt: In fünf strahlend frischen Farben – petrol, blau, pink, orange und gelb – bringt<br />

der pencil 160 gute Laune, saubere Linien und neue Kreativität in jedes Schulfach. Dank extrem hoher Qualität ist auf<br />

die Mine (2.2mm) des pencil 160 auch in stressigen Situationen Verlass. Der Bleistift ist erhältlich mit und ohne<br />

Radierer.<br />

160 Jahre Stiftexperte, 160 Jahre bunt – das muss gefeiert werden! STABILO zeigt mit dem neuen pencil 160, was<br />

einen farbenfrohen Alleskönner ausmacht. Der Schulbleistift passend zum Jubiläum – in fünf trendbewussten Farben.


Kolumne<br />

Auf der schiefen Bahn<br />

Michèle Binswanger<br />

Die studierte Philosophin ist Journalistin und<br />

Buchautorin. Sie schreibt zu Gesellschaftsthemen,<br />

ist Mutter zweier Kinder und lebt in Basel.<br />

Theoretisch rechnet man als Mutter mit einem solchen<br />

Erlebnis. Richtig darauf vorbereitet ist man<br />

trotzdem nie. Und so fiel ich aus allen Wolken, als<br />

an jenem Nachmittag mein Telefon klingelte. Am<br />

Apparat war der Vater meiner Kinder.<br />

Er sagte: Rate mal.<br />

Ich sagte: Was denn?<br />

Er: Ich musste auf den Polizeiposten. Unseren Sohn abholen<br />

gehen. Er ist beim Klauen erwischt worden.<br />

Ich bin eine mit zwei tollen Kindern gesegnete Mutter, sie<br />

haben noch nie wirklich Probleme gemacht. Deshalb war diese<br />

Situation neu, und in meinem mütterlichen Hirn kochten<br />

sofort panische Gedanken hoch: Mein Sohn, auf der schiefen<br />

Bahn! Ich wusste immer, dass er ein Filou ist. Wo soll das<br />

noch enden? Werde ich ihn dereinst im Gefängnis besuchen<br />

müssen? Haben wir als Eltern versagt?<br />

Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren<br />

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Es gab auch einen weniger panischen Gedanken: Hurra, nun<br />

habe ich einen Grund, ihn ein paar Monate den Kompost leeren<br />

zu lassen! Aber der Vater versicherte mir in einem zweiten<br />

Telefonat, der Kleine sei sehr zerknirscht und er habe mit ihm<br />

bereits eine Strafe bestimmt: ein paar Stunden Velo putzen.<br />

Schade um die Komposthilfe.<br />

Trotzdem brauchte ich jetzt psychologische Unterstützung.<br />

Ich erzählte es meinen Schwestern, Freundinnen, Kollegen. Sie<br />

schienen es alle ziemlich locker zu nehmen. Die Schwester<br />

sagte: «Was hat er denn geklaut?» Ich wusste es nicht. Vor lauter<br />

Panik hatte ich vergessen zu fragen. Die Schwester fuhr<br />

fort: «Erinnerst du dich, wie wir im Vorschulalter mal in<br />

einem Laden ein paar Glitzerketten mitlaufen liessen und<br />

Mama sie zu Hause in der Schublade gefunden hat?» Ich erinnerte<br />

mich. Wir mussten alles zurückbringen und standen<br />

dann heulend und zitternd vor dem Filialleiter, dem die Szene<br />

offensichtlich höchst unangenehm war. Wir haben nie mehr<br />

gestohlen.<br />

Eine Freundin, selbst Mutter erwachsener Söhne, erzählte<br />

mir von ihrer Erfahrung. Ihr damals 13-jähriger Sohn hatte<br />

einmal bei einem Kollegen übernachtet, als sie einen Anruf<br />

von der Polizei erhielt. Sie solle ihren Sohn abholen. Er war<br />

mit dem Kollegen nachts auf eine Baustelle sprayen gegangen,<br />

bis ein Kastenwagen mit sechs Polizisten in Kampfmontur auftauchte<br />

und die beiden mitnahm. «Es war der Schock seines<br />

Lebens», lachte die Freundin. «Jetzt ist er Anwalt. Übrigens:<br />

Was hat dein Sohn denn geklaut?» Ich musste passen.<br />

Ein Freund schliesslich sagte: «Meine Güte, ist das nicht ein<br />

bisschen krass, gleich zur Polizei? Was hat er denn geklaut?»<br />

Ich wusste es immer noch nicht, fand aber, die Erfahrung auf<br />

dem Polizeiposten könnte vielleicht heilsam gewesen sein.<br />

Abends fragte ich endlich meinen Sohn, was er denn habe<br />

klauen wollen. Er berichtete mir beschämt, der Kollege und er<br />

hätten versucht, einen Scherzartikel zu stehlen. Einen Furzspray.<br />

Um der Lehrerin einen Streich zu spielen. Ich musste<br />

lachen. Vielleicht war das mit der Polizei ja tatsächlich etwas<br />

übertrieben, selbst wenn man Furzspray als eine Art Einstiegsdroge<br />

zu späteren Sprayereien versteht. Ich weiss nicht, ob ich<br />

jetzt auch auf eine künftige Anwaltskarriere des Sohnes hoffen<br />

kann. Aber stehlen wird er wohl so schnell nicht mehr.<br />

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Erziehung & Schule<br />

Wie Fritz+Fränzi<br />

laufen lernte<br />

Die Schweiz hat kein Ministerium für Familien. Aber seit 16 Jahren einen<br />

engagierten Ratgeber für Eltern von schulpflichtigen Kindern. Die Geschichte<br />

von Fritz+Fränzi ist ein Lehrbeispiel für Mut, Leidenschaft und Engagement.<br />

Text: Ellen Ringier Bild: Maurice Haas / 13 Photo<br />

An meinem 50. Geburtstag im Jahre 2001<br />

waren meine beiden Töchter 10 und 8 Jahre<br />

alt. Nichts deutete auf die Pubertätskrisen<br />

hin, die mein Mann und ich in nicht allzu<br />

fernen Zeiten zu bewältigen haben würden ...<br />

Unsere Welt war (noch) heil!<br />

Und trotzdem schien es mir, dass Eltern zu sein sich mit<br />

jedem Jahr schwieriger gestaltete, schwieriger jedenfalls als<br />

Eltern zu werden.<br />

In den Schulen meiner Kinder nahm die Zahl der verhaltensauffälligen<br />

Kinder im gleichen Mass zu wie die Zahl<br />

der gestressten Lehrer. Die Elternabende wurden mit jedem<br />

Jahr besser besucht und mir kam es vor, als wären einige<br />

Eltern ausgesprochen fordernd – weil überfordert.<br />

Was, so fragte ich mich damals, ist zu tun? Wie so oft im<br />

Dr. Ellen Ringier präsidiert Leben half der Zufall. In Form einer um einiges jüngeren<br />

die Stiftung Elternsein.<br />

Werbefachfrau, alleinerziehende Mutter zweier Töchter im<br />

Sie ist Mutter zweier Töchter. Alter der meinen: Sabine Danuser. «Lass uns zusammen<br />

ein Elternmagazin zu Erziehungsfragen herausgeben!» Ein<br />

Ratgeber, der die wirklich drängenden Fragen der Eltern von schulpflichtigen<br />

Kindern und Jugendlichen beantworten sollte. Keine Themen rund<br />

um die Geburt, keine Antworten auf wunde Kinderpopos, keine Rezepte,<br />

Rätsel, Kindermode und dergleichen, wie sie in allen kommerziellen Magazinen<br />

zu finden waren und sind.<br />

«Die Suche nach einem Namen war<br />

schwierig. Zur Auswahl standen<br />

‹Saugoofen› und ‹Max und Moritz›.»<br />

Die Herausgeberin sollte eine Stiftung sein, eine Nullnummer wurde<br />

gebastelt. Ich konsultierte einen Verlagsprofi, der uns einen jährlichen Millionenverlust<br />

in Aussicht stellte. Doch Sabine und ich hatten nur eine Sorge:<br />

«Wie sollten wir unser Elternmagazin nennen?»<br />

Es war der damals bekannte Werber Hermann Strittmatter, der uns nach<br />

einem Brainstorming auf die Sprünge half: «Es geht um Kinder und Jugendliche,<br />

die man Saugoofe nennen würde, das sollte daher der Titel >>><br />

Bild: Maurice Haas / 13 Photo<br />

70 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


sein!» Auf dem Heimweg redeten Sabine und ich uns in Rage: Ja, wir<br />

würden unsere Kinder unter Umständen Saugoofen nennen, was aber denken<br />

Eltern, wenn ihre Kinder und Jugendlichen so bezeichnet werden? Wir<br />

mussten uns etwas anderes einfallen lassen. «Eltern-Ratgeber» kam uns zu<br />

bieder vor. Vielleicht «Max und Moritz»? Es mag ja sein, dass zu Wilhelm<br />

Buschs Zeiten (er schrieb das Buch 1865) nur Jungs zu Streichen aufgelegt<br />

waren, im 2001 waren die Mädchen in Sachen Erziehungsprobleme definitiv<br />

gleichberechtigt. Und so suchten wir nach zwei Namen, die für beide<br />

Geschlechter einen frechen Klang hatten, «Fritz+Fränzi» war geboren.<br />

«Eine freche Schlagzeile gefällig?<br />

Voilà: ‹Legal, illegal, scheissegal:<br />

Die Jugend berauscht sich.›»<br />

16 Jahre später kann ich mich nur wundern, wie wir es geschafft haben,<br />

von 2001 bis 2009 sechs Ausgaben jährlich mit nur drei fest angestellten<br />

Mitarbeitern und Sabines Ex-Mann als Fotografen zu publizieren! Als Herausgeberin<br />

