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Wahlsysteme in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union

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<strong>Wahlsysteme</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Mitgliedstaaten</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong><br />

Werner T. Bauer<br />

Aktualisierte Fassung<br />

Wien, Oktober 2012<br />

Österreichische Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung - ÖGPP<br />

ZVR: 159115616 A-1230 Wien, Gregorygasse 21-27/7/1, Tel. 0664/1427727<br />

Internet: www.politikberatung.or.at, E-Mail: office@politikberatung.or.at<br />

1


Inhalt<br />

Vorwort 4<br />

1. Mehrheits- o<strong>der</strong> Verhältniswahlrecht? 5<br />

1.1. Unterscheidung von Mehrheits- und Verhältniswahl 5<br />

1.2. Grundstruktur von <strong>Wahlsysteme</strong>n 5<br />

1.3. Vor- und Nachteile von Mehrheits- und Verhältniswahl 8<br />

2. Die <strong>Wahlsysteme</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Mitgliedstaaten</strong> <strong>der</strong> EU 9<br />

2.1. Belgien 9<br />

2.2. Bulgarien 13<br />

2.3. Dänemark 14<br />

2.4. Deutschland 16<br />

2.5. Estland 19<br />

2.6. F<strong>in</strong>nland 21<br />

2.7. Frankreich 22<br />

2.8. Griechenland 25<br />

2.9. Großbritannien 27<br />

2.10. Irland 32<br />

2.11. Italien 33<br />

2.12. Lettland 36<br />

2.13. Litauen 38<br />

2.14. Luxemburg 39<br />

2.15. Malta 41<br />

2.16. Nie<strong>der</strong>lande 43<br />

2.17. Österreich 45<br />

2.18. Polen 48<br />

2.19. Portugal 51<br />

2.20. Rumänien 53<br />

2.21. Schwe<strong>den</strong> 54<br />

2.22. Slowakei 57<br />

2.23. Slowenien 59<br />

2.24. Spanien 61<br />

2.25. Tschechische Republik 64<br />

2.26. Ungarn 66<br />

2.27. Zypern 68


3. Abschließen<strong>der</strong> Vergleich 71<br />

3.1. Verfassungen 71<br />

3.2. Regierungssysteme und die Rolle des Staatsoberhauptes 71<br />

3.3. Die Regierungen 72<br />

3.4. Die Parlamente 74<br />

3.5. Parteiensysteme 77<br />

3.6. Fö<strong>der</strong>alismus und Dezentralisierung 78<br />

3.7. Auslän<strong>der</strong>Innenwahlrecht 79<br />

Überblickstabelle 80<br />

4. Quellen 82<br />

4.1. <strong>Wahlsysteme</strong> 82<br />

4.2. Län<strong>der</strong><strong>in</strong>formationen 82<br />

4.3. Staatliche Institutionen 82<br />

4.4. Literatur 83


Vorwort<br />

Dass periodisch stattf<strong>in</strong><strong>den</strong>de Wahlen alle<strong>in</strong>e noch ke<strong>in</strong> Indikator für die demokratische Verfasstheit<br />

e<strong>in</strong>er Gesellschaft s<strong>in</strong>d, ist e<strong>in</strong>e B<strong>in</strong>senweisheit. In <strong>den</strong> pluralistischen und demokratisch<br />

gefestigten Staaten <strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en soziale Sicherheit, <strong>in</strong>dividuelle<br />

Freiheit und kultureller Pluralismus zur Selbstverständlichkeit gehören – was nicht heißt, dass<br />

diese Errungenschaften nicht ständig weiterentwickelt und gegebenenfalls auch verteidigt<br />

wer<strong>den</strong> müssen! – lohnt es sich <strong>den</strong>noch, e<strong>in</strong>e vergleichende Untersuchung darüber anzustellen,<br />

welche demokratischen Verfahren die e<strong>in</strong>zelnen Mitgliedsstaaten im Laufe <strong>der</strong> Zeit<br />

entwickelt haben, um <strong>den</strong> schwierigen Spagat zwischen e<strong>in</strong>er möglichst gerechten Repräsentation<br />

des WählerInnenwillens e<strong>in</strong>erseits und dem Postulat <strong>der</strong> Regierbarkeit an<strong>der</strong>erseits zu<br />

schaffen.<br />

Die vorliegende Studie glie<strong>der</strong>t sich <strong>in</strong> drei Teile. Im ersten Abschnitt wird versucht, die Grundstruktur<br />

demokratischer <strong>Wahlsysteme</strong> kurz darzustellen, sowie Vor- und Nachteile von Mehrheits-<br />

und Verhältniswahlsystemen zu beleuchten.<br />

Der zweite Abschnitt gibt e<strong>in</strong>en nach Län<strong>der</strong>n geglie<strong>der</strong>ten Überblick über die unterschiedlichen<br />

Systeme, mit <strong>den</strong>en die BürgerInnen <strong>in</strong> <strong>den</strong> 15 gegenwärtigen und 10 künftigen <strong>Mitgliedstaaten</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> E<strong>in</strong>fluss auf die Zusammensetzung <strong>der</strong> wichtigsten staatlichen Institutionen<br />

und Gebietskörperschaften nehmen können. Zum besseren Verständnis und zur e<strong>in</strong>facheren<br />

Vergleichbarkeit folgen die e<strong>in</strong>zelnen Län<strong>der</strong>teile stets demselben Schema: Staatsoberhaupt,<br />

Zentralregierung, Parlament sowie regionale und kommunale Gebietskörperschaften. Es<br />

versteht sich von selbst, dass <strong>in</strong> diesem Zusammenhang e<strong>in</strong>e – oftmals nur kursorische! –<br />

Darstellung <strong>der</strong> sehr verschie<strong>den</strong>artigen Aufgaben, Kompetenzen und Funktionsweisen dieser<br />

Institutionen nicht unterbleiben konnte.<br />

Der dritte Abschnitt ist <strong>der</strong> vergleichen<strong>den</strong> Analyse gewidmet, wobei neben <strong>den</strong> eher „technischen“<br />

Aspekten von demokratischen Verfahren und Funktionsweisen auch <strong>der</strong> Frage nachgegangen<br />

wer<strong>den</strong> soll, wie weit <strong>der</strong> Grad <strong>der</strong> demokratischen Partizipationsmöglichkeiten auf<br />

regionaler und lokaler Ebene <strong>in</strong> <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>en Län<strong>der</strong>n entwickelt ist, und ob auch Nicht-<br />

EU-BürgerInnen an diesen Mitbestimmungs- und Mitgestaltungsprozessen teilhaben können.<br />

Zuletzt noch zwei H<strong>in</strong>weise: Demokratien bef<strong>in</strong><strong>den</strong> sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ständigen Fluss. In vielen<br />

EU-Staaten s<strong>in</strong>d <strong>der</strong>zeit Dezentralisierungsbestrebungen im Gange, so dass manches, was<br />

hier als state of the art präsentiert wird, schon demnächst obsolet se<strong>in</strong> könnte. Mitunter erwies<br />

sich auch die Quellenlage als schwierig und wi<strong>der</strong>sprüchlich, und manche Unterlagen waren<br />

nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Orig<strong>in</strong>alsprache erhältlich. Dass auf e<strong>in</strong>e durchgängige gen<strong>der</strong>korrekte Schreibweise<br />

verzichtet wer<strong>den</strong> musste, geschah e<strong>in</strong>zig und alle<strong>in</strong> aus Grün<strong>den</strong> <strong>der</strong> besseren Lesbarkeit.<br />

Werner T. Bauer<br />

Wien, im August 2003


1. Mehrheits- o<strong>der</strong> Verhältniswahlrecht ?<br />

1.1. Unterscheidung von Mehrheits- und Verhältniswahl<br />

Zumeist wer<strong>den</strong> Mehrheits- und Verhältniswahl wie folgt def<strong>in</strong>iert:<br />

• Bei <strong>der</strong> Mehrheitswahl wird das Wahlgebiet <strong>in</strong> so viele Wahlkreise e<strong>in</strong>geteilt, als Mandate zu<br />

vergeben s<strong>in</strong>d. Gewählt ist jener Kandidat, <strong>der</strong> die meisten Stimmen (relativ o<strong>der</strong> absolut) <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>em Wahlkreis erhält.<br />

• Bei <strong>der</strong> Verhältniswahl wird die Sitzverteilung so durchgeführt, dass jede Partei so viele<br />

Mandate erhält, wie es ihrem Stimmenanteil im Wahlgebiet entspricht.<br />

Diese Def<strong>in</strong>itionen s<strong>in</strong>d nicht unbed<strong>in</strong>gt falsch – gleichwohl s<strong>in</strong>d sie vere<strong>in</strong>fachend und irreführend.<br />

Vere<strong>in</strong>fachend, weil sie jeweils nur e<strong>in</strong>e ganz bestimmte Form <strong>der</strong> Mehrheits- bzw.<br />

<strong>der</strong> Verhältniswahl beschreiben und all die an<strong>der</strong>en, vielfältigen <strong>Wahlsysteme</strong>, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis<br />

angewendet wer<strong>den</strong>, nicht erfassen. Und irreführend, weil beide Def<strong>in</strong>itionen auf unterschiedlichen<br />

Kriterien beruhen: Bei <strong>der</strong> Beschreibung <strong>der</strong> Mehrheitswahl steht die technische Ausgestaltung<br />

des Wahlverfahrens im Vor<strong>der</strong>grund, während die Def<strong>in</strong>ition <strong>der</strong> Verhältniswahl das<br />

zu erreichende Ziel hervorhebt.<br />

Um zu e<strong>in</strong>er s<strong>in</strong>nvollen Klassifizierung von <strong>Wahlsysteme</strong>n zu kommen, ist daher zunächst<br />

e<strong>in</strong>mal zwischen zwei Pr<strong>in</strong>zipien zu unterschei<strong>den</strong> – dem Repräsentationspr<strong>in</strong>zip, das sich auf<br />

das gesamte Wahlgebiet bezieht, und dem Verteilungspr<strong>in</strong>zip, das sich auf <strong>den</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />

Wahlkreis beschränkt.<br />

Nach dem Repräsentationspr<strong>in</strong>zip ergeben sich zwei Möglichkeiten:<br />

• Die Wahl soll zu e<strong>in</strong>er möglichst klaren parlamentarischen Regierungsmehrheit e<strong>in</strong>er Partei<br />

o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es Parteienbündnisses führen (Mehrheitswahl).<br />

• Die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung existieren<strong>den</strong> sozialen Kräfte und politischen Gruppen sollen weitgehend<br />

getreu im Parlament repräsentiert se<strong>in</strong> (Verhältniswahl).<br />

Nach dem Verteilungspr<strong>in</strong>zip ergeben sich ebenfalls zwei Möglichkeiten:<br />

• Alle im Wahlkreis zu vergeben<strong>den</strong> Mandate wer<strong>den</strong> <strong>der</strong> stärksten Partei zugesprochen.<br />

• Die Mandate wer<strong>den</strong> entsprechend dem Stimmenverhältnis auf alle Parteien und/o<strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>zelkandidatInnen verteilt.<br />

Während das Repräsentationspr<strong>in</strong>zip also die Auswirkungen e<strong>in</strong>es Wahlverfahrens beschreibt,<br />

gibt das Verteilungspr<strong>in</strong>zip lediglich die Technik <strong>der</strong> Mandatsverteilung wi<strong>der</strong>. E<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle<br />

Unterscheidung von <strong>Wahlsysteme</strong>n sollte sich am Repräsentationspr<strong>in</strong>zip orientieren, <strong>den</strong>n die<br />

Klassifizierung nach dem Verteilungspr<strong>in</strong>zip ist weitgehend formaler Natur und verstellt nur<br />

allzu leicht <strong>den</strong> Blick auf das Wesentliche. Für die Bewertung e<strong>in</strong>es Wahlsystems kommt es<br />

nämlich ganz entschei<strong>den</strong>d darauf an, welche Auswirkungen auf das politische System als<br />

Ganzes zu erwarten s<strong>in</strong>d. Mit welchen technischen Details diese Auswirkungen erzielt wer<strong>den</strong>,<br />

ist dabei eher von sekundärem Interesse.<br />

1.2. Grundstruktur von <strong>Wahlsysteme</strong>n<br />

Unter e<strong>in</strong>em Wahlsystem ist jener Modus zu verstehen, nach welchem die WählerInnen ihre<br />

Partei- und/o<strong>der</strong> KandidatInnenpräferenz <strong>in</strong> Stimmen ausdrücken und diese Stimmen anschließend<br />

<strong>in</strong> Mandate übertragen wer<strong>den</strong>. Je<strong>der</strong> Wahlgesetzgeber steht dabei vor zwei<br />

Grundsatzentscheidungen:<br />

Zum e<strong>in</strong>en kann er das Wahlgebiet <strong>in</strong> mehrere Wahlkreise unterteilen o<strong>der</strong> alle Mandate <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zelnen, das gesamte Wahlgebiet umfassen<strong>den</strong> Wahlkreis vergeben (E<strong>in</strong>heitswahlkreis).<br />

Und zum an<strong>der</strong>en kann er die Mandate jeweils entsprechend dem Stimmenverhältnis<br />

auf alle Parteien und E<strong>in</strong>zelkandidatInnen verteilen (Proporzpr<strong>in</strong>zip) o<strong>der</strong> alle zu vergeben<strong>den</strong><br />

Mandate <strong>der</strong> jeweils stärksten Partei zusprechen (Majoritäts- o<strong>der</strong> w<strong>in</strong>ner-takes-all-Pr<strong>in</strong>zip).<br />

Aus <strong>der</strong> Komb<strong>in</strong>ation dieser Möglichkeiten (Wahlkreise<strong>in</strong>teilung und Verteilungspr<strong>in</strong>zip)<br />

ergeben sich vier Grundtypen von <strong>Wahlsysteme</strong>n:


1.2.1. E<strong>in</strong>heitswahlkreis und Proporzpr<strong>in</strong>zip<br />

Wenn alle Mandate <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Wahlkreis entsprechend dem Stimmenverhältnis <strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>zelnen Parteien vergeben wer<strong>den</strong>, dann wird dadurch die höchstmögliche Übere<strong>in</strong>stimmung<br />

von Stimmen- und Mandatsanteil erreicht. Es verbleiben lediglich kle<strong>in</strong>e zu vernachlässigende<br />

Abweichungen, die sich aus <strong>der</strong> Notwendigkeit ergeben, Stimmen <strong>in</strong> ganze Mandate umzusetzen.<br />

Nur <strong>in</strong> diesem Wahlverfahren „kostet“ jedes Mandat gleich viele Stimmen, und nur<br />

dieses System ist bezüglich <strong>der</strong> Relation Stimmen / Mandate „neutral“. E<strong>in</strong> solches Wahlverfahren<br />

entspricht idealtypisch dem Repräsentationspr<strong>in</strong>zip Proporz und wird daher als<br />

re<strong>in</strong>es Verhältniswahlsystem bezeichnet. Praktiziert wird dieses System allerd<strong>in</strong>gs nur <strong>in</strong><br />

wenigen Staaten, so z.B. <strong>in</strong> <strong>den</strong> Nie<strong>der</strong>lan<strong>den</strong>. Alle an<strong>der</strong>en Verhältniswahlsysteme enthalten<br />

dagegen Elemente, die – mehr o<strong>der</strong> weniger stark – die Konzentration auf wenige Parteien im<br />

Parlament för<strong>der</strong>n bzw. die Bildung e<strong>in</strong>er absoluten Parlamentsmehrheit durch e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige<br />

Partei erleichtern. Denn während bei <strong>der</strong> re<strong>in</strong>en Verhältniswahl zur Erlangung e<strong>in</strong>er absoluten<br />

Mandatsmehrheit auch e<strong>in</strong>e absolute Stimmenmehrheit unbed<strong>in</strong>gt nötig ist, genügen bei mehrheitsför<strong>der</strong>n<strong>den</strong><br />

<strong>Wahlsysteme</strong>n meist weitaus ger<strong>in</strong>gere Stimmenanteile, um dieses Ziel zu<br />

erreichen.<br />

1.2.2. Regionale Wahlkreise und Proporzpr<strong>in</strong>zip<br />

Wer<strong>den</strong> nur wenige Wahlkreise mit jeweils vielen zu vergeben<strong>den</strong> Mandaten gebildet, dann<br />

wird sich das Ergebnis nur ger<strong>in</strong>gfügig von dem e<strong>in</strong>er re<strong>in</strong>en Verhältniswahl unterschei<strong>den</strong>. Je<br />

weiter man die Zahl <strong>der</strong> Wahlkreise erhöht und gleichzeitig die Zahl <strong>der</strong> <strong>in</strong> jedem Wahlkreis zu<br />

vergeben<strong>den</strong> Mandate verr<strong>in</strong>gert, desto größer wer<strong>den</strong> die Abweichungen von <strong>der</strong> Proportionalität.<br />

Ihre mehrheitsbil<strong>den</strong>de Wirkung gew<strong>in</strong>nen solche <strong>Wahlsysteme</strong> vor allem dadurch,<br />

dass <strong>in</strong> jedem e<strong>in</strong>zelnen Wahlkreis e<strong>in</strong>e relativ hohe „natürliche Sperrklausel“ entsteht („natürlich“<br />

im Gegensatz zu <strong>den</strong> darüber h<strong>in</strong>aus noch bestehen können<strong>den</strong> „künstlichen“ Sperrklauseln,<br />

wie <strong>der</strong> <strong>in</strong> Österreich üblichen 4%-Hürde). So z.B. benötigt e<strong>in</strong>e Partei <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Wahlkreis, <strong>in</strong> dem 5 Mandate zu vergeben s<strong>in</strong>d, etwa 10% <strong>der</strong> Stimmen, um e<strong>in</strong>es dieser<br />

Mandate zu erhalten. Nachdem die meisten Stimmen, die für kle<strong>in</strong>ere Parteien abgegeben<br />

wer<strong>den</strong>, auf diese Weise „unter <strong>den</strong> Tisch fallen", wird das Stimmen-Mandate-Verhältnis im<br />

gesamten Wahlgebiet stark zugunsten <strong>der</strong> größeren Parteien verzerrt – und das um so stärker,<br />

je mehr solcher Wahlkreise existieren.<br />

Bei <strong>der</strong> Verhältniswahl <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en Wahlkreisen (e<strong>in</strong>stellige Zahl von zu vergeben<strong>den</strong> Mandaten)<br />

wer<strong>den</strong> die Mandate zwar nach dem Proporzpr<strong>in</strong>zip verteilt, aufgrund <strong>der</strong> ger<strong>in</strong>gen Wahlkreisgröße<br />

handelt es sich eigentlich jedoch um e<strong>in</strong> verstecktes Mehrheitswahlsystem, das<br />

kle<strong>in</strong>eren Parteien kaum e<strong>in</strong>e Chance auf Mandatsgew<strong>in</strong>ne gibt. Im angelsächsischen Raum<br />

wird dieses System <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit <strong>der</strong> übertragbaren Stimmgebung (s<strong>in</strong>gle transferable<br />

vote) <strong>in</strong> Irland und <strong>in</strong> Nordirland praktiziert.<br />

In <strong>den</strong> allermeisten EU-Mitgliedsstaaten wird e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> vielen übrigen Varianten des Verhältniswahlrechts<br />

praktiziert, mit unterschiedlich vielen regionalen Wahlkreisen, oftmals angereichert<br />

um Personenwahlelemente, nicht selten auch ergänzt durch mehrstufige Auszähl- o<strong>der</strong> Ausgleichsverfahren,<br />

um Verzerrungen des WählerInnenwillens so kle<strong>in</strong> als möglich zu halten.<br />

1.2.3. E<strong>in</strong>heitswahlkreis und Majoritätspr<strong>in</strong>zip<br />

Wird <strong>in</strong> demokratischen Systemen nicht praktiziert, <strong>den</strong>n wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Wahlkreis<br />

alle Mandate an die stärkste Partei vergeben wür<strong>den</strong>, entstünde e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>parteienparlament.<br />

1.2.4. Regionale Wahlkreise und Majoritätspr<strong>in</strong>zip<br />

Den klassischen Fall stellt die Wahl nach dem Mehrheitspr<strong>in</strong>zip <strong>in</strong> E<strong>in</strong>mandatswahlkreisen dar<br />

(relative Mehrheitswahl <strong>in</strong> Großbritannien und teilweise <strong>in</strong> Italien, bzw. absolute Mehrheitswahl<br />

– mit E<strong>in</strong>schränkungen – <strong>in</strong> Frankreich). Dabei wird das Wahlgebiet <strong>in</strong> so viele Wahlkreise<br />

e<strong>in</strong>geteilt, als Abgeordnete zu wählen s<strong>in</strong>d. Die Partei bzw. <strong>der</strong> Kandidat mit <strong>den</strong> meisten Stimmen<br />

(<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Durchgang bei <strong>der</strong> relativen Mehrheitswahl o<strong>der</strong> <strong>in</strong> zwei Durchgängen bei <strong>der</strong><br />

absoluten Mehrheitswahl) gew<strong>in</strong>nt das Mandat des jeweiligen Wahlkreises.


Vom Disproportionseffekt <strong>der</strong> relativen Mehrheitswahl profitieren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel die stimmenstärkste<br />

Partei, aber auch Regionalparteien mit ausgeprägten lokalen Hochburgen. Ten<strong>den</strong>ziell<br />

führt die relative Mehrheitswahl zu e<strong>in</strong>em Zweiparteiensystem. Sehr viel hängt allerd<strong>in</strong>gs<br />

von <strong>der</strong> Wahlkreise<strong>in</strong>teilung (und damit von <strong>der</strong> Verteilung <strong>der</strong> jeweiligen Hochburgen <strong>der</strong><br />

kandidieren<strong>den</strong> Parteien) ab.<br />

Die Standardvariante <strong>der</strong> absoluten Mehrheitswahl sieht zwei Wahlgänge vor. Im ersten Wahlgang<br />

ist gewählt, wer über 50% <strong>der</strong> Stimmen erhalten hat. Wird dies von ke<strong>in</strong>em Kandidaten<br />

erreicht, f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong> zweiter Wahlgang statt, an dem nur noch die bei<strong>den</strong> stimmenstärksten<br />

KandidatInnen des ersten Wahlgangs teilnehmen dürfen. Im zweiten Wahlgang siegt <strong>der</strong><br />

Kandidat mit <strong>den</strong> meisten Stimmen.<br />

E<strong>in</strong>e spezielle Form <strong>der</strong> Mehrheitswahl ist die <strong>in</strong> Frankreich praktizierte romanische Mehrheitswahl.<br />

Dabei ist – wie bei <strong>der</strong> absoluten Mehrheitswahl – e<strong>in</strong> zweiter Wahlgang notwendig, falls<br />

beim ersten ke<strong>in</strong> Kandidat die absolute Mehrheit <strong>der</strong> Stimmen erhalten hat. An<strong>der</strong>s als bei <strong>der</strong><br />

absoluten Mehrheitswahl üblich, s<strong>in</strong>d an diesem zweiten Wahlgang jedoch nicht nur die bei<strong>den</strong><br />

stimmenstärksten KandidatInnen des ersten Wahlgangs teilnahmeberechtigt. Das französische<br />

Wahlgesetz sieht z.B. vor, dass alle KandidatInnen, die im ersten Wahlgang von m<strong>in</strong>destens<br />

12,5% <strong>der</strong> Stimmberechtigten gewählt wur<strong>den</strong>, am zweiten Wahlgang teilnehmen dürfen.<br />

Vielfach siegt im zweiten Wahlgang also <strong>der</strong> Kandidat mit <strong>der</strong> relativen Mehrheit <strong>der</strong> Stimmen,<br />

so dass die romanische Mehrheitswahl eigentlich als e<strong>in</strong> Son<strong>der</strong>fall <strong>der</strong> relativen Mehrheitswahl<br />

anzusehen ist. Tatsächlich aber för<strong>der</strong>t dieses Wahlrecht die Bildung von Absprachen<br />

und Wahlbündnissen, so dass nicht selten e<strong>in</strong>e Partei ihren antrittsberechtigten Kandidaten<br />

zugunsten e<strong>in</strong>es chancenreicheren Bündnispartners zurückzieht.<br />

Ebenfalls <strong>den</strong>kbar ist, dass das Majoritätspr<strong>in</strong>zip auch <strong>in</strong> Wahlkreisen angewandt wird, <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong>en mehrere Mandate zu vergeben s<strong>in</strong>d. Dies ist z.B. bei <strong>der</strong> Wahl des US-Präsi<strong>den</strong>ten <strong>der</strong><br />

Fall, bei welcher <strong>der</strong> jeweils stimmenstärkste Kandidat <strong>in</strong> jedem Bundesstaat sämtliche Stimmen<br />

des Wahlmännergremiums gew<strong>in</strong>nt, das schließlich <strong>den</strong> Präsi<strong>den</strong>ten wählt.<br />

1.2.5. Mischformen<br />

Wenn e<strong>in</strong> Teil <strong>der</strong> Abgeordneten über (absolute o<strong>der</strong> relative) Mehrheitswahl <strong>in</strong> E<strong>in</strong>serwahlkreisen<br />

bestimmt wird und <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e über e<strong>in</strong>e proportionale Zusatzliste – ohne dass<br />

zwischen diesen bei<strong>den</strong> Teilen irgende<strong>in</strong>e Verrechnung stattf<strong>in</strong>det – so spricht man von<br />

e<strong>in</strong>em Grabenwahlsystem. Wie stark e<strong>in</strong> solches Verfahren mehrheitsbil<strong>den</strong>d wirkt, hängt vor<br />

allem vom Verhältnis zwischen Direkt- und Listenmandaten ab. Sofern dieses nicht allzu<br />

sehr zu Gunsten <strong>der</strong> Direktmandate abweicht, schaffen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel auch kle<strong>in</strong>ere Parteien<br />

<strong>den</strong> Sprung <strong>in</strong>s Parlament. Doch nicht nur diese M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitenrepräsentation macht die<br />

Beliebtheit des Grabenwahlverfahrens aus – vor allem bietet es die Möglichkeit, wichtige<br />

Abgeordnete auf <strong>der</strong> Liste abzusichern, die ansonsten womöglich Gefahr liefen, <strong>in</strong> ihrem<br />

Wahlkreis nicht gewählt zu wer<strong>den</strong>. Darüber h<strong>in</strong>aus verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t dieses System, dass manche<br />

Wahlkreise (o<strong>der</strong> ganze Regionen) nur von e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen Partei repräsentiert wer<strong>den</strong>, was<br />

bei e<strong>in</strong>em re<strong>in</strong>en Mehrheitswahlrecht durchaus nicht ungewöhnlich ist.<br />

Nicht zu verwechseln ist dieses Verfahren mit <strong>der</strong> sogenannten personalisierten (bzw. kompensatorischen)<br />

Verhältniswahl, wo es im Gegensatz zur Grabenwahl e<strong>in</strong>e Verrechnung zwischen<br />

Direkt- und Listenmandaten gibt. Angewendet wer<strong>den</strong> solche <strong>Wahlsysteme</strong> z.B. <strong>in</strong><br />

Deutschland, Italien o<strong>der</strong> Schwe<strong>den</strong>.<br />

In bei<strong>den</strong> Fällen besteht die Möglichkeit, dem Wähler entwe<strong>der</strong> nur e<strong>in</strong>e Stimme o<strong>der</strong> aber<br />

zwei getrennte Stimmen für Wahlkreis- und Listenwahl zu geben (und zusätzlich noch die<br />

Möglichkeit zum Stimmensplitt<strong>in</strong>g).<br />

1.2.6. Sperrklauseln<br />

E<strong>in</strong>e weitere Methode zur Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>er allzu starken Aufsplitterung <strong>der</strong> im Parlament vertretenen<br />

Parteien besteht dar<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>en Teil <strong>der</strong> Bewerber durch e<strong>in</strong>e Sperrklausel auszuschließen.<br />

Je höher e<strong>in</strong>e solche Sperrklausel angesetzt wird, um so größer wird die Verzerrung <strong>der</strong> Proportionalität,<br />

um so ger<strong>in</strong>ger wird die Zahl <strong>der</strong> im Parlament vertretenen Parteien und um so


wahrsche<strong>in</strong>licher wird es folglich für e<strong>in</strong>e dieser Parteien, auch ohne absolute Stimmenmehrheit<br />

e<strong>in</strong>e absolute Mandatsmehrheit zu erzielen. Sperrklauseln s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> vielen europäischen<br />

<strong>Wahlsysteme</strong>n vorgesehen, meist liegen sie zwischen 2% und 5%.<br />

1.3. Vor- und Nachteile von Mehrheits- und Verhältniswahl<br />

1.3.1. Die Mehrheitswahl<br />

Mehrheitswahlsysteme stellen zuallererst e<strong>in</strong>e wirkungsvolle Verhütung <strong>der</strong> Parteienzersplitterung<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> Parlamenten dar. Kle<strong>in</strong>e Parteien haben – sofern sie nicht über regionale Hochburgen<br />

verfügen, wie die nationalistischen Parteien <strong>in</strong> Schottland, Wales, Katalonien o<strong>der</strong> im<br />

spanischen Baskenland –, nur ger<strong>in</strong>ge Chancen, Parlamentsmandate zu err<strong>in</strong>gen.<br />

E<strong>in</strong>e solche Parteienkonzentration führt regelmäßig zur Herausbildung e<strong>in</strong>es Zweiparteiensystems<br />

(wie es de facto <strong>in</strong> Großbritannien existiert), o<strong>der</strong> aber zu Lagerwahlkämpfen (wie <strong>in</strong><br />

Frankreich und zunehmend auch <strong>in</strong> Italien). Gleichzeitig wird dadurch die Bildung stabiler<br />

Regierungen geför<strong>der</strong>t, die für die Dauer <strong>der</strong> Legislaturperiode über absolute Parlamentsmehrheiten<br />

verfügen können. Regierungswechsel s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> solchen Systemen gang und gäbe und<br />

gehen zumeist mit „erdrutschartigen“ Mandatsverschiebungen e<strong>in</strong>her, da bereits ger<strong>in</strong>ge Verän<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> Stärkeverhältnissen <strong>der</strong> Parteien bedeutende Verän<strong>der</strong>ungen nach Mandaten<br />

auslösen. Die Entscheidung über die Zusammensetzung <strong>der</strong> Regierung wird <strong>in</strong> Staaten<br />

mit Mehrheitswahlrecht <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie durch die WählerInnen direkt getroffen, und nicht <strong>in</strong> langwierigen<br />

Koalitionsverhandlungen nach <strong>der</strong> Wahl.<br />

Beson<strong>der</strong>s stark ausgeprägt ist <strong>in</strong> diesen Systemen auch die persönliche Verb<strong>in</strong>dung zwischen<br />

dem e<strong>in</strong>zelnen Abgeordneten und <strong>der</strong> Bevölkerung se<strong>in</strong>es Wahlkreises – was allerd<strong>in</strong>gs auch<br />

zu e<strong>in</strong>em übertriebenen regionalen Lobbyismus im Parlament führen kann.<br />

1.3.2. Die Verhältniswahl<br />

Verhältniswahlen s<strong>in</strong>d gerechter. Unter Berücksichtigung <strong>der</strong> weiter oben genannten künstlichen<br />

und natürlichen Sperrklauseln führt das Verhältniswahlrecht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel zu e<strong>in</strong>er breiter<br />

gefächerten Repräsentation aller gesellschaftlich relevanten Interessen im Verhältnis ihrer<br />

Stärke unter <strong>der</strong> gesamten Wählerschaft. Gesellschaftlicher Wandel und das Entstehen neuer<br />

gesellschaftspolitischer Strömungen f<strong>in</strong><strong>den</strong> dadurch relativ rasch und e<strong>in</strong>fach E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> die<br />

<strong>in</strong>stitutionalisierten Volksvertretungen.<br />

Im günstigen Fall führt das Verhältniswahlrecht zu gesellschaftlich breiteren, durch Verhandlung<br />

und Kompromissbildung vere<strong>in</strong>barten Parlamentsmehrheiten, im ungünstigen Fall zu politischer<br />

Instabilität o<strong>der</strong> zu Regierungskonstellationen, die die Mehrzahl <strong>der</strong> WählerInnen gar<br />

nicht wollten. Extreme politische Umschwünge s<strong>in</strong>d durch das Verhältniswahlrecht nahezu unmöglich,<br />

gleichzeitig wer<strong>den</strong> Regierungswechsel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em politischen System, das Kräfteverschiebungen<br />

nach Neuwahlen oft nur <strong>in</strong> Zehntelprozenten bemisst, deutlich erschwert.<br />

<strong>Wahlsysteme</strong> alle<strong>in</strong>e stellen allerd<strong>in</strong>gs we<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Garanten für politische Stabilität noch e<strong>in</strong><br />

Instabilitätsrisiko per se dar. Die hier geschil<strong>der</strong>ten politischen Auswirkungen bei<strong>der</strong> Systeme<br />

(und ihrer zahllosen Mischformen) stehen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ständigen Wechselwirkung mit <strong>den</strong> ökonomischen,<br />

sozialen, politischen und kulturellen Gegebenheiten des jeweiligen Landes, die<br />

selbst e<strong>in</strong>em permanenten Verän<strong>der</strong>ungsprozess unterworfen s<strong>in</strong>d.


2. Die <strong>Wahlsysteme</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Mitgliedstaaten</strong> <strong>der</strong> EU<br />

2.1. Belgien<br />

Offizieller Name: Kon<strong>in</strong>krijk België (flämisch); Royaume de Belgique (französisch).<br />

Bevölkerung: 10,3 Mio.<br />

Staatsform: Konstitutionelle Monarchie (seit 1831).<br />

2.1.1. Verfassung<br />

Nach <strong>der</strong> Verfassung von 1831 ist Belgien e<strong>in</strong>e parlamentarische Monarchie und e<strong>in</strong> dezentralisierter<br />

E<strong>in</strong>heitsstaat. Mehrere Verfassungsrevisionen brachten gravierende Än<strong>der</strong>ungen<br />

des belgischen Grundgesetzes mit sich, die schließlich zu e<strong>in</strong>er Neuformulierung des Verfassungstextes<br />

führten. Die neue Fassung trat 1994 <strong>in</strong> Kraft. Danach ist Belgien e<strong>in</strong> fö<strong>der</strong>aler<br />

Staat mit vier Sprachgebieten, drei Sprachgeme<strong>in</strong>schaften und drei Regionen.<br />

2.1.2. EU-Beitritt<br />

Belgien ist Gründungsmitglied <strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> Geme<strong>in</strong>schaft für Kohle und Stahl (EGKS,<br />

1951), <strong>der</strong> Vorläuferorganisation <strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>.<br />

2.1.3. Staatsaufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

Seit <strong>den</strong> 60er-Jahren des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts wurde die E<strong>in</strong>heit des belgischen Staates durch die<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen zwischen nie<strong>der</strong>ländisch sprechen<strong>den</strong> Flamen (etwa 60% <strong>der</strong> Bevölkerung)<br />

und frankophonen Wallonen (etwa 39% <strong>der</strong> Bevölkerung) zunehmend <strong>in</strong> Frage gestellt.<br />

In mehreren Schritten wurde Belgien deshalb <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en fö<strong>der</strong>alen Staat umgewandelt; die<br />

Regionen gewannen mit <strong>der</strong> letzten Verfassungsän<strong>der</strong>ung noch weiter an E<strong>in</strong>fluss.<br />

Durch die Staatsreform ist an die Stelle <strong>der</strong> Pyramide des E<strong>in</strong>heitsstaates e<strong>in</strong> überaus komplexes<br />

System mit drei „Etagen“ getreten. Auf <strong>der</strong> obersten Etage stehen <strong>der</strong> Fö<strong>der</strong>alstaat, die<br />

Geme<strong>in</strong>schaften und die Regionen, die auf juristischem Gebiet gleichgestellt, allerd<strong>in</strong>gs für<br />

verschie<strong>den</strong>e Bereiche zuständig s<strong>in</strong>d.<br />

Das Land ist politisch <strong>in</strong> 3 Regionen (Flan<strong>der</strong>n, Wallonien und Brüssel-Hauptstadt) und 3<br />

(Sprach-)Geme<strong>in</strong>schaften (flämisch-, französisch- und deutschsprachig) geglie<strong>der</strong>t. In diesen<br />

Regionen und Geme<strong>in</strong>schaften arbeiten jeweils eigene parlamentarische Körperschaften<br />

(„Räte“) und Teilregierungen. Die Regionen s<strong>in</strong>d mit <strong>den</strong> deutschen o<strong>der</strong> österreichischen<br />

(Bundes-)Län<strong>der</strong>n vergleichbar und besitzen wichtige Kompetenzen im Bereich von Wirtschaft<br />

und Beschäftigung; die Befugnisse <strong>der</strong> (sprachlichen) Geme<strong>in</strong>schaften beziehen sich im wesentlichen<br />

auf Erziehung, Bildung, Kultur und Soziales.<br />

Auf <strong>der</strong> Ebene unterhalb <strong>der</strong> Regionen bef<strong>in</strong><strong>den</strong> sich die 10 Prov<strong>in</strong>zen. Vor <strong>der</strong> Staatsreform<br />

stan<strong>den</strong> die Prov<strong>in</strong>zen unter <strong>der</strong> alle<strong>in</strong>igen Aufsicht des Zentralstaates. Nun arbeiten sie im<br />

Rahmen <strong>der</strong> fö<strong>der</strong>alen, geme<strong>in</strong>schaftlichen o<strong>der</strong> regionalen Zuständigkeiten unter <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen<br />

Oberaufsicht aller übergeordneten Stellen.<br />

Am Fuß <strong>der</strong> Pyramide bef<strong>in</strong><strong>den</strong> sich die 589 belgischen Geme<strong>in</strong><strong>den</strong>. Genau wie die Prov<strong>in</strong>zen<br />

unterstehen auch sie <strong>der</strong> Aufsicht <strong>der</strong> höheren Behör<strong>den</strong>, und zwar je nach Befugnissen <strong>der</strong>jenigen<br />

des Fö<strong>der</strong>alstaates, <strong>der</strong> jeweiligen Geme<strong>in</strong>schaft o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Region. Im allgeme<strong>in</strong>en<br />

wer<strong>den</strong> sie durch die Regionen f<strong>in</strong>anziert und kontrolliert.<br />

2.1.4. Wahlrecht<br />

Aktives Wahlrecht ab 18 Jahren. Passives Wahlrecht auf Bundesebene ab 21 Jahren, auf<br />

Kommunal- und Prov<strong>in</strong>zebene ab 18 Jahren. Es besteht Wahlpflicht!<br />

Im Februar 2004 wurde das kommunale (ausschließlich aktive!) Auslän<strong>der</strong>Innenwahlrecht<br />

nach 5 Jahren legalem Aufenthalt vom belgischen Parlament beschlossen (wirksam ab 2006).


2.1.5. Das Staatsoberhaupt<br />

Staatsoberhaupt ist <strong>der</strong> belgische König, <strong>der</strong> auf Vorschlag <strong>der</strong> Abgeordnetenkammer <strong>den</strong><br />

Premierm<strong>in</strong>ister, die M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten <strong>der</strong> Regionen und die M<strong>in</strong>ister <strong>der</strong> nationalen<br />

Regierung ernennt. Als Regent <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er parlamentarischen Monarchie s<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>e Kompetenzen<br />

weitgehend repräsentativer Art. Gegenwärtig regiert König Albert II., Nachfolger se<strong>in</strong>es<br />

im Jahr 1993 verstorbenen Bru<strong>der</strong>s Baudou<strong>in</strong>.<br />

2.1.6. Die Regierung<br />

Der gesellschaftliche Konflikt zwischen <strong>den</strong> Volksgruppen spiegelt sich auch <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

belgischen Parteienlandschaft wi<strong>der</strong>: Jede ideologische Richtung ist durch e<strong>in</strong>e eigene Partei<br />

im wallonischen und e<strong>in</strong>e weitere im flämischen Landesteil vertreten. Die belgische<br />

Regierung wird deshalb auch paritätisch aus flämischen und wallonischen Parlamentariern<br />

gebildet. Die Wallonen besitzen e<strong>in</strong> Vetorecht, da sie <strong>in</strong> bei<strong>den</strong> Häusern <strong>in</strong> <strong>der</strong> M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit s<strong>in</strong>d.<br />

Bei <strong>den</strong> vorgezogenen Parlamentswahlen im Juni 2010 wurde die separatistische Nieuw-<br />

Vlaamse Alliantie (N-VA), die die Unabhängigkeit Flan<strong>der</strong>ns von Belgien anstrebt, mit 17,4%<br />

und 27 Mandaten überraschend stärkste Partei, gefolgt von <strong>den</strong> französischsprachigen<br />

Sozialisten (PS, 13,7%, 26). Der rechtspopulistische Vlaams Belang verlor stark. Die<br />

Regierungsbildung erwies sich dieses Mal noch schwieriger als üblich und es dauerte bis<br />

zum 6. Dezember 2011, bis e<strong>in</strong>e neue 8-Parteien-Koalition unter Elio de Rupo (PS) vereidigt<br />

wer<strong>den</strong> konnte.<br />

2.1.7. Das Parlament<br />

Zweikammernparlament mit Abgeordnetenkammer und Senat. Für die wichtigsten Zuständigkeiten<br />

des Parlaments – Verfassungsreformen, die Genehmigung bestimmter Gesetze und die<br />

Zustimmung zu <strong>in</strong>ternationalen Verträgen – treten die bei<strong>den</strong> Kammern gleichberechtigt auf.<br />

a) Die Abgeordnetenkammer (Kamer van Volksvertegenwoordigers; Chambre des Représentants)<br />

Manche Befugnisse, wie die Kontrolle <strong>der</strong> fö<strong>der</strong>alen Regierung, <strong>der</strong> Haushalt und die Staatskonten,<br />

fallen <strong>in</strong> die ausschließliche Kompetenz <strong>der</strong> Abgeordnetenkammer. In die neue Verfassung<br />

wurde auch <strong>der</strong> konstruktive Misstrauensantrag aufgenommen. Während früher jedes<br />

negative Votum im Parlament die Regierung zum Rücktritt gezwungen hatte, kann das belgische<br />

Parlament die Regierung heute nur dann zum Rücktritt verpflichten, wenn <strong>in</strong> <strong>der</strong> Abgeordnetenkammer<br />

e<strong>in</strong>e alternative Regierungsmehrheit existiert.<br />

Die 150 VolksvertreterInnen (früher 212) <strong>der</strong> Abgeordnetenkammer wer<strong>den</strong> nach dem Verhältniswahlrecht<br />

auf 4 Jahre gewählt.<br />

b) Der Senat (Senaat, Senat)<br />

Der belgische Senat ist bei Interessenkonflikten zuständig, die zwischen dem fö<strong>der</strong>alen Parlament<br />

und <strong>den</strong> Vertretungen <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaften und Regionen entstehen können. Der Senat<br />

hat im wesentlichen beratende Funktion; er äußert sich daher nur dann zu Gesetzesentwürfen,<br />

wenn er dies von selbst für nötig erachtet. Gleichwohl kann <strong>der</strong> Senat von sich aus die<br />

Gesetzes<strong>in</strong>itiative ergreifen.<br />

Statt <strong>der</strong> früheren 184 Mitglie<strong>der</strong> zählt <strong>der</strong> belgische Senat heute nur noch 71 Abgeordnete: 40<br />

SenatorInnen (25 nie<strong>der</strong>ländischsprachige und 15 französischsprachige) wer<strong>den</strong> direkt gewählt;<br />

21 SenatorInnen (10 aus <strong>der</strong> flämischen Geme<strong>in</strong>schaft, 10 aus <strong>der</strong> französischen Geme<strong>in</strong>schaft<br />

und e<strong>in</strong>er aus <strong>der</strong> deutschsprachigen Geme<strong>in</strong>schaft) wer<strong>den</strong> von <strong>den</strong> jeweiligen Geme<strong>in</strong>schaften<br />

delegiert; weitere 10 SenatorInnen (6 nie<strong>der</strong>ländischsprachige und 4 französischsprachige)<br />

wer<strong>den</strong> h<strong>in</strong>zugewählt. Die Amtsperiode <strong>der</strong> SenatorInnen beträgt ebenfalls 4 Jahre.


2.1.8. Die Geme<strong>in</strong>schaften<br />

a) Das Territorium <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaften<br />

Die Flämische Geme<strong>in</strong>schaft übt ihre Kompetenzen <strong>in</strong> <strong>den</strong> Flämischen Prov<strong>in</strong>zen und <strong>in</strong> Brüssel<br />

aus, die Französische Geme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong> <strong>den</strong> Wallonischen Prov<strong>in</strong>zen – mit Ausnahme <strong>der</strong><br />

deutschsprachigen Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> – und <strong>in</strong> Brüssel, die Deutschsprachige Geme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong> jenen<br />

Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> <strong>der</strong> Prov<strong>in</strong>z Lüttich, die das deutsche Sprachgebiet Belgiens bil<strong>den</strong>.<br />

b) Die Zuständigkeiten <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaften<br />

Da die Geme<strong>in</strong>schaften auf <strong>der</strong> Vorstellung <strong>der</strong> „Sprache“ grün<strong>den</strong> und diese „an die Person<br />

gebun<strong>den</strong>“ ist, fällt e<strong>in</strong>e gewisse Anzahl von Zuständigkeiten ganz e<strong>in</strong>deutig <strong>in</strong> ihren Kompetenzbereich.<br />

Die Geme<strong>in</strong>schaften s<strong>in</strong>d für die Kultur (Theater, Bibliotheken, audiovisuelle Medien<br />

etc.), das Unterrichtswesen, die wissenschaftliche Forschung, <strong>den</strong> Gebrauch von Sprachen<br />

und die personengebun<strong>den</strong>en Angelegenheiten zuständig, die e<strong>in</strong>erseits die Gesundheitspolitik<br />

und an<strong>der</strong>erseits die Hilfe für Personen (Jugendschutz, soziale Unterstützung,<br />

Familienbeihilfe, Aufnahme von E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ern etc.) umfassen.<br />

c) Die Flämische Geme<strong>in</strong>schaft<br />

Der Flämische Rat ist die gesetzgebende Gewalt <strong>der</strong> Flämischen Geme<strong>in</strong>schaft. Er besteht<br />

aus <strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Flämischen Region direkt gewählten Ratsmitglie<strong>der</strong>n und <strong>den</strong> 6 flämischsprachigen<br />

Mitglie<strong>der</strong>n des Rates <strong>der</strong> Region Brüssel-Hauptstadt. Geme<strong>in</strong>sam bil<strong>den</strong> sie das<br />

124 Mitglie<strong>der</strong> umfassende Flämische Parlament. Damit die Zahl <strong>der</strong> Parlamentsmitglie<strong>der</strong><br />

nicht übermäßig zunimmt, wur<strong>den</strong> die E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> Flämischen Geme<strong>in</strong>schaft und jene<br />

<strong>der</strong> Flämischen Region zusammengefügt, d.h. e<strong>in</strong> und <strong>der</strong>selbe Rat und e<strong>in</strong> und dieselbe<br />

Regierung üben sowohl die regionalen als auch die geme<strong>in</strong>schaftlichen Befugnisse aus. Die<br />

6 gewählten Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Region Brüssel-Hauptstadt nehmen allerd<strong>in</strong>gs nicht an <strong>den</strong> Abstimmungen<br />

über Dekrete <strong>der</strong> Flämischen Region teil.<br />

10 Mitglie<strong>der</strong> des Flämischen Rates haben e<strong>in</strong>en Sitz im Senat.<br />

Die Regierung <strong>der</strong> Flämischen Geme<strong>in</strong>schaft übt die Exekutivgewalt aus und besteht aus<br />

höchstens zehn M<strong>in</strong>istern und e<strong>in</strong>em M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten. M<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>ister stammt<br />

aus <strong>der</strong> Region Brüssel-Hauptstadt. Allerd<strong>in</strong>gs darf dieser M<strong>in</strong>ister nicht an <strong>den</strong> Beschlüssen<br />

teilnehmen, die sich auf die Befugnisse <strong>der</strong> Flämischen Region beziehen.<br />

d) Die Französische Geme<strong>in</strong>schaft<br />

Auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Französischen Geme<strong>in</strong>schaft wird die gesetzgebende Gewalt durch e<strong>in</strong>en Rat<br />

ausgeübt; dieser besteht aus 94 Mitglie<strong>der</strong>n, und zwar aus <strong>den</strong> 75 direkt gewählten Abgeordneten<br />

<strong>der</strong> Wallonischen Region und <strong>den</strong> 19 direkt gewählten französischsprachigen Mitglie<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> Region Brüssel-Hauptstadt.<br />

Der Rat <strong>der</strong> Französischen Geme<strong>in</strong>schaft ordnet ebenfalls 10 se<strong>in</strong>er Mitglie<strong>der</strong> zum Senat ab.<br />

Die Regierung <strong>der</strong> Französischen Geme<strong>in</strong>schaft übt die Exekutivgewalt aus. Sie besteht aus<br />

höchstens 8 M<strong>in</strong>istern, e<strong>in</strong>schließlich des M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten. M<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>ister<br />

stammt aus <strong>der</strong> Region Brüssel-Hauptstadt.<br />

e) Die Deutschsprachige Geme<strong>in</strong>schaft<br />

Die Deutschsprachige Geme<strong>in</strong>schaft übt ihre Zuständigkeit <strong>in</strong> <strong>den</strong> Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> <strong>der</strong> Prov<strong>in</strong>z<br />

Lüttich aus, die das deutsche Sprachgebiet bil<strong>den</strong>.<br />

Die gesetzgebende Gewalt liegt ebenfalls bei e<strong>in</strong>em Rat. Dieser besteht aus 25 Mitglie<strong>der</strong>n,<br />

von <strong>den</strong>en e<strong>in</strong>es Sitz im Senat hat. Der Rat <strong>der</strong> Deutschsprachigen Geme<strong>in</strong>schaft wird direkt<br />

vom Volk gewählt. Die Regierung <strong>der</strong> Deutschsprachigen Geme<strong>in</strong>schaft besteht aus e<strong>in</strong>em<br />

M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten und zwei M<strong>in</strong>istern.


2.1.9. Die Regionen<br />

Gleichberechtigt neben dem Fö<strong>der</strong>alstaat und <strong>den</strong> Geme<strong>in</strong>schaften stehen die drei Regionen,<br />

die Flämische Region, die Region Brüssel-Hauptstadt und die Wallonische Region. Ihre Zuständigkeitsbereiche<br />

wur<strong>den</strong> im Laufe <strong>der</strong> verschie<strong>den</strong>en Reformen kont<strong>in</strong>uierlich erweitert.<br />

Die gesetzgeben<strong>den</strong> und ausführen<strong>den</strong> Organe <strong>der</strong> Regionen s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Regionalrat und die<br />

Regionalregierung. Die Flämische und die Wallonische Region erhielten ihren Rat und ihre<br />

Regierung anlässlich <strong>der</strong> zweiten Staatsreform im Jahr 1980; die Region Brüssel-Hauptstadt<br />

erhielt ihre Institutionen dagegen erst mit <strong>der</strong> dritten Staatsreform <strong>in</strong> <strong>den</strong> Jahren 1988/89. Die<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Regionalräte wer<strong>den</strong> alle 5 Jahre nach dem Verhältniswahlrecht gewählt.<br />

In Flan<strong>der</strong>n wer<strong>den</strong> die Befugnisse <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft und <strong>der</strong> Region durch e<strong>in</strong> und dasselbe<br />

Parlament und e<strong>in</strong> und dieselbe Regierung ausgeübt: <strong>den</strong> Flämischen Rat und die Flämische<br />

Regierung.<br />

Die gesetzgebende Versammlung <strong>der</strong> Wallonischen Region ist <strong>der</strong> Rat <strong>der</strong> Wallonischen<br />

Region. Die 75 Mitglie<strong>der</strong> des Wallonischen Regionalrates haben, wie bereits erwähnt, auch<br />

e<strong>in</strong>en Sitz im Rat <strong>der</strong> Französischen Geme<strong>in</strong>schaft (geme<strong>in</strong>sam mit <strong>den</strong> 19 französischsprachigen<br />

Mitglie<strong>der</strong>n des Rates <strong>der</strong> Region Brüssel-Hauptstadt). Die Exekutivgewalt liegt<br />

bei <strong>der</strong> Wallonischen Regionalregierung. Diese besteht aus höchstens 9 M<strong>in</strong>istern, e<strong>in</strong>schließlich<br />

des M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten. Diese M<strong>in</strong>ister können gleichzeitig auch M<strong>in</strong>ister <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Regierung <strong>der</strong> Französischen Geme<strong>in</strong>schaft se<strong>in</strong>.<br />

Die Kompetenzen <strong>der</strong> Regionen erstrecken sich auf all jene Bereiche, die mit <strong>der</strong> Region und<br />

ihrem Gebiet <strong>in</strong> Beziehung stehen: Wirtschaft, Arbeitsplätze, Landwirtschaft, Wasserpolitik,<br />

Wohnungsbau, öffentliche Arbeiten, Energie, Verkehrswesen (mit Ausnahme <strong>der</strong> Belgischen<br />

Bahn), Umwelt, Raumordnung und Städtebau, Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Landwirtschaft, Naturschutz,<br />

wissenschaftliche Forschung, Außenhandel, sowie die Aufsicht über die Prov<strong>in</strong>zen,<br />

die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> und die <strong>in</strong>terkommunalen Angelegenheiten.<br />

2.1.10. Die Prov<strong>in</strong>zen<br />

Seit <strong>der</strong> Staatsreform gibt es 10 Prov<strong>in</strong>zen (prov<strong>in</strong>cien; prov<strong>in</strong>ces): Antwerpen, Brabant Wallon,<br />

Ha<strong>in</strong>aut, Liege, Limburg, Luxembourg, Namur, Oost-Vlaan<strong>der</strong>en, Vlaams-Brabant, West-Vlaan<strong>der</strong>en.<br />

Die Prov<strong>in</strong>z Brabant wurde im Zuge <strong>der</strong> letzten Staatsreform abgeschafft und durch<br />

zwei neue Prov<strong>in</strong>zen ersetzt: Vlaams-Brabant und Brabant Wallon. Das Gebiet <strong>der</strong> Region<br />

Brüssel-Hauptstadt fällt nicht unter die Prov<strong>in</strong>ze<strong>in</strong>teilung. Die Zuständigkeiten <strong>in</strong> Bezug auf<br />

Geme<strong>in</strong>schaftsangelegenheiten, die <strong>in</strong> dieser Region bei dem Prov<strong>in</strong>zialrat und <strong>der</strong> Ständigen<br />

Abordnung <strong>der</strong> alten Prov<strong>in</strong>z Brabant lagen, wer<strong>den</strong> nun durch die Flämische Geme<strong>in</strong>schaftskommission,<br />

die Französische Geme<strong>in</strong>schaftskommission und die Geme<strong>in</strong>same Geme<strong>in</strong>schaftskommission<br />

(!) wahrgenommen. Die Zuständigkeiten h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> regionalen o<strong>der</strong><br />

fö<strong>der</strong>alen Angelegenheiten, die <strong>in</strong> dieser Region dem Prov<strong>in</strong>zialrat und <strong>der</strong> Ständigen Abordnung<br />

<strong>der</strong> alten Prov<strong>in</strong>z Brabant zufielen, wer<strong>den</strong> nun durch die Region Brüssel-Hauptstadt<br />

wahrgenommen.<br />

Die Prov<strong>in</strong>zen s<strong>in</strong>d autonome E<strong>in</strong>richtungen, stehen jedoch unter <strong>der</strong> Aufsicht des Fö<strong>der</strong>alstaates,<br />

<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaften und vor allem <strong>der</strong> Regionen.<br />

Die Prov<strong>in</strong>zen verfügen jeweils über e<strong>in</strong>en Prov<strong>in</strong>zrat, dessen Mitglie<strong>der</strong> für 6 Jahre nach dem<br />

Verhältniswahlrecht gewählt wer<strong>den</strong>. Der Prov<strong>in</strong>zrat fasst Beschlüsse allgeme<strong>in</strong>er Art und<br />

stimmt über die Prov<strong>in</strong>zordnungen ab. Der Prov<strong>in</strong>zrat bestimmt überdies die 6 Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

sogenannten Ständigen Abordnung aus se<strong>in</strong>en Reihen. Diese Ständige Abordnung übt<br />

unterschiedliche exekutive Befugnisse aus und sorgt für die tägliche Verwaltung. Ihren Vorsitz<br />

führt <strong>der</strong> Gouverneur. Dieser wird nicht gewählt, son<strong>der</strong>n unter <strong>der</strong> Verantwortung des Außenm<strong>in</strong>isters<br />

durch <strong>den</strong> König ernannt.<br />

2.1.11. Die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

Das Verwaltungsniveau mit <strong>der</strong> größten Bürgernähe ist die Geme<strong>in</strong>de. Bei <strong>der</strong> Bildung des<br />

belgischen Staates im Jahr 1831 gab es 2.739 Geme<strong>in</strong><strong>den</strong>; seit <strong>der</strong> Fusion <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

im Jahr 1975 s<strong>in</strong>d es nur noch 589.