kümmerte ich mich um den Vertrieb und die Anzeigen. Wir<br />

schafften es, die kantonalen Erziehungsdirektoren davon zu überzeugen,<br />

dass die Schulen unser Elternmagazin den Eltern abzugeben hätten. Später<br />

wurde der damalige und heutige Präsident des LCH, Beat Zemp, unser<br />

Vertriebspartner.<br />

Raiffeisen, Manor, Amag, Otto’s und Coop gehörten zu den ersten Anzeigenkunden,<br />

die das Magazin mitgetragen haben – manche sogar mit einem<br />

finanziellen Beitrag obendrauf! Meine telefonischen Bemühungen, Anzeigen<br />

zu schnorren, gestalteten sich eher schwierig. Häufige Antwort auf die<br />

Frage, wer ich sei: «Ja, vom Ringier, das habe ich verstanden, aber wie lautet<br />

ihr Name?» Dass die Frau des bekannten Verlegers selber Anzeigen<br />

akquirierte, taten viele anfänglich als Scherz ab.<br />

Inhaltlich konnten wir uns von Beginn weg auf Beiträge unserer Inhalts-<br />

Partner SVEO (Schweizerische Vereinigung der Elternorganisationen), Pro<br />

Juventute, MMI (Marie Meierhofer Institut für das Kind) und S&E (Schule<br />

und Elternhaus) verlassen. Deren Kompetenz in Erziehungsfragen machte<br />

Fritz+Fränzi schnell zum richtigen Erziehungsratgeber.<br />

Und bei alldem tat ich – mein Beruf ist Juristin – schamlos so, als verstünde<br />

ich etwas vom Verlagswesen. Oder gar von Erziehung!<br />

«Armutsrisiko Kinder» (Was sie kosten, fordern, verprassen) hiess der<br />

erste Titel im September 2001. «Jetzt reicht’s» (Wenn Kinder uns an unsere<br />

Grenzen bringen) der zweite.<br />

Ich kenne bis heute niemanden, der so frech titeln konnte wie Sabine<br />

Danuser! Was halten Sie von «Friss oder stirb!» (Essstörungen bei Kindern<br />

und Jugendlichen) oder «Dumm und frech» (Schulschwächen und Verhaltensauffälligkeiten)<br />

oder «Störfall Kind?» (Paare mit schulpflichtigen und<br />

älteren Kindern berichten über ihre Entwicklung). Weitere Beispiele gefällig?<br />

«Väter – Konkurrenzkampf zwischen Familie, Beruf und ich», «Grosseltern<br />

– Alte Freunde», «Rabeneltern» (Spagat zwischen Beruf und Familie),<br />

«Klasse und Rasse» (Faktoren der Chancengleichheit) oder «Legal, illegal,<br />

scheissegal: Die Jugend berauscht sich». Wir schüttelten uns oft vor Lachen,<br />

auch wegen den Titelfotos! Unvergesslich der «Geldfresser» oder «Feindbild<br />

Lehrer».<br />

Einmal sind wir ganz offensichtlich zu weit gegangen. Unser Cover<br />

«Mein letzter Wille – Wenn Jugendliche nicht mehr leben wollen» >>><br />

Fritz+Fränzi 1/2003<br />

Thema: Jugendsuizid<br />

Fritz+Fränzi 1/2005<br />

Thema: Jugendgewalt<br />

Fritz+Fränzi 3/2005<br />

Thema: Armutsrisiko<br />

Fritz+Fränzi 1/20<strong>06</strong><br />

Thema: Lehrer<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Juni/Juli <strong>2017</strong>71


Erziehung & Schule<br />

Fritz+Fränzi 2/20<strong>06</strong><br />

Thema:<br />

Rechtsradikalismus<br />

Fritz+Fränzi 6/20<strong>06</strong><br />

Thema: Pubertät<br />

Fritz+Fränzi 8/2011<br />

Thema: Sexualität<br />

>>> zeigte ein junges Mädchen mit einem von einem Strick um den Hals<br />

herrührenden Abdruck, den man kaum als Halskette interpretieren konnte.<br />

Es ging um das Thema Jugendsuizid. Die Zahl der Lehrer und Eltern,<br />

die uns Fritz+Fränzi erbost zurückschickten, hat uns beinahe erschlagen,<br />

wir zogen eine Lehre daraus!<br />

In den 16 Jahren des Bestehens von Stiftung und Magazin mussten wir<br />

öfters und mehr, als uns lieb war, um jeden Rappen kämpfen. Ein Defizitjahr<br />

jagte das andere! Die Nächte wurden allzu oft zum Tag, Ferien machten<br />

Sabine Danuser und ich nur, um an einem anderen Ort – dem Ferienort<br />

– Tag und Nacht weiterzuarbeiten.<br />

Und unsere Töchter kamen zu allem Übel in die Pubertät. Meine fröhliche,<br />

nicht «unterzukriegende» Kollegin und ich kamen nun auch zu Hause<br />

ganz schön unter die Räder …<br />

Die Auflage von Fritz+Fränzi stagnierte, die Einnahmen aus Anzeigen<br />

reichten nicht, Defizite machten mir trotz Spendern und Sponsoren das<br />

Leben schwer. Das Start-up drohte zu scheitern. Aber Aufgeben kam nicht<br />

in Frage.<br />

«Mit dem Titel ‹Suizid› schossen wir<br />

übers Ziel hinaus: Die Ausgabe<br />

erzürnte viele Eltern und Lehrer.»<br />

Endlich gestand ich mir ein, dass ich eine professionelle Verlagsleitung<br />

brauchte, weil das Projekt Fritz+Fränzi sonst im Desaster zu enden drohte.<br />

In der Person von Thomas Schlickenrieder fand ich 2008 den rettenden<br />

Verlagsleiter (und Geschäftsführer der Stiftung Elternsein). Plötzlich gab<br />

es eine Auflagensteuerung, ein «Personalwesen», das seinen Namen verdient,<br />

ein Redaktionsbudget, das nicht vom ersten Tag an als Makulatur<br />

galt. Und vieles mehr!<br />

Wenn ich ab und zu zum Verlag meines Mannes hinüberschiele, wird<br />

mir bewusst, auf wie viele Unternehmensdienstleistungen die Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter verzichten müssen. Ein Start-up wie unser Eltermagazin<br />

konnte nur gelingen kann, weil jeder sich mit Pioniergeist voll<br />

eingebracht hat: viel Arbeit und wenig Lohn!<br />

Heute ist Fritz+Fränzi erwachsen geworden (meine Töchter übrigens<br />

auch), unsere Mitarbeiter unter der redaktionellen Leitung von Nik Niethammer,<br />

einem ehemaligen Chefredaktor der «Schweizer Illustrierten»,<br />

sind Vollprofis. Ich bin zwar um eine grossartige Erfahrung reicher, doch<br />

finanziell substanziell ärmer, mindestens 16 Jahre älter und ganz offensichtlich<br />

grauhaarig geworden – und glücklich, dass unser Elternmagazin zu<br />

einem unverzichtbaren Ratgeber für so viele Eltern geworden ist!<br />

>>><br />

Fritz+Fränzi 2/<strong>2017</strong><br />

Thema: Burnout<br />

VERLOSUNG<br />

Wir freuen uns über 125 Ausgaben Fritz+Fränzi. Diese Freude möchten wir<br />

mit Ihnen teilen. Wir verlosen zehn Jahresabos von Fritz+Fränzi und fünf<br />

Erziehungsratgeber «Leitwölfe sein» von Jesper Juul unter den Einsendungen<br />

mit der richtigen Antwort auf die Frage: Wie heisst die Stiftung, die das<br />

Schweizer ElternMagazin herausgibt?<br />

Mailen Sie Ihre Antwort an: redaktion@fritzundfraenzi.ch, Betreff: 125. Bitte<br />

geben Sie Ihren Wunschgewinn an. Einsendeschluss ist der 30. Juni <strong>2017</strong>.<br />

72 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Erziehung & Schule<br />

125 Ausgaben<br />

Fritz+Fränzi<br />

Erziehung, Familie, Schule und Elternschaft – das sind die grossen Themen des Schweizer ElternMagazins<br />

Fritz+Fränzi. Aus 125 Ausgaben haben wir die wichtigsten, pointiertesten und überraschendsten<br />

Aussagen von Pädagogen, Psychologen und prominenten Persönlichkeiten zusammengetragen.<br />

«Eigentlich bräuchte der Vater<br />

Urlaub in der Zeit der<br />

Pubertät seines Sohnes. Aber<br />

dann sind die meisten Väter in<br />

einer Phase ihres Berufes, wo<br />

sie voll ausgebucht sind. Dabei<br />

wäre es gerade in der Zeit der<br />

Pubertät wichtig, dass der<br />

Vater da ist und Zeit hat.»<br />

Allan Guggenbühl,<br />

Psychoanalytiker (1/20<strong>07</strong>)<br />

«Erziehung ist<br />

ja nicht nur<br />

ein Verhalten,<br />

Erziehung ist<br />

eine Haltung.»<br />

Sigrid Tschöpe-Scheffler, Professorin<br />

für Erziehungswissenschaften<br />

(3/20<strong>06</strong>)<br />

«Medienpädagogik<br />

funktioniert nicht! Bei Kindern<br />

und Jugendlichen hilft<br />

nur eine Reduktion der Dosis.<br />

Das Gerede vom mündigen<br />

Umgang mit den Medien ist<br />

fehl am Platz. Wir müssen<br />

Kinder nicht vor die Medien<br />

setzen, um ihnen dann noch<br />

den mündigen Umgang<br />

damit beizubringen.»<br />

Manfred Spitzer,<br />

Hirnforscher (6/20<strong>06</strong>)<br />

«Intelligenz ist genetisch bedingt,<br />

und deshalb hat es überhaupt<br />

keinen Sinn, vom Kind Leistungen<br />

zu fordern, die seine Möglichkeiten<br />

übersteigen. Eltern sollten sich<br />

also auch überlegen, was dem Kind<br />

mit seinen individuellen<br />

Fähigkeiten überhaupt zugemutet<br />

werden kann.»<br />

Peter Angst, Familientherapeut<br />

und Buchautor (1/2005)<br />

«Es ist einfacher, Überzeit zu<br />

machen, als sich von der Arbeit<br />

abzumelden und die Frau zu<br />

Hause zu unterstützen. Sie<br />

hingegen kann nicht<br />

davonlaufen und sagen: Läck,<br />

seid ihr mühsam, ich komme<br />

nach dem Znacht wieder.»<br />

Franziska Bischof-Jäggi,<br />

Geschäftsführerin der Familienmanagement<br />

GmbH (4/20<strong>06</strong>)<br />

«Ich rate zu mehr<br />

Gelassenheit: Was<br />

kann schon passieren,<br />

wenn das Kind im<br />

Winter in Turnschuhen<br />

in die Schule geht? Es<br />

wird selbst merken,<br />

dass es kalte Füsse<br />

kriegt.»<br />

Annette Cina, Psychologin am<br />

Institut für Familienforschung,<br />

Universität Freiburg (6/2005)<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Juni/Juli <strong>2017</strong>73


Erziehung & Schule<br />

«Das Tyrannische an Kindern<br />

ist, dass ihre Bedürfnisse nicht<br />

mit denen der Erwachsenen<br />

naturwüchsig übereinstimmen.<br />

Die Angleichung ist ein langer<br />

Prozess. Wer das nicht aushält,<br />

sollte keine Kinder haben.»<br />

Peter Schneider, Psychoanalytiker,<br />

Satiriker und Autor (10/2012)<br />

«Eine funktionierende Paarbeziehung<br />

und finanzielle Sicherheit reichen nicht<br />

für ein harmonisches Familienleben,<br />

wenn der eigene Perfektionismus Eltern<br />

einen Strich durch die Rechnung<br />

macht.»<br />

Maria Hofecker, Fachärztin für Psychiatrie<br />

Psychotherapie und Familientherapeutin (1/2011)<br />

«Bei Jugendlichen ist kein<br />

Unrechts bewusstsein vorhanden,<br />

wenn sie einen Joint<br />

rauchen. Für sie ist der Konsum<br />

von Cannabis zu Recht<br />

vergleichbar mit dem Bier, das<br />

ihre Väter am<br />

Feierabend trinken. Beides kann<br />

je nach Situation harmlos<br />

oder problematisch sein.»<br />

François van der Linde,<br />

Präventivmediziner (6/2003)<br />

«Ich kenne keinen einzigen Mann,<br />

der keine starke emotionale<br />

Bindung zu seinen Kindern hat<br />

oder sie sich zumindest wünscht.<br />

Ein Vater verpasst definitiv etwas,<br />

wenn er seine Kinder nur<br />

schlafend sieht. Es braucht also<br />

nicht nur praktikable<br />

Einrichtungen, sondern auch<br />

Männer, die etwas wagen.»<br />

Georges T. Roos,<br />

Zukunftsforscher (2/2016)<br />

«Mein grösster Tipp für Eltern ist, ihren Kindern<br />

weitere erwachsene Personen zugänglich zu<br />

machen und ihnen so einen anderen<br />

Erfahrungsraum zu ermöglichen. Je mehr Menschen<br />

ein Kind kennenlernt, desto grösser die Chance,<br />

dass darunter jemand ist, der es so sieht, wie es ist,<br />

und um seiner selbst willen liebt.»<br />

Gerald Hüther, Neurobiologe, Buchautor (5/2015)<br />

«Es kostet Eltern enorm viel Kraft, dranzubleiben,<br />

konsequent zu sein. Und sie bieten deshalb<br />

den Eltern-Service auch weiterhin an, tragen<br />

aber einen unausgesprochenen Frust in sich.»<br />

Rochelle Allebes,<br />

Sozialarbeiterin und systemische Therapeutin (4/2015)<br />

«Ja, Pubertierende sind<br />

muffelig. Man kann es getrost<br />

vergessen. Also einen schönen<br />

Abend wünschen und<br />

das Kind in Ruhe lassen.»<br />

Caroline Märki, Erwachsenen- und Elternbildnerin FA (9/2015)<br />

74 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Erziehung & Schule<br />

«Aggression ist nur eine<br />

von vielen Arten, Liebe<br />

auszudrücken. Wenn<br />

diese ignoriert oder<br />

zurückgedrängt wird,<br />

wächst sie und wird<br />

schliesslich entweder<br />

zum Vulkanausbruch<br />

oder eisig kalt.»<br />

Jesper Juul, Familientherapeut<br />

und Bestsellerautor (5/2016)<br />

«Wir alle sind mit<br />

Hausaufgaben<br />

sozialisiert worden.<br />

Auch wird geglaubt,<br />

dass Hausaufgaben<br />

irgendwie eine<br />

erzieherische Wirkung<br />

haben. Nur der<br />

Nachweis dazu fehlt.»<br />

Armin Himmelrath, Bildungs- und<br />

Wissenschaftsjournalist, Autor (4/<strong>2017</strong>)<br />

«Ich bin gegen ein<br />

System, das auffällige<br />

Jugendliche sehr<br />

schnell abklärt,<br />

therapiert und mit<br />

Medikamenten sediert.<br />

Nirgendwo wird so viel<br />

Geld mit Kindern<br />

verdient wie in der<br />

Schweiz.»<br />

Sefika Garibovic, Expertin für Nacherziehung,<br />

Konfliktmanagement und Sexualtherapie (10/2016)<br />

«Der beste Rat für Mütter?<br />

Temporäre Vernachlässigung.<br />

Das bedeutet, dass man<br />

zeitweilig etwas vernachlässigt,<br />

zu Hause oder bei der<br />

Arbeit, und dass man lernt,<br />

diese Unvollkommenheit<br />

zu akzeptieren.»<br />

Ulrike Ehlert, Stressforscherin (9/2014)<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Juni/Juli <strong>2017</strong>75


Erziehung & Schule<br />

«Nicht was man lernt, zählt, sondern<br />

was man erlebt. Nach drei, vier Stunden<br />

Spazierengehen ohne Handy passiert<br />

etwas, das nicht vorstellbar ist: Der<br />

Druck fällt weg, und man ruht wieder in<br />

sich. Um in der heutigen Zeit gesund<br />

zu bleiben, wäre es erforderlich, alle<br />

zwei bis drei Wochen gezielt zwei bis<br />

drei Stunden etwas zu tun, um zu sich<br />

zu kommen.»<br />

Michael Winterhoff, Kinder- und Jugendpsychiater<br />

und Buchautor (9/2013)<br />

«Um stressfreier leben zu können,<br />

brauchen Familien mehr Zeit für das<br />

Familienleben und Arbeitszeiten für beide<br />

Eltern, die dies erlauben. Und sicher<br />

auch mehr erschwingliche und qualitativ<br />

hochwertige Betreuungsmöglichkeiten –<br />

ergänzend zur Familie. Es muss<br />

selbstverständlicher werden, den<br />

Arbeits- und Familienalltag zu<br />

vereinbaren und zu leben.»<br />

Heidi Simoni, Psychologin und Leiterin des<br />

Marie-Meierhofer-Instituts für das Kind (4/2013)<br />

«Die Gesellschaft fordert<br />

zwar permanent Kinder,<br />

kümmert sich aber nicht um<br />

sie. Die Erziehung von<br />

Kindern – das ist an sich eine<br />

Aufgabe für mehrere<br />

Menschen. Selbst zwei<br />

Personen sind im Prinzip zu<br />

wenig für ein Kind.»<br />

Irene Mariam Tazi-Preve, Politikwissenschaftlerin<br />

und Zivilisationstheoretikern (11/2016)<br />

«Es wäre schön, die ganze Gesellschaft wäre<br />

Kindern und Jugendlichen gegenüber<br />

toleranter. Hätten wir mehr Verständnis<br />

dafür, wie vielfältig menschliches Verhalten<br />

ist, wären die Belastungen sicher weniger<br />

gross, welche Familien von Kindern, die ein<br />

bisschen von der Norm abweichen, erleben.»<br />

Bea Latal, Professorin und Co-Leiterin<br />

Entwicklungs pädiatrie Kinderspital Zürich (8/2015)<br />

«Wenn der Jugendliche ein<br />

Gefühl von Langeweile und<br />

Leere hat, dann eher in der<br />

Schule. Das eigentliche Leben<br />

findet woanders statt.»<br />

Jürgen Grieser, Psychotherapeut (2/2012)<br />

«Ich kann die Welt<br />

nicht verbessern,<br />

aber ich kann<br />

versuchen, die Welt<br />

für die Kinder, die zu<br />

mir kommen, besser<br />

zu machen.»<br />

Georg Staubli,<br />

Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin (4/2016)<br />

76 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Erziehung & Schule<br />

«Es gibt Ferienformen, die für alle stimmen.<br />

Wesentlich ist, dass man wenig macht, das<br />

aber intensiv. Man sollte nicht auf ein Ziel<br />

fixiert sein, sondern auch sagen können:<br />

Jetzt brechen wir ab, machen es ganz anders.<br />

Es braucht Zeit für Musse.»<br />

Heinrich Nufer,<br />

Leiter des Marie-Meierhofer-Instituts für das Kind,<br />

Psychologe (2/2002)<br />

«Ich habe noch nie einen Mann<br />

zu einer Frau sagen hören: ‹Das<br />

Kind muss etwas anderes<br />

anziehen.› Andersrum leider<br />

sehr oft. Das tut uns weh.»<br />

Michael Gohlke, Gründer des Väternetzwerks<br />

Avanti Papi (6/2014)<br />

«Man darf nicht von<br />

einem Kind erwarten, dass<br />

es sich an den eigenen<br />

Haaren aus dem<br />

Schlamassel zieht, wenn<br />

es einmal drinsteckt.»<br />

Margrit Stamm, em. Professorin<br />

für Erziehungswissenschaften (1/2012)<br />

«Am wichtigsten scheint mir, dass Eltern ihre<br />

Kinder immer spüren lassen: Egal, was passiert,<br />

egal, wie du dich verhältst – du hast bei<br />

uns dein Zuhause und wir stehen zu dir.»<br />

Remo H. Largo, em. Professor für Kinderheilkunde (1/2001)<br />

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Juni/Juli <strong>2017</strong>77