Im Jahr 1988 erschien das neue Geme<strong>in</strong>degesetz, das die „kommunale Autonomie“ festschrieb.<br />

Die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> verfügen nun über e<strong>in</strong>e breit gefasste Autonomie im Rahmen <strong>der</strong><br />

von ihnen ausgeübten Befugnisse unter Aufsicht <strong>der</strong> höheren Behör<strong>den</strong>. In erster L<strong>in</strong>ie<br />

beaufsichtigt jede Region die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> ihres Territoriums. Die zusätzliche Beaufsichtigung<br />

durch die Geme<strong>in</strong>schaften und <strong>den</strong> Fö<strong>der</strong>alstaat ist auf diejenigen Bereiche begrenzt, für<br />

welche die Geme<strong>in</strong>schaften und <strong>der</strong> Fö<strong>der</strong>alstaat zuständig s<strong>in</strong>d.<br />

In je<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de gibt es e<strong>in</strong>en Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>at, <strong>der</strong> – <strong>in</strong> Abhängigkeit von <strong>der</strong> E<strong>in</strong>wohnerzahl<br />

– aus 7 bis 55 auf 6 Jahre gewählten Mitglie<strong>der</strong>n besteht. Dieser Rat regelt alles, was von<br />

„kommunalem Interesse“ ist, mit Hilfe von Geme<strong>in</strong>deverordnungen.<br />

Der Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>at wählt die Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>atsmitglie<strong>der</strong>, die geme<strong>in</strong>sam mit dem Bürgermeister<br />

das mit exekutiven Aufgaben ausgestattete Kollegium von Bürgermeister und Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>atsmitglie<strong>der</strong>n<br />

bil<strong>den</strong>.<br />

Der Bürgermeister wird durch <strong>den</strong> König unter <strong>der</strong> Verantwortung des Innenm<strong>in</strong>isters aus<br />

<strong>den</strong> Reihen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> des Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>ates ernannt. Hierzu hat <strong>der</strong> Gesetzgeber bestimmt,<br />

dass die Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>atsmitglie<strong>der</strong> beim Gouverneur KandidatInnen für <strong>den</strong> Posten<br />

des Bürgermeisters vorschlagen können. In Ausnahmefällen kann <strong>der</strong> König – <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung<br />

mit <strong>der</strong> Ständigen Abordnung <strong>der</strong> zuständigen Prov<strong>in</strong>z – auch e<strong>in</strong>en Bürgermeister<br />

ernennen, <strong>der</strong> ke<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>atsmitglied ist.<br />

2.2. Bulgarien<br />

Offizieller Name: Republika Bulgaria.<br />

Bevölkerung: 7,9 Mio., davon 8,5% Türken, 2,6% Roma; kle<strong>in</strong>ere M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten<br />

(Mazedonier, Armenier, Tataren, Tscherkessen etc.).<br />

Staatsform: Parlamentarische Republik.<br />

2.2.1. Verfassung<br />

Verfassung von 1991, zuletzt geän<strong>der</strong>t 2003. Im Unterschied zu an<strong>der</strong>en Staaten erkennt die<br />

bulgarische Verfassung ke<strong>in</strong>e nationalen M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten an. Sie räumt zwar <strong>den</strong> Bürgern, für<br />

die Bulgarisch nicht die Muttersprache ist, das Recht e<strong>in</strong>, „ihre eigene Sprache zu lernen und<br />

zu gebrauchen“, garantiert die Religionsfreiheit und verbietet die „gewaltsame Assimilation“ –<br />

allerd<strong>in</strong>gs def<strong>in</strong>iert die Verfassung das orthodoxe Glaubensbekenntnis als traditionelle<br />

Religion des Landes.<br />

2.2.2. EU-Beitritt<br />

Der Beitritt Bulgariens zur <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> erfolgte am 1.1.2007.<br />

2.2.3. Staatsaufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

Bulgarien ist e<strong>in</strong> Zentralstaat, <strong>der</strong> <strong>in</strong> 28 Verwaltungsbezirke (oblasti) geglie<strong>der</strong>t ist.<br />

2.2.4. Wahlrecht<br />

Es herrscht Wahlpflicht ab dem 18. Lebensjahr. Passives Wahlrecht: 21 Jahre (für Staatsoberhaupt:<br />

40 Jahre).<br />

2.2.5. Das Staatsoberhaupt<br />

Bis 1946 war <strong>der</strong> bulgarische König das offizielle Staatsoberhaupt des Landes. Mit <strong>der</strong><br />

Gründung <strong>der</strong> kommunistischen Volksrepublik g<strong>in</strong>g dieses Amt zunächst an <strong>den</strong><br />

Vorsitzen<strong>den</strong> des Parlamentspräsidiums über. 1971 wurde e<strong>in</strong> Staatsrat e<strong>in</strong>geführt, dessen<br />

Vorsitzen<strong>der</strong> gleichzeitig auch Staatsoberhaupt Bulgariens war. Mit dem Ende des<br />

Kommunismus wurde 1990 <strong>der</strong> Staatsrat abgeschafft und an dessen Stelle das neue Amt<br />

des Staatspräsi<strong>den</strong>ten e<strong>in</strong>geführt.<br />

Der Staatspräsi<strong>den</strong>t, dem nur e<strong>in</strong>e repräsentative Rolle zukommt, wird direkt vom Volk<br />

gewählt; se<strong>in</strong>e Amtszeit beträgt fünf Jahre, maximal s<strong>in</strong>d zwei Amtsperio<strong>den</strong> möglich.


Erfor<strong>der</strong>lich ist im ersten Durchgang e<strong>in</strong>e absolute Mehrheit und e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>destbeteiligung von<br />

50% <strong>der</strong> Wahlberechtigten. Kommt es zu e<strong>in</strong>er Stichwahl zwischen <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> stärksten<br />

Kandidaten, gilt ke<strong>in</strong> Beteiligungs-Quorum.<br />

Der Präsi<strong>den</strong>t ist oberster Befehlshaber <strong>der</strong> Streitkräfte; er bestellt <strong>den</strong> M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten,<br />

setzt die Wahlterm<strong>in</strong>e auf nationaler und regionaler Ebene fest und bestätigt die<br />

Parlamentsbeschlüsse durch se<strong>in</strong>e Unterschrift.<br />

Nachdem Georgi Parvanov (BSP) nach zwei Amtsperio<strong>den</strong> nicht mehr kandidieren durfte,<br />

wurde im Oktober 2011 <strong>der</strong> Kandidat <strong>der</strong> Regierungspartei GERB, Rossen Plewneliew, <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Stichwahl zum neuen Staatspräsi<strong>den</strong>ten gewählt.<br />

2.2.6. Die Regierung<br />

Bei <strong>der</strong> Wahl vom 5. Juli 2009 gewann die rechte Partei GERB („Bürger für e<strong>in</strong>e europäische<br />

Entwicklung Bulgariens") 41,5% <strong>der</strong> Stimmen und 116 von 240 Parlamentssitzen. Der neue<br />

Premierm<strong>in</strong>ister Bojko Borissow, <strong>der</strong> zuletzt Bürgermeister <strong>der</strong> Hauptstadt Sofia war, bildete<br />

e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitsregierung, die auf die Unterstützung kle<strong>in</strong>erer rechter Parteien angewiesen<br />

ist. Die bisher regieren<strong>den</strong> Sozialisten (BSP) erlitten mit nur 18,2% e<strong>in</strong>e deutliche<br />

Nie<strong>der</strong>lage.<br />

2.2.7. Das Parlament<br />

Die Nationale Volksversammlung (Narodno sabranje) ist e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>kammerparlament, besteht<br />

aus 240 Abgeordneten und wird alle 4 Jahre nach dem Verhältniswahlrecht gewählt. Es<br />

besteht e<strong>in</strong>e 4-Prozent-Sperrklausel. Nach e<strong>in</strong>er im April 2009 beschlossenen Wahlrechtsreform<br />

sollen künftig 31 <strong>der</strong> 240 Abgeordneten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em „gemischten Wahlrecht“ per<br />

Mehrheitswahl gewählt wer<strong>den</strong>.<br />

Nach <strong>der</strong> Verfassung kann e<strong>in</strong> Fünftel <strong>der</strong> Abgeordneten e<strong>in</strong> Misstrauensvotum gegen die<br />

Regierung e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen, das mit <strong>der</strong> Mehrheit <strong>der</strong> Volksvertreter als angenommen gilt. E<strong>in</strong><br />

gescheitertes Votum mit <strong>der</strong> gleichen Begründung kann erst nach e<strong>in</strong>em halben Jahr<br />

wie<strong>der</strong>holt wer<strong>den</strong>.<br />

2.2.8. Regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

Bulgarien glie<strong>der</strong>t sich <strong>in</strong> 28 Kreise (oblasti): Sofia-Stadt, Sofia-Region, Burgas, Varna,<br />

Plovdiv, Russe, Haskovo, Lovetsch, Montana, Sliven, Jambol, Dobritsch, Silistra, Schumen,<br />

Gabrovo, Pleven, Vid<strong>in</strong>, Vratza, Veliko Tarnovo, Pazardzhik, Smoljan, Razgrad,<br />

Targovischte, Blagoevgrad, Pernik, Kardzhali, Kjustendil, Stara Zagora.<br />

Diese Kreise s<strong>in</strong>d staatliche adm<strong>in</strong>istrativ-territoriale E<strong>in</strong>heiten. Sie wer<strong>den</strong> von<br />

Kreisvorstehern geleitet, die vom M<strong>in</strong>isterrat e<strong>in</strong>gesetzt wer<strong>den</strong>.<br />

Die Kreise selbst s<strong>in</strong>d wie<strong>der</strong>um <strong>in</strong> 264 Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> unterteilt. Das Organ <strong>der</strong> kommunalen<br />

Selbstverwaltung ist <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>at, das Exekutivorgan <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de <strong>der</strong> Bürgermeister.<br />

Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>at und Bürgermeister wer<strong>den</strong> für e<strong>in</strong>en Zeitraum von 4 Jahren gewählt.<br />

2.3. Dänemark<br />

Offizieller Name: Kongeriget Danmark.<br />

Bevölkerung: 5,3 Mio.<br />

Staatsform: Konstitutionelle Monarchie (seit 1849).<br />

2.3.1. Verfassung<br />

Das Grundgesetz des Königreichs Dänemark (Danmarks Riges Grundlov) wurde am 5.6.1953<br />

verabschiedet. Es geht auf die Verfassung von 1849 zurück, <strong>in</strong> welcher <strong>der</strong> Absolutismus abgeschafft<br />

und e<strong>in</strong> parlamentarisches System mit zwei Kammern e<strong>in</strong>geführt wurde. 1866 und<br />

während des Ersten Weltkriegs kam es zu <strong>den</strong> ersten Verfassungsän<strong>der</strong>ungen; e<strong>in</strong>e ausreichende<br />

politische Mehrheit für e<strong>in</strong>e umfassende Verfassungsreform war jedoch erst 1953<br />

gegeben. Im Zuge dieser Reform wurde die zweite Kammer, das Landst<strong>in</strong>g, abgeschafft und


das Folket<strong>in</strong>g zur e<strong>in</strong>zigen Parlamentskammer erhoben. Dem Monarchen wur<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> neuen<br />

Verfassung nur noch weitgehend repräsentative Aufgaben zugewiesen.<br />

2.3.2. EU-Beitritt<br />

Dänemark trat <strong>den</strong> <strong>Europäischen</strong> Geme<strong>in</strong>schaften (EGKS, EWG, Euratom) im Jahr 1973 bei.<br />

2.3.3. Staatsaufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

Dänemark ist als E<strong>in</strong>heitsstaat <strong>in</strong> 14 Ämter (amter) – Arhus, Bornholm, Fre<strong>der</strong>iksborg, Fyn, Kobenhavn,<br />

Nordjylland, Ribe, R<strong>in</strong>gkob<strong>in</strong>g, Roskilde, Son<strong>der</strong>jylland, Storstrom, Vejle, Vestsjalland,<br />

Viborg – und 273 Kommunen mit direkt gewählten Kreistagen und Kommunalvertretungen geglie<strong>der</strong>t.<br />

Die zum Königreich Dänemark gehören<strong>den</strong> Färöer-Inseln (seit 1948) und Grönland (seit 1979)<br />

verfügen über e<strong>in</strong>e weitgehende Selbstverwaltung mit eigenen Parlamenten und regeln ihre<br />

<strong>in</strong>neren Angelegenheiten eigenständig. Nach 30 Jahren beschränkter Eigenverwaltung erhielt<br />

Grönland am 21. Juni 2009 e<strong>in</strong> neues, erweitertes Autonomiestatut, demzufolge nur noch die<br />

Außen- und Sicherheitspolitik, Währung, Staatsbürgerschaft und Verfassung von Kopenhagen<br />

vorgegeben wer<strong>den</strong>.<br />

2.3.4. Wahlrecht<br />

Aktives und passives Wahlrecht ab 18 Jahren. Kommunales aktives und passives Wahlrecht<br />

für Drittstaatsangehörige, sofern sie sich seit mehr als 3 Jahren rechtmäßig im Land aufhalten<br />

(seit 1981).<br />

2.3.5. Das Staatsoberhaupt<br />

Dänemark ist seit 1849 e<strong>in</strong>e konstitutionelle Monarchie. Das Königtum ist erblich, die Erbfolge<br />

wird durch e<strong>in</strong> Thronfolgegesetz aus dem Jahr 1953 geregelt. Danach kann auch<br />

e<strong>in</strong>e Frau <strong>den</strong> Thron erben – allerd<strong>in</strong>gs nur dann, wenn ke<strong>in</strong> männlicher Erbe vorhan<strong>den</strong><br />

ist. Dies war bei <strong>der</strong> aktuellen König<strong>in</strong> Margarethe II. <strong>der</strong> Fall, die <strong>den</strong> Thron am 14.1.1972<br />

bestieg. Die König<strong>in</strong> steht zwar an <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> Regierung, sie besitzt jedoch ke<strong>in</strong>erlei<br />

politische Macht, son<strong>der</strong>n repräsentiert als Staatsoberhaupt Dänemark nach <strong>in</strong>nen und<br />

nach außen. Gesetze müssen allerd<strong>in</strong>gs von ihr bestätigt wer<strong>den</strong>.<br />

2.3.6. Die Regierung<br />

Die Regierung mit dem M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten an <strong>der</strong> Spitze ist dem Parlament verantwortlich.<br />

Die Parlamentswahlen vom September 2011 beendeten zehn Jahre rechtsliberale<br />

Regierung, zuletzt unter M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t Lars Løkke Rasmussen. Rasmussens<br />

rechtsliberale Partei Venstre konnte sich zwar als stärkste Kraft behaupten (26,7%),<br />

allerd<strong>in</strong>gs stürzten die Konservativen, mit <strong>den</strong>en Rasmussen e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitsregierung<br />

gebildet hatte, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wählergunst ab und kamen nur noch auf 4,9%. Auch die<br />

Mehrheitsbeschaffer<strong>in</strong> <strong>der</strong> bisherigen Koalitionen, die rechtspopulistische DF, musste mit<br />

12,3% leichte Verluste h<strong>in</strong>nehmen. Sie hatte sich als treibende Kraft h<strong>in</strong>ter <strong>der</strong> harten<br />

Auslän<strong>der</strong>politik des Landes profilieren können.<br />

Die Sozialdemokraten unter Helle Thorn<strong>in</strong>g-Schmidt kamen auf 24,9% und wer<strong>den</strong> mit <strong>den</strong><br />

Volkssozialisten (SF), die 9,2% <strong>der</strong> Stimmen erhielten, und <strong>den</strong> Sozialliberalen (Radikale<br />

Venstre, 9,5%) e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitsregierung bil<strong>den</strong>, die auf die Duldung <strong>der</strong> l<strong>in</strong>ken E<strong>in</strong>heitsliste,<br />

die mit 6,7% ihr Ergebnis von 2007 mehr als verdreifachen konnte, angewiesen se<strong>in</strong> wird.<br />

Das Mitte-L<strong>in</strong>ks-Lager kommt auf <strong>in</strong>sgesamt 89 Sitze im Folket<strong>in</strong>g, das Mitte-Rechts-Lager<br />

auf 86.<br />

2.3.7. Das Parlament<br />

Das politische System Dänemarks kennt nur e<strong>in</strong>e nationale Kammer, das Folket<strong>in</strong>g. Es besteht<br />

aus 179 Abgeordneten, von <strong>den</strong>en jeweils 2 die Färöer-Inseln und Grönland vertreten. E<strong>in</strong> Drittel<br />

<strong>der</strong> Abgeordneten kann gegen e<strong>in</strong> im Folket<strong>in</strong>g beschlossenes Gesetz e<strong>in</strong>e Volksabstimmung<br />

herbeiführen.


Die 175 dänischen Abgeordneten wer<strong>den</strong> nach dem Verhältniswahlrecht gewählt. Je<strong>der</strong> Wahlberechtigte<br />

hat e<strong>in</strong>e Stimme für e<strong>in</strong>en Kandidaten e<strong>in</strong>er Partei o<strong>der</strong> für e<strong>in</strong>en unabhängigen<br />

Kandidaten im Mehrpersonenwahlkreis (multi-member constituency). Es gibt 135 Direktmandate<br />

(constituency seats), die zunächst auf die Regionen und dann auf <strong>der</strong>en Mehrpersonenwahlkreise<br />

verteilt wer<strong>den</strong>; die restlichen 40 Sitze s<strong>in</strong>d sogenannte Kompensationssitze (compensatory<br />

seats). Diese mehrfach gestaffelte Unterverteilung auf Regionen und Mehrpersonenwahlkreise<br />

und die verschie<strong>den</strong>en Berechnungsverfahren für die verschie<strong>den</strong>en Verteilungsschritte<br />

sollen e<strong>in</strong>e gleichmäßige Vertretung <strong>der</strong> Regionen und e<strong>in</strong>en gerechten Proporz <strong>der</strong><br />

kandidieren<strong>den</strong> Parteien gewährleisten. Für Parteien <strong>der</strong> deutschen M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit gelten vere<strong>in</strong>fachte<br />

Bewerbungsbed<strong>in</strong>gungen (ke<strong>in</strong>e Unterstützungsunterschriften).<br />

Die Mandatszuteilung erfolgt unter <strong>den</strong> wahlwerben<strong>den</strong> Gruppen, die wenigstens 2% <strong>der</strong> im<br />

ganzen Land abgegebenen gültigen Stimmen erreicht haben o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong> Direktmandat<br />

(constituency seat) gewonnen haben o<strong>der</strong> <strong>in</strong> zwei <strong>der</strong> drei Wahlregionen so viele Stimmen<br />

erhalten haben, wie die durchschnittliche Zahl gültiger Stimmen pro Direktmandat <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Region beträgt.<br />

Wahlen müssen m<strong>in</strong>destens alle 4 Jahre abgehalten wer<strong>den</strong>, allerd<strong>in</strong>gs kann <strong>der</strong> M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t<br />

das Folket<strong>in</strong>g auch vor <strong>der</strong> Zeit auflösen und Neuwahlen ausschreiben. Bisher<br />

geschah dies bereits e<strong>in</strong>ige Male, da die meisten dänischen Regierungen nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitsregierungen waren.<br />

2.3.8. Ämter und Kommunen<br />

Ämter und Kommunen führen Aufgaben staatlicher Auftragsverwaltung aus und besitzen nur<br />

sehr begrenzte orig<strong>in</strong>äre Zuständigkeiten. Die Kreistage und Geme<strong>in</strong>devertretungen wer<strong>den</strong> <strong>in</strong><br />

direkter Wahl für 4 Jahre gewählt. Der Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>at wählt aus se<strong>in</strong>er Mitte e<strong>in</strong>en Bürgermeister.<br />

Da Dänemark nur e<strong>in</strong> parlamentarisches E<strong>in</strong>kammersystem besitzt, kommt <strong>den</strong> kommunalen<br />

Dachorganisationen, wie dem Kreistagsverband (Amtsrådsforen<strong>in</strong>gen) und dem Geme<strong>in</strong>deverband<br />

(Kommunernes Landsforen<strong>in</strong>g) e<strong>in</strong>e wichtige Vermittlungsfunktion zwischen Regierung<br />

und Parlament e<strong>in</strong>erseits und <strong>den</strong> Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> an<strong>der</strong>erseits zu.<br />

2.4. Deutschland<br />

Offizieller Name: Bundesrepublik Deutschland.<br />

Bevölkerung: 82 Mio.<br />

Staatsform: Demokratisch-parlamentarischer Bundesstaat (seit 1949).<br />

2.4.1. Verfassung<br />

Verfassung vom 23.5.1949; letzte Än<strong>der</strong>ung 1998. Das Grundgesetz kann mit e<strong>in</strong>er Zweidrittelmehrheit<br />

<strong>in</strong> bei<strong>den</strong> Kammern geän<strong>der</strong>t wer<strong>den</strong>; von jeglicher Än<strong>der</strong>ung ausgeschlossen<br />

s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs grundlegende Pr<strong>in</strong>zipien wie die fö<strong>der</strong>ale Glie<strong>der</strong>ung, das Wesen <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

als demokratischer und sozialer Rechtsstaat o<strong>der</strong> die Unverletzbarkeit <strong>der</strong> Menschenwürde<br />

des E<strong>in</strong>zelnen.<br />

2.4.2. EU-Beitritt<br />

Deutschland ist Gründungsmitglied <strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> Geme<strong>in</strong>schaft für Kohle und Stahl<br />

(EGKS, 1951), <strong>der</strong> Vorläuferorganisation <strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>.<br />

2.4.3. Staatsaufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

16 Bundeslän<strong>der</strong> (seit 1990; zuvor 10 Län<strong>der</strong> plus Westberl<strong>in</strong>): Ba<strong>den</strong>-Württemberg, Bayern,<br />

Berl<strong>in</strong>, Bran<strong>den</strong>burg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nie<strong>der</strong>sachsen,<br />

Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holste<strong>in</strong>,<br />

Thür<strong>in</strong>gen. Die höchste Staatsgewalt liegt beim Bund („Bundesrecht bricht Landesrecht“),<br />

doch haben auch die Län<strong>der</strong> eigene Staatsgewalt und spezielle Zuständigkeiten, wie<br />

z.B. die Kulturhoheit. Auswärtige Beziehungen und Verteidigung s<strong>in</strong>d dem Bund vorbehalten.


2.4.4. Wahlrecht<br />

Aktives und passives Wahlrecht ab 18 Jahren. Ausnahmebestimmungen gelten für das passive<br />

Wahlrecht zum Bundespräsi<strong>den</strong>ten, für bestimmte Landtage sowie für das aktive Wahlrecht bei<br />

Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>atswahlen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Bundeslän<strong>der</strong>n.<br />

2.4.5. Das Staatsoberhaupt<br />

Der Bundespräsi<strong>den</strong>t ist das Verfassungsorgan, das die Bundesrepublik Deutschland nach<br />

<strong>in</strong>nen und nach außen repräsentiert. Die Integrationsaufgabe und die rechts- und verfassungswahrende<br />

Kontrollfunktion se<strong>in</strong>es Amtes wer<strong>den</strong> durch e<strong>in</strong>e politische Reservefunktion für<br />

Krisensituationen des parlamentarischen Regierungssystems ergänzt.<br />

Artikel 54 des Grundgesetzes befasst sich ausgiebig und ausschließlich mit <strong>der</strong> Wahl des<br />

Bundespräsi<strong>den</strong>ten. Gemäß Artikel 54,1,1 wird <strong>der</strong> Bundespräsi<strong>den</strong>t von <strong>der</strong> Bundesversammlung<br />

„ohne Aussprache“ gewählt, womit politisch hitzige Personaldiskussionen verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t<br />

wer<strong>den</strong> sollen. Die Bundesversammlung besteht aus <strong>den</strong> Mitglie<strong>der</strong>n des Bundestages und<br />

e<strong>in</strong>er gleichen Anzahl von Mitglie<strong>der</strong>n, die von <strong>den</strong> Volksvertretungen <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> nach <strong>den</strong><br />

Grundsätzen <strong>der</strong> Verhältniswahl gewählt wer<strong>den</strong>. Die Wahl des Bundespräsi<strong>den</strong>ten ist die<br />

e<strong>in</strong>zige Aufgabe dieser Versammlung.<br />

Wählbar ist je<strong>der</strong> Deutsche, <strong>der</strong> das Wahlrecht zum Bundestag besitzt und das 40. Lebensjahr<br />

vollendet hat. Gewählt ist, wer die Stimmen <strong>der</strong> Mehrheit <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Bundesversammlung<br />

erhält. Wird diese Mehrheit <strong>in</strong> zwei Wahlgängen von ke<strong>in</strong>em Bewerber erreicht, so ist<br />

jener Kandidat gewählt, <strong>der</strong> im dritten Wahlgang die meisten Stimmen auf sich vere<strong>in</strong>igen kann.<br />

Die Amtsperiode des Bundespräsi<strong>den</strong>ten dauert 5 Jahre und soll e<strong>in</strong> Zusammentreffen mit <strong>der</strong><br />

Wahl des Bundestages (alle 4 Jahre) verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Zudem soll durch diese Amtszeit e<strong>in</strong>e gewisse<br />

Kont<strong>in</strong>uität gewährleistet wer<strong>den</strong>. Re<strong>in</strong> rechnerisch gesehen ergibt sich alle 20 Jahre<br />

<strong>den</strong>noch e<strong>in</strong>e Überschneidung bei <strong>der</strong> Wahl dieser bei<strong>den</strong> Verfassungsorgane. E<strong>in</strong>e Wie<strong>der</strong>wahl<br />

ist nur e<strong>in</strong>mal zulässig.<br />

Nach dem völlig überraschen<strong>den</strong> Rücktritt des im Mai 2009 wie<strong>der</strong>gewählten Horst Köhler<br />

wurde im Juni 2010 <strong>der</strong> bisherige M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t von Nie<strong>der</strong>sachsen, Christian Wulff, zum<br />

zehnten Bundespräsi<strong>den</strong>ten gewählt. Wulff musste nach nur 597 Tagen <strong>in</strong> Folge e<strong>in</strong>es<br />

Antrags <strong>der</strong> Staatsanwaltschaft Hannover auf Aufhebung se<strong>in</strong>er Immunität im Zuge von<br />

geplanten Ermittlungen wegen Verdachts auf Vorteilsannahme zurücktreten. Se<strong>in</strong> 2010<br />

gescheiterter Gegenkandidat Joachim Gauck wurde von SPD und Bündnis 90/Grüne als<br />

Kandidat <strong>in</strong>s Gespräch gebracht. Nachdem sich auch die FDP für Gauck aussprach,<br />

mussten CDU/CSU sich diesem Votum anschließen.<br />

Der parteilose Joachim Gauck (*1940), evangelischer Pastor und Kirchenfunktionär aus<br />

Rostock, später Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, wurde am 18. März 2012 von<br />

<strong>der</strong> Bundesversammlung mit großer Mehrheit zum Bundespräsi<strong>den</strong>ten gewählt.<br />

2.4.6. Die Regierung<br />

Der Regierungschef (Bundeskanzler) wird von <strong>der</strong> Bundestagsmehrheit gewählt; allerd<strong>in</strong>gs ist<br />

die deutsche Bundesregierung bei <strong>der</strong> Verwirklichung ihrer Vorhaben stark von e<strong>in</strong>er Mehrheit<br />

<strong>in</strong> bei<strong>den</strong> Kammern, also auch im Bundesrat, abhängig.<br />

Nach 4 Jahren „Großer Koalition“ zwischen CDU/CSU und SPD unter Führung von Angela<br />

Merkel (CDU) errangen CDU/CSU und FDP bei <strong>den</strong> Bundestagswahlen am 27.9.2009 e<strong>in</strong>e<br />

klare Mehrheit. Die SPD erzielte mit 23% ihr historisch schlechtestes Ergebnis, FPD, Die L<strong>in</strong>ke<br />

und Grüne gewannen auf Kosten <strong>der</strong> bei<strong>den</strong> „Volksparteien“.<br />

2.4.7. Das Parlament<br />

a) Der Bundestag<br />

Der Deutsche Bundestag besteht seit <strong>der</strong> Bundestagswahl 2002 aus m<strong>in</strong>destens 598 Mitglie<strong>der</strong>n.<br />

299 Mandate wer<strong>den</strong> <strong>in</strong> E<strong>in</strong>serwahlkreisen nach relativer Mehrheitswahl, die restlichen<br />

Mandate über die Landeslisten <strong>der</strong> Parteien vergeben. Die Legislaturperiode beträgt 4 Jahre.<br />

Die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er fünfjährigen Legislaturperiode wird diskutiert.


Aktiv wahlberechtigt ist je<strong>der</strong> Deutsche, <strong>der</strong> das 18. Lebensjahr vollendet hat und seit m<strong>in</strong>destens<br />

drei Monaten se<strong>in</strong>en (Haupt-)Wohnsitz o<strong>der</strong> Lebensmittelpunkt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

Deutschland hat o<strong>der</strong> als Beamter, Soldat, Angestellter o<strong>der</strong> Arbeiter des öffentlichen Dienstes<br />

auf Anordnung des Dienstherrn im Ausland lebt (gilt auch für Angehörige) o<strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Mitgliedsstaat des Europarates lebt o<strong>der</strong> nicht länger als seit 25 Jahren im sonstigen Ausland<br />

lebt. Wählbar ist je<strong>der</strong> Volljährige, <strong>der</strong> Deutscher ist. E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>jahresübergangsfrist bei <strong>der</strong><br />

Staatsbürgerschaft wurde kürzlich abgeschafft.<br />

Je<strong>der</strong> Wähler hat zwei Stimmen: Die Erststimme für <strong>den</strong> Direktkandidaten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Wahlkreis,<br />

die Zweitstimme für e<strong>in</strong>e Partei und <strong>der</strong>en Landesliste. Die Bundeslän<strong>der</strong> bestehen je<br />

nach Bevölkerungsgröße aus mehreren Wahlkreisen, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en jeweils e<strong>in</strong> Direktkandidat e<strong>in</strong>er<br />

Partei (o<strong>der</strong> parteiunabhängige BewerberInnen) antreten können. Die Bundesrepublik ist seit<br />

2002 <strong>in</strong> 299 Wahlkreise e<strong>in</strong>geteilt. Die Bevölkerungszahl e<strong>in</strong>es Wahlkreises soll vom Durchschnitt<br />

um nicht mehr als 15% abweichen; beträgt die Abweichung mehr als 25%, ist zw<strong>in</strong>gend<br />

e<strong>in</strong>e Neuabgrenzung vorzunehmen.<br />

Beim Verhältnisausgleich wer<strong>den</strong> nur jene Parteien berücksichtigt, die <strong>in</strong>sgesamt m<strong>in</strong>destens<br />

5% <strong>der</strong> gültigen Zweitstimmen erhalten haben o<strong>der</strong> <strong>in</strong> m<strong>in</strong>destens 3 Wahlkreisen e<strong>in</strong> Direktmandat<br />

gewonnen haben (Grundmandatklausel). Dies gilt nicht für Parteien von nationalen<br />

M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten (Dänen, Sorben, Friesen).<br />

In <strong>den</strong> Wahlkreisen s<strong>in</strong>d diejenigen Kandidaten gewählt, die die relative Mehrheit <strong>der</strong> abgegebenen<br />

gültigen Stimmen erzielt haben. Für die Verteilung <strong>der</strong> Gesamtmandate nach Verhältniswahlgrundsätzen<br />

wer<strong>den</strong> von <strong>der</strong> Ausgangszahl von 598 Sitzen diejenigen Wahlkreissitze<br />

abgezogen, die von KandidatInnen errungen wur<strong>den</strong>, die als parteilose BewerberInnen kandidieren,<br />

<strong>der</strong>en Partei <strong>in</strong> diesem Bundesland ke<strong>in</strong>e Landesliste e<strong>in</strong>gereicht hat o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en<br />

Partei an <strong>der</strong> Sperrklausel gescheitert ist. Die verbleibende Mandatszahl wird auf jene<br />

Parteien, die die Sperrklausel überw<strong>in</strong><strong>den</strong> konnten, entsprechend dem Verhältnis <strong>der</strong> im Bundesgebiet<br />

erreichten Zweitstimmen verteilt.<br />

Die Gesamtmandatszahl e<strong>in</strong>er je<strong>den</strong> Partei wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zweiten Schritt auf <strong>der</strong> Grundlage<br />

<strong>der</strong> von ihren Landeslisten errungenen Zweitstimmenzahl im jeweiligen Bundesland auf die<br />

Landeslisten <strong>der</strong> Parteien verteilt. Von <strong>der</strong> so ermittelten Mandatszahl, die e<strong>in</strong>er Partei <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Bundesland zusteht, wer<strong>den</strong> die <strong>in</strong> <strong>den</strong> Wahlkreisen direkt errungenen Mandate abgezogen.<br />

Stehen e<strong>in</strong>er Partei dann noch weitere Sitze zu, so wer<strong>den</strong> diese an die Landesliste <strong>der</strong><br />

Partei vergeben.<br />

Gew<strong>in</strong>nt e<strong>in</strong>e Partei <strong>in</strong> <strong>den</strong> Wahlkreisen e<strong>in</strong>es Bundeslandes mehr Mandate, als ihr nach dem<br />

Verhältnisausgleich zustehen, verbleiben ihr diese Sitze. Die übrigen Parteien erhalten ke<strong>in</strong>e<br />

Ausgleichsmandate. Die Gesamtzahl <strong>der</strong> Abgeordneten kann sich dadurch über die M<strong>in</strong>destzahl<br />

von 598 h<strong>in</strong>aus erhöhen. Das deutsche Wahlsystem ordnet damit dem partei<strong>in</strong>ternen<br />

Landesproporz e<strong>in</strong>e höhere Priorität zu, als dem bundesweiten Proporz <strong>der</strong> Parteien. Dies<br />

führt zu sogenannten „negativ wirken<strong>den</strong> Stimmen“.<br />

b) Der Bundesrat<br />

Durch <strong>den</strong> Bundesrat wirken die Län<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes<br />

und <strong>in</strong> Angelegenheiten <strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> mit.<br />

Der Bundesrat besteht aus Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Regierungen <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>, die sie bestellen und auch<br />

wie<strong>der</strong> abberufen können. Jedes Land verfügt über m<strong>in</strong>destens 3 Stimmen, Län<strong>der</strong> mit mehr<br />

als 2 Millionen E<strong>in</strong>wohnern über 4, Län<strong>der</strong> mit mehr als 6 Millionen E<strong>in</strong>wohnern über 5, Län<strong>der</strong><br />

mit mehr als 7 Millionen E<strong>in</strong>wohnern über 6 Stimmen. Die Stimmen e<strong>in</strong>es Landes können im<br />

Pr<strong>in</strong>zip nur e<strong>in</strong>heitlich und nur durch anwesende Mitglie<strong>der</strong> o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en VertreterInnen abgegeben<br />

wer<strong>den</strong> (de facto imperatives Mandat).<br />

Gesetze, durch die die Interessen <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> berührt wer<strong>den</strong>, können nur <strong>in</strong> Kraft treten, wenn<br />

ihnen <strong>der</strong> Bundesrat ausdrücklich zugestimmt hat (sogenannte Zustimmungsgesetze). Bei E<strong>in</strong>spruchsgesetzen<br />

h<strong>in</strong>gegen bleibt dem Bundesrat nur die Möglichkeit, se<strong>in</strong>e abweichen<strong>den</strong><br />

Auffassungen über e<strong>in</strong> Vermittlungsverfahren e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen. Gel<strong>in</strong>gt dies nicht, kann er nach<br />

Abschluss des Vermittlungsverfahrens gegen das Gesetz E<strong>in</strong>spruch e<strong>in</strong>legen; dieser E<strong>in</strong>spruch<br />

kann vom Bundestag jedoch überstimmt wer<strong>den</strong>.


2.4.8. Die Landtage<br />

Die meisten Landtagswahlsysteme <strong>in</strong> Deutschland orientieren sich am Bundestagswahlrecht<br />

(personalisierte Verhältniswahl). Aus dem Rahmen fallen <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht nur Bremen, Hamburg<br />

und das Saarland, die e<strong>in</strong> re<strong>in</strong>es Listensystem (Verhältniswahl) vorsehen, sowie Bayern,<br />

wo es auch auf Landesebene offene Listen gibt, e<strong>in</strong> System, das <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

nur bei Kommunalwahlen Anwendung f<strong>in</strong>det.<br />

Die meisten Landtage wer<strong>den</strong> auf 5 Jahre gewählt. Ausnahmen bil<strong>den</strong> Bremen, Hamburg,<br />

Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt (4 Jahre). Das Wahlrechtsalter liegt durchwegs<br />

bei 18 Jahren (das passive <strong>in</strong> Bayern und Hessen bei 21 Jahren).<br />

In <strong>den</strong> meisten Län<strong>der</strong>n verfügen die WählerInnen über 2 Stimmen (analog zur Bundestagswahl),<br />

<strong>in</strong> Ba<strong>den</strong>-Württemberg, Bremen, Hamburg, Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen und dem Saarland nur<br />

über e<strong>in</strong>e Stimme. Es gelten landesweite 5%-Hür<strong>den</strong> (Ausnahme für Sorben <strong>in</strong> Bran<strong>den</strong>burg);<br />

<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, Bran<strong>den</strong>burg, Sachsen und Schleswig-Holste<strong>in</strong> gibt es e<strong>in</strong>e Grundmandatsklausel.<br />

2.4.9. Die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

Die Wahlperiode für Kommunalwahlen beträgt 5 Jahre; Ausnahmen bil<strong>den</strong> Sachsen-Anhalt (4<br />

Jahre) und Bayern (6 Jahre). Das Wahlrechtsalter (aktiv und passiv) liegt bei 18 Jahren, <strong>in</strong><br />

Mecklenburg-Vorpommern, Nie<strong>der</strong>sachsen, Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

wurde das aktive Wahlrecht ab 16 Jahren e<strong>in</strong>geführt.<br />

Seit <strong>der</strong> deutschen E<strong>in</strong>heit hat sich die Direktwahl <strong>der</strong> Bürgermeister überall durchgesetzt.<br />

Außer <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen und im Saarland (1 Stimme) verfügen die Wähler über 3 Stimmen<br />

(Bran<strong>den</strong>burg, Mecklenburg-Vorpommern, Nie<strong>der</strong>sachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thür<strong>in</strong>gen)<br />

o<strong>der</strong> über so viele Stimmen, als Sitze zu vergeben s<strong>in</strong>d (Ba<strong>den</strong>-Württemberg, Bayern,<br />

Hessen, Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz, Schleswig-Holste<strong>in</strong>), was <strong>in</strong> manchen Län<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> Kumulieren (auf<br />

e<strong>in</strong>en Kandidaten können mehrere Stimmen abgeben wer<strong>den</strong>) o<strong>der</strong> Panaschieren (Stimmen<br />

können auf KandidatInnen verschie<strong>den</strong>er Listen verteilt wer<strong>den</strong>) <strong>der</strong> Stimmen ermöglicht. Sperrklauseln<br />

bil<strong>den</strong> die Ausnahme (Mecklenburg-Vorpommern, Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holste<strong>in</strong>,<br />

Thür<strong>in</strong>gen).<br />

In Hessen etwa wurde die bestehende 5%-Sperrklausel abgeschafft, d.h. e<strong>in</strong> halbes Prozent<br />

<strong>der</strong> Stimmen reicht z.B. <strong>in</strong> Frankfurt für <strong>den</strong> Gew<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>atssitzes. Interessant ist<br />

die sogenannte Mehrheitsklausel: E<strong>in</strong>er Partei o<strong>der</strong> Wählervere<strong>in</strong>igung, die <strong>in</strong>sgesamt mehr<br />

als die Hälfte aller Stimmen erhalten hat, wird auf je<strong>den</strong> Fall mehr als die Hälfte aller Sitze<br />

zugeteilt. Weiters gibt es die Möglichkeit des Kumulierens und Panaschierens (ebenso <strong>in</strong><br />

Ba<strong>den</strong>-Württemberg). Je<strong>der</strong> Wähler besitzt so viele Stimmen, als VertreterInnen zu wählen<br />

s<strong>in</strong>d; diese Stimmen können auf die BewerberInnen e<strong>in</strong>es Wahlvorschlages o<strong>der</strong> auch auf<br />

unterschiedliche Wahlvorschläge verteilt wer<strong>den</strong> (panaschieren). E<strong>in</strong>zelne BewerberInnen<br />

können jeweils bis zu drei Stimmen erhalten (kumulieren).<br />

2.5. Estland<br />

Offizieller Name: Eesti Vabariik.<br />

Bevölkerung: 1,4 Mio., davon 28% Russen.<br />

Staatsform: Parlamentarische Republik (unabhängig seit 20.8.1991).<br />

2.5.1. Verfassung<br />

Die Verfassung von 1918 ist das nur wenig verän<strong>der</strong>te Vorbild für die aktuelle Verfassung.<br />

Diese trat mit <strong>der</strong> neu gewonnen Selbständigkeit von <strong>der</strong> UdSSR am 28.6.1992 <strong>in</strong> Kraft.<br />

2.5.2. EU-Beitritt<br />

Die Volksabstimmung über <strong>den</strong> EU-Beitritt Estlands zum 1.5.2004 fand am 14.9.2003 statt.


2.5.3. Staatsaufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

Estland ist <strong>in</strong> 15 Landkreise (maakonnad), 202 Geme<strong>in</strong><strong>den</strong>, 8 Städte ohne Selbstverwaltungsstatus<br />

und 39 Städte geglie<strong>der</strong>t. Die Landkreise wer<strong>den</strong> jeweils von e<strong>in</strong>em für 5 Jahre durch<br />

die Staatsregierung und die Repräsentanten des Landkreises gewählten Gouverneur regiert.<br />

Die Kreise s<strong>in</strong>d nicht souverän, son<strong>der</strong>n bil<strong>den</strong> lediglich Verwaltungse<strong>in</strong>heiten, die <strong>der</strong> Staatsregierung<br />

unterstehen. E<strong>in</strong>e Verwaltungsreform ist geplant.<br />

2.5.4. Wahlrecht<br />

Aktives Wahlrecht ab dem vollendeten 18. Lebensjahr, passives Wahlrecht ab dem 21. Lebensjahr<br />

(für Präsi<strong>den</strong>tschaftskandidatInnen: 40 Jahre).<br />

2.5.5. Das Staatsoberhaupt<br />

Der Staatspräsi<strong>den</strong>t ist zeremonielles Staatsoberhaupt, besitzt aber größere Befugnisse als<br />

etwa <strong>der</strong> deutsche Bundespräsi<strong>den</strong>t. Er eröffnet die Legislaturperiode des Parlaments und<br />

kann dieses unter beson<strong>der</strong>en Umstän<strong>den</strong> auflösen sowie Neuwahlen anordnen. Darüber<br />

h<strong>in</strong>aus nom<strong>in</strong>iert <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t nach <strong>der</strong> Parlamentswahl e<strong>in</strong>en Kandidaten für das Amt des<br />

Premierm<strong>in</strong>isters. Gesetze müssen von ihm unterzeichnet wer<strong>den</strong>.<br />

Die Wahl des Staatspräsi<strong>den</strong>ten erfolgt für e<strong>in</strong>e Periode von 5 Jahren durch das Parlament<br />

(Zweidrittelmehrheit erfor<strong>der</strong>lich). Kommt es <strong>in</strong> 3 Wahlgängen zu ke<strong>in</strong>er gültigen Wahl, so wird<br />

die Entscheidung zwischen <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> stimmenstärksten KandidatInnen an e<strong>in</strong> Wahlkollegium<br />

delegiert, das sich aus <strong>den</strong> Parlamentsabgeordneten und Vertretern <strong>der</strong> lokalen Gebietskörperschaften<br />

(Geme<strong>in</strong><strong>den</strong>) zusammensetzt.<br />

Dieses Wahlkollegium wählte im September 2006 <strong>den</strong> sozialdemokratischen Europaparlamentarier<br />

und ehemaligen Außenm<strong>in</strong>ister Toomas Hendrik Ilves zum Nachfolger des<br />

bisherigen Staatsoberhauptes Arnold Rüütel. Für Ilves stimmten 174 <strong>der</strong> 345 Wahlleute,<br />

Rüütel kam auf 162 Stimmen. Im August 2011 wurde Ilves vom Parlament wie<strong>der</strong>gewählt.<br />

2.5.6. Die Regierung (Riik)<br />

Der Premierm<strong>in</strong>ister wird durch <strong>den</strong> Präsi<strong>den</strong>ten e<strong>in</strong>gesetzt. Se<strong>in</strong>e erste Aufgabe ist es, e<strong>in</strong>e<br />

Regierung zu bil<strong>den</strong>. Mit <strong>der</strong> Ernennung zum Regierungsmitglied ruht das Mandat <strong>der</strong> betreffen<strong>den</strong><br />

Abgeordneten. Die Regierung ist dem Parlament verantwortlich und kann im Zweifelsfall<br />

durch die Abgeordneten abgesetzt wer<strong>den</strong>. An<strong>der</strong>erseits hat die Regierung das Recht,<br />

zusammen mit dem Präsi<strong>den</strong>ten, das Parlament aufzulösen, sollte die <strong>in</strong>nenpolitische Situation<br />

dies erfor<strong>der</strong>n.<br />

Wahlgew<strong>in</strong>ner <strong>der</strong> Parlamentswahl 2011 war die liberale Reformpartei unter<br />

M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t Andrus Ansip, die seit 2005 regiert und die Zahl ihrer Mandate von 31 auf<br />

33 erhöhte. Auch Ansips Koalitionspartner, die konservative IRL, gewann Sitze h<strong>in</strong>zu. Die<br />

estnischen Sozialdemokraten, die 2009 aus Protest gegen die Regierungspolitik aus <strong>der</strong><br />

Dreierkoalition mit Reformpartei und IRL ausgetreten waren, konnten die Zahl ihrer Sitze auf<br />

19 be<strong>in</strong>ahe verdoppeln.<br />

2.5.7. Das Parlament (Riigikogu)<br />

Die 101 Mitglie<strong>der</strong> des E<strong>in</strong>kammerparlaments wer<strong>den</strong> für e<strong>in</strong>e Periode von 4 Jahren nach dem<br />

Verhältniswahlsystem gewählt. Die Abgeordneten können Gesetzes<strong>in</strong>itiativen e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen und<br />

verabschie<strong>den</strong>, über <strong>in</strong>ternationale Vere<strong>in</strong>barungen entschei<strong>den</strong> und <strong>den</strong> estnischen Präsi<strong>den</strong>ten<br />

wählen. Da Estland sich als parlamentarische Demokratie def<strong>in</strong>iert, ist die Kontrolle <strong>der</strong><br />

Regierung e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> wichtigsten Aufgaben des Parlaments.<br />

2.5.8. Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

Die 15 Landkreise wer<strong>den</strong> von Gouverneuren geleitet, die von <strong>der</strong> Regierung für 5 Jahre ernannt<br />

wer<strong>den</strong>; die Gouverneure müssen von e<strong>in</strong>er Versammlung aus <strong>den</strong> BürgermeisterInnen<br />

und an<strong>der</strong>en RepräsentantInnen <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>äte ihres Kreises bestätigt wer<strong>den</strong>.


Die Parlamente <strong>der</strong> Städte und Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> wer<strong>den</strong> alle 3 Jahre gewählt. Wahlberechtigt s<strong>in</strong>d<br />

alle ständigen E<strong>in</strong>wohnerInnen im Alter über 18 Jahren, unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft,<br />

soferne sie seit 5 Jahren im Land registriert s<strong>in</strong>d. Das passive Wahlrecht steht h<strong>in</strong>gegen<br />

nur estnischen BürgerInnen zu. Die Kommunalwahlen am 20.10.2002 fan<strong>den</strong> bereits<br />

unter Beteiligung <strong>der</strong> aufenthaltsberechtigten Nichtesten statt.<br />

2.6. F<strong>in</strong>nland<br />

Offizieller Name: Suomen Tasavalta (f<strong>in</strong>nisch); Republiken F<strong>in</strong>land (schwedisch).<br />

Bevölkerung: 5,1 Mio.<br />

Staatsform: Parlamentarische Republik (seit 1917).<br />

2.6.1. Verfassung<br />

Das neue Grundgesetz trat am 1.3.2000 <strong>in</strong> Kraft. Zuvor arbeiteten die F<strong>in</strong>nen mit e<strong>in</strong>er aus vier<br />

Teilen aufgebauten Verfassung aus dem Jahr 1919. Wichtigste Neuerung: <strong>in</strong> Zukunft ist das<br />

Staatsoberhaupt bei <strong>der</strong> Regierungsbildung an das Votum <strong>der</strong> Fraktionsvorsitzen<strong>den</strong> gebun<strong>den</strong>.<br />

Nur im Fall, dass die Beratungen im Parlament ohne Ergebnis bleiben, kann <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t<br />

e<strong>in</strong>e Persönlichkeit se<strong>in</strong>er Wahl mit <strong>der</strong> Regierungsbildung beauftragen. Als zweite wichtige<br />

Neuerung wurde die bisherige Praxis, dass das Staatsoberhaupt se<strong>in</strong>e außenpolitische<br />

Kompetenz „im E<strong>in</strong>vernehmen" mit <strong>der</strong> Regierung ausübt, nunmehr auch <strong>in</strong> <strong>den</strong> Verfassungstext<br />

übernommen. In gleicher Weise wurde die schon bisher vom Premierm<strong>in</strong>ister wahrgenommene<br />

Kompetenz für die EU-Politik, e<strong>in</strong>schließlich <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>samen Außen- und<br />

Sicherheitspolitik, verfassungsmäßig verankert.<br />

2.6.2. EU-Beitritt<br />

F<strong>in</strong>nland trat <strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> im Jahr 1995 bei.<br />

2.6.3. Staatsaufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

Unitaristischer Staatsaufbau mit beschränkter kommunaler Selbstverwaltung. Das Land ist <strong>in</strong> 6<br />

Prov<strong>in</strong>zen (lään) aufgeteilt: Aland, Etela-Suomen Laani, Ita-Suomen Laani, Lansi-Suomen<br />

Laani, Lappi, Oulun Laani. Nur die „schwedischen“ Aland<strong>in</strong>seln besitzen weitergehende<br />

Selbstverwaltungsrechte (mit eigenem Parlament).<br />

2.6.4. Wahlrecht<br />

Aktives und passives Wahlrecht ab dem 18. Lebensjahr. Kommunales Wahlrecht für skand<strong>in</strong>avische<br />

StaatsbürgerInnen und an<strong>der</strong>e Auslän<strong>der</strong>Innen (nach 4 Jahren Aufenthalt).<br />

2.6.5. Das Staatsoberhaupt<br />

Staatsoberhaupt <strong>der</strong> f<strong>in</strong>nischen Republik ist <strong>der</strong> auf 6 Jahre direkt vom Volk gewählte Präsi<strong>den</strong>t.<br />

Erhält im ersten Wahlgang ke<strong>in</strong> Kandidat die absolute Mehrheit, so kommt es im zweiten<br />

Wahlgang zu e<strong>in</strong>er Stichwahl zwischen <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> Bestplatzierten. Im Vergleich zu an<strong>der</strong>en<br />

Län<strong>der</strong>n erfüllt <strong>der</strong> f<strong>in</strong>nische Präsi<strong>den</strong>t mehr als nur repräsentative Funktionen. Er ernennt <strong>den</strong><br />

Premierm<strong>in</strong>ister und se<strong>in</strong> Kab<strong>in</strong>ett, er besitzt das Recht, Gesetzes<strong>in</strong>itiativen e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen und<br />

se<strong>in</strong> Veto gegen e<strong>in</strong> im Parlament beschlossenes Gesetz e<strong>in</strong>zulegen. Se<strong>in</strong>e umfassen<strong>den</strong> Befugnisse<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Außenpolitik wur<strong>den</strong> durch die neue Verfassung zugunsten von Parlament und<br />

Regierung e<strong>in</strong>geschränkt; außenpolitische Entscheidungen trifft <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t nun <strong>in</strong> enger<br />

Zusammenarbeit mit Premierm<strong>in</strong>isterIn und Außenm<strong>in</strong>isterIn. Der Präsi<strong>den</strong>t ist darüber h<strong>in</strong>aus<br />

auch Oberbefehlshaber <strong>der</strong> Armee.<br />

Bei <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>tschaftswahl 2012 durfte die bisherige Präsi<strong>den</strong>t<strong>in</strong> Tarja Halonen von <strong>der</strong><br />

Sozialdemokratischen Partei nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Im zweiten<br />

Wahlgang setzte sich Sauli Vä<strong>in</strong>ämö Ni<strong>in</strong>istö (*1948) von <strong>der</strong> konservativen Nationalen<br />

Sammlungspartei gegen Pekka Haavisto (Grüner Bund) durch.


2.6.6. Die Regierung<br />

Die Regierung (Valtioneuvosto) wird <strong>in</strong> F<strong>in</strong>nland formal vom Präsi<strong>den</strong>ten ernannt und gegebenenfalls<br />

auch entlassen. An ihrer Spitze steht <strong>der</strong> Premierm<strong>in</strong>ister, <strong>der</strong> gleichzeitig auch Vizepräsi<strong>den</strong>t<br />

ist.<br />

Bei <strong>den</strong> Parlamentswahlen 2011 wurde die konservative Nationale Sammlungspartei mit<br />

20,4% stärkste Kraft, gefolgt von <strong>den</strong> Sozialdemokraten (19,1%) und <strong>den</strong> rechtspopulistischen<br />

„Wahren F<strong>in</strong>nen“ (19%), die ihr Ergebnis vervierfachen konnten. Zu <strong>den</strong><br />

Verlierern zählte die liberale Zentrumspartei <strong>der</strong> bisherigen M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t<strong>in</strong> Mari Kiv<strong>in</strong>iemi<br />

(15,8%). Der bisherige F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>ister Jyrki Kata<strong>in</strong>en führt nun als Regierungschef e<strong>in</strong>e<br />

Sechs-Parteienkoalition aus Konservativen, Sozialdemokraten, Grünen, sowie Vertretern <strong>der</strong><br />

L<strong>in</strong>kspartei, <strong>der</strong> Schwedischen Volkspartei und <strong>der</strong> Christlichen Demokraten an.<br />

2.6.7. Das Parlament<br />

Die Legislative liegt beim Reichstag (Eduskunta), <strong>der</strong> aus nur e<strong>in</strong>er Kammer besteht und<br />

dessen 200 Abgeordnete alle 4 Jahre (normalerweise am 3. Sonntag im März) gewählt<br />

wer<strong>den</strong>. Da seit <strong>den</strong> ersten Wahlen von 1907 auch Frauen als Mitglie<strong>der</strong> des Parlaments<br />

kandidieren durften, kann F<strong>in</strong>nland sich rühmen, als erstes Land <strong>der</strong> Welt die volle politische<br />

Gleichberechtigung <strong>der</strong> Geschlechter e<strong>in</strong>geführt zu haben.<br />

Da die Parlamentsmandate nach dem re<strong>in</strong>en Proportionalitätspr<strong>in</strong>zip vergeben wer<strong>den</strong>, muss<br />

<strong>der</strong> f<strong>in</strong>nische Regierungschef meist e<strong>in</strong>e große Anzahl von Parteien <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Koalition e<strong>in</strong>en.<br />

Das politische System F<strong>in</strong>nlands ist deshalb überaus konsensorientiert und b<strong>in</strong>det ganz unterschiedliche<br />

gesellschaftliche Akteure <strong>in</strong> <strong>den</strong> politischen Prozess mit e<strong>in</strong>.<br />

2.6.8. Prov<strong>in</strong>zen und Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

Im unitaristischen F<strong>in</strong>nland stehen sowohl die Prov<strong>in</strong>zen (mit Ausnahme <strong>der</strong> überwiegend<br />

schwedischsprachigen Aland<strong>in</strong>seln) als auch die Kommunen unter zentralstaatlicher Aufsicht.<br />

Die vom Staatspräsi<strong>den</strong>ten ernannten Prov<strong>in</strong>zgouverneure leiten die Prov<strong>in</strong>zverwaltungen. Die<br />

Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> verfügen über e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>geschränkte kommunale Selbstverwaltung und über<br />

gewählte Geme<strong>in</strong>devertretungen.<br />

2.7. Frankreich<br />

Offizieller Name: République Française.<br />

Bevölkerung: 59 Mio.<br />

Staatsform: Parlamentarisch-präsidiale Republik. Das französische Regierungssystem vere<strong>in</strong>t<br />

parlamentarische und präsi<strong>den</strong>tielle Elemente mit e<strong>in</strong>er starken Stellung <strong>der</strong> Exekutive.<br />

2.7.1. Verfassung<br />

Die jüngste Verfassung stammt aus dem Jahr 1958; wichtige Än<strong>der</strong>ungen wur<strong>den</strong> 1962<br />

(Direktwahl des Präsi<strong>den</strong>ten) und 1992 (Anpassung an die Maastricht-Verträge) vorgenommen.<br />

Es herrscht e<strong>in</strong>e strikte Trennung von Staat und Kirche.<br />

2.7.2. EU-Beitritt<br />

Frankreich ist Gründungsmitglied <strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> Geme<strong>in</strong>schaft für Kohle und Stahl (EGKS,<br />

1951), <strong>der</strong> Vorläuferorganisation <strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>.<br />

2.7.3. Staatsaufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

Nach <strong>der</strong> Verfassung <strong>der</strong> 5. Republik ist Frankreich e<strong>in</strong> laizistischer Zentralstaat, bestehend<br />

aus 22 Regionen (Alsace/Elsaß, Aquita<strong>in</strong>e, Auvergne, Bourgogne, Bretagne, Centre, Champagne-Ar<strong>den</strong>ne,<br />

Corse, Franche-Comté, Ile-de-France, Languedoc-Roussillon, Limous<strong>in</strong>, Lorra<strong>in</strong>e/Lothr<strong>in</strong>gen,<br />

Midi-Pyrenée, Nord-Pas-de-Calais, Basse-Normandie, Haute-Normandie, Pays<br />

de la Loire, Picardie, Poitou-Charentes, Provence-Alpes, Rhone-Alpes), 96 Départements, 4<br />

überseeischen Départements und 4 überseeischen Territorien mit beschränkter Selbstverwal-


tung. Die 1982 begonnene Regionalisierungspolitik ist unvollendet geblieben. Der Versuch, <strong>der</strong><br />

Insel Korsika größere Autonomie zu verleihen, wird zur Zeit nicht weiterverfolgt.<br />

2.7.4. Wahlrecht<br />

Aktiv und passiv wahlberechtigt ist, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat. Ausnahmen gibt es<br />

beim passiven Wahlrecht.<br />

2.7.5. Das Staatsoberhaupt<br />

Das politische System <strong>der</strong> 5. Republik wird durch die zentrale Rolle des Präsi<strong>den</strong>ten geprägt,<br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>stellung <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Demokratien Europas genießt. Infolge se<strong>in</strong>er Direktwahl<br />

durch das Volk ist er <strong>in</strong> ähnlicher Weise wie die Nationalversammlung unmittelbar legitimiert.<br />

Der Präsi<strong>den</strong>t ist Staatsoberhaupt, Hüter <strong>der</strong> Verfassung und zugleich oberster Chef <strong>der</strong> Exekutive.<br />

Er führt <strong>den</strong> Vorsitz im M<strong>in</strong>isterrat und vertritt Frankreich, unter Umstän<strong>den</strong> geme<strong>in</strong>sam<br />

mit dem Premierm<strong>in</strong>ister, auf <strong>in</strong>ternationaler Ebene (z.B. beim <strong>Europäischen</strong> Rat). Die Außenund<br />

Sicherheitspolitik gilt traditionell als se<strong>in</strong>e Zuständigkeit (doma<strong>in</strong>e réservé). Die herausgehobene<br />

Stellung des Präsi<strong>den</strong>ten verpflichtet ihn e<strong>in</strong>erseits zur Überparteilichkeit (Repräsentant<br />

aller Franzosen), zugleich ist er aber natürlich auch Vertreter e<strong>in</strong>er politischen Richtung.<br />

Die tatsächliche Machtstellung des französischen Präsi<strong>den</strong>ten wird von <strong>den</strong> Kräfteverhältnissen<br />

im Parlament mitbestimmt: Hat <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t e<strong>in</strong>e Mehrheit <strong>der</strong> Nationalversammlung<br />

h<strong>in</strong>ter sich, so gibt er die großen L<strong>in</strong>ien <strong>der</strong> Politik vor. Der Präsi<strong>den</strong>t <strong>der</strong> Republik wird seit<br />

2002 vom Volk auf 5 Jahre direkt gewählt (seit <strong>der</strong> 3. Republik bis zum Referendum im Jahr<br />

2000 galt e<strong>in</strong>e siebenjährige Amtszeit); er ernennt <strong>den</strong> Premierm<strong>in</strong>ister und auf dessen Vorschlag<br />

die M<strong>in</strong>ister, führt <strong>den</strong> Vorsitz im M<strong>in</strong>isterrat (Kab<strong>in</strong>ett), kann die Nationalversammlung<br />

auflösen, was zu vorzeitigen Neuwahlen führt, und auf Vorschlag <strong>der</strong> Regierung o<strong>der</strong> des<br />

Parlaments Gesetzesentwürfe zum Volksentscheid vorlegen; er ist Oberbefehlshaber <strong>der</strong><br />

Streitkräfte und entscheidet alle<strong>in</strong> über <strong>den</strong> E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> französischen Nuklearwaffen; er besitzt<br />

die letzte Entscheidungsbefugnis bei <strong>der</strong> Ernennung zu bestimmten zivilen und militärischen<br />

Ämtern und hat <strong>in</strong> Krisenzeiten außeror<strong>den</strong>tliche Befugnisse zur Notstandsregelung.<br />

Der französische Präsi<strong>den</strong>t wird nach absoluter Mehrheitswahl <strong>in</strong> bis zu 2 Wahlgängen gewählt.<br />

Für <strong>den</strong> zweiten Wahlgang s<strong>in</strong>d die bei<strong>den</strong> Kandidaten mit <strong>den</strong> höchsten Stimmenzahlen<br />

qualifiziert.<br />

Nach fünf Jahren als französischer Präsi<strong>den</strong>t verlor <strong>der</strong> rechtskonservative Nicolas Sarkozy<br />

die Wahlen im Mai 2012 gegen <strong>den</strong> sozialistischen Herausfor<strong>der</strong>er François Hollande, <strong>der</strong><br />

somit nach François Mitterand (1981–1995) <strong>der</strong> zweite Sozialist <strong>in</strong> diesem höchsten Amt ist.<br />

2.7.6. Die Regierung<br />

Die französische Regierung ist sowohl vom Vertrauen des Präsi<strong>den</strong>ten, <strong>der</strong> <strong>den</strong> Premierm<strong>in</strong>ister<br />

ernennt, als auch des Parlaments (Misstrauensvotum) abhängig. Der Premierm<strong>in</strong>ister leitet<br />

die Regierungsgeschäfte; er ist für die Landesverteidigung und die Ausführung <strong>der</strong> Gesetze<br />

verantwortlich, er nimmt <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung mit dem Staatspräsi<strong>den</strong>ten Ernennungen zu zivilen<br />

und militärischen Ämtern vor und er besitzt weitreichende Rechtsverordnungsbefugnisse.<br />

Somit setzt die Verfassung <strong>der</strong> 5. Republik, wenn auch nicht ausdrücklich, e<strong>in</strong>e weitgehende<br />

politische Übere<strong>in</strong>stimmung zwischen <strong>der</strong> regieren<strong>den</strong> Parlamentsmehrheit und dem Präsi<strong>den</strong>ten<br />

voraus. Diese Übere<strong>in</strong>stimmung war bis zum Jahr 1986 stets gegeben. 1986–1988 vertraten<br />

Präsi<strong>den</strong>t und Regierung erstmals unterschiedliche politische Richtungen (sogenannte<br />

cohabitation, erneut 1993–1995 und 1997–2002).<br />

Die Parteienlandschaft Frankreichs ist vielfältig; es kommt häufig zu Abspaltungen, Neugründungen<br />

und Umbenennungen. Wechsel des Wahlsystems s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Frankreich ebenfalls nicht<br />

unüblich (so gab es 1951 und 1986 das Verhältniswahlrecht).<br />

Bei <strong>den</strong> französischen Parlamentswahlen im Juni 2012 g<strong>in</strong>g das l<strong>in</strong>ke Parteienbündnis mit<br />

dem Parti socialiste an <strong>der</strong> Spitze mit e<strong>in</strong>er absoluten Mehrheit von 314 Sitzen (bei 577<br />

Abgeordneten) als deutlicher Sieger hervor. Neuer Premierm<strong>in</strong>ister wurde e<strong>in</strong> enger<br />

Vertrauter François Hollandes, <strong>der</strong> ehemalige Deutschlehrer und Bürgermeister von Nantes<br />

Jean-Marc Ayrault.


2.7.7. Das Parlament<br />

Das französische Parlament besteht aus 2 Kammern, <strong>der</strong> Nationalversammlung und dem Senat<br />

als Vertretung <strong>der</strong> Gebietskörperschaften.<br />

a) Die Nationalversammlung (Assemblée Nationale)<br />

Die Nationalversammlung umfasst 577 Abgeordnete, die über e<strong>in</strong> re<strong>in</strong>es Mehrheitswahlrecht <strong>in</strong><br />

E<strong>in</strong>personenwahlkreisen <strong>in</strong> bis zu 2 Wahlgängen (Stichwahl) für 5 Jahre gewählt wer<strong>den</strong>. Nach<br />

e<strong>in</strong>er vorzeitigen Parlamentsauflösung und Neuwahlen darf das Parlament im Jahr nach <strong>der</strong><br />

Neuwahl nicht neuerlich aufgelöst wer<strong>den</strong>.<br />

Jedes Département besteht aus m<strong>in</strong>destens 2 Wahlkreisen, die Überseeterritorien können<br />

auch nur e<strong>in</strong>en Wahlkreis bil<strong>den</strong>. Je<strong>der</strong> Wahlberechtigte hat e<strong>in</strong>e Stimme für e<strong>in</strong>en Kandidaten.<br />

Um im ersten Wahlgang gewählt zu wer<strong>den</strong>, muss <strong>der</strong> Kandidat neben <strong>der</strong> absoluten<br />

Mehrheit <strong>der</strong> abgegebenen Stimmen auch m<strong>in</strong>destens 25% <strong>der</strong> Stimmen aller Wahlberechtigten<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Wahlkreis erhalten.<br />

Hervorstechendstes Merkmal des sogenannten Romanischen Mehrheitswahlrechts ist, dass<br />

mehr als nur zwei KandidatInnen <strong>in</strong> die Stichwahl kommen können. Am zweiten Wahlgang<br />

dürfen nämlich nicht nur die bei<strong>den</strong> bestplatzierten KandidatInnen, son<strong>der</strong>n auch all jene<br />

KandidatInnen teilnehmen, die m<strong>in</strong>destens 12,5% <strong>der</strong> Stimmen aller Wahlberechtigten des<br />

Wahlkreises erhalten haben. Normalerweise e<strong>in</strong>igen sich die Parteien e<strong>in</strong>es politischen Lagers<br />

zwischen <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> Wahlgängen darauf, e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samen Kandidaten zu unterstützen, so<br />

dass <strong>in</strong> <strong>den</strong> meisten Fällen jeweils nur e<strong>in</strong> Kandidat <strong>der</strong> Rechten und <strong>der</strong> L<strong>in</strong>ken sowie gegebenenfalls<br />

e<strong>in</strong> chancenloser Kandidat des Front National an <strong>der</strong> Stichwahl teilnimmt. Gewählt<br />

ist im zweiten Wahlgang <strong>der</strong> Kandidat mit <strong>den</strong> meisten Stimmen.<br />

b) Der Senat (Sénat)<br />

Der Senat hat 321 Mitglie<strong>der</strong>, die für 9 Jahre von gewählten Repräsentanten <strong>der</strong> Gebietskörperschaften<br />

gewählt wer<strong>den</strong>. Insgesamt s<strong>in</strong>d etwa 150.000 Wahlmänner und -frauen wahlberechtigt,<br />

wovon die Bürgermeister als Vertreter ihrer Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> die Mehrheit stellen.<br />

211 SenatorInnen (<strong>in</strong> <strong>den</strong> großen Départements sowie die 12 SenatorInnen <strong>der</strong> Auslandsfranzosen)<br />

wer<strong>den</strong> nach dem Verhältniswahlrecht gewählt (wobei jeweils e<strong>in</strong> männlicher und e<strong>in</strong><br />

weiblicher Kandidat alternierend gereiht se<strong>in</strong> müssen), die restlichen 110 nach dem Mehrheitswahlrecht<br />

(<strong>in</strong> bis zu 2 Wahlgängen). Alle 3 Jahre wird e<strong>in</strong> Drittel <strong>der</strong> SenatorInnen neu gewählt.<br />

2.7.8. Die Regionen<br />

Die Regionen bil<strong>den</strong> die jüngste lokale Verwaltungse<strong>in</strong>heit und wur<strong>den</strong> im Zuge <strong>der</strong> Dezentralisierung<br />

des französischen Staates im Jahr 1986 geschaffen. In diesem Jahr fand auch die<br />

erste direkte Wahl <strong>der</strong> Regionalabgeordneten statt (auf 6 Jahre, ab 2004 nur noch auf 5<br />

Jahre). Die Abgeordneten des Regionalparlaments wählen ihrerseits <strong>den</strong> Präsi<strong>den</strong>ten des Regionalrats.<br />

Das Wahlrecht für die Regionalparlamente komb<strong>in</strong>iert Elemente des Mehrheits- und<br />

des Verhältniswahlrechts (Listenwahl, 2 Wahlgänge).<br />

2.7.9. Die Départements<br />

Die französischen Départements s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Erf<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Revolution. Seit 1871 bil<strong>den</strong> sie autonome<br />

lokale Verwaltungse<strong>in</strong>heiten mit gewählten Abgeordneten und e<strong>in</strong>er gewählten Exekutive.<br />

Frankreich ist <strong>in</strong> 100 Départements geglie<strong>der</strong>t, davon 4 überseeische.<br />

Die Abgeordneten zum Conseil Général des Départements wer<strong>den</strong> für 6 Jahre auf Kantonsebene<br />

gewählt (e<strong>in</strong> Kandidat pro Kanton nach dem Mehrheitswahlrecht <strong>in</strong> bis zu 2 Wahlgängen).<br />

Die Hälfte <strong>der</strong> Abgeordneten wird alle 3 Jahre neu bestimmt. Die Abgeordneten<br />

wählen ihrerseits <strong>den</strong> Präsi<strong>den</strong>ten des Départements (als Exekutivorgan, für 3 Jahre). Das<br />

Département verfügt über weitreichende Kompetenzen <strong>in</strong> <strong>den</strong> Bereichen Soziales, Bildung<br />

sowie Land- und Forstwirtschaft.


2.7.10. Die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

Die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> bil<strong>den</strong> die älteste adm<strong>in</strong>istrative E<strong>in</strong>heit. 1884 wurde e<strong>in</strong> erstes Gesetz mit<br />

echter Geme<strong>in</strong>deautonomie erlassen. Die Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>äte wer<strong>den</strong> alle 6 Jahre neu gewählt und<br />

wählen ihrerseits die Bürgermeister.<br />

Das Wahlrecht differiert nach Geme<strong>in</strong>degröße: In Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> mit weniger als 3.500 E<strong>in</strong>wohnern<br />

wer<strong>den</strong> die Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>äte nach dem Mehrheitswahlrecht (mit Listen, <strong>in</strong> bis zu 2 Wahlgängen)<br />

gewählt. Dabei kann auch panaschiert wer<strong>den</strong>.<br />

In Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> mit mehr als 3.500 E<strong>in</strong>wohnern herrscht e<strong>in</strong> abgewandeltes Verhältniswahlrecht<br />

nach Listen (ohne Reihungsmöglichkeiten). Erreicht e<strong>in</strong>e Liste im ersten Wahlgang die absolute<br />

Mehrheit, so erhält sie automatisch die Hälfte <strong>der</strong> Sitze. Der Rest <strong>der</strong> Mandate wird nach<br />

dem Verhältnispr<strong>in</strong>zip auf die übrigen Listen aufgeteilt. An<strong>der</strong>enfalls kommt es zu e<strong>in</strong>em<br />

zweiten Wahlgang, an dem nur jene Listen teilnehmen dürfen, die zum<strong>in</strong>dest 10% <strong>der</strong> abgegebenen<br />

Stimmen erhalten haben. Die stärkste Liste des zweiten Wahlgangs erhält automatisch<br />

die Hälfte <strong>der</strong> Mandate, <strong>der</strong> Rest wird proportional auf alle übrigen Listen verteilt.<br />

In <strong>den</strong> Metropolgeme<strong>in</strong><strong>den</strong> Paris, Lyon und Marseille wird nach dem gleichen System verfahren,<br />

allerd<strong>in</strong>gs wer<strong>den</strong> hier auch Bezirksvertreter gewählt und die Wahlen f<strong>in</strong><strong>den</strong> nach Wahlsprengeln<br />

statt (<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel entsprechen diese <strong>den</strong> Bezirken).<br />

Die Bürgermeister (und ihre Stellvertreter) wer<strong>den</strong> vom Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>at gewählt. Wenn nach zwei<br />

Wahlgängen ke<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Bewerber e<strong>in</strong>e absolute Mehrheit <strong>der</strong> Stimmen auf sich vere<strong>in</strong>en<br />

konnte, entscheidet im dritten Wahlgang die relative Mehrheit.<br />

2.8. Griechenland<br />

Offizieller Name: Ell<strong>in</strong>ikí Dhimokratía.<br />

Bevölkerung: 10,6 Mio.<br />

Staatsform: Parlamentarische Republik (seit 1973).<br />

2.8.1. Verfassung<br />

Im September 1968 billigte die griechische Wählerschaft e<strong>in</strong>e neue, von <strong>der</strong> herrschen<strong>den</strong> Militärjunta<br />

entworfene Verfassung. Diese hielt weiterh<strong>in</strong> an <strong>der</strong> erbrechtlichen Monarchie fest,<br />

allerd<strong>in</strong>gs wur<strong>den</strong> dem König viele se<strong>in</strong>er früheren Vollmachten entzogen. Am 1.6.1973 schaffte<br />

<strong>der</strong> M<strong>in</strong>isterrat die Monarchie ab und rief die Republik aus. Im Juli 1974 trat die Militärjunta<br />

zurück, und <strong>in</strong> Griechenland wurde e<strong>in</strong> parlamentarisch-demokratisches System e<strong>in</strong>geführt.<br />

Die griechischen WählerInnen lehnten die Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>richtung <strong>der</strong> Monarchie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Volksabstimmung<br />

im Dezember desselben Jahres ab. Am 11.6.1975 trat e<strong>in</strong>e neue republikanische<br />

Verfassung <strong>in</strong> Kraft. Die letzten Verfassungsän<strong>der</strong>ungen wur<strong>den</strong> 1986 durchgeführt.<br />

2.8.2. EU-Beitritt<br />

Griechenland trat <strong>den</strong> <strong>Europäischen</strong> Geme<strong>in</strong>schaften (EGKS, EWG, Euratom) im Jahr 1981 bei.<br />

2.8.3. Staatskirche<br />

Nach <strong>der</strong> Verfassung ist die griechisch-orthodoxe Kirche Staatskirche Griechenlands. Durch<br />

ihre Rolle als „Bewahrer<strong>in</strong> des Griechentums“ über die Jahrhun<strong>der</strong>te türkischer Fremdherrschaft<br />

und durch ihren ausgedehnten Grundbesitz spielt sie auch heute noch e<strong>in</strong>e wichtige<br />

Rolle im politischen Leben. Das Verhältnis von Kirche und Staat ist auch zu Beg<strong>in</strong>n des 21.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts nicht frei von Spannungen.<br />

2.8.4. Staatsaufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

Zur Dezentralisierung <strong>der</strong> staatlichen Verwaltung und Effizienzsteigerung <strong>der</strong> lokalen Gebietskörperschaften<br />

hat das griechische Parlament im November 1997 gegen erheblichen Wi<strong>der</strong>stand<br />

e<strong>in</strong>e umfassende Kommunalreform (Kapodistrias-Plan) verabschiedet, <strong>der</strong> u.a. e<strong>in</strong>e Reduzierung<br />

<strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> von bislang ca. 6.000 auf etwas mehr als 1.000 vorsieht.


Griechenland ist <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong><strong>den</strong>, Städte und Präfekturen mit beschränkten Selbstverwaltungsrechten<br />

geglie<strong>der</strong>t. Es gibt 51 Präfekturen (Nomarchien) und e<strong>in</strong>e autonome Region (Athos).<br />

Die Präfekten wie auch ihre Ratsmitglie<strong>der</strong> wer<strong>den</strong> direkt gewählt.<br />

2.8.5. Wahlrecht<br />

Aktives Wahlrecht ab 18 Jahren, passives Wahlrecht ab 25 Jahren (für Präsi<strong>den</strong>tschaftswahlen:<br />

40). Es herrscht Wahlpflicht für alle Personen zwischen 18 und 70 Jahren.<br />

2.8.6. Das Staatsoberhaupt<br />

Der Präsi<strong>den</strong>t wird vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit für e<strong>in</strong>e Amtszeit von 5 Jahren gewählt.<br />

Die Möglichkeit e<strong>in</strong>er Wie<strong>der</strong>wahl besteht nur e<strong>in</strong>mal. Der Präsi<strong>den</strong>t ernennt <strong>den</strong><br />

Premierm<strong>in</strong>ister aus <strong>den</strong> Reihen <strong>der</strong> Mehrheitspartei bzw. <strong>der</strong> stärksten Parlamentsfraktion<br />

und muss das vom Premierm<strong>in</strong>ister gewählte Kab<strong>in</strong>ett akzeptieren. Unter beson<strong>der</strong>en Umstän<strong>den</strong><br />

kann <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t <strong>den</strong> Premierm<strong>in</strong>ister entlassen und das Kab<strong>in</strong>ett auflösen; hierzu muss<br />

er <strong>den</strong> Rat <strong>der</strong> Republik, e<strong>in</strong> aus amtieren<strong>den</strong> und ehemaligen hohen Politikern bestehendes<br />

Gremium, e<strong>in</strong>berufen. Der Präsi<strong>den</strong>t kann se<strong>in</strong> Veto bei <strong>der</strong> Verabschiedung von Gesetzen<br />

e<strong>in</strong>legen (das durch e<strong>in</strong>e absolute Mehrheit <strong>der</strong> Abgeordneten überstimmt wer<strong>den</strong> kann), die<br />

Sitzungsperiode des Parlaments für höchstens 30 Tage unterbrechen, das Parlament auflösen<br />

und Neuwahlen ansetzen.<br />

Bis 1986 hatte <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t die Macht, Kriege zu erklären sowie Bündnisse und Verträge abzuschließen.<br />

Mit <strong>der</strong> Verfassungsän<strong>der</strong>ung von 1986 wur<strong>den</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen jedoch auf<br />

e<strong>in</strong>e weitgehend repräsentative Rolle reduziert.<br />

Gegenwärtiger Präsi<strong>den</strong>t ist <strong>der</strong> ehemalige sozialistische Außenm<strong>in</strong>ister Karolos Papoulias,<br />

<strong>der</strong> im Februar 2010 vom Parlament für e<strong>in</strong>e zweite Amtszeit gewählt wurde.<br />

2.8.7. Die Regierung<br />

Nachdem das Land im Herbst 2011 am Rand e<strong>in</strong>es Bankrotts stand, trat <strong>der</strong> sozialistische<br />

Premierm<strong>in</strong>ister Giorgos Papandreou zurück. PASOK und rechtskonservative Nea Dimokratia<br />

(ND) e<strong>in</strong>igten sich auf die Bildung e<strong>in</strong>er Übergangsregierung (mit Beteiligung <strong>der</strong><br />

rechtspopulistischen LAOS) unter Führung des ehemaligen Vizepräsi<strong>den</strong>ten <strong>der</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> Zentralbank Lukas Papademos.<br />

Die Neuwahlen im Mai 2012 brachten sowohl PASOK als auch Nea Dimokratia große<br />

Verluste; Gew<strong>in</strong>ner dieser Wahlen waren das l<strong>in</strong>ksradikale Bündnis Syriza (16,8%) und die<br />

neofaschistische Chrysi Avgi (6,9%). Nach dem Scheitern <strong>der</strong> Regierungsbildung wurde im<br />

Juni 2012 von Neuem gewählt. Die ND legte um 10,8% zu und wurde mit 29,7% erneut<br />

stärkste Kraft. Syriza folgte mit 26,9% knapp dah<strong>in</strong>ter. Dennoch erreichten ND und PASOK<br />

dieses Mal e<strong>in</strong>e parlamentarische Mehrheit. ND und PASOK e<strong>in</strong>igten sich mit <strong>der</strong><br />

Demokratischen L<strong>in</strong>ken auf die Bildung e<strong>in</strong>er Regierung und am 20. Juni 2012 wurde <strong>der</strong><br />

Vorsitzende <strong>der</strong> ND, Andonis Samaras, als griechischer M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t vereidigt.<br />

2.8.8. Das Parlament<br />

Die 300 Mitglie<strong>der</strong> des griechischen Parlaments (Vouli ton Ell<strong>in</strong>on) wer<strong>den</strong> seit 1993 nach<br />

dem sogenannten verstärkten Verhältniswahlrecht für 4 Jahre gewählt, d.h. die Partei,<br />

welche als stärkste aus <strong>den</strong> Wahlen hervorgeht, err<strong>in</strong>gt automatisch die Mehrheit <strong>der</strong> Sitze<br />

im Parlament. Darüber h<strong>in</strong>aus existiert e<strong>in</strong>e 3%-Klausel.<br />

2.8.9. Die Regionen (Peripheria)<br />

Auf regionaler Ebene gibt es ke<strong>in</strong>e Selbstverwaltungsorgane. Die 13 Regionen bil<strong>den</strong> lediglich<br />

staatliche Verwaltungse<strong>in</strong>heiten, die ihnen zugewiesenen Aufgaben erstrecken sich im wesentlichen<br />

auf die regionale Entwicklung und die vertikale Koord<strong>in</strong>ierung <strong>der</strong> wirtschaftspolitischen<br />

Maßnahmen. Die Region wird von e<strong>in</strong>em Generalsekretär (Genikos Grammateas) geleitet, <strong>der</strong><br />

von <strong>der</strong> Zentralregierung ernannt wird und als Organ des Staates auf regionaler Ebene fungiert.<br />

Er vertritt die Regierung, kontrolliert die Verwaltungsakte <strong>der</strong> ihm untergeordneten Präfekten<br />

und kann diese für nichtig erklären.


Der Generalsekretär <strong>der</strong> Region leitet auch <strong>den</strong> Regionalrat (Peripheriako Simvoulio); dieser<br />

setzt sich aus <strong>den</strong> e<strong>in</strong>zelnen Präfekten, e<strong>in</strong>em Vertreter <strong>der</strong> dezentralen Vere<strong>in</strong>igungen <strong>der</strong><br />

Städte und Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> sowie Vertretern <strong>der</strong> Berufsfachverbände und -kammern zusammen.<br />

2.8.10. Die Präfekturen (Nomoi)<br />

Im Jahr 1994 wur<strong>den</strong> die Präfekturen zu Gebietskörperschaften <strong>der</strong> zweiten Selbstverwaltungsebene<br />

erhoben, die für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung des jeweiligen<br />

Gebiets zuständig s<strong>in</strong>d. Sie sorgen für die Verwaltung <strong>der</strong> lokalen Angelegenheiten auf <strong>der</strong><br />

Ebene <strong>der</strong> Präfektur und üben die ihnen per Gesetz übertragenen Kompetenzen aus. Die<br />

ihnen nicht zugewiesenen Aufgaben fallen <strong>in</strong> <strong>den</strong> Zuständigkeitsbereich des Verteidigungs-,<br />

Außen-, Wirtschafts-, und Justizm<strong>in</strong>isteriums sowie des nationalen Amts für Statistik und <strong>der</strong><br />

Städte- und Geme<strong>in</strong>deaufsicht. Die Präfekturen wer<strong>den</strong> von e<strong>in</strong>em Präfekturalrat und e<strong>in</strong>em<br />

Präfekten geleitet.<br />

Der Präfekturalrat (Nomarchiako Simvoulio) setzt sich aus 21–37 Mitglie<strong>der</strong>n zusammen, die<br />

für 4 Jahre gewählt wer<strong>den</strong>. 3/5 <strong>der</strong> Sitze wer<strong>den</strong> mit KandidatInnen jener Liste besetzt, die<br />

die Stimmenmehrheit errungen hat, die restlichen 2/5 nach dem Stimmenverhältnis <strong>der</strong> übrigen<br />

Parteien.<br />

Der Präfekturalrat wählt aus se<strong>in</strong>en eigenen Reihen <strong>den</strong> Präfekturalausschuss (Nomarchiakes<br />

Epitropes), e<strong>in</strong> aus 5–7 Mitglie<strong>der</strong>n für 2 Jahre bestelltes exekutives Gremium, dessen Vorsitzen<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Präfekt (Nomarchis) ist. Zum Präfekten wird <strong>der</strong> Spitzenkandidat <strong>der</strong> Liste gewählt,<br />

die die meisten Stimmen auf sich vere<strong>in</strong>igen konnte. Der Präfekt führt die Beschlüsse<br />

des Präfekturalrats und des Präfekturalausschusses aus und fungiert als Leiter <strong>der</strong> Behör<strong>den</strong><br />

und ihres Personals.<br />

2.8.11. Städte (Dimoi) und Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> (K<strong>in</strong>otites)<br />

Die 900 Städte und 133 Geme<strong>in</strong><strong>den</strong>, die das gesamte griechische Staatsgebiet abdecken, s<strong>in</strong>d<br />

juristische Personen des öffentlichen Rechts; sie s<strong>in</strong>d für alle lokalen Fragen zuständig und<br />

hauptsächlich mit <strong>der</strong> Aufgabe betraut, <strong>den</strong> wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt zu gewährleisten<br />

und dafür zu sorgen, dass die kulturellen und religiösen Interessen ihrer Bewohner-<br />

Innen gewahrt wer<strong>den</strong>.<br />

Jede Stadt verfügt über e<strong>in</strong>en Stadtrat (Dimotiko Simvoulio), <strong>der</strong> sich aus 11–41 auf 4 Jahre<br />

gewählten Mitglie<strong>der</strong>n zusammensetzt, wobei auch hier 3/5 <strong>der</strong> Sitze mit KandidatInnen jener<br />

Liste, die die Mehrheit errungen hat, und die restlichen 2/5 nach dem Stimmenverhältnis <strong>der</strong><br />

übrigen Parteien besetzt wer<strong>den</strong>. Der Stadtausschuss (Dimarchiaki Epitropi) wird vom Bürgermeister<br />

geleitet und umfasst 2–6 Mitglie<strong>der</strong>. Zum Bürgermeister (Dimarchos) wird <strong>der</strong> Spitzenkandidat<br />

jener Wahlliste gewählt, die die meisten Stimmen erhalten hat. Der Bürgermeister<br />

nimmt an <strong>den</strong> Sitzungen des Stadtrats teil, hat aber selbst ke<strong>in</strong> Stimmrecht. Er führt <strong>in</strong> erster<br />

L<strong>in</strong>ie die Beschlüsse des Stadtrats und des Stadtausschusses aus.<br />

In <strong>den</strong> ländlichen Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> wer<strong>den</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>at (Simvoulio), <strong>der</strong> sich aus 7–11 ebenfalls<br />

für 4 Jahre gewählten Mitglie<strong>der</strong>n zusammensetzt, und <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>depräsi<strong>den</strong>t (Proedros<br />

K<strong>in</strong>otitas) nach demselben Verfahren bestimmt.<br />

2.9. Großbritannien<br />

Offizieller Name: United K<strong>in</strong>gdom of Great Brita<strong>in</strong> and Northern Ireland.<br />

Bevölkerung: 59,2 Mio.<br />

Staatsform: Parlamentarisch-demokratische Erbmonarchie.<br />

2.9.1. Verfassung<br />

Ke<strong>in</strong>e geschriebene Verfassung. Die Verfassungsordnung beruht auf ungeschriebenem Recht<br />

und e<strong>in</strong>zelnen Gesetzen, darunter <strong>der</strong> Magna Charta von 1215 und <strong>der</strong> Habeas-Corpus-Akte<br />

von 1679.


2.9.2. EU-Beitritt<br />

Großbritannien trat <strong>den</strong> <strong>Europäischen</strong> Geme<strong>in</strong>schaften (EGKS, EWG, Euratom) im Jahr 1973<br />

bei.<br />

2.9.3. Staatsaufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

Großbritannien wird zentralistisch regiert und verwaltet, allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d im Zuge <strong>der</strong> Devolution<br />

(Dezentralisierung) sehr begrenzte Kompetenzen <strong>in</strong> die Regionen (Schottland, Wales und<br />

Nordirland) sowie <strong>in</strong> die Hauptstadt London verlagert wor<strong>den</strong>. Am 1.7.1999 wur<strong>den</strong> die Regionalparlamente<br />

<strong>in</strong> Ed<strong>in</strong>burgh bzw. Cardiff gewählt und am 4.5.2000 fand zum ersten Mal die<br />

Direktwahl e<strong>in</strong>es Bürgermeisters für Groß-London statt.<br />

Zunehmend wird diskutiert, ob im Rahmen <strong>der</strong> Devolution nicht auch für England e<strong>in</strong> eigenes<br />

Parlament geschaffen und Versammlungen für die 8 englischen Regionen (zusätzlich zu London)<br />

gewählt wer<strong>den</strong> sollen. Diese verfügen mit <strong>den</strong> aus dem Zentralhaushalt f<strong>in</strong>anzierten „Regionalen<br />

Entwicklungsagenturen“ bereits über erste Ansätze e<strong>in</strong>er Regionalverwaltung.<br />

2.9.4. Wahlrecht<br />

Aktives Wahlrecht ab dem 18. Lebensjahr für BürgerInnen des Vere<strong>in</strong>igten Königreichs, e<strong>in</strong>es<br />

Commonwealth-Landes o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Republik Irland (mit Wohnsitz <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> Wahlkreise).<br />

Passives Wahlrecht ab dem 21. Lebensjahr für BürgerInnen des Vere<strong>in</strong>igten Königreichs,<br />

e<strong>in</strong>es Commonwealth-Landes o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Republik Irland. Nicht wählbar s<strong>in</strong>d u.a. Mitglie<strong>der</strong> des<br />

Oberhauses, e<strong>in</strong>ige Offizielle <strong>der</strong> Krone, Geistliche <strong>der</strong> Kirchen von England, Schottland, Irland<br />

und <strong>der</strong> Römisch-Katholischen Kirche.<br />

2.9.5. Das Staatsoberhaupt<br />

Staatsoberhaupt ist <strong>der</strong> Monarch o<strong>der</strong> die Monarch<strong>in</strong>, zugleich auch Oberhaupt des Commonwealth<br />

of Nations. Seit 1952 ist dies Queen Elizabeth II., unter <strong>der</strong> bereits neun Premierm<strong>in</strong>ister<br />

an <strong>der</strong> Macht waren.<br />

Formal regiert die Queen im Parlament: Sie ernennt die Regierung und eröffnet mit <strong>der</strong> Thronrede<br />

im Oberhaus die parlamentarische Sitzungsperiode. De facto ist diese Rede jedoch mit<br />

<strong>der</strong> Regierungserklärung gleichzusetzen, da sie vom Regierungschef verfasst wird. Pro forma<br />

hat das Staatsoberhaupt auch <strong>den</strong> Oberbefehl über die Streitkräfte.<br />

2.9.6. Die Regierung<br />

Nach <strong>den</strong> britischen Unterhauswahlen im Mai 2010 g<strong>in</strong>gen die die Konservativen unter David<br />

Cameron als klare Sieger hervor. Allerd<strong>in</strong>gs verfehlten die „Tories“ die angestrebte absolute<br />

Mehrheit und Cameron musste e<strong>in</strong>e Koalition mit <strong>den</strong> Liberal Democrats unter Nick Clegg<br />

e<strong>in</strong>gehen – be<strong>in</strong>ahe e<strong>in</strong> Novum im Zwei-Parteien-System des Königreichs, und gleichzeitig<br />

das Ende von 13 Jahren Labour-Regierung.<br />

2.9.7. Das Parlament<br />

Zweikammerparlament: Unterhaus mit 646 direkt gewählten Mitglie<strong>der</strong>n und Oberhaus mit<br />

(früher) 1.223 Mitglie<strong>der</strong>n, darunter 763 Trägern erblicher Adelstitel sowie 26 anglikanischen<br />

Bischöfen.<br />

a) Das Unterhaus (House of Commons)<br />

Im Vere<strong>in</strong>igten Königreich gilt das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Parlamentssouveränität, d.h. auch die Krone ist<br />

an die Gesetzgebung des Parlaments gebun<strong>den</strong>. Ist die Rede von dem „britischen Parlament",<br />

so ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel das britische Unterhaus geme<strong>in</strong>t.<br />

Die politische Macht liegt im Unterhaus bzw. bei <strong>der</strong> Regierungsmehrheit im Unterhaus. Die<br />

646 Abgeordneten wählen <strong>den</strong> Regierungschef, sie s<strong>in</strong>d für die Gesetzgebung zuständig und<br />

kontrollieren die Regierung. De facto gehen allerd<strong>in</strong>gs nahezu alle Gesetzes<strong>in</strong>itiativen von <strong>der</strong><br />

Regierung selbst aus.


Es gibt ke<strong>in</strong>en festen Turnus für die Wahlen zum Unterhaus. Die Legislaturperiode darf zwar<br />

höchstens 5 Jahre dauern, <strong>der</strong> genaue Zeitpunkt für Neuwahlen ist allerd<strong>in</strong>gs nicht gesetzlich<br />

festgelegt. Der Term<strong>in</strong> wird für gewöhnlich von <strong>der</strong> Regierung bestimmt, wobei <strong>der</strong> Premierm<strong>in</strong>ister<br />

dem Monarchen die Auflösung des Parlaments o<strong>der</strong> die Ausschreibung von Neuwahlen<br />

vorschlägt.<br />

Gewählt wird nach allgeme<strong>in</strong>em, gleichem und direkten Wahlrecht. Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> königlichen<br />

Familie s<strong>in</strong>d ebenfalls wahlberechtigt. Je<strong>der</strong> Wähler hat e<strong>in</strong>e Stimme für e<strong>in</strong>en Kandidaten <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>em Wahlkreis. Es gilt das System <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Mehrheitswahl <strong>in</strong> E<strong>in</strong>serwahlkreisen (<strong>in</strong>sgesamt<br />

646) Die Größe <strong>der</strong> Wahlkreise liegt zwischen 22.141 (Western Isles) und 103.480<br />

(Isle of Wight) Wahlberechtigten. Derjenige Politiker, <strong>der</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Wahlkreis die relative<br />

Mehrheit <strong>der</strong> Stimmen für sich gew<strong>in</strong>nt, zieht <strong>in</strong>s Parlament e<strong>in</strong>. Alle übrigen Stimmen<br />

verfallen. E<strong>in</strong> Kandidat kann <strong>in</strong> mehreren Wahlkreisen antreten; für <strong>den</strong> Fall, dass er auch <strong>in</strong><br />

mehreren Wahlkreisen gew<strong>in</strong>nt, muss er sich <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Woche für <strong>den</strong> Wahlkreis, <strong>den</strong> er<br />

repräsentieren will, entschei<strong>den</strong>.<br />

Das britische Wahlsystem hat <strong>den</strong> Vorteil, dass klare Mehrheiten geschaffen wer<strong>den</strong> und <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Regel ke<strong>in</strong>e M<strong>in</strong><strong>der</strong>heits- o<strong>der</strong> Koalitionsregierungen zustande kommen. Allerd<strong>in</strong>gs entspricht<br />

die Anzahl <strong>der</strong> Parlamentssitze e<strong>in</strong>er Partei <strong>in</strong> <strong>den</strong> seltensten Fällen ihrem tatsächlichen<br />

Stimmenanteil. Dieses Phänomen zeigte sich auch beim Wahlsieg <strong>der</strong> Labour-Party im<br />

Jahr 1997: mit nur 43,3% <strong>der</strong> Wählerstimmen erhielt sie 63,6% <strong>der</strong> Sitze im Unterhaus. Noch<br />

paradoxer ersche<strong>in</strong>t die Mandatsausbeute <strong>der</strong> Liberal-Demokraten, die bei ger<strong>in</strong>gerem Wähleranteil<br />

ihre Mandate verdoppeln konnten.<br />

Gelegentlich kommt es sogar zu geradezu grotesken Verzerrungen des WählerInnenwillens:<br />

1983 etwa erhielt die liberale Alliance mit 25,4% <strong>der</strong> Stimmen nur 23 Sitze (= 3,5%), während<br />

auf Labour mit 27,6% <strong>der</strong> Stimmen 209 Sitze (= 32%) entfielen. Selbst e<strong>in</strong>e Mehrheitsumkehr<br />

ist möglich: 1951 errangen die Konservativen die absolute Mehrheit, obwohl Labour mehr<br />

Stimmen erhalten hatte. Und bei <strong>den</strong> Wahlen des Jahres 1974 erzielten die Konservativen<br />

zwar die Stimmenmehrheit, doch schaffte Labour diesmal die absolute Mandatsmehrheit.<br />

Großbritannien ist das Paradebeispiel für die relative Mehrheitswahl. Allerd<strong>in</strong>gs mehren sich <strong>in</strong><br />

letzter Zeit die kritischen Stimmen. Im Abschlussbericht <strong>der</strong> Roy Jenk<strong>in</strong>s-Commission (1998)<br />

zur Reform des britischen Wahlrechts heißt es, dass durch e<strong>in</strong> neues Wahlsystem e<strong>in</strong>e weitgehende<br />

Proportionalität herzustellen und die Wahlmöglichkeiten <strong>der</strong> WählerInnen zu erweitern<br />

seien; gleichzeitig aber müsse die bisherige Regierungsstabilität gesichert und die persönliche<br />

Verb<strong>in</strong>dung zwischen <strong>den</strong> Abgeordneten und ihren Wahlkreisen aufrecht erhalten bleiben.<br />

Das Ergebnis e<strong>in</strong>er solchen Reform wäre e<strong>in</strong> Mixed System, bei dem e<strong>in</strong>erseits die Wahl <strong>in</strong><br />

E<strong>in</strong>serwahlkreisen beibehalten, an<strong>der</strong>erseits aber zusätzliche Großwahlkreise geschaffen wür<strong>den</strong>,<br />

die e<strong>in</strong>en (gewissen) proportionalen Ausgleich ermöglichen. 85% aller Sitze im House of<br />

Commons: sollten demnach weiterh<strong>in</strong> nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt, und <strong>der</strong> Rest<br />

nach dem Proporzsystem auf die Parteien verteilt wer<strong>den</strong>.<br />

E<strong>in</strong>e langsame Aufweichung des traditionellen britischen Mehrheitswahlsystems ergibt sich<br />

auch durch die Regionalwahlsysteme. Sowohl bei <strong>den</strong> Wahlen zur Walisischen Versammlung<br />

als auch zum Schottischen Parlament wur<strong>den</strong> 1999 erstmals Verhältniswahlsysteme angewendet.<br />

b) Das Oberhaus (House of Lords)<br />

Im Zuge <strong>der</strong> Reform des Oberhauses durch die Regierung Blair wur<strong>den</strong> über fünf Sechstel <strong>der</strong><br />

Erblords abgeschafft. In <strong>der</strong> jetzigen Übergangsphase hat das House of Lords noch 711 Mitglie<strong>der</strong><br />

– außer 92 Erbadeligen, die ihre Sitze nach <strong>der</strong> jüngsten Reform nicht mehr weitervererben<br />

dürfen, v.a. sogenannte life peers, verdiente ehemalige PolitikerInnen, KünstlerInnen,<br />

WissenschaftlerInnen etc., die auf Vorschlag <strong>der</strong> Regierung auf Lebenszeit ernannt wer<strong>den</strong>.<br />

Das Oberhaus hat e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>jähriges aufschiebendes Vetorecht gegen bestimmte Gesetzesentwürfe;<br />

12 se<strong>in</strong>er Mitglie<strong>der</strong> (Law Lords) bil<strong>den</strong> das Oberste Gericht. Der Sprecher des Oberhauses<br />

(Lord Chancellor) nimmt zugleich die Funktion des Justizm<strong>in</strong>isters wahr (ohne Strafrecht,<br />

welches beim Innenm<strong>in</strong>ister ressortiert). Er ist außerdem e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Law Lords und gehört<br />

somit gleichzeitig <strong>der</strong> Exekutive, <strong>der</strong> Legislative und <strong>der</strong> Judikative an!


2.9.8. Die Regionalparlamente – Devolution für Schottland, Wales und Nordirland<br />

a) Das Schottische Parlament<br />

Im 1998 verabschiedeten Scotland Act ist die E<strong>in</strong>setzung e<strong>in</strong>es schottischen Parlaments und<br />

e<strong>in</strong>er Exekutive vorgesehen. Dem Gesetz war im Jahre 1997 e<strong>in</strong>e Volksabstimmung über die<br />

Vorschläge <strong>der</strong> Regierung Blair vorausgegangen, Teile <strong>der</strong> zentralen Regierungsgewalt an<br />

Schottland zu übertragen. 1.775.045 Schotten (74,3%) stimmten für die Autonomiepläne <strong>der</strong><br />

Regierung, 614.400 (25,7%) dagegen.<br />

Bei <strong>den</strong> ersten Wahlen zum Schottischen Parlament und zur Walisischen Versammlung<br />

(Assembly) am 6.6.1999 belegten die Scottish National Party (SNP) und die walisische Nationalpartei<br />

Plaid Cymru jeweils <strong>den</strong> zweiten Platz nach <strong>der</strong> Labour Party. Bei <strong>den</strong> Wahlen im Mai<br />

2007 errang die SNP, die für e<strong>in</strong>e Abspaltung Schottlands vom Vere<strong>in</strong>igten Königreich<br />

e<strong>in</strong>tritt, mit 47 Sitzen erstmals die Mehrheit im Regionalparlament (Labour 46).<br />

Die dem Schottischen Parlament übertragenen Verantwortungsbereiche be<strong>in</strong>halten: Gesundheitswesen,<br />

Bildung und Ausbildung, Kommunalverwaltung, Wohnungswesen, wirtschaftliche<br />

Entwicklung, <strong>in</strong>nere Angelegenheiten, zahlreiche Aspekte des Zivil- und des Strafrechts, Verkehrswesen,<br />

Umwelt, Landwirtschaft, Fischerei- und Forstwesen, Sport und Kunst. Auf diesen<br />

Gebieten kann das Schottische Parlament bestehende Gesetze verän<strong>der</strong>n, aufheben o<strong>der</strong><br />

neue Gesetze erlassen.<br />

Bei <strong>den</strong> Regionalwahlen <strong>in</strong> Schottland und Wales gilt seit 1999 e<strong>in</strong> gemischtes Verfahren, das<br />

jenem bei <strong>den</strong> deutschen Bundestagswahlen ähnlich ist und <strong>in</strong> Großbritannien additional member<br />

system genannt wird. Die WählerInnen haben zwei Stimmen; mit <strong>der</strong> ersten wählen sie<br />

<strong>den</strong> Abgeordneten ihres E<strong>in</strong>serwahlkreises nach e<strong>in</strong>facher Mehrheit (wie bei <strong>den</strong> Unterhauswahlen),<br />

mit <strong>der</strong> zweiten wählen sie e<strong>in</strong>e Liste <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em größeren Wahlbezirk.<br />

Unter Berücksichtigung <strong>der</strong> von <strong>den</strong> Parteien mit Erststimmen gewonnenen Direktmandate<br />

wer<strong>den</strong> die Listenmandate auf Grund <strong>der</strong> Zweitstimmen ausgleichend-proportional auf die<br />

wahlwerben<strong>den</strong> Parteien verteilt. Dadurch können Parteien, die zwar viele Stimmenprozente<br />

erreichen, aber nur wenige Direktmandate erhalten haben, etwas an Bo<strong>den</strong> gutmachen.<br />

Das Schottische Parlament setzt sich aus 129 für 4 Jahre gewählten Abgeordneten zusammen.<br />

73 von ihnen wer<strong>den</strong> <strong>in</strong> E<strong>in</strong>serwahlkreisen direkt gewählt. Die übrigen 56 Sitze wer<strong>den</strong><br />

auf Grund <strong>der</strong> Listenstimmen nach dem Verhältniswahlrecht verteilt.<br />

Die Regionalregierung Schottlands (Scottish Executive) mit Sitz <strong>in</strong> Ed<strong>in</strong>burgh wird von e<strong>in</strong>em<br />

First M<strong>in</strong>ister geleitet. Sie ist verantwortlich für alle Behör<strong>den</strong> und öffentlichen Institutionen,<br />

<strong>der</strong>en Funktionen und Dienste von London nach Ed<strong>in</strong>burgh übertragen wur<strong>den</strong>, und dem<br />

Schottischen Parlament hierfür rechenschaftspflichtig.<br />

b) Die Walisische Nationalversammlung<br />

Die Regierungsvorschläge für e<strong>in</strong>e walisische Autonomie erhielten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Volksabstimmung<br />

im Jahre 1997 die Unterstützung von 559.419 WaliserInnen (50,3%); 552.698 (49,7%) waren<br />

dagegen. Die Walisische Versammlung besteht aus 60 Abgeordneten, von <strong>den</strong>en 40 nach<br />

dem Mehrheitspr<strong>in</strong>zip <strong>in</strong> E<strong>in</strong>serwahlkreisen und die restlichen 20 über regionale Listen nach<br />

dem Verhältniswahlrecht gewählt wer<strong>den</strong>.<br />

Am 1.7.1999 übernahm die Walisische Versammlung praktisch alle Funktionen, die zuvor <strong>der</strong><br />

M<strong>in</strong>ister für Wales <strong>in</strong>nehatte. Die National Assembly for Wales mit Sitz <strong>in</strong> Cardiff besitzt allerd<strong>in</strong>gs<br />

ke<strong>in</strong>e primäre Gesetzgebungsbefugnis; sie ist für Wirtschaftsentwicklung, Landwirtschaft,<br />

Bildung, Wohnungswesen, sowie Industrie und Kommunalverwaltung zuständig. Die Verantwortung<br />

für auswärtige Angelegenheiten, Verteidigung, Besteuerung, Wirtschaftspolitik, Sozialwesen<br />

sowie Rundfunk und Fernsehen liegt weiterh<strong>in</strong> bei <strong>der</strong> Zentralregierung <strong>in</strong> London. E<strong>in</strong><br />

Präsi<strong>den</strong>t (Lea<strong>der</strong>) führt <strong>den</strong> Vorsitz im Exekutivausschuss, dessen Mitglie<strong>der</strong> nicht <strong>den</strong> Titel<br />

von M<strong>in</strong>istern tragen dürfen.<br />

c) Die Nordirische Versammlung<br />

Die Mehrparteiengespräche <strong>in</strong> Belfast endeten im April 1998 mit <strong>der</strong> als „Karfreitagsabkommen"<br />

bekannt gewor<strong>den</strong>en Übere<strong>in</strong>kunft. In London wurde daraufh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Gesetz verabschie-


det, das e<strong>in</strong> Referendum sowie Wahlen für e<strong>in</strong>e Nordirische Versammlung zuließ. Im Mai 1998<br />

fand <strong>in</strong> bei<strong>den</strong> Teilen Irlands e<strong>in</strong> Referendum statt, <strong>in</strong> dem das Abkommen e<strong>in</strong>e klare Unterstützung<br />

erhielt. Nordirland stimmte mit 71.1% dafür und 28.8% dagegen; das Ergebnis <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Irischen Republik lautete 94,3% pro und 5,6% kontra.<br />

Im Juni 1998 wurde e<strong>in</strong>e Nordirische Versammlung gewählt, die im Monat darauf zum ersten<br />

Mal zusammentrat. Im Juli 1998 wur<strong>den</strong> im britischen Unterhaus die Gesetzesvorlagen für<br />

e<strong>in</strong>e Autonomie Nordirlands und die offizielle Übergabe <strong>der</strong> Verwaltung e<strong>in</strong>gebracht, die im<br />

November des gleichen Jahres durch königliche Zustimmung <strong>in</strong> Kraft traten.<br />

Nachdem die Nordirische Versammlung wegen mangeln<strong>der</strong> Fortschritte bei <strong>der</strong> vollständigen<br />

Entwaffnung <strong>der</strong> IRA mehrere Jahre lang suspendiert war, kam es nach <strong>der</strong> Parlamentswahl<br />

vom 7. März 2007, bei <strong>der</strong> die protestantische <strong>Union</strong>isten-Partei (DUP) mit 36 von 108 Sitzen<br />

als stärkste, die katholische S<strong>in</strong>n Fe<strong>in</strong> mit 28 Sitzen als zweitstärkste Kraft hervorgegangen<br />

war, zu e<strong>in</strong>em historischen Kompromiss. Der Vorsitzende <strong>der</strong> DUP, Ian Paisley, wurde neuer<br />

Regierungschef, <strong>der</strong> frühere Kämpfer <strong>der</strong> irischen Untergrundbewegung IRA, Mart<strong>in</strong><br />

McGu<strong>in</strong>ness, se<strong>in</strong> Stellvertreter. Die DUP stellt <strong>in</strong> <strong>der</strong> neuen Regierung vier M<strong>in</strong>ister, die<br />

S<strong>in</strong>n Fe<strong>in</strong> drei, die gemäßigte Protestanten-Partei UUP zwei und die gemäßigte katholische<br />

Mitte-L<strong>in</strong>ks-Partei SDLP e<strong>in</strong>en M<strong>in</strong>ister.<br />

Die Nordirische Versammlung setzt sich aus 108 Mitglie<strong>der</strong>n zusammen. Ihr Exekutivausschuss<br />

besteht aus e<strong>in</strong>em Ersten M<strong>in</strong>ister, se<strong>in</strong>em Stellvertreter und 10 weiteren M<strong>in</strong>istern. In<br />

Nordirland gilt – so wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Republik Irland – das s<strong>in</strong>gle-transferable-vote-system. Dadurch<br />

sollte e<strong>in</strong> gerechteres und repräsentativeres Wahlsystem geschaffen wer<strong>den</strong>, welches beide<br />

Konfessionsgruppen gleichermaßen berücksichtigt, und nicht wie im Mehrheitswahlsystem die<br />

zahlenmäßig unterlegene katholische Bevölkerungsgruppe krass benachteiligt.<br />

d) England<br />

Im Gegensatz zu Schottland, Wales und Nordirland besitzt England ke<strong>in</strong> regionales Parlament<br />

und auch ke<strong>in</strong> M<strong>in</strong>isterium mit Verantwortlichkeit für se<strong>in</strong>e zentrale Verwaltung. Die Angelegenheiten<br />

Englands fallen unter die Verantwortlichkeit <strong>der</strong> M<strong>in</strong>isterien <strong>der</strong> Zentralregierung <strong>in</strong><br />

London.<br />

2.9.9. Zwischenebene und lokale Ebene<br />

Die britische Zentralregierung möchte <strong>den</strong> Regionen Englands da, wo e<strong>in</strong> entsprechen<strong>der</strong><br />

Bedarf besteht, Regionalverwaltungen mit höherer Rechenschaftspflicht geben. Dazu s<strong>in</strong>d als<br />

erster Schritt 9 Regionale Entwicklungsagenturen (Regional Development Agencies, RDAs)<br />

gegründet wor<strong>den</strong>: East, East Midlands, London, North East, North West and Merseyside,<br />

South East, South West, West Midlands, Yorkshire and the Humber. Sie wer<strong>den</strong> von <strong>der</strong><br />

Regierung ernannt und ihre Tätigkeiten wer<strong>den</strong> von Regionalkammern (regional chambers)<br />

überwacht, <strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong> von <strong>den</strong> lokalen Gebietskörperschaften ernannt wer<strong>den</strong>.<br />

Die Kommunalverwaltung besteht im größten Teil Englands aus zwei getrennten Verwaltungsebenen:<br />

Die Grafschaften (counties) mit <strong>den</strong> Grafschaftsräten (county councils) bil<strong>den</strong> die<br />

obere, die Bezirke (districts) mit <strong>den</strong> Bezirksräten (district councils) die untere Verwaltungsebene.<br />

In e<strong>in</strong>igen Gebieten – <strong>den</strong> Metropolitan Counties o<strong>der</strong> Metropolitan-Grafschaften –<br />

f<strong>in</strong>det sich nur e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Verwaltungsebene.<br />

Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> 34 Grafschaftsräte (county councils) und <strong>der</strong> 238 Bezirksräte (district councils)<br />

wer<strong>den</strong> nach dem relativen Mehrheitswahlrecht gewählt.<br />

Seit dem Jahr 2000 wer<strong>den</strong> auch <strong>der</strong> für Großlondon e<strong>in</strong>schließlich <strong>der</strong> City of London zuständige<br />

Bürgermeister (mayor) und die 25-köpfige Stadtversammlung (assembly) <strong>der</strong> Greater<br />

London Authority <strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>en direkten Wahlen gewählt. Das Stadtparlament ist für ganz<br />

London betreffende Fragen zuständig, wie zum Beispiel Verkehrswesen, Wirtschaftsentwicklung,<br />

Umweltschutz, strategische Planung, Polizei und Feuerwehr.<br />

Die Metropolitan-Grafschaft von Großlondon besteht aus 32 Stadtbezirken – <strong>den</strong> London<br />

Boroughs – sowie <strong>der</strong> City of London, dem historischen Kern <strong>der</strong> Stadt und Zentrum se<strong>in</strong>er<br />

F<strong>in</strong>anzwirtschaft. Je<strong>der</strong> Stadtbezirk (borough) besitzt e<strong>in</strong>en gewählten Rat (council), <strong>der</strong> für die<br />

örtliche Verwaltung se<strong>in</strong>es Bezirks zuständig ist.