Erziehung & Schule<br />

Eine Erfolgsgeschichte<br />

Im September 2001 erschien die erste Ausgabe von Fritz+Fränzi. 125 Hefte später blicken<br />

wir zurück. Sind die Themen von damals dieselben wie heute? Wie hat sich unser<br />

Magazin verändert? Und wie die Sicht auf Erziehung und Familie? 125 Ausgaben<br />

Fritz+Fränzi – eine Erfolgsgeschichte. Text: Claudia Landolt<br />

Ellen Ringier, die Gründerin<br />

von Fritz+Fränzi,<br />

schuf vor 16 Jahren ein<br />

Magazin für Eltern von<br />

pubertierenden Kindern.<br />

Für Väter und Mütter also, deren<br />

Söhne gerade den ersten Oberlippenflaum<br />

bewundern und sich<br />

plötzlich nur noch in Ein-Wort-Sätzen<br />

äussern. Für Eltern, deren Töchter<br />

in Papa nicht mehr den Helden,<br />

sondern einen in die Jahre gekommenen<br />

stinkpeinlichen Herrn sehen.<br />

Für Eltern, deren Kinder Probleme<br />

machen, ihnen Sorgen bereiten.<br />

In einem Interview 2014 mit der<br />

«Werbewoche» sprach Ellen Ringier<br />

darüber, was sie antreibt: «Die<br />

Öffentlichkeit muss endlich zur<br />

Kenntnis nehmen, dass Familien<br />

zum Teil gravierende Probleme<br />

haben. Wir müssen in diesem Land<br />

aufhören, weg zu schauen.»<br />

Diese Form der Aufmerksamkeitsgewinnung<br />

ist ein Kerngedanke<br />

des Elternmagazins, der in jedem<br />

Heft spür- und lesbar ist. Es sind<br />

keine leichten Geschichten, die wir<br />

Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser,<br />

zumuten: Kinder, die kiffen. Kinder,<br />

die an Bulimie leiden, an psychischen<br />

Störungen, an ADHS. Kinder,<br />

die sich radikalen politischen Gruppierungen<br />

anschliessen. Kinder, die<br />

ihre Eltern schlagen. Die von ihren<br />

Eltern getrennt werden, weil die sich<br />

gegenseitig halb totprügeln. Kinder,<br />

die sich wünschen, nicht mehr am<br />

Leben zu sein.<br />

Es sind Themen, die heute genau<br />

so aktuell sind wie 2001, dem Grün-<br />

dungsjahr von Fritz+Fränzi. Die<br />

meisten jungen Menschen wünschen<br />

sich nach wie vor eigene Kinder,<br />

wie zahlreiche Jugendstudien<br />

belegen. Die Familiengründung<br />

erscheint vielen aber immer mehr<br />

als eine riesige Herausforderung:<br />

Die überhöhten Ansprüche ans<br />

Elternsein, die schwierige Vereinbarkeit<br />

von Familie und Beruf, die<br />

eigenen finanziellen Möglichkeiten<br />

stehen oft im krassen Gegensatz<br />

zum Kinderwunsch.<br />

Zwei von drei Eltern sind von<br />

Selbstzweifeln geplagt<br />

Entscheidet sich heute ein Paar für<br />

ein Kind, erfährt dieses mehr Aufmerksamkeit<br />

als ein Kind früherer<br />

Generationen. «Die Wohlstandsentwicklung<br />

hat den Trend zu einer<br />

emotionalen Zweiteilung der Gesellschaft<br />

verstärkt: Intimität und Emotionalität<br />

im familiären Rahmen<br />

gegenüber Emotionslosigkeit und<br />

Rationalität in der Berufswelt», sagt<br />

Soziologe François Höpflinger in<br />

Fritz+Fränzi(11/2013). Solche<br />

«Emotionsgemeinschaften» stehen<br />

aber im Spannungsfeld, eine idealisierte<br />

Gefühlswelt mit der alltäglichen<br />

Lebenswirklichkeit ins Gleichgewicht<br />

zu bringen.<br />

Nachgiebigkeit und Gefühlsbetontheit:<br />

Das macht Erziehung nicht<br />

einfacher. In Studien sagen etwa zwei<br />

Drittel aller Eltern, dass sie oft von<br />

Selbstzweifeln geplagt sind, obwohl<br />

sie täglich ihr Bestes geben. «Das<br />

grösste Problem für Eltern ist heute<br />

die Vereinzelung», sagt Fachpsychologe<br />

Philipp Ramming (September-<br />

Ausgabe 2016). «Jede Familie ist eine<br />

eigene Insel, es gibt keine Grossfamilie<br />

mehr und auch keine Normen,<br />

die uns sagen, was wir tun sollen und<br />

was nicht. Die Welt ist so vielfältig<br />

geworden, dass uns in der Erziehung<br />

manchmal die Orientierung abhandenkommt.<br />

Trotzdem ist das Bedürfnis<br />

nach Schutz, Orientierung und<br />

Anlehnung immer da.»<br />

Als Fritz+Fränzi 2001 erschien,<br />

war das Magazin mit dieser Thematik<br />

allein auf weiter Flur. Erziehung<br />

wurde damals vor allem mit<br />

Schwangerschaft, Babyzeit und<br />

Kleinkindjahren assoziiert. Heute<br />

gibt es ein wachsendes Segment an<br />

Magazinen, Blogs und Informationsseiten<br />

im Netz, die sich mit<br />

Lust und Frust in der Kindererziehung<br />

beschäftigen. Auch Zeitungen<br />

und Zeitschriften, deren Kerngeschäft<br />

primär die Berichterstattung<br />

aus Politik und Wirtschaft ist, entdecken<br />

vermehrt Familien- und Ge -<br />

sellschaftsthemen.<br />

Eltern zu sein macht trotz aller<br />

Anstrengungen Freude<br />

Wir möchten unser Magazin noch<br />

stärker als Psychologie-Ratgeber<br />

positionieren, als Wegbegleiter von<br />

Eltern in guten wie in schwierigen<br />

Zeiten. Wir wollen auch in Zukunft<br />

Probleme nicht bewirtschaften, sondern<br />

Lösungsansätze anbieten. Und<br />

mit jeder Geschichte eine wichtige<br />

Botschaft vermitteln: Bei aller<br />

Anstrengung macht es grosse Freude,<br />

Eltern zu sein.<br />

78 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Juni/Juli <strong>2017</strong>79


Digital & Medial<br />

Bibliothek 2.0: Hier wird gerappt,<br />

geschrieben und gezockt<br />

Nur zwei Prozent der Deutschschweizer Jugendlichen gehen regelmässig in die Bibliothek,<br />

heisst es in der aktuellen JAMES-Studie. Die Bibliotheken selbst erzählen aber eine ganz andere<br />

Geschichte. Wie sie die Jugend zum Lesen animieren. Text: Claudia Füssler<br />

Kinder sind fleissige<br />

Bibliotheksnutzer. Die<br />

Buben bleiben dann aber<br />

oft in der Pubertät fern.<br />

Adrian und Leonard<br />

haben es sich gemütlich<br />

gemacht. Sie<br />

lümmeln auf grossen<br />

Sitzsäcken, Adrian<br />

mit «Greg’s Tagebuch» in der Hand.<br />

Er kichert ständig vor sich hin, so<br />

dass Leonard von seinem Comic<br />

aufschaut und im Flüsterton fragt,<br />

welche Stelle genau so witzig sei.<br />

Hinter den beiden Buben hocken<br />

Jugendliche vor den PCs, surfen im<br />

Internet und unterhalten sich mit<br />

gedämpfter Stimme. An den langen<br />

Regalen voller Bücher wandern Kinder<br />

und Jugendliche auf und ab. Den<br />

Kopf schräg geneigt entziffern sie<br />

die Schrift auf den Buchrücken,<br />

greifen ab und an eins heraus. «Das<br />

hier ist sooo super», sagt Lea und<br />

packt «Das Schicksal ist ein mieser<br />

Verräter» auf den Stapel Jugendromane,<br />

den ihre Freundin im Arm<br />

hält. Ein ganz normaler Nachmittag<br />

in einer Bibliothek in der Schweiz.<br />

Und dann kommt dieser Satz.<br />

Hans Ulrich Locher sagt, er habe ihn<br />

erschüttert: «Nur zwei Prozent der<br />

Jugendlichen in der Deutschschweiz<br />

nutzen regelmässig eine Bibliothek,<br />

in der Romandie sind es sechs Prozent,<br />

im Tessin zehn Prozent.» So<br />

steht es in der aktuellen JAMES-<br />

Studie geschrieben. JAMES ist eine<br />

Umfrage zum Mediennutzungsund<br />

Freizeitverhalten von 12- bis<br />

19-Jährigen, die die Zürcher Hochschule<br />

für Angewandte Wissenschaften<br />

(ZHAW) durchführt. Seit<br />

2010 wird sie alle zwei Jahre im Auftrag<br />

der Swisscom erstellt.<br />

«Das stimmt absolut nicht mit<br />

unseren Zahlen überein und widerspiegelt<br />

den technikorientierten<br />

Ansatz der Studie. Diese Zahlen<br />

beziehen sich auf die «nonmediale<br />

Nutzung» der Bibliothek; dabei<br />

bezweckt der Besuch einer solchen<br />

Einrichtung in erster Linie die Nutzung<br />

von Medien», sagt Hans Ulrich<br />

Locher, Geschäftsführer der Schwei-<br />

Bild: Fotolia<br />

80 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


zerischen Arbeitsgemeinschaft<br />

öffentlicher Bibliotheken (SAB) und<br />

von Bibliothek Information Schweiz.<br />

Gemäss der Erhebung des Bundesamtes<br />

für Statistik zum Kulturverhalten<br />

haben innert eines Jahres 64,3<br />

Prozent der jungen Menschen zwischen<br />

15 und 29 Jahren mindestens<br />

einmal eine Bibliothek besucht. «Bei<br />

den 12-, 13- und 14-Jährigen liegen<br />

die Zahlen hoch und höher. Kinder<br />

und Jugendliche gehen umso mehr<br />

in die Bibliothek, je jünger sie sind»,<br />

erklärt Locher.<br />

Mädchen bleiben meist treue<br />

Mitglieder, wenn sie älter werden,<br />

männliche Benutzer gehen den Bi -<br />

bliotheken auf dem Weg in die<br />

Pubertät eher verloren. Dennoch:<br />

Die Schweizer Bibliotheken haben<br />

im Jahr 20 Millionen Besucher. «Das<br />

sind zehn Mal mehr, als die Fussballnationalliga<br />

A hat», sagt Locher.<br />

Bücher zu allen Themen – sogar am<br />

Sonntag<br />

Bibliotheken seien die Kulturinstitutionen<br />

mit dem grössten Publikum<br />

in der Schweiz, und damit das so<br />

bleibe, müsse man viel tun. «Natürlich<br />

erreichen wir auch nicht alle<br />

Menschen, aber wir geben uns grosse<br />

Mühe. Sie finden bei uns Medien<br />

zu allen Themen der Welt, die sie sich<br />

denken können», sagt Locher. Und<br />

das in einigen Bibliotheken seit Kurzem<br />

auch sonntags. Ein Angebot, das<br />

insbesondere vom männlichen Pu -<br />

blikum und von Alleinstehenden<br />

sehr positiv angenommen wird, der<br />

Zuspruch ist gross.<br />

Dass Kinder, Jugendliche und<br />

Erwachsene, Männer und Frauen<br />

etwas finden, das sie anspricht, dafür<br />

werden Bibliothekare ausgebildet.<br />

Sie müssen literarische Spürnasen<br />

sein und das Angebot immer frisch<br />

halten, damit ihre Bibliothek interessant<br />

bleibt. Deshalb erneuern<br />

öffentliche Bibliotheken jedes Jahr<br />

etwa 10 bis 20 Prozent ihres Bestandes,<br />

verschenken oder verkaufen<br />

ihn. Nach fünf bis spätestens zehn<br />

Jahren wird der Bestand so komplett<br />

erneuert. «Das ist wichtig, denn<br />

während die Jugendlichen zu meiner<br />

Zeit noch Karl May gelesen<br />

haben, lesen sie heute Harry Potter<br />

und Vampirromane. So etwas muss<br />

man dann einfach dahaben», sagt<br />

Locher. Mit der Zeit gehen heisst<br />

auch, mit den neuen Medien gehen.<br />

Deshalb haben auch die E-Books<br />

Einzug gehalten in den Schweizer<br />

Bibliotheken. Die Nutzungsraten<br />

liegen laut Locher jedoch wie im<br />

Buchhandel auch noch im einstelligen<br />

Prozentbereich.<br />

Neue Medien sind allerdings kein<br />

Königsweg, um Jugendliche in die<br />

Bibliothek zu locken. «DVDs spielen<br />

praktisch keine Rolle mehr, Filme<br />

und Musik streamen die Jugendlichen<br />

zu Hause», sagt Danièle Kammacher,<br />

Vizedirektorin der Kornhausbibliotheken<br />

in Bern. Für<br />

E-Books interessieren sich Mittvierziger<br />

mehr als die ganz Jungen. «Die<br />

jungen Leute lesen ja meist übers<br />

Handy, und darauf ein ganzes Buch<br />

zu lesen, ist doch etwas mühsam»,<br />

mutmasst Kammacher. Rund ein<br />

Viertel der Nutzer der Kornhausbibliotheken<br />

sind zwischen 13 und<br />

25 Jahre alt. Neue Projekte in der<br />

jüngeren Vergangenheit haben dazu<br />

geführt, dass diese Zahl leicht gestiegen<br />

ist.<br />

Der erste Kontakt läuft oft über<br />

die Schule<br />

Es gibt eine Gruppe, für die ergibt<br />

sich der Bezug zur Bibliothek ganz<br />

automatisch, sagt Kammacher. Das<br />

sind Kinder, die aufs Gymnasium<br />

gehen, die als Hausaufgaben Aufträge<br />

bekommen, etwas zu einem<br />

bestimmten Thema zu recherchieren,<br />

verbunden mit einem Besuch in<br />

Wo früher Karl May stand,<br />

stehen heute Vampirromane<br />

und Harry Potter.<br />

der Bibliothek. Spätestens aber bei<br />

Studienbeginn ergibt sich der Kontakt<br />

zu einer solchen Einrichtung<br />

automatisch. «Damit fallen jedoch<br />

all die jungen Menschen weg, die<br />

eine Berufsausbildung machen, und<br />

das ist eine grosse Menge», sagt<br />

Kammacher.<br />

Die Kornhausbibliotheken haben<br />

deswegen die Zusammenarbeit mit<br />

der Berner Gewerbeschule intensiviert.<br />

Jede Klasse von dort wird mit<br />

einer Führung und einem Leseprojekt<br />

mit der Institution Bibliothek<br />

vertraut gemacht. «Viele der Jugendlichen<br />

erfahren hier zum ersten Mal,<br />

wie sie ein Buch zu einem bestimmten<br />

Thema finden und ausleihen<br />

können, und viele bleiben dann<br />

begeistert hängen und werden zu<br />

regelmässigen Besuchern», sagt<br />

Kammacher. Damit die dranbleiben,<br />

gibt es im zweiten Stock der Kornhausbibliothek<br />

eine Lounge-Zone,<br />

Tablets, Games und eine grosse<br />

Jugendbibliothek sowie spezielle<br />

Lesungen oder englisches Storytelling<br />

für die jungen Besucher. Zudem<br />

lesen sie – wie in fast allen Schweizer<br />

Bibliotheken – gratis. >>><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Juni/Juli <strong>2017</strong>81


Digital & Medial<br />

>>> In der JAMES-Studie stösst<br />

man auch auf erfreulichere Zahlen<br />

zum Leseverhalten von Jugendlichen.<br />

So ist es seit 2010 unverändert<br />

ein stabiles Viertel der Jugendlichen,<br />

die in ihrer Freizeit regelmässig<br />

Bücher lesen. «Die Tatsache, dass<br />

zwar die Nutzung digitaler Medien<br />

seit 2010 deutlich angestiegen ist,<br />

gleichzeitig das Lesen von Büchern<br />

aber stabil geblieben ist, finde ich ein<br />

gutes Ergebnis», sagt die Psychologin<br />

und Mitstudienautorin Isabel Willemse.<br />

«Jugendliche, die gerne lesen,<br />

tun dies auch weiterhin, trotz der<br />

ständigen Verfügbarkeit von digitalen<br />

Medien mit Internetzugang.»<br />

Hausaufgabenhilfe in der Bibliothek<br />

Von zu wenigen jugendlichen Besuchern<br />

kann auch in der Stadtbibliothek<br />

Basel keine Rede sein. Anne-<br />

Lise Hilty, bei der Bibliothek<br />

zuständig für Kommunikation und<br />

Fundraising, belegt das mit Zahlen:<br />

Knapp 20 000 Jugendliche zwischen<br />

15 und 24 Jahren gibt es in Basel-<br />

Stadt, rund 12 000 davon haben ein<br />

Konto bei der Stadtbibliothek. «Etwa<br />

5000 davon sind aktive Nutzer, das<br />

heisst, sie haben in den vergangenen<br />

zwölf Monaten mindestens ein Buch<br />

ausgeliehen», sagt Hilty.<br />

Etwa 80 Jugendliche tummeln<br />

sich täglich in der Stadtbibliothek in<br />

einem fast abgeschlossenen, eigenen<br />

Bereich. «Jugendliche sind keine<br />

ganz einfache Gruppe», sagt Hilty.<br />

Und vor einiger Zeit ist das tatsächlich<br />

problematisch geworden. Jede<br />

Menge Pubertierende, die laut sich<br />

unterhaltend die Bibliothek unsicher<br />

machen, abhängen und viele Dinge<br />

tun, die nichts mit dem Ausleihen<br />

von Büchern zu tun haben.<br />

Jugendarbeitende helfen bei<br />

den Hausaufgaben und leihen<br />

den Kindern ein offenes Ohr.<br />

So motivieren Sie Ihr Kind zum Lesen<br />

• Lesen Sie selber viel, egal ob Bücher, Zeitschriften oder<br />

Zeitungen. Die Vorbildfunktion ist hier besonders stark.<br />

• Reden Sie mit Ihrem Nachwuchs über das, was er<br />

gerade liest – das gilt für Kinder genauso wie Jugendliche.<br />

Fragen Sie nach, lassen Sie sich die Geschichten erzählen<br />

oder Zusammenhänge erklären.<br />

• Gehen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind in die Bibliothek,<br />