2.10. Irland<br />

Offizieller Name: Éire (irisch); Ireland (englisch).<br />

Bevölkerung: 3,7 Mio.<br />

Staatsform: Parlamentarisch-demokratische Republik.<br />

2.10.1. Verfassung<br />

Die Verfassung von 1937 garantiert die Menschenrechte und glie<strong>der</strong>t sich <strong>in</strong> fünf Hauptfel<strong>der</strong>:<br />

Persönliche Rechte, Familie, Bildung, Privateigentum und Religion.<br />

2.10.2. EU-Beitritt<br />

Irland trat <strong>den</strong> <strong>Europäischen</strong> Geme<strong>in</strong>schaften (EGKS, EWG, Euratom) im Jahr 1973 bei.<br />

2.10.3. Staatsaufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

Die Republik Irland ist e<strong>in</strong> sehr zentralisierter Staat mit nur 2 Verwaltungsebenen. Die 8 Regionalautoritäten<br />

wer<strong>den</strong> von Grafschaftsdelegierten gebildet.<br />

2.10.4. Wahlrecht<br />

Aktives Wahlrecht für alle Iren und Briten ab dem 18. Lebensjahr. Passives Wahlrecht für irische<br />

StaatsbürgerInnen ab dem 21. Lebensjahr (für Präsi<strong>den</strong>tschaftskandidatInnen: 35)<br />

2.10.5. Das Staatsoberhaupt<br />

Das Staatsoberhaupt wird vom Volk für e<strong>in</strong>e Amtsdauer von 7 Jahren gewählt; e<strong>in</strong>e<br />

Wie<strong>der</strong>wahl ist möglich. Im Oktober 2011 wurde <strong>der</strong> 70-jährige Dichter und frühere<br />

Kulturm<strong>in</strong>ister Michael D. Higg<strong>in</strong>s zum neuen Präsi<strong>den</strong>ten gewählt. Nach 21 Jahren steht<br />

damit erstmals wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Mann an <strong>der</strong> Spitze des irischen Staates.<br />

Die Aufgaben des Staatsoberhauptes s<strong>in</strong>d hauptsächlich zeremonieller und symbolischer<br />

Natur und er<strong>in</strong>nern an die des deutschen Bundespräsi<strong>den</strong>ten. Der Präsi<strong>den</strong>t ernennt auf Vorschlag<br />

des Abgeordnetenhauses (Dáil Éireann) die Regierung (Taoiseach). Er ist befugt, das<br />

Parlament aufzulösen und muss alle Gesetzte unterzeichnen, bevor sie <strong>in</strong> Kraft treten können.<br />

Beratendes Gremium des Staatsoberhauptes ist <strong>der</strong> Council of State, e<strong>in</strong> aus verdienten BürgerInnen<br />

gebildeter Rat.<br />

2.10.6. Die Regierung<br />

Der irische Premierm<strong>in</strong>ister wird von <strong>der</strong> Mehrheit des Abgeordnetenhauses gewählt. Die<br />

Regierung hat das alle<strong>in</strong>ige Recht zur Ausübung <strong>der</strong> Exekutive <strong>in</strong>ne. Damit kann sie die<br />

politischen Themen wesentlich bestimmen und ihr Gesetzesprogramm durchführen. Verantwortlich<br />

ist sie dem Abgeordnetenhaus.<br />

In <strong>der</strong> irischen Innenpolitik spielen traditionell zwei große Volksparteien e<strong>in</strong>e führende Rolle:<br />

die Fianna Fáil (national, republikanisch, konservativ; Parteichef ist Premierm<strong>in</strong>ister Bertie<br />

Ahern) und F<strong>in</strong>e Gael (liberal-konservativ; Parteichef ist Enda Kenny). Die Gegensätze<br />

dieser bei<strong>den</strong> bürgerlichen Parteien s<strong>in</strong>d historisch bed<strong>in</strong>gt und wirken bis heute fort. Nach<br />

Erreichen <strong>der</strong> Unabhängigkeit stritten sie sich von 1921 bis 1923 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em blutigen Bürgerkrieg<br />

über die Annahme (F<strong>in</strong>e Gael) o<strong>der</strong> die Ablehnung (Fianna Fáil) <strong>der</strong> Unabhängigkeitsverträge.<br />

Im Zuge <strong>der</strong> schweren Wirtschaftskrise erlitt die seit langem regierende Fianna Fáil bei <strong>den</strong><br />

vorgezogenen Neuwahlen im Februar 2011 e<strong>in</strong>e vernichtende Nie<strong>der</strong>lage (18%). Wahlsieger<br />

ist die alte Rival<strong>in</strong> F<strong>in</strong>e Gael unter Enda Kenny, die allerd<strong>in</strong>gs auf die Unterstützung <strong>der</strong><br />

erstarkten Labour Party angewiesen se<strong>in</strong> wird.<br />

2.10.7. Das Parlament<br />

Das irische Parlament besteht aus zwei Kammern, dem Abgeordnetenhaus mit 166 Volksvertretern<br />

und dem Senat mit 60 Senatoren.


a) Das Abgeordnetenhaus (Dáil Éireann)<br />

Die Wahl zum Abgeordnetenhaus erfolgt alle 5 Jahre nach dem Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> übertragbaren<br />

E<strong>in</strong>zelstimmgebung (s<strong>in</strong>gle transferable vote, STV), e<strong>in</strong>er listenlosen Verhältniswahl <strong>in</strong> 41<br />

kle<strong>in</strong>en Wahlkreisen (je nach Bevölkerungsgröße 3–5 Sitze). Mit diesem proportionalen<br />

Personenwahlverfahren soll das Problem <strong>der</strong> „unwirksamen Stimmen“ bei <strong>der</strong> re<strong>in</strong>en<br />

Mehrheitswahl behoben und e<strong>in</strong>e bessere Repräsentation aller abgegebenen Stimmen<br />

erreicht wer<strong>den</strong>.<br />

Auf dem Stimmzettel wer<strong>den</strong> die BewerberInnen alphabetisch geordnet vermerkt. Der Wähler<br />

verteilt se<strong>in</strong>e Präferenzen, d.h. beim Namen se<strong>in</strong>es bevorzugten Kandidaten vermerkt er e<strong>in</strong>e<br />

E<strong>in</strong>s. Se<strong>in</strong> Kandidat zweiter Wahl bekommt e<strong>in</strong>e Zwei usw.; es können maximal so viele Präferenzen<br />

vergeben wer<strong>den</strong>, als KandidatInnen auf dem Stimmzettel vermerkt s<strong>in</strong>d. Bei <strong>der</strong><br />

Auszählung wer<strong>den</strong> die Stimmen nach <strong>der</strong> Erstpräferenz sortiert und es wird e<strong>in</strong>e Wahlzahl<br />

(Droop Quota) berechnet (abgegebene gültige Stimmen / (Anzahl <strong>der</strong> Sitze + 1) +1).<br />

Der Kandidat, <strong>der</strong> diese Wahlzahl als Präferenz 1 erreicht hat, ist gewählt. Die überzähligen<br />

Stimmen wer<strong>den</strong> nun auf die an<strong>der</strong>en KandidatInnen verteilt, und zwar <strong>in</strong> <strong>der</strong> zweiten Präferenz.<br />

Dazu wer<strong>den</strong> sämtliche Zweitpräferenzen ausgezählt und <strong>in</strong> <strong>den</strong> Überschussbereich<br />

nach <strong>der</strong> Formel: Übertrag = (Anzahl <strong>der</strong> Präferenzstimmen x Überschuss) / Anzahl übertragbarer<br />

Stimmen heruntergerechnet. Ist <strong>der</strong> letzte <strong>der</strong> Kandidaten abgeschlagen, wer<strong>den</strong> zuerst<br />

dessen Stimmen verteilt. So wird weiter verfahren, bis alle Mandate vergeben s<strong>in</strong>d.<br />

b) Der Senat (Seanad)<br />

Die Funktion des irischen Senats liegt <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesetzgebung. Der Senat kann<br />

Gesetzesvorlagen an das Abgeordnetenhaus zurückverweisen o<strong>der</strong> ihre Abän<strong>der</strong>ung verlangen;<br />

allerd<strong>in</strong>gs kann e<strong>in</strong>e Ablehnung des Senats vom Abgeordnetenhaus überstimmt wer<strong>den</strong>.<br />

Der irische Senat besteht aus 60 Abgeordneten, von <strong>den</strong>en 11 durch <strong>den</strong> Premierm<strong>in</strong>ister berufen<br />

und 49 <strong>in</strong>direkt gewählt wer<strong>den</strong>; 6 davon aus dem Kreis <strong>der</strong> UniversitätsabsolventInnen,<br />

die restlichen 43 aus <strong>den</strong> VertreterInnen von 5 verschie<strong>den</strong>en Berufssparten. Wahlberechtigt<br />

s<strong>in</strong>d etwa 900 Personen (Mitglie<strong>der</strong> des Abgeordnetenhauses, SenatorInnen, Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Grafschafts- und Stadträte).<br />

2.10.8. Die Kommunen<br />

Mit dem Local Government Act 2001 wur<strong>den</strong> die kommunalen Verwaltungse<strong>in</strong>heiten Irlands<br />

umbenannt und reformiert. Man unterscheidet nun zwischen Grafschaftsräten (County Councils)<br />

und Stadträten (City Councils). Insgesamt gibt es 29 Grafschaftsräte mit 753 Mitglie<strong>der</strong>n<br />

und 5 Stadträte (Cork City Council mit 31, Dubl<strong>in</strong> City Council mit 52, Galway City Council mit<br />

15, Limerick City Council mit 17 und Waterford City Council mit 15 Mitglie<strong>der</strong>n). Die Anzahl <strong>der</strong><br />

zu wählen<strong>den</strong> Abgeordneten richtet sich nach <strong>der</strong> Bevölkerungsgröße.<br />

Auf <strong>der</strong> darunterliegen<strong>den</strong> Ebene gibt es 5 Borough Councils und 75 Town Councils. Kommunalwahlen<br />

f<strong>in</strong><strong>den</strong> alle 5 Jahre ebenfalls nach dem S<strong>in</strong>gle Transferable Vote-System statt. Ab<br />

2004 sollen auch die Vorsitzen<strong>den</strong> (Cathaoirlaigh) <strong>der</strong> Grafschafts- o<strong>der</strong> Stadträte direkt gewählt<br />

wer<strong>den</strong>.<br />

2.11. Italien<br />

Offizieller Name: Repubblica Italiana.<br />

Bevölkerung: 57,3 Mio.<br />

Staatsform: Parlamentarische Republik.<br />

2.11.1. Die Verfassung<br />

Seit 1946 ist Italien e<strong>in</strong>e Republik und seit dem 1.1.1948 ist auch die dazugehörige demokratische<br />

Verfassung <strong>in</strong> Kraft. Über sie wacht e<strong>in</strong> fünfzehnköpfiges Verfassungsgericht. Die Verfassung<br />

und auch das Wahlsystem Italiens s<strong>in</strong>d so angelegt, dass die Macht eher zersplittert<br />

als konzentriert wird. So ist <strong>der</strong> Staat mit Institutionen ausgestattet, <strong>der</strong>en Autorität schwach


und <strong>der</strong>en Kompetenzbereiche oft so undeutlich formuliert s<strong>in</strong>d, dass ke<strong>in</strong>e klaren Machtzentren<br />

entstehen können. Dies führte dazu, dass sich <strong>in</strong> <strong>den</strong> Nachkriegsjahrzehnten e<strong>in</strong>e beispiellose<br />

Parteienherrschaft etablieren konnte, die das <strong>in</strong>nerstaatliche Machtvakuum für ihre<br />

eigenen Interessen zu nutzen verstand.<br />

2.11.2. EU-Beitritt<br />

Italien ist Gründungsmitglied <strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> Geme<strong>in</strong>schaft für Kohle und Stahl (EGKS,<br />

1951), <strong>der</strong> Vorläuferorganisation <strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>.<br />

2.11.3. Staatsaufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

Italien ist <strong>in</strong> 20 Regionen (regioni) geglie<strong>der</strong>t, die über erhebliche Befugnisse verfügen, so dass<br />

man von e<strong>in</strong>em recht hohen Grad <strong>der</strong> Dezentralisierung sprechen kann. 15 Regionen (Abruzzi,<br />

Basilicata, Calabria, Campania, Emilia-Romagna, Lazio, Liguria, Lombardia, Marche, Molise,<br />

Piemonte, Puglia, Toscana, Umbria, Veneto) besitzen e<strong>in</strong>en normalen Status, d. h. sie s<strong>in</strong>d für<br />

Polizei, Gesundheitswesen, Museen, Verkehrsfragen, Stadtplanung usw. zuständig. 5 Regionen<br />

(Friuli-Venezia Giulia, Sicilia, Sardegna, Trent<strong>in</strong>o-Alto Adige, Valle d'Aosta) genießen h<strong>in</strong>gegen<br />

e<strong>in</strong>en Son<strong>der</strong>status, <strong>der</strong> ihnen weitreichende Kompetenzen, beispielsweise <strong>in</strong> kulturellen<br />

Fragen, zuweist. Auch wenn es sich bei Italien nicht um e<strong>in</strong>en Bundesstaat handelt, so<br />

besitzen die Regionen <strong>den</strong>noch e<strong>in</strong> ausgeprägtes Eigenprofil und e<strong>in</strong> hohes Maß an Eigenverantwortung.<br />

Weiters ist das Land <strong>in</strong> 103 Prov<strong>in</strong>zen (prov<strong>in</strong>cia) und 8.102 Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> (commune) geglie<strong>der</strong>t.<br />

Die Prov<strong>in</strong>zen haben e<strong>in</strong>geschränktere Vollmachten als die Regionen, da sie bloß Verwaltungsfunktionen<br />

ausüben (nur die Prov<strong>in</strong>zen Trient und Bozen besitzen Gesetzgebungsvollmachten<br />

für bestimmte Angelegenheiten).<br />

2.11.4. Wahlrecht<br />

Aktives Wahlrecht ab 18 Jahren (außer bei Senatswahlen: 25); passives Wahlrecht ab 25<br />

Jahren (außer bei Senatswahlen: 40).<br />

2.11.5. Das Staatsoberhaupt<br />

Das Staatsoberhaupt ist <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t, <strong>der</strong> alle 7 Jahre durch e<strong>in</strong> Wahlmännerkollegium gewählt<br />

wird, das aus <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> Kammern des Parlaments und 58 Vertretern <strong>der</strong> Regionen<br />

besteht. Der italienische Präsi<strong>den</strong>t hat das Recht, das Parlament aufzulösen. Er ernennt <strong>den</strong><br />

M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten und auf dessen Vorschlag die M<strong>in</strong>ister.<br />

Auch wenn das Gros se<strong>in</strong>er Aufgaben repräsentativ ist, ist <strong>der</strong> italienische Präsi<strong>den</strong>t doch<br />

stärker <strong>in</strong> <strong>den</strong> politischen Prozess e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong> als etwa se<strong>in</strong> deutscher Amtskollege. Bei <strong>der</strong><br />

Regierungsbildung kommt ihm die – angesichts von Parteienvielfalt und unklaren Mehrheitsverhältnissen<br />

– häufig delikate Aufgabe zu, <strong>den</strong> „richtigen“ Kandidaten als designierten M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten<br />

mit <strong>der</strong> Aufgabe <strong>der</strong> Regierungsbildung zu betrauen.<br />

Scheitert die Regierung, so ist es an ihm, über e<strong>in</strong>e Auflösung des Parlaments und damit auch<br />

über Neuwahlen zu entschei<strong>den</strong>. Der Präsi<strong>den</strong>t kann gegen e<strong>in</strong>e Entscheidung des Parlaments<br />

se<strong>in</strong> Veto e<strong>in</strong>legen.<br />

Im Mai 2006 wurde <strong>der</strong> 81jährige Exkommunist Giorgio Napolitano zum neuen Präsi<strong>den</strong>ten<br />

gewählt.<br />

2.11.6. Die Regierung<br />

Aus <strong>den</strong> historischen Erfahrungen mit dem Faschismus ist die italienische Regierung – und<br />

ebenso <strong>der</strong> ihr vorstehende M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t (Presi<strong>den</strong>te del Consiglio dei M<strong>in</strong>istri) – von <strong>der</strong><br />

Verfassung mit relativ wenig Autorität ausgestattet. Im Kab<strong>in</strong>ett ist dem M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten<br />

eher die Rolle e<strong>in</strong>es primus <strong>in</strong>ter pares zugedacht, als dass er mit klarer Richtl<strong>in</strong>ienkompetenz<br />

ausgestattet wäre. Allerd<strong>in</strong>gs hat sich se<strong>in</strong>e Stellung <strong>in</strong> <strong>der</strong> politischen Praxis <strong>der</strong> letzten Jahre<br />

gefestigt; damit s<strong>in</strong>d auch die italienischen Regierungen langlebiger gewor<strong>den</strong>.


Bei <strong>den</strong> Wahlen im April 2006 erzielte das Mitte-L<strong>in</strong>ks-Bündnis unter Führung von Romano<br />

Prodi e<strong>in</strong>en hauchdünnen Sieg. Die neue Koalitionsregierung hielt allerd<strong>in</strong>gs nur knappe zwei<br />

Jahre. Bei <strong>den</strong> vorgezogenen Neuwahlen 2008 gelang dem rechten Parteienbündnis e<strong>in</strong><br />

deutlicher Sieg und Silvio Berlusconi e<strong>in</strong>e nochmalige Rückkehr <strong>in</strong>s Amt des<br />

M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten. Nach e<strong>in</strong>er Serie von Skandalen musste Berlusconi im Herbst 2011<br />

aufgrund <strong>der</strong> dramatisch verschlechterten F<strong>in</strong>anzlage des Landes zurücktreten.<br />

Neuer M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t e<strong>in</strong>er Übergangsregierung wurde <strong>der</strong> parteilose Wirtschaftswissenschaftler<br />

Mario Monti, früherer EU-Kommissar für <strong>den</strong> B<strong>in</strong>nenmarkt bzw. für<br />

Wettbewerb.<br />

2.11.7. Das Parlament<br />

Italien besitzt e<strong>in</strong> Zweikammersystem mit zwei fast völlig gleichberechtigten Parlamentshäusern,<br />

dem Abgeordnetenhaus (Camera dei Deputati, 630 Abgeordnete) und dem Senat<br />

(Senato della Repubblica, 315 Mitglie<strong>der</strong>). Sowohl bei <strong>der</strong> Gesetzgebung als auch bei <strong>der</strong><br />

Regierungskontrolle haben beide Kammern i<strong>den</strong>tische Kompetenzen – e<strong>in</strong>e merkwürdige Parlamentsverdopplung,<br />

die mangels Akzentsetzung mehr zu Redundanz und Prozessverlängerung<br />

als zu Ergänzung o<strong>der</strong> auch Oppositionsbildung (wie z.B. beim deutschen Bundestag und<br />

Bundesrat) führt.<br />

Die Kontrollfunktion des Parlaments über die Regierung ist <strong>in</strong> Italien beson<strong>der</strong>s stark ausgeprägt.<br />

Dabei wird oft als Mangel angesehen, dass e<strong>in</strong> Misstrauensvotum gegen die Regierung<br />

nicht, wie etwa <strong>in</strong> Deutschland o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Belgien, konstruktiv mit e<strong>in</strong>em Neuvorschlag verknüpft<br />

se<strong>in</strong> muss. Dies hat <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit häufig dazu beigetragen, dass die italienischen<br />

Regierungen oft schon b<strong>in</strong>nen weniger Monate handlungsunfähig waren.<br />

Oberste Aufgabe des Parlaments ist die Gesetzgebung. Das Recht <strong>der</strong> Gesetzes<strong>in</strong>itiative steht<br />

bei Verfassungsgesetzen nur <strong>den</strong> Parlamentariern und <strong>der</strong> Regierung zu; sonst besitzen auch<br />

die BürgerInnen e<strong>in</strong> Initiativrecht <strong>in</strong> Form des Volksbegehrens.<br />

E<strong>in</strong>e Gesetzesvorlage muss <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> bei<strong>den</strong> Kammern e<strong>in</strong>gebracht, dort vom zuständigen<br />

Ausschuss überprüft und mit e<strong>in</strong>em Bericht an das Plenum <strong>der</strong> Kammer weitergeleitet wer<strong>den</strong>.<br />

Nach <strong>der</strong> Debatte und eventuellen Abän<strong>der</strong>ungen wird über die Vorlage abgestimmt; f<strong>in</strong>det<br />

sich e<strong>in</strong>e Mehrheit dafür, geht das Gesetz <strong>in</strong> die an<strong>der</strong>e Kammer, wo nach dem selben Verfahren<br />

vorgegangen wird. Da es ke<strong>in</strong>en Vermittlungsausschuss gibt, kann e<strong>in</strong> Gesetz so lange<br />

zwischen <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> Kammern h<strong>in</strong> und hergehen, bis beide Kammern <strong>den</strong> Text <strong>in</strong> gleichlauten<strong>der</strong><br />

Fassung verabschiedet haben.<br />

Die Wahlen zu <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> Kammern des Parlaments erfolgen gleichzeitig alle 5 Jahre.<br />

Nachdem das Verhältniswahlrecht <strong>in</strong> Italien 1994 abgeschafft wor<strong>den</strong> war – seither wur<strong>den</strong><br />

drei Viertel <strong>der</strong> Abgeordneten durch Mehrheitswahlrecht bestimmt, e<strong>in</strong> Viertel durch<br />

Verhältniswahl – führte die Regierung Berlusconi wenige Monate vor <strong>den</strong> geplanten<br />

Neuwahlen im Frühjahr 2006 das alte Verhältniswahlrecht wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>.<br />

Die überaus umstrittene Reform sieht allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>en „Bonus" für <strong>den</strong> Wahlsieger vor und<br />

garantiert diesem e<strong>in</strong>e absolute Mehrheit im Parlament. Dem erfolgreichsten Wahlbündnis<br />

stehen nach dem neuen Recht automatisch 340 <strong>der</strong> <strong>in</strong>sgesamt 630 Parlamentssitze zu.<br />

Theoretisch könnte e<strong>in</strong> Parteienbündnis mit e<strong>in</strong>em Stimmenanteil von 40 Prozent damit 340<br />

Sitze erhalten, während sich zwei an<strong>der</strong>e Bündnisse mit jeweils 30 Prozent die restlichen<br />

280 Sitze teilen müssten.<br />

Das neue Gesetz enthält drei verschie<strong>den</strong>e Hür<strong>den</strong>, die übersprungen wer<strong>den</strong> müssen, um<br />

<strong>in</strong>s Parlament e<strong>in</strong>zuziehen – 10% für Koalitionen, 4% für Parteien, die ohne Verb<strong>in</strong>dungen zu<br />

e<strong>in</strong>er Parteikoalition am Wahlkampf teilnehmen, und 2% für (Kle<strong>in</strong>)parteien, die sich im<br />

Rahmen e<strong>in</strong>es Bündnisses an <strong>den</strong> Wahlen beteiligen.<br />

Kritiker me<strong>in</strong>en, dass dieses Gesetz, das ganz offensichtlich dem Machterhalt <strong>der</strong> seit 2001<br />

regieren<strong>den</strong> Rechtskoalition dienen sollte, zu größerer politischer Instabilität führen werde.


2.11.8. Die Regionen<br />

Jede <strong>der</strong> <strong>in</strong>sgesamt 20 Regionen besitzt e<strong>in</strong>en Regionalrat (Consiglio regionale), dessen Mitglie<strong>der</strong><br />

(z.B. 50 für die Region Toscana) <strong>in</strong> nur e<strong>in</strong>em Wahlgang zu 80% nach dem Verhältnislistenwahlrecht<br />

und zu 20% nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt wer<strong>den</strong>. Es gibt e<strong>in</strong>e 3%-<br />

Sperrklausel. Der Präsi<strong>den</strong>t <strong>der</strong> Region selbst wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em eigenen Wahlverfahren <strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>er<br />

und direkter Wahl bestimmt. Dadurch ist e<strong>in</strong> Stimmensplitt<strong>in</strong>g zwischen dem Präsi<strong>den</strong>tschaftskandidaten<br />

e<strong>in</strong>er Liste und e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Parteiliste für <strong>den</strong> Regionalrat zulässig. Die<br />

Regionalregierung (Giunta regionale) wird vom Präsi<strong>den</strong>ten <strong>der</strong> Region ernannt. Die Regierungen<br />

<strong>der</strong> Regionen s<strong>in</strong>d mit beträchtlichen Kompetenzen ausgestattet.<br />

Quasi als Relikt <strong>der</strong> früheren zentralstaatlichen Struktur amtiert <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Region auch e<strong>in</strong> vom<br />

Staatspräsi<strong>den</strong>ten ernannter Regierungskommissar, <strong>der</strong> die Wahrnehmung <strong>der</strong> Verwaltungsaufgaben<br />

des Staates gewährleistet, und e<strong>in</strong> Regionaler Kontrollausschuss, <strong>der</strong> die Aufsicht<br />

über die lokalen Behör<strong>den</strong> ausübt und dessen Kommissare teils vom Regionalrat, teils vom<br />

Regierungskommissar selbst ernannt wer<strong>den</strong>.<br />

2.11.9. Die Prov<strong>in</strong>zen<br />

Die Verwaltung <strong>der</strong> Prov<strong>in</strong>zen unterliegt jeweils e<strong>in</strong>em gewählten Prov<strong>in</strong>zialrat (Consiglio prov<strong>in</strong>ciale),<br />

e<strong>in</strong>em Prov<strong>in</strong>zialausschuss mit Exekutivgewalt (Giunta) und dem Präsi<strong>den</strong>ten <strong>der</strong><br />

Prov<strong>in</strong>z, <strong>der</strong> nach dem Mehrheitswahlrecht <strong>in</strong> bis zu 2 Wahlgängen direkt gewählt wird. Es gibt<br />

e<strong>in</strong>e 3%-Sperrklausel. Stimmensplitt<strong>in</strong>g ist nicht zulässig. Die Kompetenzen <strong>der</strong> Prov<strong>in</strong>zialräte<br />

beschränken sich weitgehend auf politische Richtl<strong>in</strong>ienfunktionen.<br />

2.11.10. Die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

Jede Geme<strong>in</strong>de verfügt über e<strong>in</strong>en Geme<strong>in</strong>de-/Stadtrat, e<strong>in</strong>en Exekutivausschuss (Giunta) und<br />

e<strong>in</strong>en Bürgermeister (S<strong>in</strong>daco). Das Wahlverfahren richtet sich nach <strong>der</strong> Größe <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de.<br />

In Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> mit mehr als 15.000 E<strong>in</strong>wohnern wird <strong>der</strong> Bürgermeister <strong>in</strong> bis zu 2 Wahlgängen<br />

direkt gewählt. Je<strong>der</strong> Bürgermeisterkandidat ist mit e<strong>in</strong>er o<strong>der</strong> mehreren Parteilisten verbun<strong>den</strong>.<br />

Falls e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> mit dem siegreichen Bürgermeisterkandidaten verbun<strong>den</strong>e Parteiliste 40%<br />

(o<strong>der</strong> mehr) <strong>der</strong> Stimmen erhält, wer<strong>den</strong> ihr 60% <strong>der</strong> Sitze zugesprochen. Die Parteien dürfen<br />

zwischen dem ersten und dem zweiten Wahlgang neue Allianzen schließen o<strong>der</strong> zu e<strong>in</strong>em <strong>der</strong><br />

bei<strong>den</strong> verbliebenen Bürgermeisterkandidaten überwechseln. Stimmensplitt<strong>in</strong>g ist zulässig.<br />

In Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> mit weniger als 15.000 E<strong>in</strong>wohnern f<strong>in</strong>det nur e<strong>in</strong> Wahlgang statt. Je<strong>der</strong> Bürgermeisterkandidat<br />

ist mit nur e<strong>in</strong>er Parteiliste verbun<strong>den</strong>. Die Liste des nach dem relativen Mehrheitspr<strong>in</strong>zip<br />

siegreichen Bürgermeisterkandidaten erhält automatisch 2/3 <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>atssitze,<br />

das restliche Drittel wird proportional verteilt.<br />

2.12. Lettland<br />

Offizieller Name: Latvijas Republika.<br />

Bevölkerung: 2,35 Mio., davon 32,3 % Russen.<br />

Staatsform: Parlamentarische Republik (unabhängig seit 21.8.1991).<br />

2.12.1. Verfassung<br />

Die Verfassung (Satversme) aus dem Jahr 1922 wurde am 21.8.1991 wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> Kraft gesetzt.<br />

E<strong>in</strong>zelne Verfassungsbestimmungen wur<strong>den</strong> seither geän<strong>der</strong>t (Herabsetzung des Wahlalters<br />

auf 18, Verlängerung <strong>der</strong> Amtszeit des Parlaments auf 4 Jahre). Die Grundrechte s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em 1992 beschlossenen Gesetz nie<strong>der</strong>gelegt.<br />

2.12.2. EU-Beitritt<br />

Die Volksabstimmung über <strong>den</strong> EU-Beitritt Lettlands zum 1.5.2004 fand am 20.9.2003 statt.<br />

Die Entscheidung ist b<strong>in</strong><strong>den</strong>d für das Parlament.


2.12.3. Staatsaufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

Lettland ist e<strong>in</strong> Zentralstaat mit begrenzter örtlicher Selbstverwaltung. Laut Verfassung bil<strong>den</strong><br />

die vier baltischen Regionen Vidzeme (Nord), Latgale (Ost), Kurzeme (West) und Zemgale<br />

(Süd) das Territorium Lettlands. Diese Regionen (und die Region um die Hauptstadt Riga)<br />

spielen bei <strong>der</strong> wirtschaftlichen Planung und Entwicklung e<strong>in</strong>e gewisse Rolle. Die Regionen<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>in</strong>sgesamt 33 Verwaltungse<strong>in</strong>heiten geglie<strong>der</strong>t: 7 kreisfreie Städte und 26 Landkreise<br />

(rajons). Die lokalen Regierungen s<strong>in</strong>d nur für die Verwaltung ihres Gebietes zuständig und<br />

müssen sich dem nationalen Parlament gegenüber verantworten.<br />

2.12.4. Wahlrecht<br />

Wahlalter: 18 (aktiv), 21 (passiv). Präsi<strong>den</strong>tschaftskandidatInnen müssen das 40. Lebensjahr<br />

erreicht haben.<br />

2.12.5. Das Staatsoberhaupt<br />

Staatsoberhaupt ist <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t <strong>der</strong> Republik, <strong>der</strong> vom Parlament für e<strong>in</strong>e Amtsdauer von 4<br />

Jahren (maximal 2 aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>folgende Amtsperio<strong>den</strong>) gewählt wird. Zur Wahl ist e<strong>in</strong>e absolute<br />

Parlamentsmehrheit erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Die Funktion des Präsi<strong>den</strong>ten liegt vor allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Repräsentation des Landes. Im Rahmen<br />

<strong>der</strong> Regierungsbildung erteilt er <strong>den</strong> Auftrag dazu und setzt <strong>den</strong> Premierm<strong>in</strong>ister e<strong>in</strong>. Der Präsi<strong>den</strong>t<br />

verkündet die vom Parlament verabschiedeten Gesetze, er kann aber auch Gesetze an<br />

das Parlament zur erneuten Behandlung zurückverweisen. Darüber h<strong>in</strong>aus befehligt er die<br />

Streitkräfte und kann <strong>den</strong> Vorschlag unterbreiten, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen<br />

abzuhalten. Die Auflösung muss durch e<strong>in</strong> nationales Referendum bestätigt wer<strong>den</strong>; e<strong>in</strong> negativer<br />

Ausgang hat die automatische Entlassung des Präsi<strong>den</strong>ten zur Folge.<br />

Nach zwei Amtsperio<strong>den</strong> wurde Vaira Vike-Freiberga im Juli 2007 von Valdis Zatlers abgelöst,<br />

<strong>der</strong> als Kandidat <strong>der</strong> regieren<strong>den</strong> Mitte-Rechts-Koalition mit 58 von 98 abgegebenen<br />

Stimmen gewählt wurde. Im Mai 2011 beantragte Zatlers beim Verfassungsgericht die<br />

Auflösung des Parlaments, da dieses sich geweigert hatte, die Immunität e<strong>in</strong>es <strong>der</strong><br />

Korruption verdächtigen Abgeordneten aufzuheben. In e<strong>in</strong>em Referendum über die<br />

Auflösung des Parlaments nahm die lettische Bevölkerung se<strong>in</strong>en Antrag im Juli 2011 mit<br />

großer Mehrheit an. Bei <strong>der</strong> turnusgemäßen Wahl des neuen Staatspräsi<strong>den</strong>ten im lettischen<br />

Parlament im Juni 2011 unterlag Zatlers erwartungsgemäß se<strong>in</strong>em Kontrahenten Andris<br />

������� vom Bündnis <strong>der</strong> Grünen und Bauern.<br />

2.12.6. Die Regierung<br />

Der vom Präsi<strong>den</strong>ten vorgeschlagene und durch das Parlament bestätigte Premierm<strong>in</strong>ister hat<br />

die Aufgabe, e<strong>in</strong> regierungsfähiges Kab<strong>in</strong>ett zu bil<strong>den</strong>. Das gesamte Kab<strong>in</strong>ett muss die Bestätigung<br />

durch das Parlament erhalten.<br />

Sollte gegen <strong>den</strong> Premierm<strong>in</strong>ister e<strong>in</strong> Misstrauensvotum erfolgreich se<strong>in</strong>, wird die gesamte Regierung<br />

abgesetzt und e<strong>in</strong> neuer Premierm<strong>in</strong>ister durch <strong>den</strong> Präsi<strong>den</strong>ten ernannt. Auch e<strong>in</strong>zelne<br />

M<strong>in</strong>ister können durch e<strong>in</strong> Misstrauensvotum gestürzt wer<strong>den</strong>. Zwischen <strong>den</strong> Sitzungsperio<strong>den</strong><br />

des Parlaments kann die Regierung Verordnungen mit Gesetzeskraft erlassen. Diese<br />

müssen jedoch nachträglich durch das Parlament bestätigt wer<strong>den</strong>.<br />

Bei <strong>den</strong> vorgezogenen Parlamentswahlen vom September 2011 wurde erstmals e<strong>in</strong>e prorussische<br />

Partei stärkste Kraft. Das pro-russische Parteienbündnis Saskanas Centrs<br />

(Zentrum <strong>der</strong> Harmonie) kam auf knapp 29% <strong>der</strong> Stimmen und errang 31 von 100 Sitzen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> lettischen Saeima.<br />

Der E<strong>in</strong>heitsblock von M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t Valdis Dombrovskis erhielt nur noch 18% (20 Sitze)<br />

– um rund 13 Prozentpunkte weniger, als bei <strong>der</strong> Parlamentswahl im Oktober 2010. Die neu<br />

gegründete Reformpartei des ehemaligen Präsi<strong>den</strong>ten Valdis Zatlers erreichte auf Anhieb<br />

über 20% (22 Parlamentssitze); ebenfalls <strong>in</strong>s Parlament e<strong>in</strong>ziehen konnten die konservative<br />

Wahlvere<strong>in</strong>igung Nationale Allianz (13%) und das Bündnis <strong>der</strong> Grünen und Bauern (12%).


2.12.7. Das Parlament (Saeima)<br />

Das lettische E<strong>in</strong>kammerparlament besteht aus 100 für 4 Jahre nach dem Verhältniswahlrecht<br />

(mit Präferenzstimmen) gewählten Abgeordneten. Es gibt e<strong>in</strong>e 5%-Hürde.<br />

Das lettische Parlament verfügt über sehr weitgehende Kompetenzen, auch bei <strong>der</strong> Bestellung<br />

von Amtsträgern: so wählt es z.B. sämtliche Richter.<br />

Die Arbeit des Parlaments f<strong>in</strong>det hauptsächlich <strong>in</strong> Ausschüssen statt, die sich mit allen relevanten<br />

Politikfel<strong>der</strong>n beschäftigen. Neben <strong>der</strong> Gesetzgebung ist die Kontrolle <strong>der</strong> Exekutive Aufgabe<br />

<strong>der</strong> Abgeordneten. Jedes Kab<strong>in</strong>ett bzw. je<strong>der</strong> M<strong>in</strong>ister muss von e<strong>in</strong>er Mehrheit des Parlaments<br />

bestätigt wer<strong>den</strong> und hat vor dem Parlament Rechenschaft abzulegen. Die Saeima<br />

wählt außerdem <strong>den</strong> Präsi<strong>den</strong>ten. Die Abgeordneten haben das Recht, mit e<strong>in</strong>er Mehrheit von<br />

zwei Dritteln aller Stimmen <strong>den</strong> Präsi<strong>den</strong>ten abzusetzen und e<strong>in</strong> neues Staatsoberhaupt zu<br />

wählen.<br />

2.12.8. Die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

Kommunal ist das Land gegenwärtig <strong>in</strong> 548 Gebietskörperschaften mit 469 Pagasts (ländliche<br />

Verwaltungse<strong>in</strong>heiten), 10 Novads (durch die Verschmelzung von Gebietskörperschaften gebildete<br />

E<strong>in</strong>heiten), 62 kreisabhängige „Regionalstädte“, 7 kreisfreie „Republikstädte“ (mit Stadtbezirken),<br />

und 26 Rajons (Landkreise) geglie<strong>der</strong>t. E<strong>in</strong>e Reform <strong>der</strong> Kommunal- und Regionalverwaltung<br />

erweist sich als kompliziert, da es nicht e<strong>in</strong>fach ist, e<strong>in</strong>en politischen Konsens zu<br />

erzielen.<br />

Kommunalwahlen f<strong>in</strong><strong>den</strong> alle 4 Jahre statt; dabei wer<strong>den</strong> die Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>äte gewählt, aus<br />

<strong>der</strong>en Mitte die Bürgermeister und ihre Stellvertreter bestimmt wer<strong>den</strong>. Die Wahlen f<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

nach dem Verhältniswahlrecht statt (Möglichkeit des Panaschierens).<br />

Bei <strong>den</strong> Kommunalwahlen im März 2001 erzielten die Sozialdemokraten landesweit hervorragende<br />

Ergebnisse (die sie bei <strong>den</strong> Parlamentswahlen im Herbst 2002 nicht wie<strong>der</strong>holen<br />

konnten).<br />

2.13. Litauen<br />

Offizieller Name: Lietuvos Respublika.<br />

Bevölkerung: 3,69 Mio.<br />

Staatsform: Parlamentarische Republik mit ausgeprägten präsidialen Elementen.<br />

2.13.1. Verfassung<br />

Litauen erlangte die Unabhängigkeit am 11.3.1990. Am 25.10.1992 wurde durch e<strong>in</strong> Referendum<br />

die Verfassung angenommen. In ihr ist die Gewaltenteilung von Exekutive, Legislative<br />

und Jurisdiktion verankert. Sie enthält e<strong>in</strong>en Grundrechtskatalog, <strong>der</strong> dem des deutschen<br />

Grundgesetzes vergleichbar ist. Allerd<strong>in</strong>gs ist sie durch <strong>den</strong> zu ihrer Entstehungszeit noch sehr<br />

starken nationalistischen E<strong>in</strong>fluss geprägt.<br />

2.13.2. EU-Beitritt<br />

Am 11.5.2003 entschied sich das litauische Volk <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Referendum mit 91% für <strong>den</strong> EU-<br />

Beitritt (Wahlbeteiligung: 63%) des Landes am 1.5.2004. Das Ergebnis ist b<strong>in</strong><strong>den</strong>d für das<br />

Parlament<br />

2.13.3. Staatsaufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

Litauen ist <strong>in</strong> 10 größere Verwaltungsbezirke (rajonai) mit von <strong>der</strong> Regierung ernannten Gouverneuren<br />

(Alytaus, Kauno, Klaipedos, Marijampoles, Panevezio, Siauliu, Taurages, Telsiu,<br />

Utenos, Vilniaus) sowie <strong>in</strong> 44 Land- und 12 Stadtbezirke geglie<strong>der</strong>t.<br />

2.13.4. Wahlrecht<br />

Aktives Wahlrecht ab 18 Jahren, passives Wahlrecht ab 25 Jahren.


2.13.5. Das Staatsoberhaupt<br />

Der Präsi<strong>den</strong>t wird <strong>in</strong> bis zu 2 Wahlgängen durch das Volk für e<strong>in</strong>e Amtszeit vom 5 Jahren<br />

(maximal 2 Amtsperio<strong>den</strong>) gewählt. Er hat vor allem repräsentative Funktion, aber auch weiterreichende<br />

Befugnisse. Dazu zählen zum Beispiel die Ernennung des Premierm<strong>in</strong>isters auf<br />

eigenen Wunsch und aller an<strong>der</strong>en M<strong>in</strong>ister auf Vorschlag des Premiers. Der Präsi<strong>den</strong>t schlägt<br />

außerdem die Richter des Obersten Gerichts vor und ernennt alle an<strong>der</strong>en Richter des<br />

Landes. Zusätzlich kann er die litauische Staatsbürgerschaft verleihen. Die Grundfragen <strong>der</strong><br />

litauischen Außenpolitik wer<strong>den</strong> vom Staatspräsi<strong>den</strong>ten bestimmt, <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>sam mit <strong>der</strong><br />

Regierung die Außenpolitik implementiert.<br />

Im Mai 2009 wurde die parteilose Kandidat<strong>in</strong> Dalia Grybauskaite, seit 2004 EU-Kommissar<strong>in</strong><br />

für Haushalt und F<strong>in</strong>anzplanung, mit knapp 68 Prozent <strong>der</strong> Stimmen im ersten Durchgang<br />

als Nachfolger<strong>in</strong> von Valdas Adamkus, <strong>der</strong> nach zwei Amtszeiten (1998-2003 und seit Juni<br />

2004) nicht erneut kandidieren konnte, zur neuen Präsi<strong>den</strong>t<strong>in</strong> des Landes gewählt.<br />

2.13.6. Die Regierung<br />

Der Premierm<strong>in</strong>ister wird vom Präsi<strong>den</strong>ten vorgeschlagen und e<strong>in</strong>gesetzt und durch die<br />

Abgeordneten im Parlament bestätigt. Für die Ernennung <strong>der</strong> M<strong>in</strong>ister ist die Zustimmung des<br />

Parlaments nicht erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Die Parlamentswahlen im Oktober 2008 endeten mit e<strong>in</strong>em Sieg <strong>der</strong> oppositionellen<br />

konservativen Vaterlandsunion (19,7%) unter dem früheren M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten Andrius<br />

Kubilius. Die bisher regierende Sozialdemokratische Partei von M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t Gedim<strong>in</strong>as<br />

Kirkilas kam auf nur noch 11,7%. Eigentlicher Sieger <strong>der</strong> Wahl war jedoch <strong>der</strong><br />

Vorsitzende <strong>der</strong> populistischen Nationalen Wie<strong>der</strong>geburt (15%), <strong>der</strong> TV-Star Arunas<br />

Val<strong>in</strong>skas, <strong>der</strong> mit se<strong>in</strong>er neuen Partei auf Anhieb drittstärkste Kraft im Parlament wurde. Die<br />

neue Koalition besteht aus <strong>der</strong> Vaterlandsunion, <strong>der</strong> Partei <strong>der</strong> Nationalen Wie<strong>der</strong>geburt<br />

sowie <strong>der</strong> Liberalen Bewegung und <strong>der</strong> <strong>Union</strong> <strong>der</strong> Liberalen und des Zentrums und verfügt<br />

über 83 <strong>der</strong> 141 Sitze im Parlament.<br />

2.13.7. Das Parlament (Seimas)<br />

Das Parlament besteht aus e<strong>in</strong>er Kammer mit 141 Abgeordneten, die für 4 Jahre gewählt<br />

wer<strong>den</strong>. Dabei wird <strong>in</strong> <strong>den</strong> 71 Wahlkreisen durch absolute Mehrheitswahl (mit Stichwahl)<br />

jeweils e<strong>in</strong> Direktmandat an e<strong>in</strong>en Kandidaten vergeben. Die restlichen 70 Sitze verteilen sich<br />

proportional nach <strong>den</strong> Wahlergebnissen <strong>der</strong> (Partei)listen (5%-Klausel). Es f<strong>in</strong>det ke<strong>in</strong>e<br />

Verrechnung zwischen <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> Systemen statt (Grabenwahlsystem).<br />

2.13.8. Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

Die von <strong>der</strong> Regierung ernannten Gouverneure <strong>der</strong> 10 Bezirke s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Bezirksversammlung<br />

gegenüber verantwortlich; diese setzt sich aus VertreterInnen <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> des Bezirks<br />

zusammen.<br />

Die Wahl <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>äte und Bürgermeister f<strong>in</strong>det alle 4 Jahre statt – zuletzt im Dezember<br />

2002, geme<strong>in</strong>sam mit <strong>den</strong> Präsi<strong>den</strong>tenwahlen.<br />

2.14. Luxemburg<br />

Offizieller Name: Grossherzogtum Lëtzebuerg (luxemburgisch); Grand-Duché de Luxembourg<br />

(französisch); Grossherzogtum Luxemburg (deutsch).<br />

Bevölkerung: 0,4 Mio.<br />

Staatsform: Konstitutionelle Erbmonarchie.<br />

2.14.1. Verfassung<br />

Die Verfassung des Großherzogtums Luxemburg besteht seit 1868, die letzte Än<strong>der</strong>ung<br />

erfolgte 1956. Es gibt drei Amtssprachen: Französisch, Deutsch und Lëtzebuergesch.


2.14.2. EU-Beitritt<br />

Luxemburg ist Gründungsmitglied <strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> Geme<strong>in</strong>schaft für Kohle und Stahl (EGKS,<br />

1951), <strong>der</strong> Vorläuferorganisation <strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>.<br />

2.14.3. Staatsaufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

Das Großherzogtum Luxemburg umfasst 118 Städte und Geme<strong>in</strong><strong>den</strong>, die <strong>in</strong> 12 Kantonen und<br />

diese wie<strong>der</strong>um <strong>in</strong> 3 Distrikten zusammengefasst s<strong>in</strong>d (Luxemburg, Diekirch und Grevenmacher).<br />

Die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> s<strong>in</strong>d Selbstverwaltungskörperschaften, die allerd<strong>in</strong>gs <strong>der</strong> Rechtsaufsicht<br />

<strong>der</strong> vom Großherzog ernannten Distriktskommissare (commissaires de district) unterliegen.<br />

2.14.4. Wahlrecht<br />

Allgeme<strong>in</strong>es Wahlrecht ab 18 Jahren. Es besteht Wahlpflicht!<br />

2.14.5. Das Staatsoberhaupt<br />

Das Großherzogtum Luxemburg ist e<strong>in</strong>e konstitutionelle Monarchie. In ihr wird die ausführende<br />

Gewalt zugleich vom Großherzog und von <strong>der</strong> Regierung ausgeübt, während das Parlament<br />

die legislative Gewalt <strong>in</strong>nehat. Luxemburgs Staatsoberhaupt ist seit Oktober 2000 Großherzog<br />

Henri I., <strong>der</strong> se<strong>in</strong>em Vater Jean I. nach 36 Jahren im Amt folgte. Er regiert unter <strong>den</strong> Bed<strong>in</strong>gungen<br />

e<strong>in</strong>er konstitutionellen Erbmonarchie. Dabei hat er e<strong>in</strong>e vergleichsweise starke Stellung:<br />

Er ernennt <strong>den</strong> Regierungschef, kann das Parlament auflösen und besitzt neben ihm das<br />

Gesetzes<strong>in</strong>itiativrecht. Der Groherzog ist vollkommen immun.<br />

2.14.6. Die Regierung<br />

Aus <strong>den</strong> Parlamentswahlen vom 7. Juni 2009 g<strong>in</strong>g die Christlich-Soziale Partei unter<br />

Premierm<strong>in</strong>ister Jean-Claude Juncker neuerlich als Sieger hervor. Seit 2004 stützt Juncker,<br />

<strong>der</strong> mit 14 Amtsjahren <strong>der</strong> dienstälteste Regierungschef <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> ist, sich<br />

auf e<strong>in</strong>e große Koalition mit <strong>der</strong> Luxemburgischen Sozialistischen Arbeiterpartei (LSAP).<br />

2.14.7. Das Parlament<br />

Luxemburg besitzt e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>kammersystem. Gesetzgebungsorgan ist die Abgeordnetenkammer<br />

(Chambre des Députés). Neben dem Parlament und <strong>der</strong> Regierung verfügt auch <strong>der</strong> Großherzog<br />

über das Initiativrecht. Gesetze treten nach ihrer Verabschiedung durch die Abgeordnetenkammer<br />

und <strong>der</strong> Zustimmung sowie <strong>der</strong> Verkündung durch <strong>den</strong> Großherzog <strong>in</strong> Kraft.<br />

Die Abgeordnetenkammer besteht aus 60 Abgeordneten, die alle 5 Jahre <strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>en<br />

Wahlen nach dem Verhältniswahlrecht nach Listen bestimmt wer<strong>den</strong>.<br />

In Luxemburg wird <strong>in</strong> 4 Wahlbezirken gewählt. Die Mandatszahl <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Wahlbezirke<br />

richtet sich nicht nach <strong>der</strong> Bevölkerungszahl. Von dieser disproportionalen Mandatsverteilung<br />

profitiert vor allem die Christlich-Soziale Volkspartei im Nor<strong>den</strong> und Osten des Landes. Es gibt<br />

zwar ke<strong>in</strong>e formelle Sperrklausel, bed<strong>in</strong>gt durch die großen Wahlkreise mit wenigen Mandaten<br />

gibt es de facto aber relativ hohe natürliche Hür<strong>den</strong>. Je nach Wahlkreis s<strong>in</strong>d zwischen 5% und<br />

10% <strong>der</strong> Stimmen für e<strong>in</strong> Mandat nötig. Dies benachteiligt kle<strong>in</strong>e Parteien.<br />

E<strong>in</strong>e Beson<strong>der</strong>heit ist das Panaschieren. Je<strong>der</strong> Wähler besitzt so viele Stimmen, als Abgeordnete<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Wahlbezirk zu wählen s<strong>in</strong>d. Der Wähler kann maximal 2 Stimmen an e<strong>in</strong>en<br />

Kandidaten vergeben, dafür aber beliebig viele KandidatInnen verschie<strong>den</strong>er Parteien wählen.<br />

Dieses System bevorzugt bekannte und populäre Politgrößen, auch wenn diese verschie<strong>den</strong>en<br />

Lagern angehören.<br />

Zusätzlich verfügt Luxemburg über e<strong>in</strong>en Staatsrat mit 21 Mitglie<strong>der</strong>n, die vom Großherzog<br />

alternierend auf Vorschlag <strong>der</strong> Regierung, des Parlaments o<strong>der</strong> des Staatsrates auf Lebenszeit<br />

ernannt wer<strong>den</strong>. Der Staatsrat muss zu allen Gesetzesvorhaben vor <strong>der</strong> Abstimmung im<br />

Parlament konsultiert wer<strong>den</strong>. Se<strong>in</strong>e Rolle ist allerd<strong>in</strong>gs nur beraten<strong>der</strong> Natur.


2.14.8. Die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

Die luxemburgischen Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> s<strong>in</strong>d Selbstverwaltungskörperschaften, die <strong>der</strong> Rechtsaufsicht<br />

<strong>der</strong> vom Großherzog ernannten Distriktskommissare unterliegen.<br />

Jede Geme<strong>in</strong>de verfügt über e<strong>in</strong>en Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>at, <strong>der</strong> für 6 Jahre gewählt wird. Die Anzahl <strong>der</strong><br />

Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>atsmitglie<strong>der</strong> richtet sich nach <strong>der</strong> Bevölkerungszahl; sie ist jedoch immer ungerade.<br />

In Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> mit mehr als 3.500 E<strong>in</strong>wohnern wird nach dem Verhältnispr<strong>in</strong>zip und Parteilisten<br />

gewählt, wobei die Stimmen auf unterschiedliche Kandidaten verteilt wer<strong>den</strong> können.<br />

In kle<strong>in</strong>eren Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> erfolgt die Wahl nach dem Mehrheitspr<strong>in</strong>zip <strong>in</strong> bis zu 2 Wahlgängen.<br />

2.15. Malta<br />

Offizieller Name: Repubblika ta' Malta.<br />

Bevölkerung: ca. 0,4 Mio.<br />

Staatsform: Unabhängig seit 1964; Parlamentarische Republik im Commonwealth (seit 1974).<br />

2.15.1. Verfassung<br />

Verfassung von 1964; 1974 und 1987 novelliert.<br />

Die maltesische Verfassung ist, wie <strong>in</strong> vielen postkolonialen Staaten, äußerst umfangreich und<br />

beson<strong>der</strong>s ausgefeilt. Ihre Bedeutung darf aber <strong>in</strong> <strong>der</strong> politischen Praxis nicht überschätzt<br />

wer<strong>den</strong>. So spielt das Verfassungsgericht zwar formal e<strong>in</strong>e wichtige Rolle, doch wer<strong>den</strong> die<br />

Richter vom Justizm<strong>in</strong>ister e<strong>in</strong>gesetzt. Nachdem das Verfassungsgericht über e<strong>in</strong>ige Jahre h<strong>in</strong>weg<br />

nicht besetzt wurde, war es arbeitsunfähig. Bis <strong>in</strong> die 80er-Jahre s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Inselrepublik<br />

immer wie<strong>der</strong> Menschenrechtsverletzungen und Presseverbote – v.a. für die ausländische<br />

Presse – vorgekommen.<br />

Malta ist durch se<strong>in</strong>e Verfassung seit 1987 auf Neutralität festgelegt.<br />

2.15.2. EU-Beitritt<br />

Bei <strong>der</strong> Volksabstimmung am 8.3.2003 votierte e<strong>in</strong>e knappe Mehrheit von 53,6% für e<strong>in</strong>en<br />

Beitritt zur EU am 1.5.2004; 46,4% <strong>der</strong> Wahlberechtigten stimmten dagegen. Die Wahlbeteiligung<br />

lag bei 91%.<br />

2.15.3. Staatsreligion<br />

Die römisch-katholische Kirche steht im Rang e<strong>in</strong>er Staatsreligion. Religionsunterricht ist Pflicht.<br />

In <strong>der</strong> maltesischen Verfassung heißt es überdies: The authorities of the Roman Catholic<br />

Apostolic Church have the duty and the right to teach which pr<strong>in</strong>ciples are right and which are<br />

wrong.<br />

Die Katholische Kirche, <strong>der</strong> 97 % <strong>der</strong> Malteser angehören, hält sich politisch zurück, hat aber<br />

unverän<strong>der</strong>t großen gesellschaftspolitischen und kulturellen E<strong>in</strong>fluss. Malta kennt ke<strong>in</strong>e Ehescheidung<br />

und besitzt strenge Abtreibungsgesetze.<br />

2.15.4. Staatsaufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

Malta besteht aus drei Inseln: Malta, Gozo und Com<strong>in</strong>o. Seit 1993 gibt es lokale Verwaltungse<strong>in</strong>heiten,<br />

sogenannte local councils – 54 <strong>in</strong> Malta und 14 <strong>in</strong> Gozo, das für se<strong>in</strong>e lokalen<br />

Belange auch e<strong>in</strong> eigenes M<strong>in</strong>isterium besitzt.<br />

2.15.5. Wahlrecht<br />

Allgeme<strong>in</strong>es Wahlrecht ab 18 Jahren.<br />

2.15.6. Das Staatsoberhaupt<br />

Staatsoberhaupt ist <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t <strong>der</strong> Republik, <strong>der</strong> vom Parlament mit e<strong>in</strong>facher Mehrheit für<br />

5 Jahre gewählt wird. Er besitzt formal die Oberaufsicht und Kontrolle des Rundfunkwesens,


<strong>der</strong> Polizei und <strong>der</strong> Streitkräfte. Zudem hat er e<strong>in</strong> Begnadigungs- und Strafm<strong>in</strong><strong>der</strong>ungsrecht.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs übernimmt <strong>der</strong> Staatspräsi<strong>den</strong>t im wesentlichen nur repräsentative Aufgaben. Ist<br />

das Amt vakant o<strong>der</strong> kann <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t se<strong>in</strong>e Pflichten nicht wahrnehmen, ernennt <strong>der</strong> Regierungschef<br />

<strong>in</strong> Absprache mit dem Oppositionsführer (!) e<strong>in</strong>en Vertreter. Falls ke<strong>in</strong> Vertreter ernannt<br />

wird, wer<strong>den</strong> die Pflichten des Staatspräsi<strong>den</strong>ten vom Obersten Richter wahrgenommen.<br />

Zum Staatspräsi<strong>den</strong>ten gewählt wer<strong>den</strong> de facto nur solche Personen, die <strong>der</strong> jeweilige<br />

Premierm<strong>in</strong>ister partei<strong>in</strong>tern se<strong>in</strong>er Fraktion vorschlägt – üblicherweise also Politiker, die entwe<strong>der</strong><br />

für „treue Dienste" belohnt wer<strong>den</strong> o<strong>der</strong> auf e<strong>in</strong> politisches Abstellgleis geschoben<br />

wer<strong>den</strong> sollen.<br />

In <strong>der</strong> ersten Hälfte <strong>der</strong> 80er-Jahre fan<strong>den</strong> Gespräche zwischen <strong>den</strong> Parteiführungen <strong>der</strong><br />

bei<strong>den</strong> großen Parteien mit dem Ziel statt, die Kompetenzen des Staatsoberhauptes zu erweitern.<br />

Diese Pläne wur<strong>den</strong> allerd<strong>in</strong>gs nicht realisiert.<br />

Im April 2009 wurde <strong>der</strong> ehemalige Vorsitzende des maltesischen Fußballverbandes George<br />

Abela auf Vorschlag von Premierm<strong>in</strong>ister Gonzi zum 8. Präsi<strong>den</strong>ten <strong>der</strong> Republik Malta<br />

gewählt; bemerkenswert daran ist, dass zum ersten Mal <strong>in</strong> <strong>der</strong> maltesischen Geschichte die<br />

Regierung e<strong>in</strong>en Präsi<strong>den</strong>ten aus <strong>den</strong> Reihen <strong>der</strong> Opposition vorschlug.<br />

2.15.7. Die Regierung<br />

Der Führer <strong>der</strong> stärksten Parlamentsfraktion wird üblicherweise vom Präsi<strong>den</strong>ten als Premierm<strong>in</strong>ister<br />

designiert. Dieser schlägt dem Präsi<strong>den</strong>ten die Kab<strong>in</strong>ettsliste vor. Faktisch kommt<br />

dem Premierm<strong>in</strong>ister <strong>in</strong>nerhalb des Kab<strong>in</strong>etts e<strong>in</strong>e Schlüssel- und Führungsposition zu. Die<br />

Zahl <strong>der</strong> M<strong>in</strong>isterien und die Zuständigkeiten <strong>der</strong> M<strong>in</strong>ister wer<strong>den</strong> häufig geän<strong>der</strong>t. Derzeit gibt<br />

es <strong>in</strong>sgesamt 12 M<strong>in</strong>isterien. Die Regierungsmitglie<strong>der</strong> müssen aus dem Parlament stammen<br />

und diesem für die Dauer ihrer Amtszeit angehören. Der Premierm<strong>in</strong>ister kann vom Staatspräsi<strong>den</strong>ten<br />

entlassen wer<strong>den</strong>, wenn das Parlament ihm das Misstrauen ausspricht.<br />

Seit 1998 ist die christdemokratische Nationalist Party (PN) an <strong>der</strong> Regierung. Im Frühjahr<br />

2004 übergab <strong>der</strong> langjährige Premierm<strong>in</strong>ister Edward Fenech Adami se<strong>in</strong> Amt an <strong>den</strong><br />

bisherigen stellvertreten<strong>den</strong> M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten Lawrence Gonzi. Bei <strong>den</strong> Parlamentswahlen<br />

vom 8. März 2008 kam die Nationalist Party auf 49,3%, während die Arbeiterpartei 48,8%<br />

erreichte. Es handelt sich um <strong>den</strong> knappsten Ausgang e<strong>in</strong>er Wahl seit <strong>der</strong> Unabhängigkeit<br />

<strong>der</strong> Insel von Großbritannien.<br />

2.15.8. Das Parlament<br />

E<strong>in</strong>kammerparlament (Repräsentantenhaus) mit 65 für 5 Jahre nach dem System <strong>der</strong><br />

übertragbaren E<strong>in</strong>zelstimmgebung (s<strong>in</strong>gle transferable vote, STV) gewählten Abgeordneten,<br />

wobei die stimmenstärkste Partei zusätzliche Sitze erhält, um e<strong>in</strong>e regierungsfähige<br />

Parlamentsmehrheit zu gewährleisten.<br />

Es besteht e<strong>in</strong> Zwei-Parteien-System mit ungefähr gleich großen Parteien, das e<strong>in</strong>e stark polarisierende<br />

Wirkung auf alle Bereiche des Lebens hat. Die Wahlbeteiligung liegt regelmäßig bei<br />

etwa 98%.<br />

Bemerkenswert ist, dass das Amt des Oppositionsführers im Parlament e<strong>in</strong> offizielles ist (wird<br />

nach <strong>der</strong> Verfassung vom Staatspräsi<strong>den</strong>ten designiert).<br />

2.15.9. Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

Die Lokalverwaltung <strong>der</strong> 68 local councils existiert seit 1993. Gewählt wer<strong>den</strong> die Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>äte<br />

und Bürgermeister alle 3 Jahre nach dem Verhältniswahlrecht (s<strong>in</strong>gle transferable vote),<br />

wobei jedes Jahr e<strong>in</strong> Drittel <strong>der</strong> Räte erneuert wird. Die Kompetenz <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>äte beschränkt<br />

sich auf lokale Belange sowie auf Teile des Gesundheits- und Wohlfahrtswesens.


2.16. Nie<strong>der</strong>lande<br />

Offizieller Name: Kon<strong>in</strong>krijk <strong>der</strong> Ne<strong>der</strong>lan<strong>den</strong>.<br />

Bevölkerung: 15,7 Mio.<br />

Staatsform: Konstitutionelle Erbmonarchie mit parlamentarischem Regierungssystem unter<br />

E<strong>in</strong>schluss <strong>der</strong> Insel Aruba und <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>ländischen Antillen.<br />

2.16.1. Verfassung<br />

Am 12.2.1983 trat e<strong>in</strong> geän<strong>der</strong>tes Grundgesetz <strong>in</strong> Kraft, das die bis dah<strong>in</strong> gültige Verfassung<br />

von 1815 <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Verfassungswirklichkeit anpasste. Weitere Grundgesetzän<strong>der</strong>ungen,<br />

zuletzt im Jahr 2000.<br />

2.16.2. EU-Beitritt<br />

Die Nie<strong>der</strong>lande s<strong>in</strong>d Gründungsmitglied <strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> Geme<strong>in</strong>schaft für Kohle und Stahl<br />

(EGKS, 1951), <strong>der</strong> Vorläuferorganisation <strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>.<br />

2.16.3. Staatsaufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

Die Nie<strong>der</strong>lande bestehen aus 12 Prov<strong>in</strong>zen (Drenthe, Flevoland, Friesland, Gel<strong>der</strong>land, Gron<strong>in</strong>gen,<br />

Limburg, Noord-Brabant, Noord-Holland, Overijssel, Utrecht, Zeeland, Zuid-Holland)<br />

und 538 Geme<strong>in</strong><strong>den</strong>.<br />

2.16.4. Wahlrecht<br />

Aktives und passives Wahlrecht ab 18 Jahren.<br />

Bei <strong>den</strong> Kommunalwahlen können auch alle BürgerInnen nicht-nie<strong>der</strong>ländischer Staatsangehörigkeit<br />

wählen und gewählt wer<strong>den</strong>, vorausgesetzt sie s<strong>in</strong>d seit m<strong>in</strong>destens 5 Jahren legal <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> Nie<strong>der</strong>lan<strong>den</strong> ansässig.<br />

2.16.5. Das Staatsoberhaupt<br />

Staatsoberhaupt ist <strong>der</strong> aus dem Hause Oranien-Nassau stammende König (Thronfolge <strong>in</strong><br />

männlicher und weiblicher L<strong>in</strong>ie). Seit dem 30.4.1980 fungiert König<strong>in</strong> Beatrix als Staatsoberhaupt<br />

<strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lande. Sie bildet zusammen mit dem M<strong>in</strong>isterrat die Regierung und besitzt<br />

gewisse – nicht immer genau def<strong>in</strong>ierte – exekutive und legislative Befugnisse. Unter an<strong>der</strong>em<br />

ernennt sie auch <strong>den</strong> Regierungschef.<br />

Die König<strong>in</strong> leitet <strong>den</strong> maximal 28 Mitglie<strong>der</strong> umfassen<strong>den</strong> Staatsrat. Dieses Verfassungsorgan<br />

besitzt beratende Funktionen und ist zugleich Oberstes Verwaltungsgericht. Se<strong>in</strong>e Mitglie<strong>der</strong><br />

wer<strong>den</strong> vom Monarchen auf Lebenszeit berufen. Der Rat ist <strong>in</strong> Abteilungen geglie<strong>der</strong>t, die<br />

jeweils mit <strong>den</strong> Angelegenheiten mehrerer M<strong>in</strong>isterien befasst s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>abteilung ist<br />

Berufungs<strong>in</strong>stanz <strong>in</strong> Verwaltungsstreitverfahren. Die Krone übermittelt dem Staatsrat alle<br />

Gesetzesvorlagen zur Begutachtung, bevor diese im Parlament e<strong>in</strong>gebracht wer<strong>den</strong>.<br />

2.16.6. Die Regierung<br />

Nachdem die von <strong>der</strong> rechtspopulistischen Partij voor de Vrijheid (PVV) tolerierte<br />

M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitsregierung aus Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD) und Christen<br />

Democratisch Appèl (CDA) im Frühjahr 2012 gescheitert war, fan<strong>den</strong> am 12. September<br />

2012 vorgezogene Neuwahlen statt. Als Wahlsieger g<strong>in</strong>g die rechtsliberale VVD von<br />

M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t Mark Rutte hervor. Größte Wahlverlierer waren GroenL<strong>in</strong>ks, das von zehn<br />

auf vier Sitze zurück g<strong>in</strong>g und die CDA, 2006 noch größte Partei, die nunmehr vom vierten<br />

auf <strong>den</strong> fünften Platz zurückfiel (13 Mandate). Stark verloren hat aber auch die<br />

rechtspopulistische PVV (15 Mandate). Erwartet wird die Bildung e<strong>in</strong>er Koalition zwischen<br />

VVD (41 Mandate) und PvdA (Sozialdemokraten, 38 Mandate).<br />

Der nie<strong>der</strong>ländische M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t ist verfassungsrechtlich Vorsitzen<strong>der</strong> des M<strong>in</strong>isterrates<br />

ohne Richtl<strong>in</strong>ienkompetenz.


2.16.7. Das Parlament<br />

Die Volksvertretung <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lande – Staten Generaal – glie<strong>der</strong>t sich <strong>in</strong> zwei Kammern: Dem<br />

Senat (Eerste Kamer) und dem Abgeordnetenhaus (Tweede Kamer). Dieses Zweikammersystem<br />

wurde 1815 e<strong>in</strong>geführt.<br />

Nach <strong>der</strong> Verfassung hat die Regierung das Recht, e<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> auch beide Kammern aufzulösen.<br />

Der Auflösung folgen sofortige Neuwahlen. In <strong>der</strong> Praxis f<strong>in</strong><strong>den</strong> Neuwahlen aber nur<br />

nach e<strong>in</strong>er politischen Krise statt, die zum Rücktritt <strong>der</strong> Regierung führt.<br />

a) Das Abgeordnetenhaus (Tweede Kamer)<br />

Wie <strong>in</strong> <strong>den</strong> meisten Demokratien besteht e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Hauptaufgaben <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>ländischen Zweiten<br />

Kammer dar<strong>in</strong>, die Arbeit <strong>der</strong> Regierung zu überwachen. Im Falle e<strong>in</strong>es Konflikts zwischen<br />

<strong>der</strong> Regierung und <strong>der</strong> Zweiten Kammer hat die Kammer daher das letzte Wort. E<strong>in</strong>e weitere<br />

Hauptaufgabe <strong>der</strong> Zweiten Kammer ist es, Gesetze zu erlassen und die existierende Gesetzgebung<br />

an die sich än<strong>der</strong>n<strong>den</strong> Bed<strong>in</strong>gungen anzupassen, letzteres geme<strong>in</strong>sam mit <strong>der</strong> Regierung<br />

und <strong>der</strong> Ersten Kammer.<br />

Sobald e<strong>in</strong> Gesetz angenommen o<strong>der</strong> verän<strong>der</strong>t wurde, übermittelt es <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t des Abgeordnetenhauses<br />

<strong>der</strong> Ersten Kammer. Diese hat ke<strong>in</strong> Verän<strong>der</strong>ungsrecht: Sie kann e<strong>in</strong> Gesetz<br />

nur annehmen o<strong>der</strong> zurückweisen.<br />

Die 150 Abgeordneten wer<strong>den</strong> auf 4 Jahre gewählt. Es herrscht re<strong>in</strong>e Verhältniswahl. Je<strong>der</strong><br />

Wahlberechtigte hat e<strong>in</strong>e Stimme, die als Präferenzstimme für e<strong>in</strong>en beliebigen Kandidaten<br />

e<strong>in</strong>er Listenverb<strong>in</strong>dung/Partei abgegeben wird. Nach <strong>der</strong> Auszählung <strong>der</strong> Stimmen wird die<br />

Landesquote (kiesdeler) ermittelt, <strong>in</strong>dem die Gesamtanzahl <strong>der</strong> abgegebenen Stimmen durch<br />

die Anzahl <strong>der</strong> zu vergeben<strong>den</strong> Mandate geteilt wird.<br />

Teilt man nun die durch e<strong>in</strong>e Partei erworbenen Stimmen durch <strong>den</strong> kiesdeler, so gelangt man<br />

zur Mandatszahl für diese Partei. Die Reststimmen wer<strong>den</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiteren Verfahren ermittelt,<br />

bei dem – verkürzt gesagt – größere Parteien etwas begünstigt wer<strong>den</strong>. Der kiesdeler<br />

ist auch bei <strong>der</strong> Bewertung <strong>der</strong> Vorzugsstimmen (voorkeurstemmen) wichtig: e<strong>in</strong> Kandidat, <strong>der</strong><br />

mit se<strong>in</strong>en Vorzugsstimmen m<strong>in</strong>destens 25% des kiesdeler erreicht hat, erhält e<strong>in</strong> Mandat,<br />

auch wenn er auf e<strong>in</strong>em aussichtslosen Listenplatz gereiht ist.<br />

Wahltag ist stets <strong>der</strong> Mittwoch, aus Rücksicht gegenüber <strong>den</strong> strengen Protestanten, <strong>den</strong>en<br />

die Sonntagsruhe heilig ist. Es gibt ke<strong>in</strong>erlei Ausschlussklauseln; allerd<strong>in</strong>gs muss jede wahlwerbende<br />

Partei e<strong>in</strong>e refundierbare Kaution (waarborgsom) <strong>in</strong> <strong>der</strong> Höhe von 11.250.- €<br />

h<strong>in</strong>terlegen. Dadurch sollen unseriöse Bewerber abgeschreckt wer<strong>den</strong>.<br />

b) Der Senat (Eerste Kamer)<br />

Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Ersten Kammer wer<strong>den</strong> von <strong>den</strong> Prov<strong>in</strong>zialstaaten, d.h. von <strong>den</strong> Mitglie<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> 12 Prov<strong>in</strong>zialparlamente auf 4 Jahre <strong>in</strong>direkt gewählt. Dennoch sehen sich die 75 nie<strong>der</strong>ländischen<br />

Senatsmitglie<strong>der</strong> nicht <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie als Vertreter <strong>der</strong> jeweiligen Prov<strong>in</strong>zen, aus<br />

<strong>den</strong>en sie nicht e<strong>in</strong>mal stammen müssen.<br />

2.16.8. Die Prov<strong>in</strong>zen<br />

Die Prov<strong>in</strong>zen übernehmen im wesentlichen zwei Funktionen: Die Organisation <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Verwaltung und die Koord<strong>in</strong>ation zwischen <strong>den</strong> Geme<strong>in</strong><strong>den</strong>.<br />

Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Prov<strong>in</strong>zialparlamente (prov<strong>in</strong>zialstaaten) wer<strong>den</strong> durch re<strong>in</strong>es Verhältniswahlrecht<br />

ohne Sperrklausel für 4 Jahre gewählt. Die Mitglie<strong>der</strong>anzahl variiert zwischen 39 und<br />

83 Personen – abhängig von <strong>der</strong> Bevölkerungsgröße.<br />

Die prov<strong>in</strong>ziale Exekutive (deputiertenstaaten) besteht aus 3 bis maximal 9 Personen. Der Vorsitzende<br />

dieses Kollegiums ist e<strong>in</strong> von <strong>der</strong> König<strong>in</strong> bzw. dem Innenm<strong>in</strong>ister für 6 Jahre ernannter<br />

„Kommissar <strong>der</strong> König<strong>in</strong>“.


a) Die Nie<strong>der</strong>ländischen Antillen und Aruba<br />

Die Nie<strong>der</strong>ländischen Antillen und Aruba s<strong>in</strong>d jeweils autonome Teile des Königreichs <strong>der</strong><br />

Nie<strong>der</strong>lande. Sie entschei<strong>den</strong> selbständig über die Regierungsform und ihre <strong>in</strong>neren Angelegenheiten.<br />

Für die Außen- und Verteidigungspolitik ist allerd<strong>in</strong>gs Den Haag zuständig.<br />

Staatsoberhaupt ist die König<strong>in</strong> <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lande, die jeweils durch e<strong>in</strong>en Gouverneur vertreten<br />

wird. Aruba und die Antillen entsen<strong>den</strong> ihrerseits jeweils e<strong>in</strong>en Bevollmächtigten M<strong>in</strong>ister nach<br />

Den Haag, <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>ländischen Regierung Kab<strong>in</strong>ettsrang besitzt. Die bei<strong>den</strong> Inselregierungen<br />

setzen sich aus dem Gouverneur und dem M<strong>in</strong>isterrat zusammen. M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t<br />

und M<strong>in</strong>ister s<strong>in</strong>d nur <strong>den</strong> frei gewählten Volksvertretungen <strong>in</strong> Oranjestad und<br />

Willemstad verantwortlich.<br />

Der Umfang <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Autonomie <strong>der</strong> Antillen und Arubas bleibt umstritten. Bisher konnte<br />

ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>igkeit über e<strong>in</strong>e Än<strong>der</strong>ung des im Reichsstatut nie<strong>der</strong>gelegten Status <strong>der</strong> Überseegebiete<br />

gefun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>.<br />

2.16.9. Städte und Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

Die Nie<strong>der</strong>lande können als dezentralisierter E<strong>in</strong>heitsstaat charakterisiert wer<strong>den</strong>. Laut Grundgesetz<br />

s<strong>in</strong>d die nie<strong>der</strong>ländischen Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> ermächtigt, ihre Aufgaben selbst zu verwalten<br />

und ihren eigenen Haushalt zu führen. In <strong>der</strong> Praxis wird ihre Autonomie jedoch stark e<strong>in</strong>geschränkt,<br />

da die zentralen Instanzen viele Aufgaben auf Staatsebene regeln und nur <strong>den</strong><br />

Vollzug dieser Aufgaben an die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> delegieren.<br />

Die Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>äte wer<strong>den</strong> vom Volk für 4 Jahre gewählt; ihre Anzahl variiert je nach<br />

Geme<strong>in</strong>degröße zwischen 9 und 45 Mitglie<strong>der</strong>n (Amsterdam z.B. hat 45). Das exekutive Organ<br />

e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de wird vom Kollegium des Bürgermeisters und <strong>der</strong> Beigeordneten (College van<br />

burgemeester en wethou<strong>der</strong>s, B&W) gebildet.<br />

Die Beigeordneten wer<strong>den</strong> durch <strong>den</strong> Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>at aus <strong>den</strong> eigenen Reihen gewählt und<br />

bleiben auch weiterh<strong>in</strong> stimmberechtigte Ratsmitglie<strong>der</strong>. Ihre Anzahl ist abhängig von <strong>der</strong> Anzahl<br />

<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>atsmitglie<strong>der</strong> (Amsterdam z.B. hat 8). Der Bürgermeister selbst wird nicht<br />

gewählt, son<strong>der</strong>n von <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>ländischen König<strong>in</strong> für e<strong>in</strong>e Periode von 6 Jahren ernannt. Nur<br />

sie kann <strong>den</strong> Bürgermeister wie<strong>der</strong> ablösen, nicht aber <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>at. Der Bürgermeister<br />

nimmt somit e<strong>in</strong>e gewisse Aufsichtsfunktion e<strong>in</strong>. Im Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>at ist er nicht stimmberechtigt.<br />

2.17. Österreich<br />

Offizieller Name: Republik Österreich.<br />

Bevölkerung: 8 Mio.<br />

Staatsform: Parlamentarische bundesstaatliche Republik.<br />

2.17.1. Verfassung<br />

Die Verfassung von 1920 (<strong>in</strong> <strong>der</strong> revidierten Fassung von 1929) wurde am 1.5.1945 wie<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

Kraft gesetzt. Mit dem Staatsvertrag vom 15.5.1955 erhielt Österreich se<strong>in</strong>e volle Unabhängigkeit<br />

zurück und beschloss am 26.10.1955 die „immerwährende Neutralität“. E<strong>in</strong>e gründliche<br />

Verfassungsreform wird seit längerem diskutiert; vor dem Beitritt zur EU im Jahr 1995 wur<strong>den</strong><br />

die erfor<strong>der</strong>lichen Verfassungsanpassungen per Gesetz durchgeführt.<br />

2.17.2. EU-Beitritt<br />

Österreich trat <strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> im Jahr 1995 bei.<br />

2.17.3. Staatsaufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

Österreich ist e<strong>in</strong> fö<strong>der</strong>al geglie<strong>der</strong>ter Bundesstaat und teilt sich <strong>in</strong> 9 Bundeslän<strong>der</strong> (Burgenland,<br />

Kärnten, Nie<strong>der</strong>österreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg und<br />

Wien) auf.


Die Bezirke bil<strong>den</strong> e<strong>in</strong>e Zwischenebene zwischen <strong>den</strong> Bundeslän<strong>der</strong>n und <strong>den</strong> Geme<strong>in</strong><strong>den</strong>.<br />

Sie erfüllen re<strong>in</strong> adm<strong>in</strong>istrative Funktionen. Die Bezirkshauptleute wer<strong>den</strong> deshalb auch nicht<br />

gewählt, son<strong>der</strong>n vom Landeshauptmann ihres Bundeslandes ernannt.<br />

2.17.4. Wahlrecht<br />

Im Frühjahr 2007 e<strong>in</strong>igte sich die neue SPÖ-ÖVP-Koalition auf e<strong>in</strong>e umfassende Wahlrechtsreform.<br />

Eckpfeiler s<strong>in</strong>d die Senkung des aktiven Wahlalters von 18 auf 16 Jahre, die<br />

Senkung des passiven Wahlalters von 19 auf 18 Jahre, die Verlängerung <strong>der</strong> Legislaturperiode<br />

des Nationalraters von vier auf fünf Jahre und die E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> Briefwahl im Inund<br />

Ausland. Diese Än<strong>der</strong>ung wirkt sich nicht nur auf die Bundesebene aus, <strong>den</strong>n das<br />

„Homogenitätspr<strong>in</strong>zip“ <strong>der</strong> Verfassung sieht vor, dass die Bundeslän<strong>der</strong> die „Bed<strong>in</strong>gungen<br />

des aktiven und passiven Wahlrechts nicht enger ziehen als die Bundesverfassung für<br />

Wahlen zum Nationalrat“. In Kärnten, <strong>der</strong> Steiermark und dem Burgenland wurde das<br />

Wahlalter auf kommunaler Ebene bereits zuvor auf 16 Jahre gesenkt; erprobt wurde das neue<br />

Wahlrecht erstmals im Burgenland (2002).<br />

Das passive Wahlalter für das Amt des Bundespräsi<strong>den</strong>ten bleibt mit 35 Jahren unverän<strong>der</strong>t.<br />

Es besteht Wahlpflicht bei Bundespräsi<strong>den</strong>tenwahlen (<strong>in</strong> Tirol und Vorarlberg) und bei Landtagswahlen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Bundeslän<strong>der</strong>n.<br />

2.17.5. Das Staatsoberhaupt<br />

Der Bundespräsi<strong>den</strong>t wird vom Volk <strong>in</strong> bis zu 2 Wahlgängen direkt gewählt, d.h., wenn mehr<br />

als zwei BewerberInnen kandidieren und ke<strong>in</strong>er von ihnen e<strong>in</strong>e absolute Mehrheit <strong>der</strong> gültigen<br />

Stimmen erlangt, f<strong>in</strong>det 5 Wochen nach dem ersten e<strong>in</strong> zweiter Wahlgang statt, bei dem die<br />

bei<strong>den</strong> stimmenstärksten BewerberInnen gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> antreten. Die Amtszeit des Bundespräsi<strong>den</strong>ten<br />

dauert 6 Jahre, e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>malige Wie<strong>der</strong>wahl ist möglich.<br />

Die Befugnisse des österreichischen Staatsoberhauptes entsprechen weitgehend <strong>den</strong>en des<br />

deutschen Bundespräsi<strong>den</strong>ten, sie gehen allerd<strong>in</strong>gs bei <strong>der</strong> Regierungsbildung deutlich darüber<br />

h<strong>in</strong>aus, da er <strong>den</strong> Bundeskanzler be- und ernennen kann.<br />

Die wichtigsten Kompetenzen des Bundespräsi<strong>den</strong>ten s<strong>in</strong>d: Vertretung <strong>der</strong> Republik nach<br />

außen, Abschluss von Staatsverträgen, Ernennung, Angelobung und Entlassung/Enthebung<br />

<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Bundesregierung und <strong>der</strong> Staatssekretäre, Bestellung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>stweiligen<br />

Bundesregierung, Angelobung <strong>der</strong> Landeshauptmänner, Auflösung des Nationalrates und <strong>der</strong><br />

Landtage, Notverordnungsrecht, Oberbefehl über das Bundesheer.<br />

Am 25.04.2004 wurde <strong>der</strong> Kandidat <strong>der</strong> Sozialdemokratischen Partei, Nationalratspräsi<strong>den</strong>t<br />

He<strong>in</strong>z Fischer, mit 52,4% <strong>der</strong> Stimmen zum neuen Präsi<strong>den</strong>ten gewählt. Bei se<strong>in</strong>er<br />

Wie<strong>der</strong>wahl im April 2010 erhielt Fischer fast 79%; die Wahlbeteiligung sank allerd<strong>in</strong>gs<br />

erstmals auf knapp 50%.<br />

2.17.6. Die Regierung<br />

An <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> Bundesregierung steht <strong>der</strong> Bundeskanzler. Ihm wird von <strong>der</strong> österreichischen<br />

Verfassung, an<strong>der</strong>s als im deutschen Grundgesetz, ke<strong>in</strong>e Richtl<strong>in</strong>ienkompetenz e<strong>in</strong>geräumt.<br />

Im September 2008 kam es nach nur zwei Jahren zu vorgezogenen Nationalratswahlen,<br />

bei <strong>den</strong>en SPÖ (29,2%, -6%) und ÖVP (26%, -8,3%) stark auf Kosten <strong>der</strong> rechtspopulistischen<br />

FPÖ (17,5%, + 6,5%) und des BZÖ (10,7%, + 6,6%) verloren. Die neuen<br />

Vorsitzen<strong>den</strong> <strong>der</strong> bisherigen Koalitionspartner, Werner Faymann (SPÖ) und Josef Pröll<br />

(ÖVP), e<strong>in</strong>igten sich schließlich auf e<strong>in</strong>e Neuauflage <strong>der</strong> „Großen Koalition“. 2011 wurde<br />

Pröll als Parteichef und Vizekanzler von Michael Sp<strong>in</strong>delegger abgelöst.<br />

2.17.7. Das Parlament<br />

Die Organe <strong>der</strong> Gesetzgebung s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Nationalrat (Parlament) und <strong>der</strong> Bundesrat (Län<strong>der</strong>kammer).<br />

Beide Kammern treten zur Angelobung des Bundespräsi<strong>den</strong>ten als Bundesversammlung<br />

zusammen.


a) Der Nationalrat<br />

Der Nationalrat ist das wichtigste Organ <strong>der</strong> Gesetzgebung. Ke<strong>in</strong> Bundesgesetz kann ohne<br />

Beschluss des Nationalrates zustande kommen. Se<strong>in</strong>e 183 Abgeordneten wer<strong>den</strong> nach <strong>den</strong><br />

Grundsätzen <strong>der</strong> Verhältniswahl auf 4 – künftig 5 – Jahre direkt gewählt. Der Bundespräsi<strong>den</strong>t<br />

beauftragt gewöhnlich <strong>den</strong> Vorsitzen<strong>den</strong> <strong>der</strong> stärksten Partei mit <strong>der</strong> Bildung <strong>der</strong><br />

Bundesregierung, die dann vom Nationalrat bestätigt wer<strong>den</strong> muss.<br />

Beim österreichischen Wahlsystem handelt es sich um e<strong>in</strong>e Verhältniswahl mit verbun<strong>den</strong>en<br />

Bundes-, Landes- und Regionallisten. Je<strong>der</strong> Wahlberechtigte hat nur e<strong>in</strong>e Stimme (Parteistimme).<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus kann er jeweils e<strong>in</strong>e Vorzugsstimme für e<strong>in</strong>en Bewerber <strong>der</strong> Landesparteiliste<br />

und <strong>der</strong> Regionalparteiliste <strong>der</strong> von ihm gewählten Partei vergeben. Stimmensplitt<strong>in</strong>g<br />

ist nicht zulässig. Es gibt drei Ermittlungsverfahren, wobei am zweiten und dritten nur jene<br />

Parteien teilnehmen, die im ersten Ermittlungsverfahren zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> Regionalwahlkreise<br />

e<strong>in</strong> Mandat (d.h. e<strong>in</strong>e regionale 20% bis 25%-Hürde) o<strong>der</strong> im gesamten Bundesgebiet<br />

m<strong>in</strong>destens 4% <strong>der</strong> abgegebenen gültigen Stimmen erzielt haben.<br />

b) Der Bundesrat<br />

Der Bundesrat vertritt die Interessen <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong> auf Bundesebene. Se<strong>in</strong>e 64 Mitglie<strong>der</strong><br />

wer<strong>den</strong> nicht direkt gewählt, son<strong>der</strong>n von <strong>den</strong> Landtagen entsprechend <strong>der</strong> Stärke <strong>der</strong> Parteien<br />

im jeweiligen Landtag entsandt; somit s<strong>in</strong>d die Län<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Gesetzgebung beteiligt. Die<br />

E<strong>in</strong>wohnerzahl <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong> entscheidet darüber, wie viele Mitglie<strong>der</strong> jedes Land <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Bundesrat entsen<strong>den</strong> darf. Se<strong>in</strong> Präsi<strong>den</strong>t wechselt halbjährlich nach dem Alphabet <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong>.<br />

Für Gesetzesbeschlüsse bedarf es <strong>der</strong> Zustimmung bei<strong>der</strong> Kammern, wobei <strong>der</strong><br />

Bundesrat jedoch nur e<strong>in</strong> temporäres Vetorecht (aufschiebende Wirkung) besitzt.<br />

2.17.8. Die Län<strong>der</strong><br />

Die Österreichische Bundesverfassung bestimmt, für welche Angelegenheiten <strong>der</strong> Bund und<br />

für welche die Län<strong>der</strong> zuständig s<strong>in</strong>d. Alle Angelegenheiten, die nicht ausdrücklich zur Bundessache<br />

erklärt wur<strong>den</strong>, fallen <strong>in</strong> <strong>den</strong> selbständigen Wirkungsbereich <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>. Der Landtag<br />

übt die Gesetzgebung des Landes, e<strong>in</strong>schließlich <strong>der</strong> Verfassungsgesetzgebung, aus.<br />

In die Regelungsbefugnis des Landtages fallen zum Beispiel: Geme<strong>in</strong>deorganisation, Organisation<br />

<strong>der</strong> Landesbehör<strong>den</strong>, K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartenwesen, Natur- und Landschaftsschutz, Baurecht,<br />

Raumplanung, Wohnbauför<strong>der</strong>ung, Abwasser- und Abfallbeseitigung, Straßenwesen (ausgenommen<br />

Bundesstraßen), Grundverkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken,<br />

Auslän<strong>der</strong>grundverkehr, Jagd und Fischerei, Sport, Schischul- und Bergführerwesen, Sozialhilfe<br />

und Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenfürsorge, Katastrophenhilfe und Rettungswesen, Kulturför<strong>der</strong>ung, Landwirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />

und Spitalswesen.<br />

Der Landtag wählt se<strong>in</strong>e Organe (Präsi<strong>den</strong>t usw.) und die Landesregierung. Der Landtag kontrolliert<br />

die Landesregierung (z.B. durch Anfragen o<strong>der</strong> die Auffor<strong>der</strong>ung zur Vorlage e<strong>in</strong>es<br />

Berichtes). Er kann auch dem Landesrechnungshof Prüfungsaufträge erteilen, und er entsendet<br />

die Vertreter des Landes <strong>in</strong> <strong>den</strong> Bundesrat.<br />

Die Landtage wer<strong>den</strong> nach <strong>den</strong> gleichen Grundsätzen gewählt wie <strong>der</strong> Nationalrat, also nach<br />

dem persönlichen Verhältniswahlrecht. Stimmberechtigt s<strong>in</strong>d alle Landesbürger, <strong>in</strong> jedem Fall<br />

jene österreichischen Staatsbürger, die im Land ihren Hauptwohnsitz haben. Die Wahlberechtigung<br />

kann auf österreichische Staatsbürger erweitert wer<strong>den</strong>, die im Land e<strong>in</strong>en Zweitwohnsitz<br />

haben (z.B. <strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>österreich). Die Gesetzgebungsperiode des Landtags dauert <strong>in</strong> Oberösterreich<br />

6 Jahre, <strong>in</strong> allen an<strong>der</strong>en Bundeslän<strong>der</strong>n 5 Jahre. Die Zahl <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> des Landtags<br />

ist durch Landesgesetze festgelegt.<br />

Die Landesregierung bildet das oberste Verwaltungsorgan <strong>in</strong> <strong>den</strong> Bundeslän<strong>der</strong>n. Sie besteht<br />

aus dem Landeshauptmann, dessen Stellvertreter(n) und weiteren Mitglie<strong>der</strong>n; die genaue<br />

Zahl ist durch die Landesverfassungen geregelt (meist 7–9). In Wien ist <strong>der</strong> Stadtsenat die<br />

Landesregierung. Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Landesregierung müssen zum Landtag wählbar se<strong>in</strong>,<br />

müssen diesem jedoch nicht angehören. In 5 von 9 Bundeslän<strong>der</strong>n gibt es noch das Pr<strong>in</strong>zip<br />

des Regierungsproporzes (Ausnahmen: Wien, Vorarlberg, seit 1998 auch Salzburg und Tirol).


Der Landeshauptmann ist Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Landesregierung (<strong>in</strong> Wien gleichzeitig auch<br />

Bürgermeister) und Träger <strong>der</strong> mittelbaren Bundesverwaltung. Er wird vom Landtag gewählt<br />

und vom Bundespräsi<strong>den</strong>ten auf die Bundesverfassung angelobt. Der Landeshauptmann<br />

nimmt folgende Aufgaben wahr: Vertretung des Landes, Weiterleitung <strong>der</strong> Gesetzesbeschlüsse<br />

des Landtags an die Bundesregierung, Kundmachung dieser Gesetzesbeschlüsse im<br />

Landesgesetzblatt, Angelobung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Landesregierung. Als Mitglied <strong>der</strong> Landesregierung<br />

ist <strong>der</strong> Landeshauptmann überdies mit <strong>den</strong> obersten Verwaltungsgeschäften des<br />

Landes betraut. In dieser H<strong>in</strong>sicht ist er dem Landtag als Träger <strong>der</strong> mittelbaren Bundesverwaltung<br />

verantwortlich.<br />

Wien hat <strong>in</strong>sofern e<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>stellung, als es nach <strong>der</strong> Bundesverfassung zwar primär e<strong>in</strong>e<br />

Stadtgeme<strong>in</strong>de, gleichzeitig aber auch e<strong>in</strong> Bundesland ist. Die Organe <strong>der</strong> Stadt Wien haben<br />

demnach e<strong>in</strong>e Doppelfunktion <strong>in</strong>ne: <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>at ist zugleich Landtag, <strong>der</strong> Stadtsenat ist<br />

Landesregierung, <strong>der</strong> Bürgermeister ist Landeshauptmann.<br />

2.17.9. Die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

In rechtlicher H<strong>in</strong>sicht s<strong>in</strong>d große Städte und kle<strong>in</strong>e Landgeme<strong>in</strong><strong>den</strong> gleichgestellt; e<strong>in</strong>e<br />

Son<strong>der</strong>stellung nehmen nur Städte mit eigenem Statut e<strong>in</strong>. Während früher historische Gründe<br />

dafür bestimmend waren, ob e<strong>in</strong>e Stadt e<strong>in</strong> eigenes Statut erhielt (zum Beispiel Waidhofen an<br />

<strong>der</strong> Ybbs, Rust), sieht das Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>echt von 1962 vor, dass alle Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> mit mehr als<br />

20.000 E<strong>in</strong>wohnern diesen Rang erhalten können.<br />

Die Geme<strong>in</strong>devertretung ist das beschließende und überwachende Organ und wird nach dem<br />

Verhältniswahlrecht gewählt. Sie berät und beschließt über alle Angelegenheiten des Geme<strong>in</strong>devermögens<br />

und -guts, genehmigt <strong>den</strong> Geme<strong>in</strong>devoranschlag, prüft und genehmigt die<br />

Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>echnungen, beschließt die E<strong>in</strong>führung sonstiger Geme<strong>in</strong>deabgaben, wählt <strong>den</strong> Bürgermeister<br />

und die übrigen Mitglie<strong>der</strong> des Geme<strong>in</strong>devorstands aus ihrer Mitte und überwacht<br />

<strong>der</strong>en Geschäftsführung.<br />

Der Geme<strong>in</strong>devorstand wird von <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>devertretung aus ihrer Mitte gewählt; er besteht<br />

aus Bürgermeister, 1–3 Stellvertretern (Vizebürgermeistern) und weiteren Mitglie<strong>der</strong>n und ist<br />

das vollziehende Organ im selbständigen Wirkungsbereich <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de.<br />

Der Bürgermeister ist das vollziehende Organ <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de im übertragenen Wirkungsbereich<br />

und führt die Angelegenheiten <strong>der</strong> mittelbaren Bundesverwaltung. In Städten mit eigenem Statut<br />

ist <strong>der</strong> Bürgermeister gleichzeitig Leiter <strong>der</strong> Bezirksverwaltungsbehörde, <strong>in</strong> Wien ist er zugleich<br />

auch Landeshauptmann. Er wird vom Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>at gewählt und ist diesem für die Erfüllung<br />

se<strong>in</strong>er Aufgaben aus dem eigenen Wirkungsbereich <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de verantwortlich. In <strong>der</strong> Landesverfassung<br />

(außer <strong>in</strong> Wien) kann die direkte Wahl des Bürgermeisters durch die Geme<strong>in</strong>debürgerInnen<br />

vorgesehen wer<strong>den</strong>. Die Bürgermeisterdirektwahl gibt es <strong>der</strong>zeit <strong>in</strong> <strong>den</strong> 6 Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

Burgenland, Kärnten, Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg.<br />

2.18. Polen<br />

Offizieller Name: Rzeczpospolita Polska.<br />

Bevölkerung: 38.61 Mio.<br />

Staatsform: Parlamentarische Republik mit präsidialen Elementen.<br />

2.18.1. Verfassung<br />

Die <strong>in</strong> entschei<strong>den</strong><strong>den</strong> Bereichen bereits 1989/1992 außer Kraft gesetzte stal<strong>in</strong>istische Verfassung<br />

von 1952 wurde durch die sogenannte „Osterverfassung" abgelöst, die von <strong>der</strong> Nationalversammlung<br />

angenommen und durch e<strong>in</strong>e Volksabstimmung bestätigt wurde, und am 17.10.<br />

1997 <strong>in</strong> Kraft trat. In Vorgriff auf die EU-Mitgliedschaft Polens erlaubt die Verfassung die<br />

Abgabe nationaler Souveränität an supranationale Organisationen <strong>in</strong> bestimmten Bereichen.


2.18.2. EU-Beitritt<br />

Beim Referendum am 8.6.2003 sprach sich e<strong>in</strong>e Mehrheit von 77,5% für <strong>den</strong> EU-Beitritt des<br />

Landes am 1.5.2004 aus (Wahlbeteiligung: 59%). Das Ergebnis ist b<strong>in</strong><strong>den</strong>d für das Parlament.<br />

2.18.3. Staatsaufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

Zentralverwaltungssystem mit Elementen von regionaler und lokaler Selbstverwaltung; seit<br />

1999 mit 16 Woiwodschaften (wojewodztwa) – Dolnoslaskie, Kujawsko-Pomorskie, Lodzkie,<br />

Lubelskie, Lubuskie, Malopolskie, Mazowieckie, Opolskie, Podkarpackie, Podlaskie, Pomorskie,<br />

Slaskie, Swietokrzyskie, Warm<strong>in</strong>sko-Mazurskie, Wielkopolskie, Zachodniopomorskie –,<br />

373 städtischen und ländlichen Kreisen (powiaty) und 2.489 Geme<strong>in</strong><strong>den</strong>.<br />

2.18.4. Wahlrecht<br />

Allgeme<strong>in</strong>es Wahlrecht ab 18 Jahren (passives Wahlrecht für Präsi<strong>den</strong>tschaftswahlen ab 35).<br />

2.18.5. Das Staatsoberhaupt<br />

An <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> Republik Polen steht <strong>der</strong> Staatspräsi<strong>den</strong>t, <strong>der</strong> seit 1990 alle 5 Jahre direkt<br />

vom Volk gewählt wird (<strong>in</strong> bis zu 2 Wahlgängen), und erhebliche exekutive Befugnisse besitzt:<br />

Er ist oberster Befehlshaber <strong>der</strong> Streitkräfte, hat Mitwirkungsrechte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Außenpolitik und<br />

großen E<strong>in</strong>fluss bei Personalbesetzungen <strong>in</strong> Armee und Außenpolitik. Er kann Gesetzesvorhaben<br />

mit e<strong>in</strong>em Veto belegen, das vom Parlament nur mit e<strong>in</strong>er 3/5-Mehrheit überstimmt<br />

wer<strong>den</strong> kann. Der Präsi<strong>den</strong>t kann auch das Verfassungsgericht anrufen, sollte ihm e<strong>in</strong>e Gesetzesvorlage<br />

verfassungswidrig ersche<strong>in</strong>en. Erkennt das Gericht e<strong>in</strong>e Gesetzesvorlage als<br />

verfassungskonform, muss <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t sie unterschreiben. Die Amtsdauer des Präsi<strong>den</strong>ten<br />

ist auf maximal 2 Amtsperio<strong>den</strong> begrenzt.<br />

Nachdem <strong>der</strong> im Oktober 2005 gewählte rechtskonservative Präsi<strong>den</strong>t Lech Kaczynski im<br />

April 2010 bei e<strong>in</strong>em Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war, setzte sich <strong>der</strong> Kandidat<br />

<strong>der</strong> regieren<strong>den</strong> liberal-konservativen Bürgerplattform PO Bronislaw Komorowski im Juli<br />

2010 <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stichwahl gegen <strong>den</strong> früheren M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten und Bru<strong>der</strong> Lech Kaczynskis,<br />

Jaroslaw Kaczynski, durch.<br />

2.18.6. Die Regierung<br />

Der M<strong>in</strong>isterrat leitet die Innen- und Außenpolitik <strong>der</strong> Republik. Er wird mit <strong>der</strong> absoluten Mehrheit<br />

<strong>der</strong> Stimmen im Parlament gewählt und kann nur durch e<strong>in</strong> konstruktives Misstrauensvotum<br />

gestürzt wer<strong>den</strong>.<br />

Bei <strong>den</strong> Parlamentswahlen im Herbst 2005 erlebte die seit 2001 regierende L<strong>in</strong>ke e<strong>in</strong>e vernichtende<br />

Nie<strong>der</strong>lage. Die aus <strong>der</strong> Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc hervorgegangene<br />

nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) löste das postkommunistische<br />

Bündnis <strong>der</strong> demokratischen L<strong>in</strong>ken (SLD) ab. Im Mai schloss die PIS 2006 e<strong>in</strong>en<br />

Koalitionspakt mit <strong>der</strong> Bauernpartei Samoobrona und <strong>der</strong> nationalistisch-klerikalen Liga <strong>der</strong><br />

polnischen Familien (LPR) und im Juli 2006 übernahm PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski,<br />

<strong>der</strong> Zwill<strong>in</strong>gsbru<strong>der</strong> des Staatspräsi<strong>den</strong>ten, das Amt des M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten – e<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Geschichte europäischer Demokratien wohl e<strong>in</strong>zigartiger Vorgang. Nach e<strong>in</strong>er Reihe von<br />

Skandalen und monatelangen Querelen beschloss das polnische Parlament im September<br />

2007 se<strong>in</strong>e Selbstauflösung und machte <strong>den</strong> Weg zu Neuwahlen frei, aus <strong>den</strong>en die liberale<br />

Bürgerplattform (PO) von Donald Tusk als Sieger hervorg<strong>in</strong>g. Im Oktober 2011 wurde die<br />

Regierung Tusk <strong>in</strong> ihrem Amt bestätigt.<br />

2.18.7. Das Parlament<br />

Die Nationalversammlung (Zgromadzenie Narodowe) besteht aus zwei Kammern, dem Abgeordnetenhaus<br />

und dem Senat.<br />

a) Abgeordnetenhaus (Sejm)<br />

Die 460 Abgeordneten des Sejm wer<strong>den</strong> nach e<strong>in</strong>em komplizierten Verhältniswahlsystem (mit<br />

Mehrheitswahlelementen) für 4 Jahre gewählt. Es gilt e<strong>in</strong>e 5%-Hürde für e<strong>in</strong>zelne Parteien


(bzw. e<strong>in</strong>e 8%-Hürde für Parteienbündnisse) mit Ausnahmeregelungen zugunsten nationaler<br />

M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten, von <strong>den</strong>en v.a. die deutschsprachige M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit profitiert, die mit 2 Abgeordneten<br />

im Sejm vertreten ist.<br />

Die Hauptfunktion des Sejm liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesetzgebung. Die Gesetze passieren im Regelfall<br />

auch <strong>den</strong> Senat als zweite Kammer und wer<strong>den</strong> schließlich vom Präsi<strong>den</strong>ten unterzeichnet.<br />

Wichtige Aufgaben des Parlaments liegen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Diskussion politischer Streitfälle und <strong>der</strong> Kontrolle<br />

<strong>der</strong> Regierung.<br />

b) Senat<br />

Die 100 Senatoren wer<strong>den</strong> nach dem relativen Mehrheitswahlrecht ebenfalls für 4 Jahre zugleich<br />

mit dem Sejm auf Prov<strong>in</strong>zebene gewählt.<br />

Der Senat spielt bei <strong>der</strong> Gesetzgebung e<strong>in</strong>e untergeordnete Rolle. Zwar muss ihm <strong>der</strong> Sejm<br />

jedes Gesetz zur Beratung vorlegen, doch wenn <strong>der</strong> Senat sich <strong>in</strong>nerhalb von 30 Tagen nicht<br />

dazu äußert, gilt das Gesetz als verabschiedet. E<strong>in</strong> Än<strong>der</strong>ungsantrag des Senats wird nur<br />

dann umgesetzt, wenn m<strong>in</strong>destens 50% <strong>der</strong> Abgeordneten des Sejm zustimmen. Bei strittigen<br />

Fällen gilt letztendlich das Votum des Sejm. So kann <strong>der</strong> Senat Gesetze zwar verzögern, aber<br />

nicht verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n. E<strong>in</strong>e entschei<strong>den</strong>de Rolle spielt <strong>der</strong> Senat, wenn es um Immunitätsfragen<br />

von Abgeordneten o<strong>der</strong> Fragen von Krieg und Frie<strong>den</strong> geht.<br />

2.18.8. Wojwodschaften, Kreise und Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

1998 wurde e<strong>in</strong>e Reform <strong>der</strong> Selbstverwaltung durchgeführt. In Übere<strong>in</strong>stimmung mit dem zentralstaatlichen<br />

Pr<strong>in</strong>zip bleibt Polen e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitlicher Staat, <strong>in</strong> dem <strong>der</strong> Staat als Ganzes die volle<br />

und ausschließliche Souveränität besitzt. Die territorialen E<strong>in</strong>heiten verfügen über ke<strong>in</strong>e Eigenschaften,<br />

die für e<strong>in</strong>en fö<strong>der</strong>ativen Staat o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Staat mit autonomen Regionen charakteristisch<br />

s<strong>in</strong>d. Das <strong>in</strong> Polen geltende zentralstaatliche Pr<strong>in</strong>zip ist dem französischen Staatssystem<br />

ähnlich und unterscheidet sich von dem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland o<strong>der</strong><br />

Österreich gelten<strong>den</strong> fö<strong>der</strong>ativen Pr<strong>in</strong>zip.<br />

Es gibt drei Ebenen <strong>der</strong> lokalen Verwaltung: Wojwodschaften, Kreise und Geme<strong>in</strong><strong>den</strong>.<br />

Die frühere Zahl von 49 Wojwodschaften – e<strong>in</strong>geführt <strong>in</strong> <strong>den</strong> 70er-Jahren nach dem Muster <strong>der</strong><br />

französischen Départements – sollte von e<strong>in</strong>er wesentlich kle<strong>in</strong>eren Zahlen ersetzt wer<strong>den</strong>;<br />

nach schwierigen Verhandlungen wurde die Zahl <strong>der</strong> Woiwodschaften auf 16 festgelegt. E<strong>in</strong>es<br />

<strong>der</strong> Ziele dieser Reform war es, die neuen Woiwodschaften von <strong>der</strong> Flächengröße und <strong>der</strong> E<strong>in</strong>wohnerzahl<br />

<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> existieren<strong>den</strong> Regionen, Bundeslän<strong>der</strong>n u.a.<br />

anzugleichen. Nach <strong>der</strong> neuen Gesetzgebung verfügen die Wojwodschaften außerdem über<br />

wesentlich mehr Machtbefugnisse, was die Zentralregierung erheblich geschwächt hat.<br />

Die Wojwodschaft ist durch e<strong>in</strong>e dualistische Struktur und e<strong>in</strong>e doppelte, nach Sachgebieten<br />

unterteilte Adm<strong>in</strong>istration gekennzeichnet: Das direkt gewählte Regionalparlament (Sejmik),<br />

das über eigene Haushaltskompetenz verfügt, bestimmt aus se<strong>in</strong>er Mitte <strong>den</strong> Marschall (mit<br />

Marschallamt und Woiwodschaftsvorstand); daneben gibt es <strong>den</strong> Wojwo<strong>den</strong> als Vertreter <strong>der</strong><br />

Zentralregierung. Dieser mit hohen Kompetenzen ausgestattete Beamte führt gegenüber <strong>den</strong><br />

Selbstverwaltungsorganen <strong>in</strong> wesentlichen Bereichen die Aufsicht. Er ist das übergeordnete<br />

Organ im Verwaltungsverfahren sowie <strong>der</strong> Vertreter des Fiskus. Im Rahmen se<strong>in</strong>er Verpflichtungen<br />

hat <strong>der</strong> Wojwode auch die Aufgabe, die detaillierten politischen Ziele des M<strong>in</strong>isterrates<br />

an die lokalen Bed<strong>in</strong>gungen anzupassen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im Bereich <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wojwodschaft<br />

zu realisieren<strong>den</strong> Regionalpolitik des Staates. Als Vertreter <strong>der</strong> Regierung vertritt er die<br />

Exekutive und koord<strong>in</strong>iert die Aufgaben auf dem Gebiet <strong>der</strong> Verteidigung und <strong>der</strong> Sicherheit<br />

des Staates. Zu se<strong>in</strong>en Pflichten gehört auch, die Aktivitäten <strong>der</strong> Regierungsadm<strong>in</strong>istration und<br />

<strong>der</strong> Selbstverwaltungsgremien auf dem Gebiet <strong>der</strong> Zivilverteidigung zu koord<strong>in</strong>ieren.<br />

Demnach ist diese Regionalebene die e<strong>in</strong>zige, auf <strong>der</strong> zwei Verwaltungse<strong>in</strong>heiten mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

koexistieren müssen – die Selbstverwaltung und die regierungsamtliche. Die Regierungse<strong>in</strong>heiten<br />

für die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> (rejong) wur<strong>den</strong> dagegen abgeschafft.<br />

Gleichzeitig mit <strong>der</strong> Verwaltungsreform wur<strong>den</strong> die Kreise (powiaty) – 373, darunter 65 kreisfreie<br />

Städte mit mehr als 100.000 E<strong>in</strong>wohnern – wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>geführt. Auf <strong>der</strong> Kreisebene wer<strong>den</strong><br />

die Aufgaben von <strong>den</strong> gewählten Kreisräten, Kreisvorstän<strong>den</strong> und Starosten (Bezirkshaupt-


männer, Landräte) ausgeübt. Die Tätigkeit <strong>der</strong> Kreise ist subsidiär, weil sie nur diejenigen<br />

Aufgaben übernehmen, die die Handlungsmöglichkeiten <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> überschreiten. Das<br />

gleiche gilt für die Woiwodschaften.<br />

Kle<strong>in</strong>ste Selbstverwaltungse<strong>in</strong>heit ist die Geme<strong>in</strong>de. Großstädte wie Kraków, Lódz, Wroclaw,<br />

Poznañ, Gdañsk und Lubl<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d auch E<strong>in</strong>zelgeme<strong>in</strong><strong>den</strong> mit Stadtpräsi<strong>den</strong>ten und Stadträten.<br />

Warszawa, die Hauptstadt Polens, ist h<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong> Pflichtverband von mehreren Stadtviertelgeme<strong>in</strong><strong>den</strong>.<br />

Auf <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>deebene wer<strong>den</strong> die Aufgaben von <strong>den</strong> auf 4 Jahre gewählten<br />

Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>äten und Geme<strong>in</strong>devorstän<strong>den</strong> (als Vollziehungsorgan des Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>ates) mit<br />

Vogten, Bürgermeistern und Stadtpräsi<strong>den</strong>ten ausgeübt.<br />

Seit <strong>der</strong> Reform fan<strong>den</strong> 2 Kommunalwahlen (<strong>in</strong> jeweils 2 Wahlgängen) statt, 1998 und 2002.<br />

Interessant war das Abschnei<strong>den</strong> <strong>der</strong> politischen Vertretung <strong>der</strong> deutschsprachigen M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit<br />

<strong>in</strong> Südwestpolen. In <strong>der</strong> Wojwodschaft Opole konnte sie 29 <strong>der</strong> <strong>in</strong>sgesamt 45 Sitze im Regionalparlament<br />

err<strong>in</strong>gen.<br />

2.19. Portugal<br />

Offizieller Name: República Portuguesa.<br />

Bevölkerung: 9,8 Mio.<br />

Staatsform: Parlamentarisch-demokratische Republik (seit 1976).<br />

2.19.1. Verfassung<br />

Verfassung von 1976; mehrfach, zuletzt 1997, geän<strong>der</strong>t.<br />

2.19.2. EU-Beitritt<br />

Portugal trat <strong>den</strong> <strong>Europäischen</strong> Geme<strong>in</strong>schaften (EGKS, EWG, Euratom) im Jahr 1986 bei.<br />

2.19.3. Staatlicher Aufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

18 Distrikte (distritos): Aveiro, Beja, Braga, Braganca, Castelo Branco, Coimbra, Evora, Faro,<br />

Guarda, Leiria, Lisboa, Portalegre, Porto, Santarem, Setubal, Viana do Castelo, Vila Real,<br />

Viseu; 2 autonome Regionen (regioes autonomas): Acores und Madeira.<br />

2.19.4. Wahlrecht<br />

Aktives und passives Wahlrecht ab 18 Jahren. Passives Wahlrecht für Präsi<strong>den</strong>tenwahlen:<br />

35 Jahre.<br />

2.19.5. Das Staatsoberhaupt<br />

Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber <strong>der</strong> Streitkräfte ist <strong>der</strong> auf 5 Jahre direkt vom Volk <strong>in</strong><br />

bis zu 2 Wahlgängen gewählte Präsi<strong>den</strong>t. Er ernennt <strong>den</strong> M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten und auf dessen<br />

Vorschlag die übrigen Mitglie<strong>der</strong> des Kab<strong>in</strong>etts, das sowohl dem Präsi<strong>den</strong>ten als auch dem<br />

Parlament verantwortlich ist.<br />

Die verfassungsmäßige Stellung des Staatspräsi<strong>den</strong>ten ist stärker als die des deutschen o<strong>der</strong><br />

auch des österreichischen Bundespräsi<strong>den</strong>ten. Er ist u.a. Oberbefehlshaber <strong>der</strong> Streitkräfte<br />

(auch <strong>in</strong> Frie<strong>den</strong>szeiten), kann das Parlament auflösen und wird regelmäßig zu grundsätzlichen<br />

politischen Fragen konsultiert. Der Präsi<strong>den</strong>t beauftragt Personen se<strong>in</strong>es Vertrauens mit<br />

<strong>der</strong> Regierungsbildung, entlässt Regierungen, die über ke<strong>in</strong>e parlamentarische Mehrheit verfügen<br />

und führt Neuwahlen herbei.<br />

Staatsoberhaupt ist seit Januar 2006 <strong>der</strong> konservative Aníbal Cavaco Silva, Premierm<strong>in</strong>ister<br />

von 1985-95, <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Zerstrittenheit <strong>der</strong> L<strong>in</strong>ken profitierte. Im Januar 2011 wurde Cavaco<br />

Silva im Amt bestätigt.<br />

E<strong>in</strong> 10–20-köpfiger Staatsrat (conselho do estado) fungiert als Beratungsorgan des Präsi<strong>den</strong>ten.<br />

Ihm gehören <strong>der</strong> Parlamentspräsi<strong>den</strong>t, <strong>der</strong> M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t, <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t des Verfassungsgerichts,<br />

<strong>der</strong> Ombudsmann, die Präsi<strong>den</strong>ten <strong>der</strong> Regionalverwaltungen, frühere Staats-


präsi<strong>den</strong>ten (seit 1976), sowie 5 vom Präsi<strong>den</strong>ten für die Dauer se<strong>in</strong>er Amtszeit und 5 vom<br />

Parlament für die Dauer <strong>der</strong> Legislaturperiode ausgewählte Personen an.<br />

2.19.6. Die Regierung<br />

Bei <strong>den</strong> Parlamentswahlen 2011 erreichten die Sozialisten (PS) nur noch 28%. Die<br />

rechtsliberale Partido Social Democrata (PPD-PSD) und das rechtskonservative Centro<br />

Democrático e Social – Partido Popular (CDS-PP) errangen mit 132 <strong>der</strong> 230 Parlamentssitze<br />

e<strong>in</strong>e absolute Mehrheit und bildeten e<strong>in</strong>e neue Regierung unter PSD-Chef Pedro Passos<br />

Coelho.<br />

2.19.7. Das Parlament<br />

Die gesetzgebende Gewalt liegt beim Parlament (asembleia da republica), das aus e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen<br />

Kammer mit 230 Sitzen besteht. Die Abgeordneten wer<strong>den</strong> nach dem Verhältniswahlrecht<br />

für e<strong>in</strong>e Dauer von 4 Jahren gewählt. Die Mehrpersonenwahlkreise wirken dabei wie<br />

Sperrklauseln und beugen <strong>der</strong> Fragmentierung des Parteiensystems vor. Es kommt dadurch<br />

regelmäßig zu e<strong>in</strong>em Disproportionseffekt zwischen Wählerstimmen und Mandatsverteilung,<br />

wovon <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die großen Parteien profitieren.<br />

2.19.8. Die Regionen und Distrikte<br />

Die Azoren und Madeira bil<strong>den</strong> autonome Regionen mit nach dem Verhältniswahlrecht direkt<br />

gewählten Regionalversammlungen, die wie<strong>der</strong>um Regionalregierungen mit erheblichen Befugnissen<br />

e<strong>in</strong>setzen. Der Staat ist <strong>in</strong> je<strong>der</strong> autonomen Region durch e<strong>in</strong>en Staatsm<strong>in</strong>ister<br />

repräsentiert. Dieser M<strong>in</strong>ister besitzt e<strong>in</strong> Vetorecht, das die Versammlung mit absoluter<br />

Mehrheit überstimmen kann. Der Präsi<strong>den</strong>t <strong>der</strong> Republik kann das Regionalparlament auflösen<br />

(nach Konsultation des Parlaments und des Staatsrates). In diesem Fall übernimmt <strong>der</strong> zuständige<br />

M<strong>in</strong>ister die Exekutivmacht.<br />

In <strong>den</strong> übrigen Verwaltungsregionen (Distrikten) gibt es ebenfalls jeweils e<strong>in</strong>e Regionalversammlung<br />

und e<strong>in</strong>en regionalen Ausschuss als Exekutivorgan mit ger<strong>in</strong>geren Befugnissen. Die<br />

Versammlungen setzen sich zum Teil aus direkt gewählten Mitglie<strong>der</strong>n und e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>eren<br />

Gruppe von Abgeordneten zusammen, die <strong>in</strong>direkt durch e<strong>in</strong> aus Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Kommunalverwaltungen<br />

gebildetes Wahlgremium bestimmt wer<strong>den</strong>. Die Zentralregierung ist <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Verwaltungsregion<br />

durch e<strong>in</strong>en Beamten vertreten, <strong>der</strong> durch <strong>den</strong> M<strong>in</strong>isterrat bestellt wird.<br />

2.19.9. Die Kommunen und Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

Die Bezeichnung „Kommunen“ wurde hier als Übersetzung für das portugiesische Município<br />

gewählt; <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Übersetzungen wird statt dessen das Wort „Landkreise“ verwendet.<br />

Repräsentativorgane <strong>der</strong> Kommunen s<strong>in</strong>d die nach dem Verhältniswahlrecht gewählte Kommunalversammlung<br />

und die Kommunalkammer. Die Kommunalversammlung ist das Beschlussorgan<br />

<strong>der</strong> Kommune und setzt sich aus unmittelbar gewählten Mitglie<strong>der</strong>n, <strong>der</strong>en Zahl diejenige<br />

<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>devorsitzen<strong>den</strong> <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> jeweiligen Kommune übersteigt, zusammen. Die<br />

Kommunalkammer ist das Exekutivorgan <strong>der</strong> Kommune; ihr Vorsitzen<strong>der</strong> ist <strong>der</strong>jenige Kandidat,<br />

<strong>der</strong> die meistgewählte Liste anführt.<br />

Auch jede Geme<strong>in</strong>de verfügt über e<strong>in</strong>e vom Volk nach dem Verhältniswahlrecht direkt gewählte<br />

Geme<strong>in</strong>deversammlung und e<strong>in</strong>en daraus hervorgehen<strong>den</strong> Geme<strong>in</strong>deausschuss. Durch Gesetz<br />

kann bestimmt wer<strong>den</strong>, dass <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> mit sehr kle<strong>in</strong>er Bevölkerungszahl an die Stelle <strong>der</strong><br />

Geme<strong>in</strong>deversammlung e<strong>in</strong>e Vollversammlung <strong>der</strong> wahlberechtigten BürgerInnen tritt.<br />

Der Geme<strong>in</strong>deausschuss ist das Exekutivorgan <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de und wird von <strong>den</strong> Mitglie<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> Versammlung aus ihrer Mitte gewählt. Vorsitzen<strong>der</strong> des Geme<strong>in</strong>deausschusses ist <strong>der</strong>jenige<br />

Bürger, <strong>der</strong> die Mehrheitsliste anführt, o<strong>der</strong>, falls e<strong>in</strong>e Versammlung <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de nicht<br />

existiert, <strong>der</strong>jenige Bürger, <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Vollversammlung <strong>der</strong> BürgerInnen für dieses Amt<br />

gewählt wurde.