zeigen Sie ihm die Möglichkeiten und erklären Sie, wie man<br />

ein Buch ausleiht.<br />

• Sorgen Sie für ruhige Phasen und einen ungestörten Ort<br />

zu Hause, sodass Zeit und Raum zum Lesen bleiben.<br />

• Weisen Sie ältere Kinder und Jugendliche darauf hin, wenn<br />

Sie irgendwo etwas zu einem Thema gelesen haben, das sie<br />

interessiert.<br />

• Sorgen Sie dafür, dass immer ein ausreichendes und<br />

spannendes Angebot an Lektüre vorhanden ist. Bücher<br />

sollten keine seltenen Geschenke sein, auf die ein Kind<br />

monatelang warten muss.<br />

• Wenn Ihr Kind schon selber liest, plötzlich aber keine Lust<br />

mehr auf Bücher hat, lesen Sie wieder vor. Ein sogenannter<br />

Leseknick mit etwa sieben, acht Jahren ist normal<br />

und gibt sich meist wieder.<br />

Die Bibliothek sah Handlungsbedarf<br />

und hat sich mit der Jugendarbeit<br />

Basel (JuAr Basel) zusammengeschlossen.<br />

Seit 2012 sind – zunächst<br />

über eine Stiftung finanziert – zwei<br />

Jugendarbeitende als feste Ansprechpersonen<br />

in vier Bibliotheken der<br />

Stadtbibliothek anzutreffen. Sie bieten<br />

Unterstützung bei Hausaufgaben<br />

und Bewerbungen, helfen beim<br />

Umsetzen von Ideen und Projekten,<br />

leisten PC-Support, leiten Gesellschaftsspiele<br />

an und leihen den<br />

Jugendlichen bei Sorgen und Nöten<br />

ein offenes Ohr.<br />

Darüber hinaus hat sich das<br />

Angebot an Veranstaltungen für<br />

Jugendliche enorm erweitert:<br />

Schreibclub, Filmworkshop, digitale<br />

Schnitzeljagd, es wird gerappt,<br />

gezeichnet, fotografiert. «Das geht<br />

alles weit übers Lesen hinaus, hat<br />

aber den Effekt, dass die Jugendli-<br />

82 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Roboter, die Ostereier<br />

bemalen: Die Bibliothek<br />

geht mit der Zeit.<br />

chen die Bibliothek mit einem positiven,<br />

spannenden Ort assoziieren,<br />

an dem es viele Möglichkeiten gibt»,<br />

sagt Hilty.<br />

In der Kornhausbibliothek Bern<br />

können junge Autoren zwischen 12<br />

und 16 Jahren in einem Forum ihre<br />

selbst geschriebenen Geschichten<br />

vorlesen. In Luzern gibt es gemütliche<br />

Sitzsäcke in einem eigenen<br />

Bereich für Kinder und Jugendliche,<br />

die zum langen Schmökern einladen.<br />

Die Pestalozzibibliothek Zürich<br />

arbeitet mit dem FabLab Zürich<br />

zusammen und lädt Kinder und<br />

Jugendliche ein, mit einem Egg-Bot<br />

Ostereier zu bemalen, mit 3-D-Druckern<br />

zu experimentieren und Selfies<br />

mit einem LED-Bildgenerator<br />

zu erzeugen. Die Botschaft lautet:<br />

Eine Bibliothek ist alles andere als<br />

ein dunkler Ort mit verstaubten<br />

Büchern. Und sie wird von den<br />

Schweizer Bibliotheken sehr überzeugt<br />

in die Welt getragen.<br />

>>><br />

Claudia Füssler<br />

hat seit der 1. Klasse einen Bibliotheksausweis,<br />

egal, in welcher Stadt sie gerade lebt. Mindestens<br />

einmal pro Woche leiht sie sich neue Bücher und<br />

gibt das so gesparte Geld gerne für gutes Essen<br />

aus.<br />

Wohnangebot<br />

Das Wohnangebot der IBK steht Lernenden während einer<br />

Praktischen Ausbildung zur Verfügung. Die Lernenden werden<br />

unter der Woche von pädagogisch ausgebildeten Personen<br />

in der Bewältigung der lebenspraktischen Anforderungen individuell<br />

unterstützt. Das gemeinsame Ziel ist der erfolgreiche<br />

Abschluss der Berufsausbildung.<br />

Ausbildung<br />

Seniorenbetreuung<br />

Infos unter www.ibk-berufsbildung.ch<br />

Weitere Informationen unter www.ibk-berufsbildung.ch<br />

Unsere<br />

Mediadaten:<br />

www.fritzundfraenzi.ch<br />

So lernen wir.<br />

– 5./6. Primarstufe<br />

– Sekundarstufe<br />

– 10. Schuljahr<br />

– Fachmittelschule<br />

Mitten<br />

in<br />

Zürich<br />

www.fesz.ch | 043 268 84 84<br />

Waldmannstr. 9 | 8001 Zürich


Digital & Medial<br />

Mein Kind, mein<br />

Smartphone und ich<br />

Kleine und grosse Bildschirme ziehen nicht<br />

nur unsere Kinder in ihren Bann, sondern<br />

auch uns Erwachsene. Wieso wir das ändern<br />

sollten und wie das geht. Text: Michael In Albon<br />

Bild: OcusFocus<br />

Auf dem Spielplatz,<br />

beim Abholen aus der<br />

Kinderkrippe, im<br />

Wohnzimmer: Nur<br />

noch kurz die Mails<br />

checken, eine WhatsApp-Nachricht<br />

beantworten, die Wettervorhersage<br />

studieren. Immer wieder. Mal ehrlich,<br />

wie oft haben Sie diese Woche<br />

zu Ihrem Kind gesagt: «Moment, ich<br />

hab gleich Zeit für dich, ich muss<br />

nur schnell …»? Dabei erfolgt der<br />

Griff zum Handy oft automatisch.<br />

Vor Kurzem haben Forscher des<br />

deutschen «Menthal Balance»-Projekts,<br />

die über eine App das Verhalten<br />

von 60 000 Smartphone-Nutzern<br />

beobachten, herausgefunden, dass<br />

jeder Nutzer das Smartphone täglich<br />

88 Mal einschaltet. Abzüglich ge -<br />

schätzter 8 Stunden Nachtruhe also<br />

alle 10 Minuten.<br />

Genau diese ständige Ablenkung<br />

hat der Basler Kinderarzt Cyril<br />

Lüdin in einem Interview in diesem<br />

Magazin kürzlich bemängelt: «Im<br />

Kontakt zum Kind müssen wir emotional<br />

und gedanklich dabei sein.<br />

Hantieren wir am Smartphone, sind<br />

wir nicht wirklich verfügbar. So fehlt<br />

schon dem Kleinkind die sprachliche<br />

Auseinandersetzung und damit<br />

die kommunikative Kompetenz.»<br />

Andere Experten gehen weiter und<br />

warnen zudem davor, dass Kinder<br />

dauerhafte Beziehungsstörungen<br />

entwickeln würden, wenn sie von<br />

ihren Eltern nicht ge nügend Zuwendung<br />

bekämen.<br />

Kinder fühlen sich vernachlässigt<br />

Der niederländische Internetsicherheitsanbieter<br />

AVG hat in einer «Digital<br />

Diaries»-Studie 6000 Familien<br />

aus neun Ländern befragt, wie das<br />

Handy die Beziehung zwischen<br />

Eltern und Kindern beeinflusse. 54<br />

Prozent der Kinder zwischen 8 und<br />

13 klagen: «Du schaust ständig auf<br />

dein Handy!», 32 Prozent fühlen sich<br />

unwichtig, wenn die Eltern zu oft<br />

aufs Display starren: «Das Handy ist<br />

dir wichtiger als ich.» Vor allem weil<br />

Eltern während Unterhaltungen und<br />

gemeinsamen Aktivitäten immer<br />

wieder aufs Handy schauen.<br />

Es gibt gute Gründe, als Mutter<br />

oder Vater wieder Herr seines Handys<br />

zu werden. Vielleicht helfen<br />

Ihnen meine folgenden Tipps.<br />

Öffnungszeiten: Schalten Sie die<br />

Benachrichtigungen über Neueingänge<br />

aus und checken Sie Ihre<br />

Arbeitsmails nur zu festgelegten und<br />

kommunizierten Zeiten. Ausnahmen<br />

sind möglich, aber nicht zu oft.<br />

Ruhemodus: Versetzen Sie Ihr<br />

Handy in den Ruhemodus und las-<br />

sen Sie es in der Tasche oder legen<br />

Sie es mit dem Bildschirm nach<br />

unten hin.<br />

Informieren: Sagen Sie Ihrem<br />

Kind, was Sie am Handy tun und wie<br />

lange es dauert – und halten Sie sich<br />

auch daran.<br />

Fokus: Notieren Sie kurz, was Sie<br />

am Handy machen wollen, bevor Sie<br />

es entsperren. Erledigen Sie dann<br />

auch nur das. Das mag umständlich<br />

erscheinen. Versuchen Sie, konsequent<br />

mit sich selbst zu sein, plötzlich<br />

wird es zum Automatismus.<br />

Ehrlichkeit: Gestehen Sie Ihrem<br />

Kind Ihre Schwäche, dem Onlinesog<br />

nicht immer widerstehen zu können.<br />

Zeigen Sie ihm, wie man mit<br />

Schwächen umgehen kann.<br />

Michael In Albon<br />

Michael In Albon ist Beauftragter<br />

Jugendmedienschutz und Experte<br />

Medienkompetenz von Swisscom.<br />

Auf Medienstark finden Sie Tipps und interaktive<br />

Lernmodule für den kompetenten Umgang mit<br />

digitalen Medien im Familienalltag.<br />

swisscom.ch/medienstark<br />

84 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Warum erfordern<br />

ungewisse Zeiten<br />

Gewissheit bei<br />

den Zielen?<br />

ey.com/ch<br />

© <strong>2017</strong> Ernst & Young AG. All Rights Reserved. ED None.