2.20. Rumänien<br />

Offizieller Name: România.<br />

Bevölkerung: 22,4 Mio., davon 6,6% Magyaren (Ungarn), 2,5% Roma; M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten von<br />

Deutschen, Ukra<strong>in</strong>ern, Russen und Türken (<strong>in</strong>sgesamt s<strong>in</strong>d 18 nationale M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten<br />

anerkannt).<br />

Staatsform: Parlamentarische Republik.<br />

2.20.1. Verfassung<br />

Die heutige Verfassung wurde am 21. November 1991 verabschiedet und am 8. Dezember<br />

1991 durch e<strong>in</strong> Referendum bestätigt.<br />

2.20.2. EU-Beitritt<br />

Der Beitritt Rumäniens zur <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> erfolgte am 1.1.2007.<br />

2.20.3. Staatsaufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

Das Land ist nach dem Vorbild <strong>der</strong> französischen Départements regional <strong>in</strong> 41 Bezirke<br />

������� und <strong>den</strong> Hauptstadtbezirk Bucuresti (Bukarest, 2,1 Mio.) geglie<strong>der</strong>t. E<strong>in</strong>e neue<br />

E<strong>in</strong>teilung des Landes <strong>in</strong> Regionen wurde im Zuge <strong>der</strong> Vorbereitung auf e<strong>in</strong>e EU-<br />

Mitgliedschaft diskutiert, ist aber <strong>in</strong> allernächster Zukunft nicht zu erwarten.<br />

2.20.4. Wahlrecht<br />

Aktives Wahlrecht ab dem vollendeten 18. Lebensjahr, passives Wahlrecht ab dem 21. Lebensjahr<br />

(für Senatoren und Präsi<strong>den</strong>tschaftskandidatInnen: 35 Jahre).<br />

2.20.5. Das Staatsoberhaupt ������������<br />

Der rumänische Staatspräsi<strong>den</strong>t vertritt <strong>den</strong> rumänischen Staat nach <strong>in</strong>nen und nach außen<br />

und gilt als Garant des Staates sowie se<strong>in</strong>er Verfassung. Der Staatspräsi<strong>den</strong>t vermittelt<br />

zwischen <strong>den</strong> Staatsgewalten sowie zwischen Gesellschaft und Staat. Er darf während<br />

se<strong>in</strong>er Amtszeit ke<strong>in</strong>er politischen Partei angehören und ke<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es politisches Amt<br />

beklei<strong>den</strong>.<br />

Der Staatspräsi<strong>den</strong>t wird direkt vom Volk nach dem Mehrheitswahlrecht für e<strong>in</strong>e Amtszeit<br />

von fünf Jahren (bis 2004 für 4 Jahre) gewählt. Erhält e<strong>in</strong> Kandidat im ersten Wahlgang<br />

ke<strong>in</strong>e absolute Mehrheit, f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e Stichwahl zwischen <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> bestplazierten<br />

Kandidaten statt. Die Verfassung gestattet nur zwei Amtszeiten.<br />

Das Staatsoberhaupt genießt Immunität. Er kann jedoch mit <strong>den</strong> Stimmen von zwei Dritteln<br />

<strong>der</strong> Senatoren und <strong>der</strong> Parlamentsabgeordneten wegen Hochverrats unter Anklage gestellt<br />

und se<strong>in</strong>es Amtes enthoben wer<strong>den</strong>. In diesem Fall fungiert <strong>der</strong> Senats- o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Parlamentspräsi<strong>den</strong>t <strong>in</strong>terimsmäßig als Staatsoberhaupt.<br />

Der Staatspräsi<strong>den</strong>t bestimmt <strong>den</strong> Kandidaten für das Amt des Regierungschefs. Er kann<br />

das Parlament auflösen, wenn dieses die Regierungsbildung nicht <strong>in</strong>nerhalb von 60 Tagen<br />

durch se<strong>in</strong> Vertrauensvotum billigt. Er fungiert als Oberbefehlshaber <strong>der</strong> Armee und kann mit<br />

E<strong>in</strong>willigung des Parlaments die Mobilmachung <strong>der</strong> Armee, <strong>den</strong> Belagerungszustand o<strong>der</strong><br />

<strong>den</strong> Notstand ausrufen.<br />

Der Präsi<strong>den</strong>t ernennt Richter, Staatsanwälte und drei von neun Mitglie<strong>der</strong>n des<br />

Verfassungsgerichtshofes. Er besitzt ke<strong>in</strong> Recht auf Gesetzes<strong>in</strong>itiative. Se<strong>in</strong>e Erlässe<br />

müssen vom Regierungschef gegengezeichnet wer<strong>den</strong>.<br />

Gegenwärtiger Staatspräsi<strong>den</strong>t ist <strong>der</strong> ehemalige Bürgermeister von Bukarest Traian<br />

Basescu (seit 2004, Wie<strong>der</strong>wahl 2009) von <strong>der</strong> Demokratischen Partei (PD), <strong>der</strong> damit die<br />

Nachfolge des früheren Präsi<strong>den</strong>ten Ion Iliescu antrat, <strong>der</strong> dieses Amt nach <strong>der</strong> Revolution<br />

von 1989 bis 1996 und von 2000 bis 2004 ausübte.


2.20.6. Die Regierung<br />

Der Regierungschef wird vom Staatspräsi<strong>den</strong>ten benannt und muss sich b<strong>in</strong>nen zehn Tagen<br />

e<strong>in</strong>er Vertrauensabstimmung im Parlament stellen. Innerhalb <strong>der</strong> Regierung übt <strong>der</strong><br />

Premierm<strong>in</strong>ister e<strong>in</strong>e Leitungs- und Kontrollfunktion aus; e<strong>in</strong>e Richtl<strong>in</strong>ienkompetenz besitzt er<br />

jedoch nicht.<br />

Im Februar 2012 wählte das rumänische Parlament <strong>den</strong> Parteilosen ������ �������<br />

Ungureanu zum neuen Premierm<strong>in</strong>ister. Se<strong>in</strong>em Kab<strong>in</strong>ett gehörten Vertreter <strong>der</strong><br />

Liberaldemokratischen Partei (PD-L), <strong>der</strong> Demokratischen <strong>Union</strong> <strong>der</strong> Ungarn <strong>in</strong> Rumänien<br />

(UDMR), <strong>der</strong> <strong>Union</strong> für <strong>den</strong> Fortschritt Rumäniens (UNPR) und Unabhängige an. Nach dem<br />

Sturz <strong>der</strong> Regierung Ungureanu wurde <strong>der</strong> neue Vorsitzende <strong>der</strong> l<strong>in</strong>ken PSD, Victor Ponta,<br />

mit <strong>der</strong> Regierungsbildung beauftragt. Das Kab<strong>in</strong>ett Ponta besteht aus Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> PSD,<br />

<strong>der</strong> PNL sowie <strong>der</strong> PC und wird außerdem von <strong>der</strong> PSD-Abspaltung UNPR sowie <strong>der</strong><br />

Fraktion <strong>der</strong> nationalen M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten unterstützt. Die bisherigen Regierungsparteien PD-L<br />

und UDMR bef<strong>in</strong><strong>den</strong> sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Opposition.<br />

Bereits im Juni 2012 wurde Ponta mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert. Die ständigen<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen zwischen Präsi<strong>den</strong>t Tr����� ������� und Ponta führten zu e<strong>in</strong>em<br />

Amtsenthebungsverfahren gegen <strong>den</strong> Präsi<strong>den</strong>ten und zur e<strong>in</strong>er veritablen Staatskrise. Am<br />

6. Juli 2012 beschloss das Parlament mit <strong>der</strong> Stimmenmehrheit <strong>der</strong> Regierung Traian<br />

������� wegen angeblicher Kompetenzüberschreitungen zu suspendieren. Die<br />

Volksabstimmung zur Amtsenthebung des Präsi<strong>den</strong>ten am 29. Juli 2012 scheiterte allerd<strong>in</strong>gs<br />

an e<strong>in</strong>er zu ger<strong>in</strong>gen Wahlbeteiligung.<br />

2.20.7. Das Parlament<br />

Rumänien besitzt e<strong>in</strong> Zwei-Kammern-Parlament, bestehend aus dem Senat (Senatul) und<br />

<strong>der</strong> Abgeordnetenkammer (Camera Deputatilor). Die Mitglie<strong>der</strong> bei<strong>der</strong> Kammern wer<strong>den</strong><br />

nach dem Verhältniswahlrecht <strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>en, gleichen und direkten Wahlen für vier Jahre<br />

bestimmt.<br />

Dem Senat gehören 143 Mitglie<strong>der</strong> (e<strong>in</strong> Senator auf 160.000 E<strong>in</strong>wohner), <strong>der</strong><br />

Abgeordnetenkammer 341 Mitglie<strong>der</strong> (e<strong>in</strong> Abgeordneter auf 70.000 E<strong>in</strong>wohner) an. Beide<br />

Kammern haben – ähnlich wie <strong>in</strong> Italien – nahezu i<strong>den</strong>tische legislative Kompetenzen.<br />

Beide Kammern treten zu geme<strong>in</strong>samen Sitzungen zusammen, wenn es um <strong>den</strong><br />

Staatshaushalt, die allgeme<strong>in</strong>e Mobilmachung o<strong>der</strong> die Ausrufung des Kriegszustandes geht.<br />

Parteien, die nationale M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten repräsentieren, haben – unabhängig von <strong>der</strong> Stimmzahl<br />

– das Recht auf e<strong>in</strong>en Abgeordnetensitz. Es gibt e<strong>in</strong>e Fünf-Prozent-Hürde.<br />

2.20.8. Die Bezirke<br />

Je<strong>der</strong> Bezirk wird durch e<strong>in</strong>en gewählten Bezirksrat verwaltet. Die Lokalräte und die<br />

gewählten Bürgermeister s<strong>in</strong>d die öffentlichen Verwaltungsbehör<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

(Dörfer und Städte). Der Bezirksrat ist die öffentliche Verwaltungsbehörde, die die Aktivitäten<br />

<strong>der</strong> Lokalräte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Bezirk koord<strong>in</strong>iert.<br />

Die Zentralregierung ernennt e<strong>in</strong>en Präfekten für je<strong>den</strong> Bezirk und für das Munizipium<br />

Bukarest. Der Präfekt vertritt die Regierung auf lokaler Ebene und leitet die öffentlichen<br />

Dienste <strong>der</strong> M<strong>in</strong>isterien und an<strong>der</strong>er Zentralorgane auf Bezirksebene. E<strong>in</strong> Präfekt kann e<strong>in</strong>en<br />

Akt e<strong>in</strong>er lokalen Behörde blockieren, wenn er ihn für gesetzeswidrig bef<strong>in</strong>det.<br />

Unter <strong>der</strong> neuen Gesetzgebung, die seit Januar 1999 <strong>in</strong> Kraft ist, wur<strong>den</strong> die Kompetenzen<br />

<strong>der</strong> ernannten Präfekten bezüglich ihrer Vollmachten über das Budget weitgehend<br />

e<strong>in</strong>geschränkt.


2.21. Schwe<strong>den</strong><br />

Offizieller Name: Konungariket Sverige.<br />

Bevölkerung: 8,9 Mio.<br />

Staatsform: Konstitutionelle Monarchie mit parlamentarischem Regierungssystem (seit 1809).<br />

2.21.1. Verfassung<br />

Grundlage ist die Verfassung von 1975. Letzte Regierungsbefugnisse des Monarchen wur<strong>den</strong><br />

<strong>in</strong> dieser neuen Verfassung, die diejenige von 1809 und das Parlamentsgesetz von 1866 ablöste,<br />

beseitigt. Die Verfassung enthält umfangreiche Zusatzklauseln zu <strong>den</strong> 1809 festgeschriebenen<br />

Grundrechten. 1978 wurde das Thronfolgerecht auf weibliche Nachkommen ausgedehnt.<br />

2.21.2. EU-Beitritt<br />

Schwe<strong>den</strong> trat <strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> im Jahr 1995 bei.<br />

2.21.3. Staatlicher Aufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

21 Prov<strong>in</strong>zen (lan): Blek<strong>in</strong>ge, Dalarnas, Gavleborgs, Gotlands, Hallands, Jamtlands, Jonkop<strong>in</strong>gs,<br />

Kalmar, Kronobergs, Norrbottens, Orebro, Ostergotlands, Skane, So<strong>der</strong>manlands, Stockholms,<br />

Uppsala, Varmlands, Vasterbottens, Vasternorrlands, Vastmanlands, Vastra Gotalands.<br />

2.21.4. Wahlrecht<br />

Aktives und passives Wahlrecht ab dem 18. Lebensjahr. Ke<strong>in</strong>e Wahlpflicht, <strong>den</strong>noch liegt die<br />

Wahlbeteiligung bei <strong>den</strong> Reichstagswahlen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel bei etwa 85–90%.<br />

Für die Prov<strong>in</strong>ziallandtags- und Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>atswahlen gilt das aktive und passive Wahlrecht<br />

auch für Auslän<strong>der</strong>Innen, die seit m<strong>in</strong>destens 3 Jahren <strong>in</strong> Schwe<strong>den</strong> ansässig s<strong>in</strong>d.<br />

2.21.5. Das Staatsoberhaupt<br />

Staatsoberhaupt ist <strong>der</strong> König, <strong>der</strong> jedoch nur noch repräsentative und zeremonielle Aufgaben<br />

erfüllt und nicht <strong>in</strong> das politische Geschehen e<strong>in</strong>greift. Schwe<strong>den</strong> ist seit 1544 Erbmonarchie.<br />

Die aktuelle Herrscherl<strong>in</strong>ie ist seit 1818 die des Hauses Bernadotte. 1978 wurde das Thronfolgegesetz<br />

dah<strong>in</strong>gehend geän<strong>der</strong>t, dass Königssöhne und -töchter <strong>in</strong> <strong>der</strong> Thronfolge gleichwertig<br />

behandelt wer<strong>den</strong> (kognatische Thonfolge). Gegenwärtiger König ist seit 19.9.1973 Carl<br />

XVI Gustav.<br />

2.21.6. Die Regierung<br />

An <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> Regierung (Statsrad) steht <strong>der</strong> M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t, <strong>der</strong> 22 M<strong>in</strong>ister (11 Frauen<br />

und 11 Männer) an se<strong>in</strong>er Seite hat. Bei <strong>den</strong> Parlamentswahlen am 17.9.2006 wur<strong>den</strong> die<br />

bisher regieren<strong>den</strong> Sozialdemokraten und ihr L<strong>in</strong>ksbündnis von <strong>der</strong> aus vier bürgerlichen<br />

Parteien bestehen<strong>den</strong> Allianz für Schwe<strong>den</strong> (Zentrumspartei, Christdemokraten, Volkspartei,<br />

Mo<strong>der</strong>ate Sammlungspartei) abgelöst. M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t ist seit Oktober 2006 Fredrik<br />

Re<strong>in</strong>feldt von <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>aten Sammlungspartei. Im September 2010 wurde se<strong>in</strong>e Regierung<br />

im Amt bestätigt, allerd<strong>in</strong>gs verlor das Regierungsbündnis durch die Erfolge <strong>der</strong> rechten<br />

Schwe<strong>den</strong>demokraten se<strong>in</strong>e absolute Mehrheit.<br />

2.21.7. Das Parlament<br />

Schwe<strong>den</strong> besitzt seit 1971 nur e<strong>in</strong>e Parlamentskammer, <strong>den</strong> Reichstag (Riksdagen), dessen<br />

349 Abgeordnete nach dem Pr<strong>in</strong>zip des Verhältniswahlrechts auf 4 Jahre gewählt wer<strong>den</strong>.<br />

Von <strong>den</strong> 349 Sitzen s<strong>in</strong>d 310 direkt an Wahlkreise gekoppelt. Die übrigen 39 Sitze wer<strong>den</strong> so<br />

verteilt, dass die Proportionen <strong>der</strong> Parteien auf nationaler Ebene gewahrt wer<strong>den</strong>. Es können<br />

jedoch nur jene Parteien <strong>in</strong> <strong>den</strong> Reichstag e<strong>in</strong>ziehen, die landesweit m<strong>in</strong>destens 4% o<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Wahlkreis m<strong>in</strong>destens 12% <strong>der</strong> abgegebenen Stimmen erhalten haben.


Der Reichstag ist alle<strong>in</strong> für die Gesetzgebung zuständig. Gesetzesentwürfe wer<strong>den</strong> von <strong>der</strong><br />

Regierung, <strong>den</strong> M<strong>in</strong>isterien o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Enquête-Kommission e<strong>in</strong>gebracht. Die Initiative dazu<br />

kann auch von e<strong>in</strong>zelnen Abgeordneten o<strong>der</strong> von außen kommen. Mit Zustimmung <strong>der</strong> Regierung<br />

wird e<strong>in</strong>e Enquête-Kommission damit betraut, das Terra<strong>in</strong> für e<strong>in</strong> eventuelles Gesetz zu<br />

sondieren. Der aus dieser Vorarbeit entstan<strong>den</strong>e Text wird vom zuständigen M<strong>in</strong>isterium und<br />

<strong>in</strong>teressierten Organisationen begutachtet. Bei Billigung des Gesetzesvorhabens erarbeitet<br />

das zuständige M<strong>in</strong>isterium e<strong>in</strong>e Gesetzesvorlage. Der im Parlament zuständige Ausschuss<br />

macht Än<strong>der</strong>ungs- und Ergänzungsvorschläge und erarbeitet ebenfalls e<strong>in</strong>en Bericht. Beide,<br />

die Gesetzesvorlage und <strong>der</strong> Bericht des Ausschusses, wer<strong>den</strong> im Reichstag diskutiert, bevor<br />

über die Vorlage abgestimmt wird. Wenn <strong>der</strong> Reichstag zustimmt, tritt das Gesetz <strong>in</strong> Kraft und<br />

wird von <strong>der</strong> Regierung verkündet. Die Stellungnahmen und die Diskussionen <strong>in</strong> Enquête-<br />

Kommission und Ausschuss wer<strong>den</strong> schriftlich festgehalten und dienen später als Interpretationshilfe.<br />

Schwedische Gesetze wer<strong>den</strong> daher traditionell <strong>in</strong> eher „volkstümlicher"<br />

Sprache nie<strong>der</strong>geschrieben. Die Interpretation wird mit <strong>den</strong> Gesetzen gleich mitgeliefert.<br />

Nach dem im Jahre 1998 e<strong>in</strong>geführten neuen Wahlsystem kann <strong>der</strong> Wähler neben <strong>der</strong> von ihm<br />

gewählten Partei auch e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zelnen Kandidaten se<strong>in</strong>e Vorzugsstimme geben. Kandidat-<br />

Innen mit Personenstimmen qualifizieren sich vor <strong>den</strong> an<strong>der</strong>en gelisteten KandidatInnen für e<strong>in</strong><br />

Mandat. Wenn ke<strong>in</strong> Kandidat die 8%-Hürde übersteigt, bleibt die Nom<strong>in</strong>ierungsliste <strong>der</strong> Partei<br />

<strong>in</strong> Kraft. 1998 nutzten allerd<strong>in</strong>gs nur knapp 30% <strong>der</strong> Wählerschaft diese Möglichkeit und 12<br />

KandidatInnen kamen über die Personenwahl <strong>in</strong> <strong>den</strong> Reichstag. Bei <strong>der</strong> nächsten Wahl fiel das<br />

Interesse wi<strong>der</strong> Erwarten noch ger<strong>in</strong>ger aus: Lediglich 26% gaben e<strong>in</strong>em bestimmten Kandidaten<br />

ihre Stimme und die Zahl <strong>der</strong> über Vorzugsstimmen <strong>in</strong> <strong>den</strong> Reichstag gewählten Abgeordneten<br />

fiel auf 10.<br />

Der im <strong>in</strong>ternationalen Vergleich überaus hohe Anteil von Frauen im Reichstag nahm h<strong>in</strong>gegen<br />

weiter zu. 47% <strong>der</strong> Abgeordneten waren Frauen, e<strong>in</strong> Anstieg um 4% im Vergleich zu <strong>den</strong><br />

vorigen Wahlen. Von <strong>den</strong> 10 über die Personenwahl <strong>in</strong> <strong>den</strong> Reichstag gewählten Abgeordneten<br />

waren 6 Frauen, <strong>den</strong>en es dank ihrer Personenstimmen gelang, höher auf <strong>der</strong><br />

Liste platzierte Kandidaten zu verdrängen. Der schwedische Reichstag ist damit nicht nur das<br />

Parlament mit dem weltweit höchsten Frauenanteil, son<strong>der</strong>n auch mit dem größten Anteil<br />

weiblicher Mitglie<strong>der</strong>, <strong>den</strong> es je <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Parlament o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Volksvertretung gegeben hat.<br />

Im Parlament wird auch über die „Ombudsmänner“ entschie<strong>den</strong>. Die Institution des Ombudsman<br />

ist e<strong>in</strong>e schwedische „Erf<strong>in</strong>dung“; es gibt für die unterschiedlichsten öffentlichen Bereiche<br />

mehrere Ombudsmänner, die die Verwaltung auf Missstände prüfen o<strong>der</strong> ganz allgeme<strong>in</strong><br />

über die E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> VerbraucherInnen- und M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitenrechte wachen.<br />

Da die Wahlen zum Reichstag, zu <strong>den</strong> 21 Prov<strong>in</strong>ziallandtagen (landst<strong>in</strong>g) und <strong>den</strong> 286 Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>äten<br />

(kommunfullmäktige) seit 1994 alle 4 Jahre gleichzeitig abgehalten wer<strong>den</strong>, s<strong>in</strong>d<br />

die schwedische Wahlkämpfe stark von überregionalen Themen dom<strong>in</strong>iert, was es <strong>den</strong> kle<strong>in</strong>en<br />

Parteien schwer macht, die Aufmerksamkeit <strong>der</strong> Medien für ihre Anliegen zu gew<strong>in</strong>nen.<br />

E<strong>in</strong>e weitere schwedische Beson<strong>der</strong>heit ist die Möglichkeit zur Briefwahl. Ab e<strong>in</strong>em Monat vor<br />

dem Wahltag kann <strong>der</strong> Wähler se<strong>in</strong>e Stimme durch Briefwahl abgeben, wobei <strong>der</strong> Briefwahlstimmzettel<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nur die Namen <strong>der</strong> Parteien (ohne Vorzugsstimmen) enthält.<br />

a) Das schwedische Wahllabor<br />

In <strong>den</strong> Wochen vor <strong>den</strong> Wahlen vom 15.9.2002 fand <strong>in</strong> Stockholm e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressantes Experiment<br />

statt. Bei fiktiven Parlamentswahlen konnten die wahlberechtigten SchwedInnen unterschiedliche<br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> Stimmabgabe erproben. E<strong>in</strong>erseits konnten sie ganz traditionell<br />

darüber abstimmen, welcher Partei sie ihre Stimme geben wür<strong>den</strong>, wenn an diesem Tag<br />

gewählt würde; darüber h<strong>in</strong>aus bestand aber auch die Möglichkeit, e<strong>in</strong>e zweite Stimme gegen<br />

e<strong>in</strong>e Partei abzugeben, d.h. e<strong>in</strong>e Partei, die nach Ansicht des Wählers nicht im Parlament<br />

vertreten se<strong>in</strong> sollte, wurde abgewählt. Außerdem wur<strong>den</strong> die WählerInnen befragt, ob sie<br />

lieber positiv o<strong>der</strong> negativ o<strong>der</strong> nach bei<strong>den</strong> Verfahren abstimmen wür<strong>den</strong>.<br />

Die Resultate dieses Experiments waren zum Teil überraschend: Nicht unerwartet war zunächst,<br />

dass bei e<strong>in</strong>em traditionellen Wahlmodus die Sozialdemokraten gewonnen hätten –<br />

was bei <strong>den</strong> wenig später abgehaltenen Wahlen tatsächlich auch <strong>der</strong> Fall war. Wären Parteien


h<strong>in</strong>gegen abgewählt statt gewählt wor<strong>den</strong>, hätte die Zentrumspartei gewonnen, weil sie die<br />

wenigsten Gegenstimmen erhalten hatte. Und hätten die WählerInnen die Möglichkeit gehabt,<br />

2 Stimmen abzugeben, e<strong>in</strong>e positive und e<strong>in</strong>e negative, so hätten die Grünen die Wahlen für<br />

sich entschie<strong>den</strong>.<br />

E<strong>in</strong> Ergebnis des Wahllabors ist beson<strong>der</strong>s aussagekräftig. Etwa e<strong>in</strong> Drittel <strong>der</strong> wahlberechtigten<br />

SchwedInnen würde offenbar lieber abwählen als wählen. Dieses Ergebnis zeigt, <strong>in</strong><br />

welche Richtung e<strong>in</strong>e Weiterentwicklung des Wahlsystems gehen könnte, wenn es darum<br />

geht, e<strong>in</strong> differenziertes Bild dessen zu erhalten, was die Menschen sich von <strong>der</strong> demokratischen<br />

Partizipation erwarten.<br />

2.21.8. Prov<strong>in</strong>zen und Kommunen<br />

In je<strong>der</strong> <strong>der</strong> 21 Prov<strong>in</strong>zen gibt es e<strong>in</strong>en nach dem Verhältniswahlrecht (mit Personenvorzugsstimme<br />

und 5%-Hürde) gewählten Prov<strong>in</strong>ziallandtag (landst<strong>in</strong>g), <strong>der</strong> zur Erhebung e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>kommenssteuer<br />

berechtigt und hauptsächlich für das Gesundheitswesen <strong>in</strong> dem betreffen<strong>den</strong><br />

Gebiet zuständig ist. Die Regierungspräsi<strong>den</strong>ten (landshövd<strong>in</strong>g) wer<strong>den</strong> von <strong>der</strong> Regierung<br />

ernannt.<br />

Das gesamte Land ist zudem <strong>in</strong> 289 Städte und Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> unterteilt. Jede von ihnen wird von<br />

e<strong>in</strong>em Rat verwaltet, dessen Mitglie<strong>der</strong> aus e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en Wahl nach demselben Wahlsystem<br />

hervorgehen. Der Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>at ist Träger öffentlicher Dienstleistungen (Schulen, K<strong>in</strong><strong>der</strong>und<br />

Altenbetreuung, öffentliche Versorgungsbetriebe, Wohnraum, Kultur und Freizeitaktivitäten).<br />

2.22. Slowakei<br />

Offizieller Name: Slovenská republika.<br />

Bevölkerung: 5,4 Mio.<br />

Staatsform: Parlamentarische Republik.<br />

2.22.1. Verfassung<br />

Die Slowakische Republik ist e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> bei<strong>den</strong> Nachfolgestaaten <strong>der</strong> Tschechoslowakei. Ihre<br />

Gründung erfolgte am 1.1.1993. Bereits am 3.9.1992 hatte <strong>der</strong> Nationalrat e<strong>in</strong>e neue slowakische<br />

Verfassung beschlossen. Verfassungsän<strong>der</strong>ungen: 1998 (Direktwahl des Präsi<strong>den</strong>ten)<br />

und 2001 (<strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf NATO- und EU-Beitritt).<br />

2.22.2. EU-Beitritt<br />

Demokratiedefizite unter <strong>der</strong> Regierung ������ hatten zur Folge, dass die Europäische Kommission<br />

sowohl 1997 als auch 1998 e<strong>in</strong>e Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit <strong>der</strong> Slowakei<br />

zunächst nicht empfehlen wollte. Die neue slowakische Regierung unter M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t<br />

Dzur<strong>in</strong>da zeigte sich jedoch von Anfang an entschlossen, die Kopenhagener Kriterien zu erfüllen.<br />

Beim <strong>Europäischen</strong> Rat <strong>in</strong> Hels<strong>in</strong>ki 1999 wurde daher die Aufnahmen von Beitrittsverhandlungen<br />

beschlossen.<br />

Beim Referendum am 16./17.5.2003 stimmten 92,5% für <strong>den</strong> EU-Beitritt des Landes am 1.5.<br />

2004 (Wahlbeteiligung: 52%). Das Ergebnis ist b<strong>in</strong><strong>den</strong>d für das Parlament.<br />

2.22.3. Staatsaufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

8 Regionen (kraje) –����������������������������������������������������������������������������<br />

– und 79 Distrikte. Begrenzte kommunale Selbstverwaltung <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong><strong>den</strong>.<br />

Die Verwaltung <strong>der</strong> Slowakei ist <strong>der</strong>zeit <strong>in</strong> Verän<strong>der</strong>ung begriffen. Die ersten Wahlen auf regionaler<br />

Ebene (8 Regionen) fan<strong>den</strong> im Dezember 2001 statt. Diesen Wahlen g<strong>in</strong>g e<strong>in</strong> erbitterter<br />

<strong>in</strong>nenpolitischer Disput voraus. Die – primär von <strong>der</strong> ungarischen M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit getragene – For<strong>der</strong>ung<br />

nach e<strong>in</strong>er Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> regionalen Glie<strong>der</strong>ung, d. h. e<strong>in</strong>er Erhöhung <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong><br />

Regionen auf 12 o<strong>der</strong> 13, wurde im Parlament verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t. Angesichts <strong>der</strong> Siedlungsgebiete <strong>der</strong><br />

ungarischen M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit entlang <strong>der</strong> Südgrenze <strong>der</strong> Slowakei und <strong>der</strong> – 1996 beschlossenen


und nunmehr beibehaltenen – Abgrenzung <strong>der</strong> Regionen Trnava und Nitra wird offensichtlich,<br />

dass Dezentralisierung und m<strong>in</strong><strong>der</strong>heitenpolitische Erwägungen eng mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verknüpft s<strong>in</strong>d.<br />

2.22.4. Wahlrecht<br />

Aktives und passives Wahlrecht auf kommunaler Ebene ab 18 Jahren (für BürgermeisterkandidatInnen:<br />

25). Passives Wahlrecht für das Parlament: 21 Jahre.<br />

2.22.5. Das Staatsoberhaupt<br />

Der Präsi<strong>den</strong>t <strong>der</strong> Slowakei wird seit <strong>der</strong> Verfassungsän<strong>der</strong>ung 1998 vom Volk für 5 Jahre (<strong>in</strong><br />

bis zu 2 Wahlgängen) gewählt; er kann nur e<strong>in</strong>mal wie<strong>der</strong>gewählt wer<strong>den</strong>.<br />

In <strong>der</strong> Gesetzgebung besitzt <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t e<strong>in</strong> suspensives Veto; e<strong>in</strong> Gesetz tritt nur mit se<strong>in</strong>er<br />

Unterschrift <strong>in</strong> Kraft. Der Präsi<strong>den</strong>t ernennt <strong>den</strong> Premierm<strong>in</strong>ister und die Regierungsmitglie<strong>der</strong><br />

sowie <strong>den</strong> Präsi<strong>den</strong>ten des Verfassungsgerichtes o<strong>der</strong> beruft diese ab. Er ist Oberbefehlshaber<br />

<strong>der</strong> Streitkräfte und ernennt auch die Generäle. Außerdem kann <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t das Parlament<br />

auflösen, sollte die Verabschiedung des Regierungsprogramms e<strong>in</strong>er neuen Regierung<br />

<strong>in</strong>nerhalb von 6 Monaten nach <strong>den</strong> Wahlen dreimal scheitern. In diesem Fall gibt es Neuwahlen.<br />

Der Präsi<strong>den</strong>t ist alle<strong>in</strong> dem Parlament gegenüber verantwortlich. Er kann nur abberufen<br />

wer<strong>den</strong>, wenn er <strong>der</strong> territorialen Integrität o<strong>der</strong> dem demokratischen Charakter des Staates<br />

Scha<strong>den</strong> zufügt. Für se<strong>in</strong>e Abberufung ist e<strong>in</strong>e 3/5-Mehrheit des Parlamentes erfor<strong>der</strong>lich<br />

Bei <strong>den</strong> Präsi<strong>den</strong>tenwahlen im Frühjahr 2004 siegte <strong>der</strong> ehemalige Parlamentspräsi<strong>den</strong>t Ivan<br />

Gasparovic <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stichwahl gegen se<strong>in</strong>en früheren Weggefährten, <strong>den</strong> umstrittenen Ex-<br />

Premier Vladimir Meciar, mit knapp 60%. 2009 wurde Gasparovic für e<strong>in</strong>e zweite Amtszeit<br />

wie<strong>der</strong>gewählt (gegen die konservative Oppositionspolitiker<strong>in</strong> Iveta Radicova).<br />

2.22.6. Die Regierung<br />

Die Regierung <strong>der</strong> Slowakischen Republik besteht aus dem Premierm<strong>in</strong>ister, dessen Stellvertreter<br />

und <strong>den</strong> M<strong>in</strong>istern. Der M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t wird vom Präsi<strong>den</strong>ten ernannt o<strong>der</strong> abberufen.<br />

Der Nationalrat muss e<strong>in</strong>em neuen Kab<strong>in</strong>ett se<strong>in</strong> Vertrauen mit absoluter Mehrheit aussprechen.<br />

Die Regierung ist dem Parlament gegenüber verantwortlich und dieses kann <strong>der</strong><br />

Regierung je<strong>der</strong>zeit mit absoluter Mehrheit das Misstrauen aussprechen. Abgeordnete können<br />

Regierungsmitglie<strong>der</strong> se<strong>in</strong>, allerd<strong>in</strong>gs ruht das Abgeordnetenmandat während <strong>der</strong> Amtszeit als<br />

M<strong>in</strong>ister.<br />

Bei <strong>den</strong> Parlamentswahlen im Juni 2010 erreichte <strong>der</strong> bisherige M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t Robert<br />

Fico mit se<strong>in</strong>er Partei Smer-SD zwar das beste Wahlergebnis seit Parteigründung, allerd<strong>in</strong>gs<br />

verloren se<strong>in</strong>e Regierungspartner SNS und ��-HZDS stark. Die rechtspopulistische SNS<br />

kam auf nur noch 5,1% <strong>der</strong> Wählerstimmen und schaffte damit knapp <strong>den</strong> E<strong>in</strong>zug <strong>in</strong>s<br />

Parlament, während die l<strong>in</strong>kspopulistische ��-HZDS auf nur 4,3% kam. Präsi<strong>den</strong>t Ivan<br />

Gasparovic betraute daher Oppositionsführer<strong>in</strong> Iveta Radicova von <strong>der</strong> christlich-liberalen<br />

SDKU mit <strong>der</strong> Bildung e<strong>in</strong>er neuen Regierung. Die bürgerliche Vier-Parteien-Koalition<br />

zerbrach allerd<strong>in</strong>gs bereits im Herbst 2011 über <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Erweiterung des europäischen<br />

EFSF-Rettungsschirms. Bei <strong>den</strong> vorgezogenen Parlamentswahlen im März 2012 erreichte<br />

Robert Fico mit <strong>der</strong> l<strong>in</strong>ken Smer-SD e<strong>in</strong>en Stimmanteil von 44,4%. Da mehrere Kle<strong>in</strong>parteien<br />

an <strong>der</strong> Fünfprozenthürde scheiterten, genügte dies für e<strong>in</strong>e absolute Mehrheit <strong>der</strong> Sitze im<br />

Parlament,<br />

2.22.7. Das Parlament<br />

Das slowakische E<strong>in</strong>kammerparlament wird „Nationalrat“ (Narodna Rada) genannt; es umfasst<br />

150 Mitglie<strong>der</strong>. Es ist das e<strong>in</strong>zige verfassungs- und gesetzgebende Organ und geht aus allgeme<strong>in</strong>en<br />

Wahlen nach dem Verhältniswahlrecht hervor (5%-Klausel). Die Legislaturperiode<br />

beträgt 4 Jahre.<br />

Der Nationalrat muss die Zusammensetzung <strong>der</strong> Regierung billigen und kann e<strong>in</strong>zelne Mitglie<strong>der</strong><br />

o<strong>der</strong> auch die gesamte Regierung abberufen. Er wählt alle Richter des Verfassungs-


gerichts und legt dem Präsi<strong>den</strong>ten e<strong>in</strong>en Vorschlag zur Ernennung des Generalstaatsanwaltes<br />

vor. Außerdem verabschiedet und kontrolliert er <strong>den</strong> Staatshaushalt, ratifiziert völkerrechtliche<br />

Verträge und kann im Krisenfall <strong>den</strong> Präsi<strong>den</strong>ten dazu auffor<strong>der</strong>n, <strong>den</strong> Kriegszustand auszurufen.<br />

Um das Veto des Präsi<strong>den</strong>ten zu überstimmen, ist die absolute Mehrheit <strong>der</strong> Abgeordneten<br />

notwendig. Verfassungsän<strong>der</strong>ungen bedürfen e<strong>in</strong>er 3/5-Mehrheit aller Abgeordneten.<br />

2.22.8. Regionen und Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

Bereits 1996 kündigte die Regierung von ��������������� e<strong>in</strong>e Verwaltungsreform an und teilte<br />

dazu die Slowakische Republik <strong>in</strong> 8 Bezirke e<strong>in</strong>, die historisch nicht gewachsen s<strong>in</strong>d, son<strong>der</strong>n<br />

re<strong>in</strong>e Verwaltungse<strong>in</strong>heiten darstellen. In <strong>der</strong> Regierungszeit <strong>der</strong> ������-Regierung kam es<br />

allerd<strong>in</strong>gs we<strong>der</strong> zur Übertragung von Kompetenzen an gewählte Organe <strong>der</strong> regionalen<br />

Selbstverwaltung noch zu e<strong>in</strong>er wirklichen Dezentralisierung <strong>der</strong> Macht.<br />

Die E<strong>in</strong>richtung <strong>der</strong> neuen Regionen war auch unter <strong>der</strong> Regierung Dzur<strong>in</strong>da jahrelang heftig<br />

umstritten. An <strong>der</strong> Entscheidung über ihre Anzahl und ihre geographische E<strong>in</strong>teilung wäre die<br />

neue Regierungskoalition be<strong>in</strong>ahe zerbrochen. Die E<strong>in</strong>teilung des Landes <strong>in</strong> 8 Regionen wurde<br />

schließlich von <strong>der</strong> Opposition geme<strong>in</strong>sam mit dem kle<strong>in</strong>eren l<strong>in</strong>ken Regierungsflügel gegen<br />

die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regierung dom<strong>in</strong>ieren<strong>den</strong> Parteien durchgesetzt<br />

Im Februar 2001 wurde die Verfassungsän<strong>der</strong>ung verabschiedet. Die Novelle, die <strong>den</strong> demokratischen<br />

Charakter des Staates bekräftigte, verankerte die zweite Ebene <strong>der</strong> Selbstverwaltung<br />

<strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Vertretung <strong>der</strong> „Höheren territorialen E<strong>in</strong>heit“ (VÚC), mit Regionalparlamenten<br />

und jeweils e<strong>in</strong>em Vorsitzen<strong>den</strong> des VÚC (župan).<br />

Im Dezember 2001 fan<strong>den</strong> die ersten Regionalwahlen statt.. Es waren dabei die 8 Vorsitzen<strong>den</strong><br />

<strong>der</strong> VÚC und 401 Abgeordnete <strong>in</strong> die Vertretung <strong>der</strong> Regionalen Parlamente zu bestimmen.<br />

Die Wahl <strong>der</strong> Abgeordneten erfolgte nach dem Mehrheitswahlsystem. Abgeordnete<br />

wur<strong>den</strong> jene KandidatInnen, die die meisten Stimmen im Rahmen <strong>der</strong> zugeteilten Mandatsquote<br />

im entsprechen<strong>den</strong> Wahlbezirk erhielten. Auch die Vorsitzen<strong>den</strong> <strong>der</strong> VÚC wur<strong>den</strong> nach<br />

dem Mehrheitswahlrecht bestimmt. Da <strong>in</strong> 7 <strong>der</strong> 8 Regionen ke<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Kandidaten für das Amt<br />

des Vorsitzen<strong>den</strong> die absolute Stimmenmehrheit erhielt, fand 2 Wochen danach e<strong>in</strong> zweiter<br />

Wahlgang statt, an dem sich jene 2 Kandidaten beteiligten, die die meisten Stimmen im ersten<br />

Wahlgang erzielt hatten. Die Wahlbeteiligung bei diesen ersten Regionalwahlen war mit 26%<br />

äußerst ger<strong>in</strong>g. Die überwiegende Mehrheit <strong>der</strong> Wahlberechtigten gab schon vor <strong>den</strong> Wahlen<br />

<strong>in</strong> Umfragen an, <strong>den</strong> S<strong>in</strong>n des Urnenganges und <strong>der</strong> neu geschaffenen Regionen nicht zu verstehen.<br />

Das komplizierte Wahlrecht ermöglichte überdies zwei extreme Ergebnisse: Während<br />

die oppositionelle HZDS <strong>in</strong> <strong>der</strong> strukturschwachen Region Trencín alle zu vergeben<strong>den</strong> Mandate<br />

errang und darüber h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong> 5 <strong>der</strong> 8 Regionen stimmenstärkste Partei wurde, g<strong>in</strong>gen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Hauptstadt Bratislava alle Mandate an <strong>den</strong> bürgerlichen Mitte-Rechts-Block.<br />

Im Dezember 2002 fan<strong>den</strong> <strong>in</strong> über 2.800 Städten und Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> Kommunalwahlen statt.<br />

Gewählt wur<strong>den</strong> auf jeweils 2 Listen die Bürgermeister bzw. Oberbürgermeister von Städten<br />

und Geme<strong>in</strong><strong>den</strong>, die Bezirksvorsteher <strong>der</strong> Stadtteile von Kosice und Bratislava sowie die<br />

Vertreter <strong>der</strong> Stadt- und Geme<strong>in</strong>deparlamente.<br />

Die Bürgermeister wur<strong>den</strong> mit e<strong>in</strong>er Stimme direkt gewählt. Für die Wahl <strong>der</strong> Vertreter <strong>der</strong><br />

Kommunalparlamente hatten die Wähler, entsprechend <strong>der</strong> Größe des Wahlkreises, mehrere<br />

Stimmen zu vergeben (panaschieren). E<strong>in</strong> Kumulieren <strong>der</strong> Stimmen war aber nicht möglich.<br />

Die Wahlbeteiligung betrug 49,5%, was u.a. auch dadurch zu erklären ist, dass Kommunalwahlen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Slowakei noch ke<strong>in</strong> entsprechendes Gewicht besitzen, da <strong>der</strong> Großteil <strong>der</strong> die<br />

BürgerInnen betreffen<strong>den</strong> Angelegenheiten bis dah<strong>in</strong> von Organen <strong>der</strong> staatlichen Verwaltung<br />

erledigt wurde.<br />

2.23. Slowenien<br />

Offizieller Name: Republika Slovenija.<br />

Bevölkerung: 2 Mio.<br />

Staatsform: Parlamentarische Republik (seit 1991).


2.23.1. Verfassung<br />

Am 25.6.1991 proklamierte das aus <strong>den</strong> ersten demokratischen Wahlen im April 1990 hervorgegangene<br />

Parlament <strong>der</strong> Sozialistischen Republik Slowenien die Selbstständigkeit des Landes.<br />

Im Dezember 1991 verabschiedete das slowenische Parlament e<strong>in</strong>e neue Verfassung,<br />

die sich am Vorbild westlicher Demokratien orientiert. Damit verbun<strong>den</strong> war e<strong>in</strong>e grundlegende<br />

Reform des Parlaments (E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es Zweikammersystems). Die Verfassung garantiert<br />

das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Rechtsstaatlichkeit, die Menschen- und Bürgerrechte sowie <strong>den</strong> Schutz <strong>der</strong><br />

Rechte von Angehörigen nationaler M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten.<br />

2.23.2. EU-Beitritt<br />

Beim Referendum am 23.3.2003 stimmte die slowenische Bevölkerung mit e<strong>in</strong>er überwältigen<strong>den</strong><br />

Mehrheit von fast 90% für <strong>den</strong> EU-Beitritt am 1.5.2004. Das Ergebnis ist b<strong>in</strong><strong>den</strong>d.<br />

2.23.3. Staatsaufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

Als Teilstaat Jugoslawiens war Slowenien e<strong>in</strong> weitgehend zentralistischer Staat. Nach <strong>der</strong> Dezentralisierung<br />

umfasst Slowenien heute 193 Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> (obc<strong>in</strong>e), davon 11 Stadtgeme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

(mestne obc<strong>in</strong>e): Celje, Koper, Kranj, Ljubljana, Maribor, Murska Sobota, Nova Gorica, Novo<br />

Mesto, Ptuj, Slovenj Gradec, Velenje<br />

2.23.4. Wahlrecht<br />

Allgeme<strong>in</strong>es Wahlrecht ab 18 Jahren (für ArbeitnehmerInnen ab dem 16. Lebensjahr!).<br />

2.23.5. Das Staatsoberhaupt<br />

Entsprechend <strong>der</strong> slowenischen Verfassung repräsentiert <strong>der</strong> Staatspräsi<strong>den</strong>t die Republik<br />

Slowenien und ist gleichzeitig Oberbefehlshaber <strong>der</strong> Streitkräfte. Der Staatspräsi<strong>den</strong>t wird<br />

vom slowenischen Volk auf 5 Jahre <strong>in</strong> bis zu 2 Wahlgängen gewählt, mit <strong>der</strong> Möglichkeit<br />

e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>maligen Wie<strong>der</strong>wahl. Neuer Staatspräsi<strong>den</strong>t <strong>der</strong> Republik Slowenien ist <strong>der</strong> l<strong>in</strong>ke<br />

frühere UNO-Diplomat Danilo Türk, <strong>der</strong> im November 2007 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Stichwahl gegen se<strong>in</strong>en<br />

rechtsgerichteten Kontrahenten Lojze Peterle mit klarer Mehrheit gewann.<br />

2.23.6. Die Regierung<br />

Die Regierung ist dem Parlament gegenüber verantwortlich. Der M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t wird von <strong>der</strong><br />

Staatsversammlung mit e<strong>in</strong>facher Mehrheit gewählt; er leitet die Arbeit <strong>der</strong> Regierung und<br />

bestellt die M<strong>in</strong>ister.<br />

Bei <strong>den</strong> Parlamentswahlen im September 2008 gewann die Sozialdemokratische Partei (SD,<br />

30,4%, 29 Mandate) knapp vor <strong>der</strong> liberal-konservativen Slowenischen Demokratischen<br />

Partei (SDS, 29,2%, 28 Mandate) des M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten Ivan Jansa und bildete e<strong>in</strong>e<br />

Vierkoalition mit <strong>der</strong> LDS-Abspaltung Zares („Tatsächlich – Neue Politik“, 9,3%, 9 Mandate),<br />

<strong>der</strong> Demokratischen Rentnerpartei (DeSUS, 7,4%, 7 Mandate) und <strong>der</strong> Liberal-demokratischen<br />

Partei (LDS, 5,2%, 5 Mandate). Neuer M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t wurde <strong>der</strong> Sozialdemokrat<br />

Borut Pahor.<br />

Im September 2011 sprach das Parlament <strong>der</strong> Regierung Pahor das Misstrauen aus. Bei<br />

<strong>den</strong> vorgezogenen Parlamentswahlen im Dezember 2011 wurde die neu gegründete<br />

L<strong>in</strong>kspartei Pozitivna Slovenija des Bürgermeisters von Ljubljana �������������� mit 28,5%<br />

auf Anhieb stärkste Partei. Zweitstärkste politische Kraft wurde die Slowenische<br />

Demokratische Partei Ivan Janšas (*1958), <strong>der</strong> mit vier kle<strong>in</strong>eren Parteien e<strong>in</strong>e Mitte-Rechts-<br />

Koalition bildete.<br />

2.23.7. Das Parlament<br />

Das Parlament <strong>der</strong> Republik Slowenien besteht aus zwei Kammern: <strong>der</strong> Staatsversammlung<br />

und dem Staatsrat.


a) Die Staatsversammlung (Državni zbor)<br />

Die Staatsversammlung ist das höchste Gesetzgebungsorgan: Gesetze wer<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> meisten<br />

Fällen mit e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>facher Mehrheit beschlossen, die Gesetzesanträge wer<strong>den</strong> von <strong>der</strong><br />

Regierung o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Abgeordneten e<strong>in</strong>gebracht. Mit m<strong>in</strong>destens 5.000 Unterstützungserklärungen<br />

kann auch je<strong>der</strong> Bürger e<strong>in</strong> Gesetz vorschlagen.<br />

Die Staatsversammlung <strong>der</strong> Republik Slowenien besteht aus 90 für 4 Jahre nach dem Verhältniswahlrecht<br />

gewählten Abgeordneten. Je e<strong>in</strong> Sitz steht e<strong>in</strong>em Vertreter <strong>der</strong> italienischen<br />

bzw. <strong>der</strong> ungarischen M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit des Landes zu (nach Mehrheitswahlrecht gewählt). Die Umwandlung<br />

des Proporzsystems <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Mehrheitssystem war Gegenstand e<strong>in</strong>er früheren Koalitionsvere<strong>in</strong>barung<br />

zwischen Volkspartei, Christdemokraten und Sozialdemokraten; vor allem<br />

die Sozialdemokraten (SDS) waren vehemente Befürworter des Mehrheitswahlsystems. Die<br />

von <strong>der</strong> Regierung forcierte E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es Mehrheitssystems ist jedoch aufgrund des abweichen<strong>den</strong><br />

Stimmverhaltens <strong>der</strong> Volkspartei gescheitert. Demnach gilt <strong>in</strong> Slowenien weiterh<strong>in</strong><br />

das Verhältnissystem, versehen mit e<strong>in</strong>igen Elementen des Mehrheitssystems, wie z.B. <strong>der</strong><br />

Erhöhung <strong>der</strong> Sperrklausel auf 4% und <strong>der</strong> Abschaffung nationaler Parteilisten.<br />

b) Der Staatsrat (Državni svet)<br />

Der Staatsrat <strong>der</strong> Republik Slowenien ist – ähnlich dem irischen Senat – die Vertretung sozialer,<br />

wirtschaftlicher, beruflicher und lokaler Interessenverbände. Er umfasst <strong>in</strong>sgesamt 40<br />

Mitglie<strong>der</strong>, darunter je 4 Vertreter <strong>der</strong> Arbeitgeber und <strong>der</strong> Arbeitnehmer, 2 <strong>der</strong> Bauern, 1 <strong>der</strong><br />

Gewerbetreiben<strong>den</strong> und 1 <strong>der</strong> selbständigen Berufe, weiters 6 Vertreter „nichtkommerzieller<br />

Aktivitäten“ (Hochschulen, Sport, Kultur etc.) sowie 22 Geme<strong>in</strong>devertreter, die auf jeweils 5<br />

Jahre durch <strong>in</strong>direkte Wahlen <strong>in</strong> ihren ständischen Vertretungen bzw. Regionen bestellt<br />

wer<strong>den</strong>. Der Staatsrat hat <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie beratende Funktion.<br />

2.23.8. Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

Die Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>äte ��������������� wer<strong>den</strong> <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> mit bis zu 3.000 E<strong>in</strong>wohnerInnen (=<br />

weniger als 12 Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>atsmitglie<strong>der</strong>) nach dem Mehrheitspr<strong>in</strong>zip, <strong>in</strong> allen größeren Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

nach dem Verhältnispr<strong>in</strong>zip nach Wahllisten (mit Vorzugsstimme) gewählt. Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>äte<br />

<strong>der</strong> italienischen und <strong>der</strong> ungarischen M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit sowie <strong>der</strong> Roma wer<strong>den</strong> generell nach<br />

dem Mehrheitspr<strong>in</strong>zip gewählt. In gemischtethnischen Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> steht <strong>den</strong> M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten<br />

m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>atssitz zu. Kommunalwahlen f<strong>in</strong><strong>den</strong> regulär alle 4 Jahre statt. Die<br />

Wahl <strong>der</strong> BürgermeisterInnen (župan) f<strong>in</strong>det gleichzeitig <strong>in</strong> maximal 2 Wahlgängen nach dem<br />

Mehrheitspr<strong>in</strong>zip statt. Die letzten Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>atswahlen wur<strong>den</strong> im Oktober / November 2006<br />

abgehalten.<br />

2.24. Spanien<br />

Offizieller Name: Re<strong>in</strong>o de España.<br />

Bevölkerung: 39,6 Mio.<br />

Staatsform: Konstitutionelle Erbmonarchie.<br />

2.24.1. Verfassung<br />

Neue Verfassung von 1978.<br />

2.24.2. EU-Beitritt<br />

Spanien trat <strong>den</strong> <strong>Europäischen</strong> Geme<strong>in</strong>schaften (EGKS, EWG, Euratom) im Jahr 1986 bei.<br />

2.24.3. Staatlicher Aufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

Im Jahr 1980 erhielten mit Katalonien und dem Baskenland die ersten spanischen Regionen<br />

ihren Autonomiestatus. Heute besteht Spanien aus 17 autonomen Regionen (comunidades<br />

autonomas) – Andalucia, Aragon, Asturias, Baleares, Canarias, Cantabria, Castilla-La Mancha,<br />

Castilla y Leon, Cataluna, Communidad Valencian, Extremadura, Galicia, La Rioja,


Madrid, Murcia, Navarra, Pais Vasco (Baskenland) – und 2 autonomen Städten (die nordafrikanischen<br />

Enklaven Ceuta und Melilla) mit jeweils eigenen Regionalregierungen. Die Regionen<br />

s<strong>in</strong>d wie<strong>der</strong>um <strong>in</strong> <strong>in</strong>sgesamt 52 Prov<strong>in</strong>zen unterteilt. Die Übertragung von Zuständigkeiten<br />

<strong>der</strong> Zentralregierung an die Regionalregierungen ist noch nicht abgeschlossen.<br />

2.24.4. Wahlrecht<br />

Aktives und passives Wahlrecht ab 18 Jahren.<br />

2.24.5. Das Staatsoberhaupt<br />

An <strong>der</strong> Spitze des spanischen Staates steht <strong>der</strong> König. Se<strong>in</strong> Amt ist erblich; er ist niemandem<br />

zur Rechenschaft verpflichtet. Nach <strong>der</strong> spanischen Verfassung ist <strong>der</strong> König Repräsentant<br />

des Staates, Symbol von dessen E<strong>in</strong>heit und Fortbestand. Als Staatsoberhaupt ist <strong>der</strong> König <strong>in</strong><br />

erster L<strong>in</strong>ie Repräsentationsfigur; er überwacht die Politik und unterstützt die Institutionen <strong>in</strong><br />

ihrer Funktion, ohne selbst <strong>in</strong> konkrete Abläufe e<strong>in</strong>zugreifen. Der König kann allerd<strong>in</strong>gs kraft<br />

se<strong>in</strong>es Amtes das Parlament auflösen; er ernennt <strong>den</strong> M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten (Presi<strong>den</strong>te del<br />

Gobierno) und erteilt parlamentarischen Gesetzesvorlagen se<strong>in</strong>e Zustimmung. Zu se<strong>in</strong>en Aufgaben<br />

im politischen Prozess gehören außerdem die Ernennung des Präsi<strong>den</strong>ten des Obersten<br />

Gerichtshofes und die Bestätigung <strong>der</strong> M<strong>in</strong>ister.<br />

Der jetzige König Juan Carlos I. wurde am 22.11.1975, zwei Tage nach dem Tod des Diktators<br />

Franco, <strong>in</strong>thronisiert und leitete e<strong>in</strong>en beispielhaften Prozess <strong>der</strong> Demokratisierung se<strong>in</strong>es<br />

Landes e<strong>in</strong>.<br />

2.24.6. Die Regierung<br />

Der M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t wird vom König ernannt und vom Parlament bestätigt. Ähnlich dem<br />

deutschen Bundeskanzler besitzt auch <strong>der</strong> spanische M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t die Richtl<strong>in</strong>ienkompetenz<br />

im Kab<strong>in</strong>ett. Er ist darüber h<strong>in</strong>aus befugt, die bei<strong>den</strong> Parlamentskammern aufzulösen<br />

(außer bei laufendem Misstrauensvotum) und dadurch vorzeitige Neuwahlen zu veranlassen.<br />

Die Wahl des Premierm<strong>in</strong>isters f<strong>in</strong>det erst nach <strong>der</strong> offiziellen Präsentation se<strong>in</strong>es Regierungsprogramms<br />

statt. Bei dieser Wahl ist im ersten Wahlgang e<strong>in</strong>e absolute Mehrheit <strong>der</strong> Stimmen<br />

nötig; wird diese verfehlt, genügt im zweiten Wahlgang die e<strong>in</strong>fache Mehrheit. Sobald ihm das<br />

Abgeordnetenhaus das Vertrauen ausgesprochen hat, wird <strong>der</strong> M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t vom König<br />

offiziell ernannt.<br />

Für die Abwahl <strong>der</strong> Regierung sieht die spanische Verfassung das konstruktive Misstrauensvotum<br />

vor, d.h. mit <strong>der</strong> Abwahl des M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten muss die Wahl e<strong>in</strong>es Amtsnachfolgers<br />

verbun<strong>den</strong> se<strong>in</strong>.<br />

Der 23-köpfige Staatsrat (Consejo de Estado) ist das höchste Beratungsorgan <strong>der</strong> Regierung.<br />

Se<strong>in</strong>e Mitglie<strong>der</strong> wer<strong>den</strong> aus dem Kreis (auch ehemaliger) hoher staatlicher und akademischer<br />

Wür<strong>den</strong>träger ernannt.<br />

Im Jahr 2004 wurde die rechtsgerichtete Volkspartei (PP) unter M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t José<br />

María Aznar nach 8 Jahren an <strong>der</strong> Macht überraschend abgewählt. Die sozialistische PSOE<br />

unter J.L. Rodriguez Zapatero g<strong>in</strong>g aus <strong>den</strong> Wahlen im März 2008 noch e<strong>in</strong>mal als Sieger<strong>in</strong><br />

hervor. Im Herbst 2011 wurde auch sie e<strong>in</strong> Opfer <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzkrise. Die Sozialisten verloren<br />

etwa e<strong>in</strong> Drittel ihrer Mandate und erzielten das schlechteste Resultat seit <strong>der</strong><br />

Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> Demokratie. Mariano Rajoys Volkspartei h<strong>in</strong>gegen erreichte das beste<br />

Ergebnis <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte se<strong>in</strong>er Partei und errang e<strong>in</strong>e absolute Parlamentsmehrheit.<br />

2.24.7. Das Parlament<br />

Das spanische Parlament o<strong>der</strong> Nationalversammlung (Las Cortes Generales) besteht aus zwei<br />

Kammern, dem Abgeordnetenhaus und dem Senat.<br />

a) Das Abgeordnetenhaus (Camera de los Disputados)<br />

Die weitaus größere Macht liegt bei <strong>der</strong> ersten Kammer, dem Abgeordnetenhaus. Das Abgeordnetenhaus<br />

beschließt <strong>den</strong> Staatshaushalt und kontrolliert die Tätigkeit <strong>der</strong> Regierung. Es


esteht aus 350 Abgeordneten, die alle 4 Jahre nach Verhältniswahlrecht <strong>in</strong> 52 Wahlkreisen<br />

ermittelt wer<strong>den</strong>. Es existiert e<strong>in</strong>e Sperrklausel von 3%, welche die Partei <strong>in</strong> jenen Wahlkreisen<br />

überspr<strong>in</strong>gen muss, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en sie kandidiert. Die Wahlkreise<strong>in</strong>teilung und das Verrechnungssystem<br />

begünstigen die größeren Parteien. Beispielsweise wer<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Prov<strong>in</strong>z Soria lediglich<br />

26.143 Stimmen zur Erlangung e<strong>in</strong>es Mandats benötigt, <strong>in</strong> Barcelona demgegenüber<br />

124.678 Stimmen. In e<strong>in</strong>igen kle<strong>in</strong>en Wahlkreisen, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en nur e<strong>in</strong> o<strong>der</strong> zwei Abgeordnete<br />

gewählt wer<strong>den</strong>, wie etwa <strong>in</strong> Ceuta o<strong>der</strong> Soria, existiert de facto e<strong>in</strong> Mehrheitswahlsystem.<br />

Um e<strong>in</strong>er ausgeprägten Fragmentierung im Parlament entgegenzuwirken, wur<strong>den</strong> natürliche<br />

Hür<strong>den</strong> (Wahlkreisgrößen) mit künstlichen (Sperrklausel) komb<strong>in</strong>iert. Dennoch setzt sich die<br />

erste Kammer des spanischen Parlaments aus e<strong>in</strong>er relativ großen Anzahl von Parteien<br />

zusammen, von <strong>den</strong>en nur wenige gesamtstaatliche Bedeutung besitzen. Die spanischen<br />

Regionalparteien wer<strong>den</strong> von <strong>den</strong> Ungleichgewichten des Wahlsystems nämlich kaum <strong>in</strong> Mitlei<strong>den</strong>schaft<br />

gezogen, da sie nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Prov<strong>in</strong>zen antreten und dort über e<strong>in</strong> starkes<br />

Potential an StammwählerInnen verfügen. Im beson<strong>der</strong>en trifft dies auf die <strong>in</strong> <strong>den</strong> Autonomen<br />

Geme<strong>in</strong>schaften (Galizien, Baskenland, Katalonien) agieren<strong>den</strong> Regionalparteien zu, die überdies<br />

sehr geschickt die bilaterale Kooperation mit <strong>den</strong> jeweiligen Regierungsparteien anstreben,<br />

um ihren Interessen besser Ausdruck verleihen zu können.<br />

b) Der Senat (Senado)<br />

,,Der Senat ist die Kammer <strong>der</strong> territorialen Repräsentation", heißt es <strong>in</strong> <strong>der</strong> spanischen Verfassung.<br />

Diese Repräsentation basiert auf <strong>den</strong> Autonomen Geme<strong>in</strong>schaften und <strong>den</strong> Prov<strong>in</strong>zen.<br />

Im allgeme<strong>in</strong>en wählt jede Prov<strong>in</strong>z 4 SenatorInnen; Ausnahmen bil<strong>den</strong> die Prov<strong>in</strong>zen<br />

Ceuta und Melilla, die jeweils 2, und die Inselprov<strong>in</strong>zen, die jeweils 3 SenatorInnen für die<br />

größeren Inseln und e<strong>in</strong>en Senator für die kle<strong>in</strong>eren Inseln o<strong>der</strong> Inselgruppen wählen. Dies<br />

ergibt 208 für 4 Jahre nach dem Mehrheitswahlrecht direkt gewählte SenatorInnen. Darüber<br />

h<strong>in</strong>aus bestellt jede Autonome Geme<strong>in</strong>schaft e<strong>in</strong>en Senator plus je e<strong>in</strong>en pro 1 Mio. E<strong>in</strong>wohnerInnen.<br />

Diese (<strong>der</strong>zeit) 51 SenatorInnen wer<strong>den</strong> durch die Regionalparlamente <strong>der</strong> Autonomen<br />

Regionen ernannt.<br />

Der Senat besitzt, so wie das Abgeordnetenhaus, das Recht zur Gesetzes<strong>in</strong>itiative und wirkt<br />

am Gesetzgebungsprozess mit. Gesetzesvorlagen müssen beide Kammern passieren, bevor<br />

sie verabschiedet wer<strong>den</strong>.<br />

Bei <strong>den</strong> vom Abgeordnetenhaus bereits verabschiedeten Gesetzesvorlagen hat <strong>der</strong> Senat<br />

allerd<strong>in</strong>gs nur e<strong>in</strong> suspensives Vetorecht, welches mit absoluter Mehrheit im Abgeordnetenhaus<br />

überstimmt wer<strong>den</strong> kann. Wird diese bei <strong>der</strong> ersten Abstimmung nicht erreicht, genügt<br />

nach Ablauf e<strong>in</strong>er Zweimonatsfrist auch e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Mehrheit des Abgeordnetenhauses.<br />

Bei Verfassungsän<strong>der</strong>ungen spielt die zweite Kammer e<strong>in</strong>e größere Rolle. Hier muss sie <strong>der</strong><br />

geplanten Än<strong>der</strong>ung mit e<strong>in</strong>er 3/5-Mehrheit zustimmen. Die gleiche Mehrheit muss übrigens auch<br />

im Abgeordnetenhaus erreicht wer<strong>den</strong>. Lehnt <strong>der</strong> Senat die Än<strong>der</strong>ung ab, wird e<strong>in</strong> Schlichtungsausschuss<br />

e<strong>in</strong>gesetzt, welcher aus SenatorInnen und Mitglie<strong>der</strong>n des Abgeordnetenhauses<br />

besteht. Gel<strong>in</strong>gt ke<strong>in</strong>e konsensuale Lösung, reicht für die geplante Verfassungsän<strong>der</strong>ung<br />

e<strong>in</strong>e absolute Mehrheit im Abgeordnetenhaus und e<strong>in</strong>e 2/3-Mehrheit im Senat. 1/10<br />

<strong>der</strong> Abgeordneten e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> bei<strong>den</strong> Kammern kann darüber h<strong>in</strong>aus verlangen, dass die geplante<br />

Verfassungsän<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>er Volksabstimmung unterzogen wird.<br />

Bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>setzung des Schlichtungsausschusses können durchaus Parallelen zum deutschen<br />

Vermittlungsausschuss gezogen wer<strong>den</strong>. Wichtigster Unterschied ist, dass dieser <strong>in</strong> Spanien<br />

ausschließlich bei Verfassungsän<strong>der</strong>ungen e<strong>in</strong>gesetzt wird, während er <strong>in</strong> Deutschland bei <strong>der</strong><br />

Ablehnung zustimmungspflichtiger Gesetzte durch <strong>den</strong> Bundesrat regelmäßig zum Zug kommt.<br />

2.24.8. Autonome Regionen und Prov<strong>in</strong>zen<br />

Die 17 Autonomen Regionen (Comunidades Autonomas) und 2 Autonomen Städte (Ciudades<br />

Autonomas) besitzen jeweils e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> direkter Verhältniswahl gewählte gesetzgebende Versammlung,<br />

die über sekundäre Gesetzgebungsbefugnisse verfügt; e<strong>in</strong>e Regionalregierung<br />

(Consejo), <strong>der</strong>en vom Präsi<strong>den</strong>ten <strong>der</strong> Region ernannte Mitglie<strong>der</strong> m<strong>in</strong>isterielle Funktionen<br />

besitzen; und e<strong>in</strong>en Präsi<strong>den</strong>ten, <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Versammlung gewählt und vom König ernannt


wird. Der Präsi<strong>den</strong>t und die Mitglie<strong>der</strong> des Regierungsrates s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Versammlung politisch<br />

verantwortlich.<br />

Die Prov<strong>in</strong>zen besitzen e<strong>in</strong>en Prov<strong>in</strong>zialrat (Pleno), mit jeweils 25–51 Prov<strong>in</strong>zabgeordneten,<br />

die <strong>in</strong> <strong>in</strong>direkter Wahl von und unter <strong>den</strong> Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>äten gewählt wer<strong>den</strong>, und e<strong>in</strong>er Prov<strong>in</strong>zialregierung<br />

(Comision de gobierno), bestehend aus dem Präsi<strong>den</strong>ten und e<strong>in</strong>igen delegierten<br />

Abgeordneten. Der Präsi<strong>den</strong>t wird vom Prov<strong>in</strong>zialrat gewählt und leitet die Regierung und Verwaltung.<br />

Von <strong>den</strong> 17 Autonomen Geme<strong>in</strong>schaften bestehen 7 aus nur e<strong>in</strong>er Prov<strong>in</strong>z. In diesem<br />

Fall erübrigen sich die Prov<strong>in</strong>zialräte.<br />

2.24.9. Die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

Die Verfassung gewährleistet die Autonomie <strong>der</strong> über 8.000 spanischen Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> (Municipios).<br />

Diese besitzen die volle Rechtspersönlichkeit. Ihre Regierung und Verwaltung obliegt<br />

<strong>den</strong> jeweiligen Geme<strong>in</strong>devertretungen, die sich aus <strong>den</strong> Bürgermeistern und <strong>den</strong> Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>äten<br />

zusammensetzen. Die Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>äte wer<strong>den</strong> von <strong>den</strong> BürgerInnen ihrer Geme<strong>in</strong>de nach<br />

dem Verhältniswahlrecht gewählt. Die Bürgermeister wer<strong>den</strong> von <strong>den</strong> Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>äten o<strong>der</strong> von<br />

<strong>den</strong> BürgerInnen direkt gewählt. Die Exekutive <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> (Comision de gobierno) setzt<br />

sich aus dem Bürgermeister und <strong>den</strong> von ihm ernannten Räten zusammen.<br />

2.25. Tschechische Republik<br />

Offizieller Name: Ceská republika.<br />

Bevölkerung: 10,3 Mio.<br />

Staatsform: Parlamentarische Republik.<br />

2.25.1. Verfassung<br />

Gründung <strong>der</strong> Tschechoslowakischen Republik am 28.10.1918. Kommunistische Machtergreifung<br />

1948. Umbenennung <strong>in</strong> Tschechoslowakische Fö<strong>der</strong>ative Republik (CSFR) am 29.3.<br />

1990. Nach e<strong>in</strong>vernehmlicher Trennung von <strong>der</strong> Slowakei Entstehung <strong>der</strong> Tschechischen<br />

Republik am 1.1.1993. An diesem Tag trat auch die neue Verfassung <strong>in</strong> Kraft.<br />

2.25.2. EU-Beitritt<br />

Beim Referendum am 13./14.6.2003 sprachen sich 77% für <strong>den</strong> EU-Beitritt des Landes am<br />

1.5.2004 aus (Wahlbeteiligung: 55%).<br />

2.25.3. Staatsaufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

Die Tschechische Republik war bisher e<strong>in</strong> zentral verwalteter Staat. Im Rahmen <strong>der</strong> Bemühungen,<br />

das Land zu dezentralisieren, wur<strong>den</strong> mit Wirkung vom 1.1.2000 14 Regionen (kraje)<br />

geschaffen, die die bisherigen Kreise (okresy) ersetzen: Jihocesky Kraj, Jihomoravsky Kraj,<br />

Karlovarsky Kraj, Kralovehradecky Kraj, Liberecky Kraj, Moravskoslezsky Kraj, Olomoucky Kraj,<br />

Pardubicky Kraj, Plzensky Kraj, Praha (Hauptstadt, hlavni mesto), Stredocesky Kraj, Ustecky<br />

Kraj, Vysoc<strong>in</strong>a, Zl<strong>in</strong>sky Kraj. Die neu geschaffenen Regionen erhielten als eigenständige<br />

Verwaltungse<strong>in</strong>heiten mehr Befugnisse von <strong>der</strong> Zentralregierung und verfügen über gewählte<br />

Vertreter. Gleichzeitig wurde die kommunale Selbstverwaltung gestärkt.<br />

2.25.4. Wahlrecht<br />

Aktives Wahlrecht ab 18 Jahren, passives Wahlrecht ab 21 (Abgeordnetenhaus) bzw. 40 Jahren<br />

(Senat).<br />

2.25.5. Das Staatsoberhaupt<br />

Das Staatsoberhaupt <strong>der</strong> Tschechischen Republik, <strong>der</strong> Staatspräsi<strong>den</strong>t, wird für die Dauer von<br />

5 Jahren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen Sitzung von bei<strong>den</strong> Kammern des Parlaments (Abgeordnetenkammer<br />

und Senat) gewählt. E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>malige Wie<strong>der</strong>wahl ist möglich.


Neben se<strong>in</strong>er Aufgabe als Repräsentant des Staates ernennt er <strong>den</strong> M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten und<br />

die Regierungsmitglie<strong>der</strong>, unterschreibt Gesetze und besitzt e<strong>in</strong> Vetorecht bei bereits beschlossenen<br />

Gesetzen mit Ausnahme von Verfassungsgesetzen. Der Präsi<strong>den</strong>t kann die<br />

Abgeordnetenkammer auflösen. Außerdem ist er Oberbefehlshaber <strong>der</strong> Streitkräfte.<br />

Der erste Amtsträger seit <strong>der</strong> Staatsgründung war Václav Havel, dessen zweite Amtszeit<br />

Anfang Februar 2003 endete. Am 28.2.2003 wurde <strong>der</strong> frühere M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t und ehemalige<br />

Vorsitzende <strong>der</strong> konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS), Václav Klaus, mit<br />

142 zu 124 Stimmen zum neuen Präsi<strong>den</strong>ten <strong>der</strong> Tschechischen Republik gewählt. Der Wahl<br />

g<strong>in</strong>gen mehrere ergebnislose Wahlgänge voraus. Dabei gelang es <strong>der</strong> Regierung nicht, e<strong>in</strong>en<br />

eigenen Kandidaten durchzusetzen. Klaus war Anfang <strong>der</strong> 90er-Jahre e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> treiben<strong>den</strong><br />

Kräfte bei <strong>der</strong> Auflösung <strong>der</strong> Tschechoslowakei. In <strong>den</strong> vergangenen Jahren tat er sich immer<br />

wie<strong>der</strong> durch se<strong>in</strong>e Kritik an <strong>der</strong> EU hervor. 2008 wurde Klaus mit 141 Stimmen im Amt<br />

bestätigt.<br />

2.25.6. Die Regierung<br />

An <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> Regierung steht <strong>der</strong> M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t, <strong>der</strong> auf Vorschlag <strong>der</strong> Abgeordnetenkammer<br />

vom Präsi<strong>den</strong>t ernannt wird. Der M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t schlägt die M<strong>in</strong>ister vor, die vom<br />

Präsi<strong>den</strong>ten ernannt wer<strong>den</strong>. Die Regierung muss dem Parlament <strong>in</strong>nerhalb von 30 Tagen die<br />

Vertrauensfrage stellen.<br />

Bei <strong>den</strong> Parlamentswahlen im Mai 2010 wurde die sozialdemokratische ���� zwar stärkste<br />

Partei (22,1%, 56 Mandate), allerd<strong>in</strong>gs mit unerwartet hohen Verlusten. Die neue<br />

tschechische Regierung ist e<strong>in</strong>e Koalition aus <strong>der</strong> bürgerlichen ODS (20,2%, 53), <strong>der</strong><br />

liberalen Partei TOP 09 mit Karel Schwarzenberg (16,7%, 41) und <strong>der</strong> populistischen ����<br />

������� (VV, 10,9%, 24)), die für e<strong>in</strong>e Stärkung <strong>der</strong> direkten Demokratie e<strong>in</strong>tritt. Die<br />

Regierung unter Führung von M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t Petr Necas verfügt im Parlament mit 118<br />

von 200 Sitzen über e<strong>in</strong>e komfortable Mehrheit, wodurch die seit 2006 bestehende<br />

Pattsituation e<strong>in</strong> Ende fand.<br />

2.25.7. Das Parlament<br />

Tschechien besitzt e<strong>in</strong> zweigeteiltes Parlamentssystem aus Abgeordnetenhaus und Senat.<br />

a) Das Abgeordnetenhaus (Poslanecka Snemovna)<br />

Die 200 Mitglie<strong>der</strong> des Abgeordnetenhauses wer<strong>den</strong> alle 4 Jahre nach dem Verhältniswahlrecht<br />

gewählt. Tschechien ist <strong>in</strong> 8 Wahlkreise aufgeteilt, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en Parteilisten gewählt wer<strong>den</strong><br />

(mit Personenpräferenzstimmen). Es besteht e<strong>in</strong>e 5%-Klausel (7% für Parteienkoalitionen,<br />

11% für Parteienbündnisse von mehr als 3 Parteien).<br />

Die Legislative liegt bei <strong>der</strong> Abgeordnetenkammer. Das Veto des Präsi<strong>den</strong>ten bei bereits verabschiedeten<br />

Gesetzen kann <strong>in</strong> <strong>der</strong> Abgeordnetenkammer mit e<strong>in</strong>facher Mehrheit überstimmt<br />

wer<strong>den</strong>. Das Abgeordnetenhaus wählt <strong>den</strong> M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten und kann ihm das Vertrauen<br />

wie<strong>der</strong> entziehen.<br />

b) Der Senat<br />

Die zweite Kammer des Parlaments, <strong>der</strong> Senat, wurde 1996 erstmals gewählt. Alle 2 Jahre<br />

wer<strong>den</strong> 1/3 <strong>der</strong> 81 SenatorInnen für die Dauer von 6 Jahren nach dem absoluten Mehrheitswahlrecht<br />

(<strong>in</strong> E<strong>in</strong>personenwahlkreisen und <strong>in</strong> bis zu 2 Wahlgängen) neu gewählt.<br />

Der Senat verfügt über verhältnismäßig wenig Macht und stellt eher e<strong>in</strong> Kontrollorgan dar.<br />

Beim Haushalt hat <strong>der</strong> Senat ke<strong>in</strong> Mitspracherecht, bei an<strong>der</strong>en e<strong>in</strong>fachen Gesetzen kann er<br />

Entscheidungen des Abgeordnetenhauses im allgeme<strong>in</strong>en nicht verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, son<strong>der</strong>n nur aufschieben.<br />

Nur wenn die Abgeordnetenkammer aufgelöst wird, dürfen dr<strong>in</strong>gende gesetzliche<br />

Maßnahmen vom Senat beschlossen wer<strong>den</strong>. Verfassungsgesetze bedürfen <strong>der</strong> Zustimmung<br />

bei<strong>der</strong> Kammern.


2.25.8. Regionen (Kreise) und Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

Gewählte Selbstverwaltungsorgane existierten <strong>in</strong> Tschechien bisher nur auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong><br />

Städte und Geme<strong>in</strong><strong>den</strong>. Die B<strong>in</strong>deglie<strong>der</strong> zwischen <strong>der</strong> Zentralregierung und <strong>den</strong> Kommunen<br />

stellten die Bezirksämter dar, die als verlängerter Arm <strong>der</strong> Regierung wirkten.<br />

Am 1.1.2000 wur<strong>den</strong> mit dem Inkrafttreten des Gesetzes über die „höheren Selbstverwaltungse<strong>in</strong>heiten“<br />

14 Kreise e<strong>in</strong>gerichtet. Die Größe <strong>der</strong> neuen Kreise entspricht allerd<strong>in</strong>gs nicht dem<br />

Eurostats-Klassifikationssystem, das mit <strong>den</strong> E<strong>in</strong>heiten <strong>der</strong> Nomenclature des Unités Territoriales<br />

Statistiques (NUTS) operiert. So etwa wur<strong>den</strong> <strong>in</strong> dem nach <strong>der</strong> E<strong>in</strong>wohnerzahl vier Mal<br />

größeren Polen nur 16 höhere Selbstverwaltungse<strong>in</strong>heiten gebildet.<br />

Am 12.11.2000 fan<strong>den</strong> <strong>in</strong> 13 Kreisen erstmals Wahlen statt. Die Wahlbeteiligung betrug nur<br />

33,7%. Die regieren<strong>den</strong> Sozialdemokraten, von <strong>den</strong>en die Gebietsverwaltungsreform durchgesetzt<br />

wurde, erlitten <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Kreistagswahlen e<strong>in</strong>e katastrophale Nie<strong>der</strong>lage. Die ODS<br />

h<strong>in</strong>gegen, die ursprünglich die stärksten E<strong>in</strong>wände gegen die Gebietsverwaltungsreform geäußert<br />

hatte, siegte <strong>in</strong> 7 Kreisen.<br />

Die Kreistagswahlen f<strong>in</strong><strong>den</strong> alle 4 Jahre statt. Gewählt wird e<strong>in</strong>e Kreisversammlung, aus <strong>der</strong>en<br />

Mitte sich <strong>der</strong> Kreisrat konstituiert. Die aus <strong>den</strong> Wahlen entstan<strong>den</strong>e Kreisversammlung wählt<br />

aus ihren Reihen <strong>den</strong> Obmann (Hejtman) <strong>der</strong> Region und <strong>den</strong> Kreisrat – e<strong>in</strong>e Art regionaler<br />

Regierung, die sich je nach E<strong>in</strong>wohnerzahl aus 9 bis 11 Mitglie<strong>der</strong>n zusammensetzt.<br />

Wichtigster Pfeiler <strong>der</strong> lokalen Selbstverwaltung s<strong>in</strong>d nach wie vor die Kommunen. Auch sie<br />

wer<strong>den</strong> von e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de- o<strong>der</strong> Stadtversammlung repräsentiert, <strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong> alle 4<br />

Jahre nach dem Verhältniswahlrecht bestimmt wer<strong>den</strong>, und aus <strong>der</strong>en Reihen die Exekutivorgane<br />

<strong>der</strong> Kommune (Bürgermeister, Stadt- und Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>at) gewählt wer<strong>den</strong>.<br />

Bei <strong>den</strong> Ende Oktober 2006 abgehaltenen Kommunalwahlen erzielten die tschechischen<br />

Konservativen (ODS) von Premier Mirek Topolanek e<strong>in</strong>en wichtigen Erfolg. Die ODS wurde<br />

praktisch <strong>in</strong> allen Kreisstädten stärkste Partei. Landesweit fiel die Mehrheit <strong>der</strong> Sitze <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Rathäusern traditionell an unabhängige Kandidaten und Bewerber lokaler Listen.<br />

2.26. Ungarn<br />

Offizieller Name: Magyar Köztársaság.<br />

Bevölkerung: 10,1 Mio.<br />

Staatsform: Parlamentarische Republik.<br />

2.26.1. Verfassung<br />

Am 23.10.1989 trat die modifizierte ungarische Verfassung <strong>in</strong> Kraft. Sie ist an <strong>der</strong> klassischen<br />

Aufgabenteilung zwischen Staatsoberhaupt, Parlament und Regierung orientiert und hat unter<br />

an<strong>der</strong>em das deutsche Grundgesetz von 1949 zum Vorbild. Die Bezeichnung „Volksrepublik“<br />

(Népköztársaság) wurde gestrichen.<br />

2.26.2. EU-Beitritt<br />

Beim Referendum am 12.4.2003 stimmten fast 84% für <strong>den</strong> EU-Beitritt des Landes am 1.5.<br />

2004, allerd<strong>in</strong>gs lag die Wahlbeteiligung lediglich bei knapp 46% <strong>der</strong> Stimmberechtigten. Das<br />

Ergebnis ist <strong>den</strong>noch gültig und b<strong>in</strong><strong>den</strong>d für das Parlament.<br />

2.26.3. Staatsaufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

Der ungarische Staat ist weiterh<strong>in</strong> sehr zentralistisch verfasst. Die 19 regionalen (megyek) und<br />

23 städtischen Verwaltungse<strong>in</strong>heiten mit Komitatsrecht haben wenig Befugnisse und s<strong>in</strong>d auf<br />

nationalstaatlicher Ebene (etwa <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Län<strong>der</strong>kammer) nicht vertreten.<br />

2.26.4. Wahlrecht<br />

Allgeme<strong>in</strong>es Wahlrecht ab 18 Jahren.


2.26.5. Das Staatsoberhaupt<br />

Der Präsi<strong>den</strong>t <strong>der</strong> Republik Ungarn wird vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit (im dritten<br />

Wahlgang mit e<strong>in</strong>facher Mehrheit) für 5 Jahre gewählt. E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>malige Wie<strong>der</strong>wahl ist möglich.<br />

Der Kandidat muss e<strong>in</strong> ungarischer Staatsbürger von m<strong>in</strong>destens 35 Jahren se<strong>in</strong>.<br />

Die Kompetenzen des ungarischen Präsi<strong>den</strong>ten übertreffen die des deutschen Bundespräsi<strong>den</strong>ten.<br />

Er besitzt e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>maliges suspensives Vetorecht und, geme<strong>in</strong>sam mit Parlament<br />

und Regierung, e<strong>in</strong> Recht auf Gesetzes<strong>in</strong>itiative. Er kann das Parlament vertagen und auflösen,<br />

schreibt Parlamentswahlen aus, beauftragt Parteien mit <strong>der</strong> Regierungsbildung, schlägt<br />

dem Parlament <strong>den</strong> M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten zur Wahl vor, ernennt M<strong>in</strong>ister, Staatssekretäre, Generäle<br />

und Berufsrichter, ist Oberbefehlshaber <strong>der</strong> Streitkräfte und hat eigene Befugnisse <strong>in</strong><br />

auswärtigen Angelegenheiten. Diese relativ weitreichen<strong>den</strong> Kompetenzen bil<strong>den</strong> allerd<strong>in</strong>gs<br />

e<strong>in</strong>e gewisse Schwachstelle des Systems, da <strong>der</strong> Staatspräsi<strong>den</strong>t, <strong>der</strong> auch als Kontroll<strong>in</strong>stanz<br />

zur Regierung gedacht ist, so wie diese vom Parlament gewählt wird.<br />

Der im August 2010 zum Präsi<strong>den</strong>ten gewählte konservative Politiker Pál Schmitt trat im April<br />

2012 wegen e<strong>in</strong>er Plagiatsaffäre um se<strong>in</strong>e Dissertation zurück. Bis zur Wahl e<strong>in</strong>es<br />

Nachfolgers hat Parlamentspräsi<strong>den</strong>t László Kövér kommissarisch die Leitung <strong>der</strong><br />

Amtsgeschäfte des Präsi<strong>den</strong>ten übernommen<br />

2.26.6. Die Regierung<br />

Die Regierung übt die Exekutivgewalt aus, d.h. sie leitet die Verwaltung auf <strong>der</strong> obersten Ebene.<br />

Der Regierungschef wird, bei gleichzeitiger Annahme des Regierungsprogramms, vom<br />

Parlament gewählt. Die Regierungsbildung wird durch die Ernennung <strong>der</strong> M<strong>in</strong>ister und <strong>der</strong>en<br />

Vereidigung vollzogen.<br />

Die Regierung ist dem Parlament verantwortlich. Ähnlich wie <strong>der</strong> deutsche Bundeskanzler<br />

besitzt <strong>der</strong> ungarische M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t die Richtl<strong>in</strong>ienkompetenz im Kab<strong>in</strong>ett. Um e<strong>in</strong>e größtmögliche<br />

Stabilität <strong>der</strong> Regierung zu gewährleisten, wurde – ebenfalls nach deutschem Muster<br />

– e<strong>in</strong> konstruktives Misstrauensvotum e<strong>in</strong>geführt.<br />

Seit 1990 lösten sich konservative und sozialdemokratische Regierung nach je<strong>der</strong> Legislaturperiode<br />

ab. Von 1998 bis 2002 wurde das Land von e<strong>in</strong>er rechtsliberalen Koalitionsregierung<br />

unter Führung von M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t Viktor Orbán (FIDESZ-MPP) regiert. 2002 gewann die<br />

Opposition aus Sozialdemokraten (MSzP) und dem liberalen Bund Freier Demokraten (SzDSz)<br />

knapp; 2006 wurde die l<strong>in</strong>ke Regierung im Amt bestätigt. Nach e<strong>in</strong>er Reihe von Skandalen<br />

erreichte die rechtskonservative FIDESZ unter Orbán bei <strong>der</strong> Parlamentswahl 2010 mit 263<br />

Mandaten mehr als zwei Drittel <strong>der</strong> Parlamentssitze. Die Sozialisten verzeichneten<br />

dramatische E<strong>in</strong>bußen und landeten mit 59 Mandaten nur knapp vor <strong>der</strong> rechtsextremen<br />

Jobbik, die auf Anhieb 47 Sitze err<strong>in</strong>gen konnte.<br />

2.26.7. Das Parlament<br />

Ungarn besitzt e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>kammerparlament – die sogenannte „Landesversammlung" (Országgyüles)<br />

– mit 386 Abgeordneten, die seit 1990 für 4 Jahre (früher 5) gewählt wer<strong>den</strong>. Es gilt<br />

e<strong>in</strong> gemischtes Wahlsystem aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht. 176 Mandate wer<strong>den</strong> <strong>in</strong><br />

E<strong>in</strong>zelwahlkreisen nach dem absoluten Mehrheitspr<strong>in</strong>zip (<strong>in</strong> bis zu 2 Wahlgängen) vergeben;<br />

am zweiten Wahlgang können jene Kandidaten teilnehmen, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten Runde m<strong>in</strong>destens<br />

15% <strong>der</strong> Stimmen erhalten haben. Wenn dies weniger als 3 Kandidaten gel<strong>in</strong>gt, kommen<br />

die 3 bestplazierten <strong>in</strong> <strong>den</strong> zweiten Wahlgang, o<strong>der</strong>, wenn ke<strong>in</strong> Kandidat 15% erreicht, die 6<br />

bestplazierten. 152 Mandate wer<strong>den</strong> auf regionalen Listen <strong>der</strong> Komitate und 58 Mandate als<br />

Kompensationssitze auf e<strong>in</strong>er landesweiten Liste nach dem Verhältnispr<strong>in</strong>zip vergeben.<br />

Die Wahlen laufen im ersten Wahlgang nach e<strong>in</strong>em Zweistimmensystem ab: E<strong>in</strong>e Stimme wird<br />

für <strong>den</strong> lokalen Wahlkreiskandidaten, die zweite für die regionale Parteiliste abgegeben. Jede<br />

Partei, die <strong>in</strong> zum<strong>in</strong>dest 2 Wahlkreisen e<strong>in</strong>en Kandidaten nom<strong>in</strong>iert hat, darf e<strong>in</strong>e regionale<br />

Liste aufstellen. Um e<strong>in</strong>e landesweite Liste aufzustellen, bedarf es m<strong>in</strong>destens 7 regionaler<br />

Listen. Um als Partei <strong>in</strong>s Parlament zu gelangen, muss im ersten Wahlgang e<strong>in</strong>e 5%-Hürde<br />

übersprungen wer<strong>den</strong> (10% für Parteienkoalitionen, 15% für Bündnisse von mehr als 2<br />

Parteien!).


Das Parlament besitzt die Kompetenz zur Gesetzgebung und kann, ebenso wie <strong>der</strong> Staatspräsi<strong>den</strong>t,<br />

neue Gesetzes<strong>in</strong>itiativen unterbreiten. Es wählt <strong>den</strong> Staatspräsi<strong>den</strong>ten, <strong>den</strong> M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten,<br />

die Mitglie<strong>der</strong> des Verfassungsgerichts, <strong>den</strong> Ombudsmann <strong>der</strong> M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten,<br />

<strong>den</strong> Präsi<strong>den</strong>ten des Obersten Gerichts und <strong>den</strong> Generalstaatsanwalt. Für e<strong>in</strong>e Verfassungsän<strong>der</strong>ung<br />

bedarf es e<strong>in</strong>er Zweidrittelmehrheit.<br />

2.26.8. Regionen (Komitate) und Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

Die Komitatsversammlungen s<strong>in</strong>d politisch unbedeutend. Das kommunale Selbstverwaltungsrecht<br />

wird <strong>in</strong> <strong>den</strong> Kle<strong>in</strong>- und Großgeme<strong>in</strong><strong>den</strong>, Städten und kreisfreien Städten sowie <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Hauptstadt und ihren 23 Bezirken durch gewählte Vertretungskörper ausgeübt. An <strong>der</strong> Spitze<br />

<strong>der</strong> Selbstverwaltungsorgane stehen Bürgermeister bzw. Unterbürgermeister. Durch die Vertretungskörper<br />

wer<strong>den</strong> alle lokalen Angelegenheiten selbständig und unabhängig verwaltet<br />

und geregelt. Die Selbstverwaltungse<strong>in</strong>heiten verfügen über eigene E<strong>in</strong>nahmen, können aber<br />

auch aus dem zentralen Staatshaushalt Zuschüsse erhalten und Verordnungen von lokaler<br />

Bedeutung erlassen. Zu ihren Verpflichtungen gehören die Sicherstellung des Grundschulunterrichts<br />

sowie die Gewährleistung <strong>der</strong> Grundversorgung im Gesundheits- und Sozialwesen,<br />

sowie die Geltendmachung <strong>der</strong> nationalen und ethnischen M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitenrechte usw.<br />

Bei <strong>den</strong> alle 4 Jahre jeweils im Herbst (nach <strong>den</strong> Parlamentswahlen) abgehaltenen Kommunalwahlen<br />

stehen folgende Vertretungen zur Wahl:<br />

• Über 3.100 BürgermeisterInnen (unmittelbar von <strong>den</strong> Bürgern gewählt);<br />

• Knapp 3.000 Bürgervertretungen <strong>in</strong> <strong>den</strong> Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> mit weniger als 10.000 E<strong>in</strong>wohnern<br />

(sog. Kle<strong>in</strong>listen);<br />

• Die Geme<strong>in</strong>devertretungen <strong>in</strong> <strong>den</strong> 162 Städten mit mehr als 10.000 E<strong>in</strong>wohnern (<strong>in</strong> über<br />

2.000 E<strong>in</strong>zelwahlkreisen);<br />

• 19 Komitatsversammlungen (38 Listen, pro Komitat je e<strong>in</strong>e für die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> mit mehr<br />

und mit weniger als 10.000 E<strong>in</strong>wohnern);<br />

• Die Stadtversammlung <strong>in</strong> Budapest;<br />

• Der Oberbürgermeister <strong>in</strong> Budapest;<br />

• 1.310 Vertretungen <strong>der</strong> 13 <strong>in</strong> Ungarn registrierten M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten.<br />

Insgesamt gibt es also für die Kommunalwahlen etwa 9.500 verschie<strong>den</strong>e Stimmzettel; je<strong>der</strong><br />

Bürger Ungarns hat m<strong>in</strong>destens 3 (Bürgermeister, Geme<strong>in</strong>devertretung, Komitatsversammlung)<br />

o<strong>der</strong> 4 (falls e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitenvertretung zu wählen ist), höchstens aber 5 Stimmen (<strong>in</strong><br />

Budapest: Oberbürgermeister, Stadtversammlung, Bezirksbürgermeister, Bezirksversammlung,<br />

M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitenvertretung) zu vergeben.<br />

Bei <strong>den</strong> Kommunalwahlen im Oktober 2006 erhielt die rechtsnationale Oppositionspartei<br />

Fidesz mit ihren Verbündeten <strong>in</strong> 18 von <strong>in</strong>sgesamt 19 Regionalparlamenten die Mehrheit und<br />

siegte auch <strong>in</strong> 15 von 23 größeren Städten. Landesweit kam Fidesz auf 53,3% <strong>der</strong> Wählerstimmen,<br />

während die regieren<strong>den</strong> Sozialisten zusammen mit <strong>den</strong> Liberalen und lokalen<br />

Verbündeten nur 36,5% erhielten.<br />

2.27. Zypern<br />

Offizieller Name: Kypriaki Dimokratia (griechisch); Kibris Cumhuriyeti (türkisch).<br />

Bevölkerung: ca. 0,66 Mio. im griechischen Süd- und ca. 0,2 Mio. im türkischen Nordteil.<br />

Staatsform: Präsidialdemokratische Republik. Die Herrschaftsgewalt <strong>der</strong> zypriotischen Regierung<br />

erstreckt sich seit <strong>der</strong> türkischen Invasion von 1974 nicht auf <strong>den</strong> besetzten Nor<strong>den</strong> <strong>der</strong><br />

Insel. Dort hat sich unter dem Namen Türk Kuzey Kibris Cumhuriyeti („Türkische Republik<br />

Nordzypern“) e<strong>in</strong> von <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Staatengeme<strong>in</strong>schaft mit Ausnahme <strong>der</strong> Türkei nicht<br />

anerkanntes Gebilde mit eigener „Regierung" etabliert.


2.27.1. Verfassung<br />

Als Zypern 1960 <strong>in</strong> die Unabhängigkeit entlassen wurde, entwarfen die drei Garantiemächte<br />

Großbritannien, Griechenland und Türkei e<strong>in</strong>e Verfassung für die gesamte Insel, die e<strong>in</strong> friedliches<br />

Zusammenleben <strong>der</strong> bei<strong>den</strong> Volksgruppen gewährleisten sollte.<br />

E<strong>in</strong>e Beson<strong>der</strong>heit dieser Verfassung war, dass sich die Verteilung sämtlicher offizieller Ämter<br />

an e<strong>in</strong>em Proporzschlüssel orientierte, <strong>der</strong> die demographischen Verhältnisse <strong>der</strong> Insel wi<strong>der</strong>spiegeln<br />

sollte. Allerd<strong>in</strong>gs gelang es durch <strong>den</strong> strengen Proporz nicht, e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same I<strong>den</strong>tität<br />

für <strong>den</strong> neuen Staat zu schaffen. Vielmehr wurde <strong>der</strong> Konflikt <strong>in</strong> <strong>den</strong> staatlichen Institutionen<br />

verankert, was dadurch zum Ausdruck kam, dass die türkische M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit mit ihren vielfachen<br />

Vetorechten das politische System Zyperns nahezu lahmlegte. Als <strong>der</strong> griechischzypriotische<br />

Präsi<strong>den</strong>t Makarios 1963 die Verfassung än<strong>der</strong>n wollte, stieß er auf Ablehnung<br />

<strong>der</strong> Zyperntürken und <strong>der</strong> Türkei. 1964 zogen sich die 24 türkisch-zypriotischen Abgeordneten<br />

vollständig von ihren Sitzen im Repräsentantenhaus zurück; ihre Plätze im Parlament s<strong>in</strong>d seitdem<br />

vakant. Seit 1975 hat <strong>der</strong> türkische Nordteil e<strong>in</strong>e eigene „Verfassung“.<br />

2.27.2. EU-Beitritt<br />

Der EU-Beitritt des Landes erfolgte am 1.5.2004 geplant. Es gab ke<strong>in</strong> Referendum. Nach <strong>der</strong><br />

Ablehnung des <strong>in</strong>ternationalen Wie<strong>der</strong>vere<strong>in</strong>igungsplanes durch die griechisch-zypriotische<br />

Bevölkerung trat vorerst nur <strong>der</strong> griechische Sü<strong>den</strong> des Landes <strong>der</strong> EU bei.<br />

2.27.3. Staatsaufbau und regionale Glie<strong>der</strong>ung<br />

Zentralverwaltung mit 6 Distrikten (mit von <strong>der</strong> Regierung ernannten Vorstehern): Famagusta,<br />

Kyrenia, Larnaca, Limassol, Nicosia, Paphos.<br />

Kyrenia, <strong>der</strong> Großteil Famagustas, sowie Teile Nicosias und Larnacas s<strong>in</strong>d türkisch besetzt.<br />

2.27.4. Wahlrecht<br />

Aktives Wahlrecht ab 18 Jahren, passives ab 25 Jahren (35 für Präsi<strong>den</strong>tschaftsbewerberInnen).<br />

Es herrscht Wahlpflicht!<br />

2.27.5. Das Staatsoberhaupt<br />

Entsprechend <strong>der</strong> Verfassung von 1960 ist Zypern e<strong>in</strong>e Republik mit e<strong>in</strong>em Präsidialsystem.<br />

Die exekutive Macht liegt beim Präsi<strong>den</strong>ten, <strong>der</strong> Staatsoberhaupt und Regierungschef <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Person ist. Er wird durch allgeme<strong>in</strong>e Wahlen für e<strong>in</strong>e fünfjährige Amtsperiode gewählt.<br />

Der Präsi<strong>den</strong>t <strong>der</strong> Republik verfügt über vielfältige Kompetenzen. Er ernennt die Mitglie<strong>der</strong> des<br />

M<strong>in</strong>isterrats und verfügt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesetzgebung über e<strong>in</strong> endgültiges Vetorecht <strong>in</strong> <strong>den</strong> Bereichen<br />

<strong>der</strong> Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Für alle sonstigen Gesetzesvorschläge des<br />

Repräsentantenhauses kann er von e<strong>in</strong>em sogenannten suspensiven Veto Gebrauch machen,<br />

d.h. er kann diese zur erneuten Beratung an die Legislative zurückweisen.<br />

Ähnlich dem amerikanischen Präsi<strong>den</strong>ten benötigt das zypriotische Staatsoberhaupt nicht<br />

zw<strong>in</strong>gend das Vertrauen des Parlaments und kann nur durch e<strong>in</strong> Klageverfahren (Impeachment)<br />

vorzeitig zum Rücktritt gezwungen wer<strong>den</strong>. Derartige Fälle s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Zypern bisher allerd<strong>in</strong>gs<br />

noch nicht vorgekommen.<br />

Bei <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>tenwahl im Februar 2008 schied <strong>der</strong> seit 2003 amtierende Staatspräsi<strong>den</strong>t<br />

Tassos Papadopoulos (DIKO) bereits im ersten Wahlgang aus. Bei <strong>der</strong> Stichwahl setzte sich<br />

<strong>der</strong> Generalsekretär <strong>der</strong> Kommunistischen Partei Dimitris Christofias mit 53% deutlich gegen<br />

se<strong>in</strong>en konservativen Rivalen Ioannis Kasoulides durch. Christofias hatte se<strong>in</strong>en Landsleuten<br />

u.a. neue Impulse für e<strong>in</strong>e Wie<strong>der</strong>vere<strong>in</strong>igung <strong>der</strong> Insel versprochen.<br />

Der Posten des Vizepräsi<strong>den</strong>ten ist laut Verfassung für e<strong>in</strong>en Inseltürken reserviert und <strong>der</strong>zeit<br />

nicht besetzt.<br />

2.27.6. Die Regierung<br />

In <strong>der</strong> Republik Zypern setzt sich <strong>der</strong> M<strong>in</strong>isterrat aus 11 vom Staatspräsi<strong>den</strong>ten ernannten<br />

M<strong>in</strong>istern zusammen. Diese dürfen nicht dem Parlament angehören und benötigen auch ke<strong>in</strong>e


Zustimmung <strong>der</strong> Legislative. Entscheidungen wer<strong>den</strong> im M<strong>in</strong>isterrat mit absoluter Mehrheit<br />

gefasst, wobei <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t e<strong>in</strong> Vetorecht besitzt. Die Regierung kann Gesetzesvorlagen <strong>in</strong>s<br />

Parlament e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen, die allerd<strong>in</strong>gs nur von diesem verabschiedet wer<strong>den</strong> können.<br />

2.27.7. Das Parlament (Vouli Antiprosopon)<br />

Das Repräsentantenhaus <strong>der</strong> Republik Zypern ist e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>kammerparlament mit 80 Mitglie<strong>der</strong>n,<br />

die seit 1996 für e<strong>in</strong>e fünfjährige Amtsperiode nach dem Verhältniswahlrecht (1,8%-Klausel =<br />

1/56 <strong>der</strong> Stimmen) gewählt wer<strong>den</strong>. 56 Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Legislative s<strong>in</strong>d griechische Zyprioten,<br />

die von ihrer Geme<strong>in</strong>schaft gewählt wer<strong>den</strong>; 24 Mitglie<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d für die türkisch-zypriotische<br />

Volksgruppe reserviert. Da die türkisch-zypriotischen Abgeordneten ihre Parlamentsmandate<br />

bereits seit 1964 nicht mehr wahrnehmen, s<strong>in</strong>d ihre Sitze im Parlament vakant.<br />

Im politischen System Zyperns herrscht Inkompatibilität, d. h. Mitglie<strong>der</strong> des Repräsentantenhauses<br />

können ke<strong>in</strong>e Regierungsämter beklei<strong>den</strong> und umgekehrt. Wichtigstes Kontrollmittel<br />

des Repräsentantenhauses gegenüber <strong>der</strong> Exekutive s<strong>in</strong>d beson<strong>der</strong>e Kompetenzen im Haushaltsrecht.<br />

Zudem kann es e<strong>in</strong> Klageverfahren wegen Hochverrats e<strong>in</strong>leiten und somit die<br />

Regierung im Notfall absetzen.<br />

Traditionell stehen sich auf Zypern zwei große politische Lager gegenüber: die l<strong>in</strong>ke (ehemals<br />

kommunistische) Wie<strong>der</strong>aufbaupartei des werktätigen Volkes (AKEL) und die rechtskonservative<br />

Demokratische Sammlungsbewegung (DISY). Bei <strong>den</strong> Parlamentswahlen vom 21.5.<br />

2006 erreichten AKEL 31,1% (18 Sitze), DISY 30,3% (18), die konservative Demokratische<br />

Partei (DIKO) 17,9% (11) und die sozialdemokratische EDEK 8,9% (5).<br />

2.27.8. Regionen und Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

Die Vorsteher <strong>der</strong> 6 Distrikte wer<strong>den</strong> von <strong>der</strong> Regierung ernannt und fungieren als <strong>der</strong>en<br />

regionale Vertreter.<br />

Die Bürgermeister und Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>äte wer<strong>den</strong> seit 1986 jeweils direkt für 5 Jahre gewählt. Die<br />

Zahl <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>äte (8 bis 26) richtet sich nach <strong>der</strong> Größe <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de. Derzeit gibt es 24<br />

Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> im Südteil <strong>der</strong> Insel (und 9 im besetzten Nordteil). Bei <strong>den</strong> Kommunalwahlen<br />

wer<strong>den</strong> auch die Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>äte und Bürgermeister <strong>in</strong> <strong>den</strong> türkisch besetzten Teilen gewählt<br />

(de facto ohne reale Auswirkung), wobei alle Personen, die aus diesen Gebieten vertrieben<br />

wur<strong>den</strong>, doppeltes Wahlrecht (<strong>in</strong> ihrer alten und neuen Heimatgeme<strong>in</strong>de) genießen. AKEL und<br />

DISY stellen die Mehrzahl <strong>der</strong> Bürgermeister und Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>äte. Die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> vertreten ihre<br />

Interessen durch die 1981 gegründete <strong>Union</strong> of Cyprus Municipalities.