Unser Wochenende …<br />

in Liechtenstein<br />

Text: Leo Truniger<br />

St. Gallen<br />

Bangshof<br />

Ruggell<br />

verstehen sich exklusiv Bahnbillett Sesselbahn Malbun–Sareis.<br />

Falknerei Galina: von Mai bis Oktober, mittwochs bis sonntags,<br />

jeweils um 15 Uhr, Dauer zirka 45 Minuten. 200 Plätze, bei<br />

schlechtem Wetter 140. Erwachsene Fr. 8.–, Kinder Fr. 4.–.<br />

Hotel Falknerei Galina, Triesenberg, Im Malbun 20, www.galina.li<br />

Zürich<br />

Chur<br />

Rhein<br />

Fürstentum<br />

Liechtenstein<br />

Vaduz<br />

Schatzsuche<br />

JUFA Hotel<br />

Falknerei Galina<br />

Hotel Gorfion<br />

Malbun<br />

Sareis<br />

… Nicht nur zuschauen, sondern aktiv werden müssen Sie auf<br />

der Schatzsuche in Vaduz mit der Detektiv-Trail-App oder<br />

mit der Schatzkarte. Am Startpunkt gilt es, das erste Rätsel<br />

zu lösen, und dann beginnt die eigentliche Suche. Der<br />

Detektiv-Dachs auf der App führt Ihre Familie in der Vaduzer<br />

Fussgängerzone von einem Rätsel zum andern. Während Sie<br />

Hinweise und Spuren verfolgen, kommen Sie an manchen<br />

Sehenswürdigkeiten vorbei. Finden Sie mit den Rätsellösungen<br />

den richtigen Code für die Schatztruhe, erhalten Sie einen<br />

kleinen Sofortpreis.<br />

Start und Ziel beim Liechtenstein Center in Vaduz. Für den rund<br />

fünf Kilometer langen Parcours brauchen Sie ohne Pause etwa<br />

zwei Stunden. Bis 31. Oktober <strong>2017</strong> täglich geöffnet von 9<br />

bis 18 Uhr. Die Schatzkarte ist für Fr. 5.– im Liechtenstein<br />

Center erhältlich. Die App (für iOS und Android) kann auf<br />

www.detektiv-dachs.ch für Fr. 5.– gekauft werden.<br />

www.tourismus.li/schatzsuche<br />

Erleben …<br />

… Möchten Sie mal in Gesellschaft eines Adlers wandern?<br />

Diese weltweit wohl einzigartige Möglichkeit haben Sie im<br />

Liechtensteiner Bergdorf Malbun. Gemeinsam mit dem<br />

Falkner Norman Vögeli und dem Steinadlerweibchen fahren<br />

Sie mit dem Sessellift von Malbun auf Sareis, und während<br />

Sie dann gemütlich talwärts wandern, können Sie die<br />

Flugkünste des Königs der Lüfte bestaunen. Es wird für Sie<br />

und Ihre Kinder ein beeindruckendes Erlebnis sein, so nah<br />

dabei zu sein, wenn der fast 90 Zentimeter lange Vogel mit<br />

einer Spannweite von über zwei Metern abhebt oder wieder<br />

landet. Wenn diese Art Vogel Ihre Familie fasziniert, wird Sie<br />

auch die Greifvogelschau in Norman Vögelis Falknerei<br />

Galina begeistern.<br />

Adler-Erlebniswanderung: Frühling bis Herbst täglich ausser<br />

montags um 16 Uhr. Dauer zirka 90 Minuten. Frühzeitig<br />

reservieren. Andere Zeiten und Termine auf Anfrage. Grundpauschale<br />

inkl. 1 Person Fr. 150.–, jede weitere Begleitperson Fr.<br />

50.–, Begleitperson Kind 5 bis 12 Jahre Fr. 25.–. Diese Preise<br />

Geniessen …<br />

… Eine Vierersesselbahn bringt Ihre Familie von Malbun auf<br />

Sareis (2003 m ü. M.). Im Bergrestaurant mit einer urchigen<br />

Gaststube können Sie es sich bei einheimischen Spezialitäten<br />

wie Käsknöpfle mit Apfelmus, Rheintaler Ribelmais oder<br />

klassischen Gerichten gut gehen lassen. Auf der Sonnenterrasse<br />

geniessen Sie zudem ein grossartiges Gebirgspanorama.<br />

Für den Rückweg zu Fuss folgen Sie dem Gratweg bis zur<br />

Sareiserhöhe (2010 m ü. M.). Hier entscheiden Sie sich für<br />

die direkte Variante oder für den etwa vier Stunden längeren<br />

und anspruchsvolleren Weg über Augstenberg, Bettlerjoch/<br />

Pfälzerhütte, Alp Gritsch, Tälihöhi nach Malbun.<br />

Sesselbahn und Bergrestaurant Sareis sind vom 17. Juni bis 22.<br />

Oktober <strong>2017</strong> täglich ab 8 Uhr in Betrieb. Preise Sesselbahn:<br />

einfache Fahrt / hin und zurück: Erwachsene Fr. 9.80/15.30,<br />

Jugendliche (16–18) 7.30/11.30, Kinder (5–15) 5.40/8.–.<br />

www.bergbahnen.li, www.bergrestaurant-sareis.li<br />

… Auf dem Bangshof in Ruggell bekommen Sie bis Ende<br />

August bei schönem Wetter jeden Sonntag ein Buurazmorga<br />

86 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Service<br />

Beim Falkner<br />

Norman Vögeli,<br />

Buurazmorga auf<br />

dem Bangshof, das<br />

Restaurant auf<br />

Sareis.<br />

Bilder: Liechtenstein Marketing<br />

unter schattigen Bäumen von einem reichhaltigen Buffet. Für<br />

die Kinder gibt’s auf dem Bauernhof vieles zu bestaunen, und<br />

auch Kindertraktoren stehen bereit. Der Hof befindet sich am<br />

Eingang zum Ruggeller Riet, einer Torflandschaft mit<br />

seltenen Vögeln, vielen Insekten und harmlosen Reptilien. Mit<br />

etwas Glück entdecken Sie bei der Wanderung auch Biber<br />

oder zumindest deren Burgen.<br />

Bangshof, Fallagass 41, Ruggell, 9 bis 12 Uhr. Erwachsene ab 14<br />

Jahren Fr. 24.–, Kinder bis 5 gratis, bis 6 Fr. 6.–, bis 7 Fr. 7.–, bis<br />

13 Fr. 13.–. Unbedingt voranmelden, Tel. +423 373 49 30 oder<br />

unter www.bangshof.li bis Samstag (Vortag) um 18 Uhr.<br />

www.tourismus.li > Aktivitäten > Sehenswürdigkeiten &<br />

Naturerlebnisse > Naturerlebnisse<br />

Übernachten …<br />

bietet Ihnen das Familienhotel Gorfion in Malbun. Darüber<br />

hinaus auch ein abwechslungsreiches Familien-Wochenprogramm,<br />

freie Nutzung von Hallenbad, Sauna und Dampfbad<br />

und eine praktische 24-Stunden-Selbstservice-Oase mit<br />

Waschmaschine, Wäschetrockner, Mikrowelle.<br />

Familienhotel Gorfion, Malbun, www.gorfion<br />

Als Familie ebenfalls gut aufgehoben und willkommen sind Sie<br />

im JUFA Hotel in Malbun. Es ist als TOP-Familienhotel<br />

ausgezeichnet. Alle Zimmer haben Allergiker-Ausstattung,<br />

Dusche/WC, TV und Fön. Teenagerangebot mit Sporthalle,<br />

Funcourt und Tischtennis, eine Kinderspielelandschaft mit<br />

Kleinkinderbereich, eine Boulderecke sowie einen<br />

Outdoorspielplatz, eine Kleinsporthalle. Im Angebot sind auch<br />

ein Familienaktivprogramm, finnische Sauna und Dampfbad.<br />

JUFA Hotel, Malbunstrasse 60, Malbun. www.jufa.eu/malbun<br />

… Suchen Sie ein Viersternehaus mit familiengerechten<br />

Zimmern und einem umfassenden Betreuungsangebot? Das<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Juni/Juli <strong>2017</strong>87


Service<br />

Vielen Dank<br />

an die Partner und Sponsoren der Stiftung Elternsein:<br />

Finanzpartner Hauptsponsoren Heftsponsor<br />

Dr. iur. Ellen Ringier<br />

Walter Haefner Stiftung<br />

Credit Suisse AG<br />

Rozalia Stiftung<br />

UBS AG<br />

Clariant International AG<br />

Impressum<br />

17. Jahrgang. Erscheint 10-mal jährlich<br />

Herausgeber<br />

Stiftung Elternsein,<br />

Seehofstrasse 6, 8008 Zürich<br />

www.elternsein.ch<br />

Präsidentin des Stiftungsrates:<br />

Dr. Ellen Ringier, ellen@ringier.ch,<br />

Tel. 044 400 33 11<br />

(Stiftung Elternsein)<br />

Geschäftsführer: Thomas Schlickenrieder,<br />

ts@fritzundfraenzi.ch, Tel. 044 261 01 01<br />

Redaktion<br />

redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />

Chefredaktor: Nik Niethammer,<br />

n.niethammer@fritzundfraenzi.ch<br />

Verlag<br />

Fritz+Fränzi,<br />

Dufourstrasse 97, 8008 Zürich,<br />

Tel. 044 277 72 62,<br />

info@fritzundfraenzi.ch,<br />

verlag@fritzundfraenzi.ch,<br />

www.fritzundfraenzi.ch<br />

Business Development & Marketing<br />

Leiter: Tobias Winterberg,<br />

t.winterberg@fritzundfraenzi.ch<br />

Anzeigen<br />

Administration: Dominique Binder,<br />

d.binder@fritzundfraenzi.ch,<br />

Tel. 044 277 72 62<br />

Art Direction/Produktion<br />

Partner & Partner, Winterthur<br />

Bildredaktion<br />

13 Photo AG, Zürich<br />

Korrektorat<br />

Brunner Medien AG, Kriens<br />

Auflage<br />

(WEMF/SW-beglaubigt 2016)<br />

total verbreitet 101 725<br />

davon verkauft 18 572<br />

Preis<br />

Jahresabonnement Fr. 68.–<br />

Einzelausgabe Fr. 7.50<br />

iPad pro Ausgabe Fr. 3.–<br />

Abo-Service<br />

Galledia Verlag AG Berneck<br />

Tel. 0800 814 813, Fax 058 344 92 54<br />

abo.fritzundfraenzi@galledia.ch<br />

Für Spenden<br />

Stiftung Elternsein, 8008 Zürich<br />

Postkonto 87-447004-3<br />

IBAN: CH40 0900 0000 8744 7004 3<br />

Inhaltspartner<br />

Institut für Familienforschung und -beratung<br />

der Universität Freiburg / Dachverband Lehrerinnen<br />

und Lehrer Schweiz / Verband Schulleiterinnen und<br />

Schulleiter Schweiz / Jacobs Foundation /<br />

Elternnotruf / Pro Juventute / Interkantonale<br />

Hochschule für Heilpädagogik Zürich /<br />

Schweizerisches Institut für Kinder- und<br />

Jugendmedien<br />

Stiftungspartner<br />

Pro Familia Schweiz / Pädagogische Hochschule<br />

Zürich / Elternbildung CH / Marie-Meierhofer-<br />

Institut für das Kind / Schule und Elternhaus<br />

Schweiz / Schweizerischer Verband<br />

alleinerziehender Mütter und Väter SVAMV /<br />

Kinderlobby Schweiz / kibesuisse Verband<br />

Kinderbetreuung Schweiz<br />

Damit einzigartige Begegnungen<br />

möglich sind: Wir unterstützen<br />

den Zoo Zürich.<br />

Tickets für<br />

ZKB Familientag<br />

gewinnen<br />

Mehr unter zkb.ch/zoo<br />

Vielseitig engagiert. Als Kunde profitieren<br />

Sie von einem 20% günstigeren Eintritt<br />

exklusiv über unsere Website.<br />

88 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Buchtipps<br />

«Weisst du<br />

noch? Oben<br />

sassen die<br />

drei Ziegen<br />

und spielten<br />

Karten.»<br />

Käpt’n Kalle<br />

Selbständig<br />

werden kann nur,<br />

wer sich traut,<br />

wegzugehen. Mit<br />

Hund und Meerschweinchen<br />

fährt der kleine<br />

Held in diesem Vorlesebuch von<br />

Anke Kranendonk im eigenen Boot<br />

durch die holländischen Kanäle.<br />

Carlsen, 2016, Fr. 14.90,<br />

ab 6 Jahren<br />

In Kinderbüchern stören Eltern in der<br />

Regel: Denn echte Abenteuer lassen sich<br />

doch nur ohne Erwachsene erleben – dann,<br />

wenn Kinder und Jugendliche autonom<br />

und handlungskräftig agieren können.<br />

Auf sich allein gestellt<br />

Über die Augenblicke, in denen Kinder etwas<br />

zum ersten Mal bewusst erleben.<br />

Danger Express<br />

Der längste Zug<br />

der Welt fährt quer<br />

durch Kanada, und<br />

Will ist als Sohn<br />

des Lokführers mit<br />

dabei! In den<br />

Waggons und auf ihren Dächern<br />

erlebt er in diesem rasanten Roman<br />

von Kenneth Oppel das gefährlichste<br />

Abenteuer seines Lebens.<br />

Aladin, <strong>2017</strong>, Fr. 21.90,<br />

ab 12 Jahren<br />

Bilder: ZVG<br />

Mit «Weisst du<br />

noch, als wir losgelaufen<br />

sind und<br />

die Strasse nicht<br />

mehr enden wollte?»<br />

beginnt die Geschichte zweier<br />

Kinder, die sich alleine – mit einem<br />

Teddybären unter dem Arm, einem<br />

Brot und einem verschrumpelten<br />

Apfel in den Manteltaschen – ins<br />

Abenteuer wagen. «Weisst du noch,<br />

als der Zwerg auf dem Fahrrad angefahren<br />

kam und eine Mütze mit lauter<br />

Korken auf dem Kopf hatte?» In<br />

einer Sprache, die vor Einfällen<br />

überschäumt und einen Sog entwickelt,<br />

ohne aufgeregt zu wirken, lässt<br />

uns der Autor Zoran Drvenkar an<br />

den Erlebnissen der Kinder teilhaben.<br />

Diese können autonom ihre<br />

Selbständigkeit ertesten: Erwachsene<br />

gibt es in diesem Bilderbuch nur<br />

in den kleinen Vignetten auf den<br />

Textseiten, die wohl die ehemaligen<br />

Kinder als ältere Leute beim Erzählen<br />

der Erinnerungen zeigen.<br />

Auf dem grossen Bild jeder Doppelseite<br />

hat die Illustrationskünstlerin<br />

Jutta Bauer die Abenteuer in<br />

Bilder übersetzt, die Witz und<br />

Gefühl des Textes mittransportieren.<br />

Die Besorgnis des Fuchses etwa,<br />

dessen Freund auf der Strasse einen<br />

Unfall hatte, steht ihm ins Gesicht<br />

geschrieben. Wenigstens können die<br />

zwei Kinder sein Testament bis zum<br />

nächsten Briefkasten mitnehmen!<br />

Ein hochpoetisches Bilderbuch für<br />

das Unterstufenalter – und für alle,<br />

die sich an ihre Kindheit erinnern<br />

– über das Kindsein fernab der<br />

Erwachsenenwelt.<br />

Zoran Drvenkar /<br />

Jutta Bauer:<br />

Weisst du noch?<br />

Hanser, <strong>2017</strong>,<br />

Fr. 21.90,<br />

ab 5 Jahren<br />

Hundert Stunden<br />

Nacht<br />

Ausgerechnet als<br />

Emilia nach New<br />

York abhaut, bricht<br />

der Wirbelsturm<br />

Sandy über die<br />

Stadt herein. Eine Extremsituation<br />

draussen und in ihrem Innern – überzeugend<br />

geschildert von Anna Woltz.<br />

Carlsen, <strong>2017</strong>, Fr. 23.90,<br />

ab 14 Jahren<br />

Verfasst von Elisabeth Eggenberger,<br />

Mitarbeiterin des Schweizerischen<br />

Instituts für Kinder- und<br />

Jugendmedien SIKJM.<br />

Auf www.sikjm.ch/rezensionen sind<br />

weitere B uch empfehlungen zu finden.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Juni/Juli <strong>2017</strong>89


Eine Frage – drei Meinungen<br />

Mein Mann arbeitet während der Woche in Deutschland. Wenn er nach<br />

Hause kommt, ist unser Sohn, 7, ausser sich vor Freude, während unsere<br />

Tochter, 5, kaum Gefühle zeigt und sich verkriecht. Was können wir tun,<br />

damit die Tochter mit der Abwesenheit des Papas besser zurechtkommt?<br />

Renate, 41, Bülach ZH<br />

Nicole Althaus<br />

Freude erzwingen geht nicht.<br />

Vielleicht braucht Ihre<br />

Tochter einfach eine längere<br />

Aufwärmphase. Sorgen Sie<br />

dafür, dass die Kleine sich<br />

möglichst nicht abkühlt.<br />

Vielleicht genügt ein tägliches<br />

Skype-Gespräch schon, um<br />

den Papa auch wochentags in<br />

der Nähe zu haben. Der Papa könnte so jeden Abend<br />

«Gute Nacht» sagen und ein wichtiges, warmes Ritual<br />

auch in seiner Abwesenheit fortführen.<br />

Tonia von Gunten<br />

Fragen Sie Ihre Tochter, wie<br />

es ihr mit der Abwesenheit<br />

des Vaters geht. Sie empfindet<br />

offenbar andere Gefühle als<br />

ihr Bruder und zeigt sie auf<br />

ihre eigene Weise. Ihr Mann<br />

könnte etwas zur Beziehung<br />

mit ihr beitragen, indem er<br />

sich vermehrt auch aus der<br />

Ferne meldet und sich für das Leben der Kinder<br />

interessiert. Er könnte telefonieren, Videos senden und<br />

am Wochenende immer wieder bewusst Zeit mit einem<br />

Kind alleine verbringen.<br />

Peter Schneider<br />

Vielleicht könnte Ihr Mann<br />

unter der Woche öfter mit der<br />

Tochter telefonieren. Oder<br />

am Wochenende, wenn Ihre<br />

Tochter das möchte, auch<br />

einmal alleine etwas ganz<br />

Alltägliches wie Einkaufen<br />

mit ihr unternehmen. Freude<br />

kann man nicht erzwingen<br />

und die Trauer über die Abwesenheit höchstens<br />

mildern, aber auch nicht ganz ausschalten. Und je mehr<br />

man auf die Effekte irgendwelcher Massnahmen schielt,<br />

desto mehr geht die Sache ohnehin in die Hose.<br />

Nicole Althaus, 48, ist Kolumnistin, Autorin<br />

und Mitglied der Chefredaktion der «NZZ am<br />

Sonntag». Zuvor war sie Chefredaktorin von «wir<br />

eltern» und hat den Mamablog auf «Tagesanzeiger.<br />

ch» initiiert und geleitet. Nicole Althaus ist Mutter<br />

von zwei Kindern, 16 und 12.<br />

Tonia von Gunten, 43, ist Elterncoach, Pädagogin<br />

und Buchautorin. Sie leitet elternpower.ch, ein<br />

Programm, das frische Energie in die Familien<br />

bringen und Eltern in ihrer Beziehungskompetenz<br />

stärken möchte. Tonia von Gunten ist verheiratet<br />

und Mutter von zwei Kindern, 10 und 7.<br />

Peter Schneider, 59, ist praktizierender<br />

Psychoanalytiker, Autor und SRF-Satiriker («Die<br />

andere Presseschau»). Er lehrt als Privatdozent<br />

für klinische Psychologie an der Uni Zürich und<br />

ist Professor für Entwicklungspsychologie an<br />

der Uni Bremen. Peter Schneider ist Vater eines<br />

erwachsenen Sohnes.<br />

Haben Sie auch eine Frage?<br />

Schreiben Sie eine E-Mail an:<br />

redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />

Bilder: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo, Pino Stranieri, HO<br />

90 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


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