3. Abschließen<strong>der</strong> Vergleich<br />

3.1. Verfassungen<br />

In allen EU-Staaten mit Ausnahme Großbritanniens bildet e<strong>in</strong>e geschriebene Verfassung die<br />

Grundlage des politischen Handels. Verfassungsän<strong>der</strong>ungen bedürfen überall beson<strong>der</strong>er verfassungsän<strong>der</strong>n<strong>der</strong><br />

Mehrheiten – <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel e<strong>in</strong>er 2/3- o<strong>der</strong> 3/5-Mehrheit (Belgien, Deutschland,<br />

Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Portugal) –, weshalb e<strong>in</strong> breiter gesellschaftlicher<br />

Konsens Voraussetzung ist. In Deutschland ist darüber h<strong>in</strong>aus die Zustimmung<br />

des Bundesrates erfor<strong>der</strong>lich, <strong>in</strong> Belgien entschei<strong>den</strong> beide Kammern <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer Sitzung.<br />

In e<strong>in</strong>igen Län<strong>der</strong>n kann e<strong>in</strong>e vom Parlament beschlossene Verfassungsän<strong>der</strong>ung nur dann<br />

herbeigeführt wer<strong>den</strong>, wenn e<strong>in</strong> neugewähltes Parlament diesen Entwurf mit qualifizierter<br />

Mehrheit bestätigt. Dazu gehören die Benelux-Län<strong>der</strong> und die skand<strong>in</strong>avischen Staaten. Verfassungsän<strong>der</strong>nde<br />

Entwürfe wer<strong>den</strong> deshalb meist kurz vor <strong>den</strong> Wahlen e<strong>in</strong>gebracht, um e<strong>in</strong>e<br />

vorzeitige Auflösung des Parlaments zu vermei<strong>den</strong>.<br />

In e<strong>in</strong>igen Staaten können darüber h<strong>in</strong>aus „grundlegende Verfassungsbestände“ gar nicht verän<strong>der</strong>t<br />

wer<strong>den</strong>. So z.B. ist <strong>in</strong> Frankreich und Italien die republikanische Staatsform festgeschrieben,<br />

<strong>in</strong> Frankreich zudem die „Unversehrtheit des Staatsgebietes“. Und im deutschen<br />

Grundgesetz heißt es <strong>in</strong> Artikel 79: E<strong>in</strong>e Än<strong>der</strong>ung dieses Grundgesetzes, durch welche die<br />

Glie<strong>der</strong>ung des Bundes <strong>in</strong> Län<strong>der</strong>, die grundsätzliche Mitwirkung <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Gesetzgebung<br />

o<strong>der</strong> die <strong>in</strong> <strong>den</strong> Artikeln 1 (Menschenwürde und Menschenrechte; Anm. d. Autors) und<br />

20 (Deutschland als demokratischer und sozialer Bundesstaat; Anm. d. Autors) nie<strong>der</strong>gelegten<br />

Grundsätze berührt wer<strong>den</strong>, ist unzulässig. In Österreich und Spanien bedürfen „grundlegende<br />

Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Verfassung“ <strong>der</strong> Legitimation durch e<strong>in</strong>e Volksabstimmung.<br />

3.2. Regierungssysteme und die Rolle des Staatsoberhauptes<br />

Alle EU-Mitgliedsstaaten mit Ausnahme Zyperns, das e<strong>in</strong> echtes Präsidialsystem kennt, verfügen<br />

auf zentralstaatlicher Ebene über e<strong>in</strong>e geteilte Exekutive: e<strong>in</strong> Staatsoberhaupt und e<strong>in</strong>e<br />

Regierung, mit e<strong>in</strong>em Regierungschef an <strong>der</strong> Spitze.<br />

In Frankreich und (mit E<strong>in</strong>schränkungen) auch <strong>in</strong> F<strong>in</strong>nland, Litauen und Polen gibt es e<strong>in</strong><br />

„semi-präsi<strong>den</strong>tielles“ Regierungssystem mit e<strong>in</strong>er doppelköpfigen Exekutive. Es stellt sich<br />

allerd<strong>in</strong>gs die Frage, ob es sich dabei tatsächlich um e<strong>in</strong>en eigenen Systemtyp handelt, da die<br />

festgeschriebenen Kompetenzen des französischen Präsi<strong>den</strong>ten nicht wesentlich größer s<strong>in</strong>d,<br />

als diejenigen <strong>der</strong> Staatsoberhäupter an<strong>der</strong>er Län<strong>der</strong>. Überdies ist <strong>der</strong> realpolitische Spielraum<br />

des französischen Staatsoberhauptes sehr stark von <strong>der</strong> parlamentarischen Mehrheit abhängig.<br />

Wenn <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t über ke<strong>in</strong>e Mehrheit im Parlament verfügt – wie zu Zeiten <strong>der</strong> Cohabitation<br />

– dann verschiebt sich das Gleichgewicht zugunsten des Premierm<strong>in</strong>isters und das System<br />

funktioniert als e<strong>in</strong> parlamentarisches. In Portugal und Griechenland s<strong>in</strong>d die e<strong>in</strong>st weitreichen<strong>den</strong><br />

Kompetenzen <strong>der</strong> Staatspräsi<strong>den</strong>ten zuletzt erheblich e<strong>in</strong>geschränkt wor<strong>den</strong>.<br />

In 7 EU-Staaten amtiert e<strong>in</strong> erblicher Monarch als Staatsoberhaupt. Die Ausübung exekutiver<br />

Macht ist <strong>in</strong> diesen Fällen zeitlich nicht begrenzt. Allerd<strong>in</strong>gs wurde die Macht <strong>der</strong> Monarchen –<br />

nicht zuletzt deshalb – <strong>in</strong> allen parlamentarischen Monarchien auf eher „symbolische Funktionen“<br />

begrenzt. Der Monarch gilt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel als „unverletzlich“ und kann nicht zur Verantwortung<br />

gezogen wer<strong>den</strong>. Nach <strong>den</strong> Verfassungen Belgiens, Dänemarks, Luxemburgs und<br />

<strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lande liegt die Exekutive allerd<strong>in</strong>gs immer noch beim Monarchen. Auch an <strong>der</strong><br />

Gesetzgebung ist er beteiligt. Formell ernennt und entlässt <strong>der</strong> Monarch <strong>den</strong> M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten<br />

und die M<strong>in</strong>ister, er kann das Parlament auflösen und besitzt <strong>den</strong> Oberbefehl über<br />

die Streitkräfte. Gesetze wer<strong>den</strong> von ihm unterzeichnet, zudem hat er e<strong>in</strong> Vetorecht und e<strong>in</strong>en<br />

gewissen E<strong>in</strong>fluss auf die Regierungsbildung.<br />

In F<strong>in</strong>nland, Frankreich, Irland, Litauen, Österreich, Polen, Portugal, <strong>der</strong> Slowakei, Slowenien<br />

und <strong>in</strong> Zypern wird <strong>der</strong> Staatspräsi<strong>den</strong>t direkt vom Volk gewählt. Die Amtszeiten liegen zwischen<br />

4 und 7 Jahren. Die Möglichkeiten e<strong>in</strong>er Wie<strong>der</strong>wahl s<strong>in</strong>d unterschiedlich geregelt. Bei<br />

<strong>der</strong> Direktwahl ist im ersten Wahlgang stets e<strong>in</strong>e absolute Mehrheit erfor<strong>der</strong>lich. Im zweiten<br />

Wahlgang erfolgt e<strong>in</strong>e Stichwahl zwischen <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> erfolgreichsten BewerberInnen. Das<br />

M<strong>in</strong>destalter beträgt meist 35 o<strong>der</strong> 40 Jahre.


Die vom Volk gewählten Präsi<strong>den</strong>ten Irlands, Österreichs, <strong>der</strong> Slowakei und Sloweniens haben<br />

überwiegend repräsentative Funktionen, obwohl ihre verfassungsmäßigen Kompetenzen die<br />

des französischen Staatspräsi<strong>den</strong>ten teilweise sogar übersteigen. Der österreichische Bundespräsi<strong>den</strong>t<br />

ernennt und entlässt <strong>den</strong> Bundeskanzler und die M<strong>in</strong>ister, er kann <strong>den</strong> Nationalrat<br />

auflösen und er setzt die vom Parlament beschlossenen Gesetze mit se<strong>in</strong>er Unterschrift <strong>in</strong><br />

Kraft. Auch <strong>der</strong> portugiesische Staatspräsi<strong>den</strong>t besitzt trotz <strong>in</strong>tensiver Beschneidungen immer<br />

noch erhebliche Macht. Er ernennt <strong>den</strong> M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten, er kann nach Anhörung des<br />

Staatsrates das Parlament auflösen, hat e<strong>in</strong> Vetorecht bei Gesetzesentwürfen und er kann<br />

e<strong>in</strong>e Prüfung beim Verfassungsgericht veranlassen. Relativ weitreichende Kompetenzen besitzen<br />

die Präsi<strong>den</strong>ten Litauens (v.a. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Außenpolitik) und Polens (Vetorecht). Das Veto des<br />

polnischen Präsi<strong>den</strong>ten kann vom Parlament nur mit e<strong>in</strong>er 2/3-Mehrheit überstimmt wer<strong>den</strong> (<strong>in</strong><br />

Litauen, <strong>der</strong> Slowakei und <strong>der</strong> Tschechischen Republik mit absoluter Mehrheit, <strong>in</strong> Estland,<br />

Lettland und Ungarn mit e<strong>in</strong>facher Mehrheit).<br />

Weitgehend zeremonielle Funktionen haben die von <strong>den</strong> Parlamenten (o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en, erweiterten<br />

Gremien) gewählten Präsi<strong>den</strong>ten Deutschlands, Griechenlands, Italiens, Maltas und <strong>der</strong><br />

Tschechischen Republik.<br />

Nach <strong>der</strong> Verfassungsreform von 1986 hat <strong>der</strong> griechische Staatspräsi<strong>den</strong>t nur noch ger<strong>in</strong>ge<br />

eigenständige Handlungsmöglichkeiten (Verzögerung <strong>der</strong> Verabschiedung e<strong>in</strong>es Gesetzes,<br />

e<strong>in</strong>geschränktes Recht <strong>der</strong> Parlamentsauflösung). Italiens Staatspräsi<strong>den</strong>t (für 7 Jahre gewählt)<br />

ernennt <strong>den</strong> M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten (<strong>der</strong> vom Parlament bestätigt wer<strong>den</strong> muss) und nimmt<br />

Rücktrittsgesuche des Regierungschefs an bzw. lehnt er sie auch ab. Zudem kann er nach<br />

Anhörung <strong>der</strong> Parlamentspräsi<strong>den</strong>ten e<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> beide Kammern auflösen. In Griechenland und<br />

Italien ist e<strong>in</strong>e 2/3-Mehrheit bei <strong>der</strong> Wahl des Präsi<strong>den</strong>ten erfor<strong>der</strong>lich; <strong>in</strong> Deutschland genügt<br />

im dritten Wahlgang die relative Mehrheit.<br />

Etwas größere Kompetenzen besitzen die ebenfalls von <strong>den</strong> jeweiligen Parlamenten (meist mit<br />

2/3-Mehrheit) gewählten Präsi<strong>den</strong>ten e<strong>in</strong>iger Reformstaaten, so etwa <strong>in</strong> Estland, Lettland o<strong>der</strong><br />

Ungarn, die auch das Recht auf Parlamentsauflösung besitzen und über unterschiedlich ausformulierte<br />

Vetorechte verfügen. In Lettland muss e<strong>in</strong>e Parlamentsauflösung allerd<strong>in</strong>gs durch<br />

e<strong>in</strong> Referendum bestätigt wer<strong>den</strong>, an<strong>der</strong>enfalls <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t aus se<strong>in</strong>em Amt entlassen wird.<br />

3.3. Die Regierungen<br />

3.3.1. Regierungsbildung<br />

In allen west- und zentraleuropäischen Systemen mit Ausnahme Zyperns, wo <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t<br />

auch <strong>der</strong> Regierung vorsteht, steht e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t/Premierm<strong>in</strong>ister an <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> Regierung.<br />

Für gewöhnlich ernennt das Staatsoberhaupt <strong>den</strong> Regierungschef (mit Ausnahme<br />

Schwe<strong>den</strong>s, wo diese Aufgabe dem Parlamentspräsi<strong>den</strong>ten zukommt).<br />

In Deutschland, Irland und Spanien erfolgt die Wahl des Regierungschefs durch die Mehrheit<br />

<strong>der</strong> ersten Kammer. In Irland reicht dazu die e<strong>in</strong>fache Mehrheit, <strong>in</strong> Spanien ist nur im ersten<br />

Wahlgang e<strong>in</strong>e absolute Mehrheit nötig. In Deutschland muss im ersten und zweiten Wahlgang<br />

die absolute, im dritten Wahlgang e<strong>in</strong>e relative Mehrheit erreicht wer<strong>den</strong>. In Schwe<strong>den</strong> geht<br />

<strong>der</strong> Ernennung des Regierungschefs e<strong>in</strong>e „negativ“ wirkende (Vertrauens-)Abstimmung voraus;<br />

<strong>der</strong> designierte Regierungschef gilt als gewählt, wenn die absolute Mehrheit nicht gegen<br />

ihn stimmt.<br />

In Belgien, Griechenland und Italien kann die neue Regierung nur im Amt verbleiben, wenn<br />

das Parlament nach <strong>der</strong> Regierungserklärung mit e<strong>in</strong>facher Mehrheit zustimmt (<strong>in</strong> Italien beide<br />

Kammern). „Investiturabstimmungen“ s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>den</strong> übrigen europäischen Systemen nicht erfor<strong>der</strong>lich.<br />

In Lettland h<strong>in</strong>gegen muss das gesamte Kab<strong>in</strong>ett die Bestätigung durch das Parlament<br />

erhalten.<br />

In <strong>den</strong> Vielparteiensystemen Belgiens und <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lande ist die Regierungsbildung überaus<br />

langwierig (durchschnittlich 11 Wochen). In Griechenland und Großbritannien erfolgt sie zumeist<br />

<strong>in</strong> nur wenigen Tagen. Entschei<strong>den</strong>d ist dabei die Anzahl <strong>der</strong> potentiellen Koalitionsparteien,<br />

die Stellung des designierten Regierungschefs, die Konsens- und Konflikttradition des jeweiligen<br />

Landes, sowie die Neigung zu festen Regierungsbündnissen o<strong>der</strong> die Akzeptanz von M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitsregierungen.<br />

In 4 Län<strong>der</strong>n geht <strong>der</strong> Regierungsbildung e<strong>in</strong> formeller Vorschlag voraus:


In Spanien durch <strong>den</strong> König, <strong>in</strong> Schwe<strong>den</strong> durch <strong>den</strong> Parlamentspräsi<strong>den</strong>ten, <strong>in</strong> Irland durch<br />

die erste Kammer und <strong>in</strong> Deutschland durch <strong>den</strong> Bundespräsi<strong>den</strong>ten. In allen Monarchien<br />

(außer <strong>in</strong> Großbritannien) und <strong>in</strong> <strong>den</strong> Republiken F<strong>in</strong>nland, Italien und Österreich konsultiert<br />

das Staatsoberhaupt unmittelbar nach <strong>der</strong> Wahl die Partei- und Fraktionsführungen. In F<strong>in</strong>nland,<br />

Frankreich und Portugal (<strong>in</strong> Krisenzeiten auch <strong>in</strong> Italien) nimmt <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t z.T. massiv<br />

E<strong>in</strong>fluss auf die Nom<strong>in</strong>ierung des Premierm<strong>in</strong>isters und die Regierungsbildung.<br />

Nur <strong>in</strong> Großbritannien und Irland müssen alle Regierungsmitglie<strong>der</strong> dem Parlament angehören.<br />

In Frankreich, Luxemburg, <strong>den</strong> Nie<strong>der</strong>lan<strong>den</strong>, Portugal, Schwe<strong>den</strong> und Zypern ist die Unvere<strong>in</strong>barkeit<br />

von M<strong>in</strong>isteramt und Parlamentssitz verfassungsrechtlich festgelegt (<strong>in</strong> Portugal und<br />

Schwe<strong>den</strong> als „ruhendes Mandat“). In <strong>den</strong> übrigen Län<strong>der</strong>n können die Kab<strong>in</strong>ettsmitglie<strong>der</strong> dem<br />

Parlament angehören, müssen es aber nicht. Häufig wer<strong>den</strong> Abgeordnete <strong>der</strong> Regierungspartei(en)<br />

<strong>in</strong> die Regierungsverantwortung e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong>.<br />

3.3.2. Stellung des M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten und Rolle des Kab<strong>in</strong>etts<br />

In Deutschland, Griechenland, Luxemburg, Portugal, Spanien und Ungarn wird dem M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Verfassung die Richtl<strong>in</strong>ienkompetenz zugeschrieben. In Dänemark, F<strong>in</strong>nland,<br />

<strong>den</strong> Nie<strong>der</strong>lan<strong>den</strong> und Österreich ist das Amt mit weniger Kompetenzen ausgestattet<br />

(primus <strong>in</strong>ter pares). Der österreichische Bundeskanzler hat zwar verfassungsmäßig relativ<br />

wenig Kompetenzen, <strong>den</strong>noch ist se<strong>in</strong>e Stellung (<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel ist er Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> stärksten<br />

Partei) vergleichbar mit <strong>der</strong> des deutschen Bundeskanzlers. E<strong>in</strong>e starke Stellung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regierung<br />

nimmt <strong>der</strong> Regierungschef <strong>in</strong> Deutschland, Griechenland, Großbritannien, Irland, Malta<br />

und Spanien e<strong>in</strong>.<br />

Das Kab<strong>in</strong>ett fungiert als Beratungs- und Beschlussorgan. Die e<strong>in</strong>zelnen Ressortm<strong>in</strong>ister<br />

haben unterschiedlich starke Eigenverantwortungen (<strong>in</strong> <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>en Län<strong>der</strong>n unterschiedlich<br />

geregelt). Ähnlich ist jedoch die Zusammensetzung und Größe <strong>der</strong> Kab<strong>in</strong>ette (<strong>in</strong><br />

Großbritannien haben manche Ressortm<strong>in</strong>ister ke<strong>in</strong>en Kab<strong>in</strong>ettsrang). Durchschnittlich gibt es<br />

14 bis 20 Regierungsmitglie<strong>der</strong> im Kab<strong>in</strong>ett. Die Leitung <strong>der</strong> Kab<strong>in</strong>ettssitzungen hat <strong>der</strong> M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t<br />

– außer <strong>in</strong> Frankreich, dort führt <strong>der</strong> Staatspräsi<strong>den</strong>t <strong>den</strong> Vorsitz im M<strong>in</strong>isterrat.<br />

Auch <strong>der</strong> f<strong>in</strong>nische Staatspräsi<strong>den</strong>t leitet regelmäßig die Sitzungen des „Staatsrates“; an <strong>den</strong><br />

normalen Kab<strong>in</strong>ettssitzungen ist er jedoch nicht beteiligt.<br />

Entscheidungen <strong>der</strong> Regierung sollten von allen Kab<strong>in</strong>ettsmitglie<strong>der</strong>n getragen wer<strong>den</strong>, da das<br />

Kab<strong>in</strong>ett <strong>in</strong> <strong>den</strong> meisten europäischen Systemen als zentrales Beschlussorgan <strong>der</strong> Regierung<br />

fungiert (verfahrensmäßig detailliert festgelegt <strong>in</strong> Deutschland, F<strong>in</strong>nland und <strong>den</strong> Nie<strong>der</strong>lan<strong>den</strong>).<br />

Die Bedeutung <strong>der</strong> Kab<strong>in</strong>ettssitzungen ist <strong>in</strong> <strong>den</strong> e<strong>in</strong>zelnen Län<strong>der</strong>n unterschiedlich geregelt.<br />

In e<strong>in</strong>igen Staaten wer<strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>e Aufgaben aus dem Kab<strong>in</strong>ett ausgelagert und e<strong>in</strong>zelnen<br />

Ausschüssen zugewiesen (beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien,<br />

<strong>den</strong> Nie<strong>der</strong>lan<strong>den</strong> und Spanien). In Großbritannien lassen sich Kab<strong>in</strong>ettsausschüsse als Steuerungs<strong>in</strong>strument<br />

des Regierungschefs nutzen, <strong>der</strong> damit Entscheidungen am Kab<strong>in</strong>ett vorbei<br />

treffen kann. E<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielt das Kab<strong>in</strong>ett <strong>in</strong> <strong>den</strong> skand<strong>in</strong>avischen Staaten sowie <strong>in</strong><br />

Belgien, Irland und <strong>den</strong> Nie<strong>der</strong>lan<strong>den</strong>. In F<strong>in</strong>nland, Irland und <strong>den</strong> Nie<strong>der</strong>lan<strong>den</strong> gibt es formelle<br />

Abstimmungen im Kab<strong>in</strong>ett (ohne E<strong>in</strong>mischung <strong>in</strong> die Kompetenzen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en M<strong>in</strong>ister).<br />

In Dänemark ist je<strong>der</strong> M<strong>in</strong>ister weitgehend autonom, das Kab<strong>in</strong>ett fungiert als letztes Kontrollorgan.<br />

Als formales Beschlussorgan dient das Kab<strong>in</strong>ett <strong>in</strong> Italien, Luxemburg, Österreich und<br />

z.T. <strong>in</strong> Deutschland.<br />

3.3.3. Regierungstypen<br />

E<strong>in</strong>parteienregierungen mit e<strong>in</strong>er parlamentarischen Mehrheit bil<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU die Ausnahme<br />

(Griechenland, Großbritannien, Malta). Koalitionsregierungen kommen <strong>in</strong> Belgien, Deutschland,<br />

Luxemburg und <strong>den</strong> Nie<strong>der</strong>lan<strong>den</strong> regelmäßig zustande, wobei die Bandbreite von e<strong>in</strong>er<br />

knappen o<strong>der</strong> breiten absoluten Mehrheit aus zwei o<strong>der</strong> mehreren Parteien bis zum demokratischen<br />

Grenzfall e<strong>in</strong>er Allparteienregierung reicht. Große Koalitionen s<strong>in</strong>d häufig <strong>in</strong> Belgien, Luxemburg<br />

und Österreich, während es <strong>in</strong> F<strong>in</strong>nland, <strong>den</strong> Nie<strong>der</strong>lan<strong>den</strong> und <strong>den</strong> meisten Reformstaaten<br />

zumeist unterschiedlich zusammengesetzte Mehrparteienkoalitionen gibt. In Italien s<strong>in</strong>d<br />

(waren) oft labile Vielparteienbündnisse an <strong>der</strong> Regierung.


M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitsregierungen (bestehend aus E<strong>in</strong>parteien- o<strong>der</strong> Koalitionsregierungen) s<strong>in</strong>d v.a. <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> skand<strong>in</strong>avischen Staaten e<strong>in</strong>e selbstverständliche Form des Regierens. Ihre Stabilität<br />

hängt u.a. davon ab, ob sie mit <strong>der</strong> festen Unterstützung e<strong>in</strong>er o<strong>der</strong> mehrerer nicht an <strong>der</strong><br />

Regierung beteiligter Fraktionen rechnen können o<strong>der</strong> ob sie nur toleriert wer<strong>den</strong> und sich ihre<br />

Mehrheiten von Fall zu Fall suchen müssen.<br />

E<strong>in</strong>e gewisse Bedeutung kommt M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitsregierungen <strong>in</strong> F<strong>in</strong>nland, Frankreich, Portugal,<br />

Spanien und <strong>in</strong> früheren Jahrzehnten auch <strong>in</strong> Italien zu. E<strong>in</strong>e Ausnahmeersche<strong>in</strong>ung stellen<br />

M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitsregierungen <strong>in</strong> <strong>den</strong> Nie<strong>der</strong>lan<strong>den</strong> und <strong>in</strong> Österreich dar. In Großbritannien h<strong>in</strong>gegen<br />

wer<strong>den</strong> sie Koalitionsregierungen grundsätzlich vorgezogen. In Deutschland gab es bisher<br />

ke<strong>in</strong>e M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitsregierung auf Bundesebene.<br />

3.3.4. Sturz <strong>der</strong> Regierung<br />

Es gibt e<strong>in</strong>e Reihe formaler und <strong>in</strong>formeller parlamentarischer Verfahren, durch die e<strong>in</strong> Sturz<br />

<strong>der</strong> Regierung herbeigeführt wer<strong>den</strong> kann. In <strong>den</strong> meisten Län<strong>der</strong>n genügt e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Mehrheit<br />

im Parlament, um die Regierung zum Rücktritt zu zw<strong>in</strong>gen. In Frankreich, Griechenland,<br />

Portugal und Schwe<strong>den</strong> ist e<strong>in</strong> Misstrauensvotum formell nur dann erfolgreich, wenn es von<br />

e<strong>in</strong>er absoluten Mehrheit <strong>der</strong> Abgeordneten unterstützt wird. In Belgien, Deutschland, Spanien<br />

und Ungarn wurde das „konstruktive Misstrauensvotum“ e<strong>in</strong>geführt. Dem Regierungschef wird<br />

das Vertrauen erst dann entzogen, wenn e<strong>in</strong> Nachfolger mit absoluter Mehrheit gewählt wird.<br />

Alle an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong> (außer <strong>den</strong> Nie<strong>der</strong>lan<strong>den</strong>) kennen das e<strong>in</strong>fache Misstrauensvotum. Entsprechend<br />

<strong>der</strong> Verfassungskonvention <strong>der</strong> meisten Län<strong>der</strong> muss e<strong>in</strong>e Regierung nur dann<br />

zurücktreten, wenn sie mit e<strong>in</strong>er Abstimmung ausdrücklich die Vertrauensfrage verknüpft. Die<br />

Vertrauensfrage ist <strong>in</strong> <strong>den</strong> Verfassungen Deutschlands, Frankreichs, Griechenlands, Portugals<br />

und Spaniens verankert und verfahrensmäßig geregelt.<br />

3.4. Die Parlamente<br />

3.4.1. <strong>Wahlsysteme</strong><br />

In e<strong>in</strong>em langwierigen Prozess hat sich das allgeme<strong>in</strong>e, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht<br />

von Männern und Frauen im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t <strong>in</strong> ganz Europa durchgesetzt. Das Wahlalter<br />

wurde <strong>in</strong> <strong>den</strong> meisten EU-Mitgliedsstaaten mittlerweile auf 18 Jahre herabgesetzt (für die<br />

zweiten Kammern gelten zum Teil abweichende Regelungen). Wahlpflicht gilt formell <strong>in</strong> Belgien,<br />

Griechenland, Italien und Zypern. Die Wahlperiode für die Abgeordnetenkammern liegt <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> meisten Län<strong>der</strong>n bei 4, <strong>in</strong> Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, Malta<br />

und Zypern bei 5 Jahren.<br />

Das Verhältniswahlrecht, das e<strong>in</strong>e weitgehende Kongruenz von Stimmen- und Mandatsanteil<br />

zum Ziel hat, hat sich <strong>in</strong> <strong>den</strong> meisten EU-Län<strong>der</strong>n durchgesetzt, wobei es vielfach E<strong>in</strong>schränkungen<br />

<strong>der</strong> absoluten Proportionalität gibt, um die Bildung stabiler Regierungsmehrheiten zu<br />

erleichtern. Das strikte relative Mehrheitswahlrecht, das solche stabilen Regierungsmehrheiten<br />

quasi garantiert, wird nur noch <strong>in</strong> Großbritannien angewendet. In Italien wer<strong>den</strong> drei Viertel <strong>der</strong><br />

Mandate über das Mehrheitswahlrecht vergeben, <strong>der</strong> Rest proportional. In Frankreich, wo es<br />

e<strong>in</strong>en häufigen Wechsel zwischen bei<strong>den</strong> Systemen gab, kommt gegenwärtig wie<strong>der</strong> das<br />

Mehrheitswahlrecht <strong>in</strong> 2 Wahlgängen zur Anwendung.<br />

In Litauen und Ungarn wird das Parlament <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em komb<strong>in</strong>ierten System aus Mehrheits- und<br />

Verhältniswahlelementen gewählt, <strong>in</strong> Polen kommt e<strong>in</strong> um Mehrheitswahlelemente verstärktes<br />

Verhältniswahlrecht zur Anwendung. Alle übrigen Län<strong>der</strong> wählen nach dem Verhältniswahlrecht.<br />

Die Hür<strong>den</strong>, die Kle<strong>in</strong>parteien aus dem Parlament fernhalten sollen, s<strong>in</strong>d unterschiedlich hoch<br />

gesteckt. Künstliche Sperrklauseln liegen zumeist zwischen 2% (Dänemark) und 4% (Österreich,<br />

Schwe<strong>den</strong>, Slowenien) o<strong>der</strong> 5% (Deutschland, Estland, Lettland, Polen, Slowakei, Tschechische<br />

Republik). Die E<strong>in</strong>führung höherer Sperrklauseln für Wahlbündnisse (7%–15%, je<br />

nach Anzahl <strong>der</strong> Parteien) gilt als orig<strong>in</strong>äre Erf<strong>in</strong>dung und „schöpferischer Beitrag Osteuropas<br />

zur Wahlsystematik“ (Dieter Nohlen).<br />

Wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Wahlkreis aber nur wenige Mandate vergeben wer<strong>den</strong> und die Proportionalität<br />

nicht über Ausgleichsmandate hergestellt wird, dann liegen die sich daraus ergeben<strong>den</strong> natür-


lichen Hür<strong>den</strong> wesentlich höher (Griechenland, Irland, Luxemburg, Portugal, Spanien). Die<br />

faktische Prozenthürde für e<strong>in</strong> Parlamentsmandat <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Viererwahlkreis liegt z.B. bei ca.<br />

13%. Da Kle<strong>in</strong>parteien <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel ke<strong>in</strong>e Hochburgen besitzen, wer<strong>den</strong> sie durch solche<br />

Regelungen benachteiligt. Ausnahmen bil<strong>den</strong> die Regionalparteien, wie z.B. <strong>in</strong> Spanien. In<br />

Skand<strong>in</strong>avien (Ausnahme: F<strong>in</strong>nland) wer<strong>den</strong> Disproportionalitäten durch Ausgleichsmandate<br />

weitgehend beseitigt.<br />

Die re<strong>in</strong>e Verhältniswahl wird nur <strong>in</strong> <strong>den</strong> Nie<strong>der</strong>lan<strong>den</strong> praktiziert, wo die Mandate <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

nationalen Wahlkreis ohne Sperrklausel vergeben wer<strong>den</strong>. In Irland wird das (Verhältnis-)<br />

Wahlsystem mit übertragbarer E<strong>in</strong>zelstimme (s<strong>in</strong>gle transferable vote) praktiziert, das es <strong>den</strong><br />

WählerInnen ermöglicht, auf dem Stimmzettel e<strong>in</strong>deutige Präferenzen anzugeben. In Luxemburg<br />

wie<strong>der</strong>um gibt es sogenannte „freie Listen“; dadurch können Stimmen kumuliert o<strong>der</strong> auf<br />

Kandidaten verschie<strong>den</strong>er Parteien verteilt, also panaschiert wer<strong>den</strong>. Die meisten Staaten<br />

kennen „lose gebun<strong>den</strong>e Listen“, die e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Reihenfolge <strong>der</strong> BewerberInnen<br />

zulassen (starre Parteilisten <strong>in</strong> Deutschland, Portugal und Spanien).<br />

3.4.2. Kompetenzen und Arbeitsweise <strong>der</strong> Parlamente<br />

Die Kompetenz <strong>der</strong> Gesetzgebung liegt normalerweise beim Parlament (<strong>in</strong> Ausnahmefällen<br />

beim Volk). In allen westeuropäischen Systemen wer<strong>den</strong> die Gesetze größtenteils von <strong>der</strong> Regierung<br />

e<strong>in</strong>gebracht. Aufgrund <strong>der</strong> Vielfalt und Komplexität <strong>der</strong> Gesetzgebungs- und Kontrollaufgaben<br />

wur<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> meisten Parlamenten arbeitsteilige Strukturen ausgebildet. Die Arbeit<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> Abgeordnetenhäusern liegt schwerpunktmäßig bei fachlich mehr o<strong>der</strong> weniger spezialisierten<br />

Ausschüssen, die für die Dauer <strong>der</strong> Legislaturperiode e<strong>in</strong>gerichtet wer<strong>den</strong> und <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

meisten Län<strong>der</strong>n mit <strong>den</strong> M<strong>in</strong>isterressorts korrespondieren (<strong>in</strong> Frankreich und Griechenland<br />

s<strong>in</strong>d sie auf jeweils sechs begrenzt und daher sehr mitglie<strong>der</strong>stark). Die Ausschüsse s<strong>in</strong>d üblicherweise<br />

entsprechend <strong>der</strong> Mandatsverteilung im Plenum zusammengesetzt. Nur <strong>in</strong> Großbritannien,<br />

Irland, <strong>den</strong> Nie<strong>der</strong>lan<strong>den</strong> und Spanien tagen diese Parlamentsausschüsse grundsätzlich<br />

öffentlich.<br />

Das Initiativrecht e<strong>in</strong>zelner Abgeordneter ist häufig stark e<strong>in</strong>geschränkt. In e<strong>in</strong>igen Län<strong>der</strong>n<br />

müssen Gesetzes<strong>in</strong>itiativen von e<strong>in</strong>er bestimmten Anzahl von Abgeordneten bzw. von e<strong>in</strong>er<br />

Fraktion e<strong>in</strong>gebracht wer<strong>den</strong> (Deutschland, Italien, Österreich und Spanien). Im deutschen<br />

Bundestag muss e<strong>in</strong> Initiativantrag von m<strong>in</strong>destens 5% <strong>der</strong> Abgeordneten e<strong>in</strong>gebracht wer<strong>den</strong>.<br />

Enge zeitliche Beschränkungen von Debatten zur Sicherung <strong>der</strong> Priorität von Regierungsvorhaben<br />

gibt es <strong>in</strong> Griechenland und Irland. Die Verschleppung oppositioneller Initiativen im<br />

Parlamentsausschuss kommt <strong>in</strong> Belgien, Dänemark, F<strong>in</strong>nland, Luxemburg, Österreich und<br />

Portugal vor. Ke<strong>in</strong>e formellen E<strong>in</strong>schränkungen gibt es dagegen nur <strong>in</strong> Schwe<strong>den</strong>. Parlamentsausschüsse<br />

haben nur <strong>in</strong> Österreich und Schwe<strong>den</strong> das Recht auf Gesetzes<strong>in</strong>itiative, <strong>in</strong> Italien,<br />

Österreich und Spanien auch e<strong>in</strong>e bestimmte Anzahl von BürgerInnen über das Instrument<br />

des Volksbegehrens.<br />

Untersuchungsausschüsse s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> fast allen Län<strong>der</strong>n vorgesehen, förmlich durchgesetzt wer<strong>den</strong><br />

können sie allerd<strong>in</strong>gs nur <strong>in</strong> Deutschland, Griechenland und Portugal. In Deutschland<br />

können öffentliche Anhörungen e<strong>in</strong>es Parlamentsausschusses sogar von e<strong>in</strong>er parlamentarischen<br />

M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit erzwungen wer<strong>den</strong>. In <strong>den</strong> skand<strong>in</strong>avischen Staaten wur<strong>den</strong> auf nationaler<br />

und regionaler Ebene Ombudsman-Institutionen zur Verwaltungskontrolle im Interesse <strong>der</strong><br />

BürgerInnen geschaffen. In Österreich und Spanien können die sogenannten Volksanwälte<br />

zwar nur Empfehlungen aussprechen, diese s<strong>in</strong>d für die Parlamentsfraktionen <strong>den</strong>noch von<br />

e<strong>in</strong>iger Relevanz. Ombudsmänner o<strong>der</strong> Bürgerbeauftragte können auch nur für bestimmte Aufgabengebiete<br />

e<strong>in</strong>gesetzt wer<strong>den</strong> (z.B. <strong>der</strong> Wehrbeauftragte und <strong>der</strong> Datenschutzbeauftragte <strong>in</strong><br />

Deutschland) und wer<strong>den</strong> häufig auch nicht vom Parlament gewählt.<br />

3.4.3. Auflösung des Parlaments<br />

In allen EU-Staaten können die Parlamente vorzeitig aufgelöst wer<strong>den</strong>, allerd<strong>in</strong>gs gibt es dazu<br />

e<strong>in</strong>e Reihe unterschiedlicher Regelungen. In Monarchien ist dieses Recht vom König faktisch<br />

auf <strong>den</strong> Regierungschef übergegangen, obwohl die Auflösung formell immer noch vom Monarchen<br />

angeordnet wird. In Belgien wurde das Auflösungsrecht mit E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es „konstruktiven<br />

Misstrauensvotums“ deutlich e<strong>in</strong>geschränkt. Mitunter nutzen Regierungschefs das Auflö-


sungsrecht, um – zum Nachteil <strong>der</strong> Opposition – e<strong>in</strong>en günstigen Wahlterm<strong>in</strong> für die Regierungspartei(en)<br />

zu bestimmen (Belgien, Dänemark, Großbritannien, Irland und Spanien).<br />

Auch <strong>in</strong> manchen Republiken liegt das Recht <strong>der</strong> Parlamentsauflösung beim Regierungschef<br />

(Griechenland, Irland). In Irland kann <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t die Auflösung verweigern, wenn <strong>der</strong> Premierm<strong>in</strong>ister<br />

bei <strong>der</strong> Vertrauensabstimmung die Unterstützung <strong>der</strong> Parlamentsmehrheit verloren<br />

hat. In Österreich, wo auch <strong>der</strong> Bundespräsi<strong>den</strong>t e<strong>in</strong> une<strong>in</strong>geschränktes Auflösungsrecht<br />

besitzt, löst sich <strong>der</strong> Nationalrat mit Mehrheitsbeschluss selbst auf (ebenso <strong>in</strong> Belgien).<br />

In Griechenland kann <strong>der</strong> M<strong>in</strong>isterrat die Auflösung des Parlaments zur „Bewältigung e<strong>in</strong>er<br />

Frage von außeror<strong>den</strong>tlicher nationaler Bedeutung“ veranlassen. Der griechische Präsi<strong>den</strong>t<br />

kann von se<strong>in</strong>em Auflösungsrecht nur dann Gebrauch machen, wenn <strong>der</strong> Regierung zweimal<br />

das Misstrauen ausgesprochen wurde o<strong>der</strong> wenn diese von selbst zurücktritt. Italiens Staatspräsi<strong>den</strong>t<br />

kann nach Anhörung <strong>der</strong> Parlamentspräsi<strong>den</strong>ten e<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> beide Kammern vorzeitig<br />

auflösen. Nur <strong>in</strong> Frankreich ist die Auflösung des Parlaments das „e<strong>in</strong>deutige Vorrecht des<br />

Staatspräsi<strong>den</strong>ten“. In Portugal können vorzeitige Neuwahlen vom Staatspräsi<strong>den</strong>ten verfügt<br />

wer<strong>den</strong>, wenn das reguläre Funktionieren <strong>der</strong> demokratischen Institutionen nicht mehr gewährleistet<br />

ist. In F<strong>in</strong>nland ist dazu seit 1988 e<strong>in</strong> Zusammenwirken <strong>der</strong> obersten Staatsorgane nötig.<br />

Die Initiative geht vom Premierm<strong>in</strong>ister aus, <strong>der</strong> <strong>den</strong> Parlamentspräsi<strong>den</strong>ten und die Parlamentsfraktionen<br />

konsultiert haben muss. Der f<strong>in</strong>nische Staatspräsi<strong>den</strong>t besitzt e<strong>in</strong> Vetorecht<br />

gegen die Auflösung des Parlaments.<br />

3.4.4. Die Funktion <strong>der</strong> „Zweiten Kammern“<br />

In 13 EU-Staaten gibt es neben dem Abgeordnetenhaus noch e<strong>in</strong>e „Zweite Kammer“ (<strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Nie<strong>der</strong>lan<strong>den</strong> wird sie als „Erste Kammer“ bezeichnet). Die Ausgestaltung Zweiter Kammern<br />

ist v.a. <strong>in</strong> E<strong>in</strong>heitsstaaten umstritten. Die Folge davon war e<strong>in</strong>e schrittweise E<strong>in</strong>schränkung<br />

ihrer Kompetenzen o<strong>der</strong> ihre völlige Abschaffung (1953 <strong>in</strong> Dänemark, 1974 <strong>in</strong> Schwe<strong>den</strong>).<br />

Zweite Kammern bestehen jedoch <strong>in</strong> allen fö<strong>der</strong>ativen Systemen, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en Gliedstaaten auf<br />

zentralstaatliche Entscheidungen E<strong>in</strong>fluss nehmen wollen (Belgien, Deutschland, Österreich,<br />

Spanien) sowie <strong>in</strong> Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, <strong>den</strong> Nie<strong>der</strong>lan<strong>den</strong>, Polen, Slowenien<br />

und <strong>der</strong> Tschechischen Republik. Eigentlich vertritt aber nur <strong>der</strong> deutsche Bundesrat<br />

sehr konsequent die Interessen <strong>der</strong> Gliedstaaten (Bundeslän<strong>der</strong>). Sowohl <strong>in</strong> Österreich als<br />

auch <strong>in</strong> Spanien gehen parteipolitische Interessen vor regionalen (strikter Fraktionszwang).<br />

Durch unmittelbare Wahl s<strong>in</strong>d nur die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Zweiten Kammern <strong>in</strong> Belgien, Italien,<br />

Polen, Rumänien, Spanien und <strong>der</strong> Tschechischen Republik legitimiert. In Spanien kommen<br />

allerd<strong>in</strong>gs nur 20% <strong>der</strong> Senatsmitglie<strong>der</strong> aus <strong>den</strong> Autonomen Geme<strong>in</strong>schaften. E<strong>in</strong>e Reform<br />

<strong>der</strong> Senate wird sowohl <strong>in</strong> Italien als auch <strong>in</strong> Spanien angestrebt. In Österreich wer<strong>den</strong> die<br />

Bundesräte durch die Landesparlamente, <strong>in</strong> <strong>den</strong> Nie<strong>der</strong>lan<strong>den</strong> von <strong>den</strong> Vertretungen <strong>der</strong><br />

Regionen, <strong>in</strong> Frankreich von Wahlmännergremien <strong>der</strong> Départements, <strong>in</strong> Irland und Slowenien<br />

überwiegend von Korporationen o<strong>der</strong> Berufstän<strong>den</strong> gewählt, während sich <strong>der</strong> deutsche<br />

Bundesrat aus Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Landesregierungen zusammensetzt. Weitere Senatsmitglie<strong>der</strong><br />

wer<strong>den</strong> <strong>in</strong> Spanien <strong>in</strong>direkt durch die Parlamente <strong>der</strong> Autonomen Geme<strong>in</strong>schaften gewählt, <strong>in</strong><br />

Belgien kooptiert und <strong>in</strong> Irland durch <strong>den</strong> Regierungschef ernannt. Das House of Lords <strong>in</strong><br />

Großbritannien besteht aus Mitglie<strong>der</strong>n, die nicht durch demokratische Wahlen legitimiert s<strong>in</strong>d.<br />

Bei <strong>den</strong> Kompetenzen und <strong>der</strong> Zusammensetzung <strong>der</strong> Zweiten Kammern gibt es erhebliche<br />

Unterschiede. Mit <strong>der</strong> Abgeordnetenkammer gleichberechtigt s<strong>in</strong>d nur <strong>der</strong> italienische und <strong>der</strong><br />

rumänische Senat, die unter Bed<strong>in</strong>gungen parlamentarischer Systeme Ausnahmen darstellen.<br />

In allen an<strong>der</strong>en Systemen s<strong>in</strong>d die Kompetenzen <strong>der</strong> Zweiten Kammer zum Teil stark<br />

e<strong>in</strong>geschränkt. Häufig besitzen sie nur e<strong>in</strong> „suspensives Veto“, welches bei e<strong>in</strong>igen Gesetzen<br />

nicht greift (Frankreich, Großbritannien, Irland, Österreich, Spanien, Tschechische Republik).<br />

In <strong>den</strong> Nie<strong>der</strong>lan<strong>den</strong> darf e<strong>in</strong> Gesetzentwurf nicht abgeän<strong>der</strong>t wer<strong>den</strong>. Der deutsche Bundesrat<br />

h<strong>in</strong>gegen kennt e<strong>in</strong>en hohen Anteil zustimmungsbedürftiger Gesetze und kann im<br />

Vermittlungsausschuss durchaus gestaltend mitwirken. Durch die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er zweiten<br />

gleichberechtigten Kammer hat sich die Qualität <strong>der</strong> Gesetzgebung <strong>in</strong> Italien nicht verbessert,<br />

son<strong>der</strong>n eher zu Zeitverlusten und zur taktischen Verschleppung wichtiger Gesetzesvorhaben<br />

geführt – zumal e<strong>in</strong> Konfliktschlichtungsverfahren (wie <strong>der</strong> Vermittlungsausschuss) fehlt.


Zweite Kammern können <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Län<strong>der</strong>n selbst Gesetzes<strong>in</strong>itiativen e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen, allerd<strong>in</strong>gs<br />

geschieht dies eher selten. In <strong>den</strong> Nie<strong>der</strong>lan<strong>den</strong> kann nur das Abgeordnetenhaus <strong>in</strong>itiieren.<br />

Der Bundesrat <strong>in</strong> Deutschland und Österreich hat nur kollektiv e<strong>in</strong> Initiativrecht.<br />

3.5. Parteiensysteme<br />

In <strong>den</strong> meisten Län<strong>der</strong>n bestehen Mehr- o<strong>der</strong> Vielparteiensysteme. Die <strong>in</strong> Großbritannien (seit<br />

1945), Griechenland (seit 1974) und Malta übliche absolute Parlamentsmehrheit e<strong>in</strong>er Partei<br />

ist <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie das Resultat des jeweiligen Wahlsystems (zeitweise auch <strong>in</strong> Frankreich,<br />

Irland und Spanien). E<strong>in</strong>e absolute Mehrheit e<strong>in</strong>er Partei kam <strong>in</strong> Deutschland, Irland, Österreich,<br />

Portugal und Schwe<strong>den</strong> bis dato nur ausnahmsweise vor. Zwei dom<strong>in</strong>ierende Großparteien,<br />

die sich alle<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> mit dauerhaften Koalitionspartnern <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regierung abwechseln,<br />

existieren <strong>in</strong> Deutschland, Griechenland, Großbritannien, Irland, Malta, Österreich (hier lange<br />

Zeit mit großkoalitionärer Präferenz), Portugal und Spanien.<br />

E<strong>in</strong>e bipolare Parteienkonfiguration mit alternieren<strong>den</strong> Regierungen kann sich auch dann ergeben,<br />

wenn das „l<strong>in</strong>ke“ und das „rechte“ Parteilager stärker aufgespalten s<strong>in</strong>d, wie dies etwa <strong>in</strong><br />

Frankreich <strong>der</strong> Fall ist. In e<strong>in</strong>igen an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n nimmt e<strong>in</strong>e Großpartei e<strong>in</strong>e dom<strong>in</strong>ierende<br />

Stellung e<strong>in</strong>, entwe<strong>der</strong> aufgrund ihrer Stärke (z.B. die Sozialdemokraten <strong>in</strong> Dänemark und<br />

Schwe<strong>den</strong>) und/o<strong>der</strong> aufgrund ihrer zentralen koalitionspolitischen Position im Parteiensystem<br />

(z.B. die Christdemokraten <strong>in</strong> Luxemburg, und lange Zeit auch <strong>in</strong> Belgien und <strong>den</strong> Nie<strong>der</strong>lan<strong>den</strong>).<br />

Nur <strong>in</strong> Italien wurde e<strong>in</strong>e wesentliche gesellschaftliche Kraft wie die damalige Kommunistische<br />

Partei jahrzehntelang konsequent von <strong>der</strong> Regierung ferngehalten.<br />

Sozialdemokratische Parteien (auch „Sozialistische Parteien“ o<strong>der</strong> „Arbeiterparteien“) haben<br />

sich <strong>in</strong> allen Staaten <strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> entwickelt. Am stärksten s<strong>in</strong>d die Sozialdemokraten<br />

<strong>in</strong> Dänemark und Schwe<strong>den</strong>. In Deutschland, Griechenland, Großbritannien, Malta,<br />

Österreich, Portugal und Spanien konkurrieren sie jeweils mit e<strong>in</strong>er großen bürgerlichen Volkspartei<br />

um die Spitzenposition. Mit kommunistischen Parteien hatten die Sozialdemokraten v.a.<br />

<strong>in</strong> F<strong>in</strong>nland und Frankreich zu konkurrieren, was häufig e<strong>in</strong>e Aufspaltung <strong>der</strong> L<strong>in</strong>ken zur Folge<br />

hatte. E<strong>in</strong>e formelle Regierungsbeteiligung erreichten die Kommunisten zeitweise <strong>in</strong> Frankreich.<br />

Behaupten konnten sich kommunistische Parteien <strong>in</strong> F<strong>in</strong>nland, Frankreich, Griechenland,<br />

Italien, Portugal und Zypern. In Deutschland, Großbritannien und Österreich existieren<br />

sie nur noch als marg<strong>in</strong>ale Kle<strong>in</strong>stparteien (die deutsche PDS konnte sich – zum<strong>in</strong>dest bisher –<br />

als Regionalpartei im Osten Deutschlands behaupten). Zu Sozialdemokraten gewandelte ehemals<br />

kommunistische Parteien f<strong>in</strong><strong>den</strong> sich auch <strong>in</strong> <strong>den</strong> meisten Reformstaaten Osteuropas.<br />

Starke konservative Parteien existieren <strong>in</strong> Griechenland, Malta, Spanien, Zypern sowie <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

meisten Reformstaaten, als Christdemokraten o<strong>der</strong> Christlich-Soziale <strong>in</strong> <strong>den</strong> Benelux-Staaten,<br />

Deutschland, Italien (bis 1994) und Österreich. In Skand<strong>in</strong>avien haben sie ke<strong>in</strong>e so große Bedeutung.<br />

Die bürgerlichen Parteien konkurrieren hier mit sogenannten Bauernparteien (F<strong>in</strong>nland,<br />

Schwe<strong>den</strong>).<br />

Liberale Parteien spielen, mit Ausnahme Belgiens und <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lande, bestenfalls als Koalitionspartner<br />

konservativer o<strong>der</strong> sozialdemokratischer Parteien e<strong>in</strong>e Rolle. Die britischen Liberalen<br />

verfügen zwar über e<strong>in</strong> bedeutendes WählerInnenpotential, wer<strong>den</strong> aber vom Wahlrecht<br />

krass benachteiligt und waren seit 1945 nie an <strong>der</strong> Regierung beteiligt. Die deutsche FDP war<br />

h<strong>in</strong>gegen über viele Jahre Koalitionspartner e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> bei<strong>den</strong> großen Parteien. Mit dem E<strong>in</strong>zug<br />

<strong>der</strong> Grünen <strong>in</strong> <strong>den</strong> Bundestag wurde diese Rolle deutlich relativiert. Die österreichischen FPÖ<br />

entwickelte sich seit Mitte <strong>der</strong> 80er-Jahre immer stärker zu e<strong>in</strong>er rechtspopulistischen Partei. In<br />

Südeuropa spielen liberale Parteien ke<strong>in</strong>e Rolle.<br />

Rechte und (rechts-)populistische Parteien haben sich seit <strong>den</strong> 70er-Jahren <strong>in</strong> Belgien, Dänemark,<br />

Deutschland, Frankreich, <strong>in</strong> <strong>den</strong> Nie<strong>der</strong>lan<strong>den</strong>, Schwe<strong>den</strong> und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen osteuropäischen<br />

Reformstaaten gebildet. Ihr Erfolg war häufig sehr kurzfristig. In e<strong>in</strong>igen Län<strong>der</strong> konnten<br />

rechte und rechtspopulistische Parteien – wie die Steuerprotestpartei <strong>in</strong> Dänemark, die FPÖ <strong>in</strong><br />

Österreich o<strong>der</strong> die Neofaschisten <strong>in</strong> Italien – Wahlerfolge erzielen und e<strong>in</strong>e Regierungsbeteiligung<br />

erlangen. E<strong>in</strong>en Son<strong>der</strong>fall bildet die l<strong>in</strong>kspopulistische Bewegung für e<strong>in</strong>e demokratische<br />

Slowakei des früheren M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten Vladimir Meciar, <strong>der</strong> se<strong>in</strong> Land <strong>in</strong> <strong>den</strong>


90er-Jahren <strong>in</strong> die Isolation führte und bei <strong>den</strong> letzten Parlamentswahlen im September 2002<br />

immer noch die meisten Stimmen erhielt.<br />

Grüne Parteien haben sich <strong>in</strong> <strong>den</strong> späten 70er-Jahren gegründet. Häufig waren und s<strong>in</strong>d sie<br />

auf regionaler Ebene erfolgreicher als auf nationaler. Seit <strong>den</strong> 80er-Jahren s<strong>in</strong>d sie <strong>in</strong> Belgien,<br />

Deutschland, F<strong>in</strong>nland, Frankreich, Luxemburg, Österreich, <strong>den</strong> Nie<strong>der</strong>lan<strong>den</strong> und Schwe<strong>den</strong><br />

auch im Parlament vertreten. Ihre Themen s<strong>in</strong>d (neben <strong>der</strong> Ökologie) v.a. Dezentralisierung,<br />

Entbürokratisierung, Partizipationsrechte <strong>der</strong> BürgerInnen, Frie<strong>den</strong>ssicherung und „Dritte Welt-<br />

Themen“. In Süd- und Osteuropa s<strong>in</strong>d grüne Parteien noch wenig entwickelt.<br />

3.6. Fö<strong>der</strong>alismus und Dezentralisierung<br />

Aufgrund <strong>der</strong> rechtlichen Stellung <strong>der</strong> Gebietskörperschaften o<strong>der</strong> regionalen Ebenen <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

<strong>Mitgliedstaaten</strong> <strong>der</strong> EU lassen sich die 25 Staaten folgen<strong>der</strong>maßen e<strong>in</strong>teilen:<br />

3.6.1. Fö<strong>der</strong>alstaaten (Regionen mit Landescharakter)<br />

Als fö<strong>der</strong>ative Systeme, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en neben dem Zentralstaat auch die Gliedstaaten über eigene<br />

legislative, exekutive und meist auch judikative Kompetenzen und Institutionen verfügen, können<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> nur Belgien, Deutschland, Österreich und – mit e<strong>in</strong>igen<br />

Abstrichen – Spanien bezeichnet wer<strong>den</strong>. Während Deutschland und Österreich seit Beg<strong>in</strong>n<br />

ihrer Entstehung e<strong>in</strong>en bundesstaatlichen Staatsaufbau besitzen, ist die fö<strong>der</strong>ale Verfassung<br />

Belgiens vergleichsweise noch sehr jung und nur das Resultat des immer schärfer wer<strong>den</strong><strong>den</strong><br />

Antagonismus zwischen Flamen und Wallonen, <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> 80er-Jahren <strong>den</strong> belgischen Staat<br />

zu sprengen drohte. In Deutschland und <strong>in</strong> Österreich geschieht die Aufgabenverteilung eher<br />

funktional nach Kompetenzarten <strong>den</strong>n nach Politikfel<strong>der</strong>n (die Gesetzgebung liegt weitgehend<br />

beim Bund, die Umsetzung vornehmlich bei <strong>den</strong> Län<strong>der</strong>n und Kommunen). Der deutsche Bundesrat<br />

nimmt allerd<strong>in</strong>gs – im Gegensatz zum österreichischen – wesentlichen E<strong>in</strong>fluss auf die<br />

Bundespolitik. In Österreich wird dem Bund durch die Verfassung e<strong>in</strong> „Kompetenzübergewicht“<br />

zugesprochen. Zusätzlich liegen die gesamte Gerichtsbarkeit und die F<strong>in</strong>anzverwaltung beim<br />

Bund. Spanien zählt trotz <strong>der</strong> neuen Staatsstruktur mit fö<strong>der</strong>ativen Elementen noch nicht zu<br />

<strong>den</strong> voll entwickelten Fö<strong>der</strong>alstaaten.<br />

3.6.2. Regionalisierte Staaten (Regionen mit politischer Autonomie und starker<br />

Verwaltung)<br />

Im wesentlichen lassen sich Italien und Spanien dieser Gruppe zuordnen. Die nach- o<strong>der</strong> nebengeordneten<br />

Gebietskörperschaften besitzen weitreichende Autonomie und Gesetzgebungsbefugnisse.<br />

Die deutliche Differenzierung von kommunaler und territorialer Ebene ist dem<br />

Bundesstaat ähnlich, lässt aber m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> fö<strong>der</strong>alstaatlichen Pr<strong>in</strong>zipien – Autonomie,<br />

Beteiligung, geregelte Konfliktlösung, Subsidiarität o<strong>der</strong> Zusammenarbeit – außer acht.<br />

Portugal (Azoren und Madeira als autonome Regionen), Dänemark (Färöer<strong>in</strong>seln und Grönland)<br />

sowie das Vere<strong>in</strong>igte Königreich (Schottland, Wales und Nordirland) gehören nur sehr<br />

peripher zu dieser Gruppe.<br />

3.6.3. Unitarisch-dezentralisierte Staaten (Regionen dezentralisierter Staaten)<br />

Dazu zählen Frankreich, die Nie<strong>der</strong>lande, Portugal, Polen und nach erfolgter Teilregionalisierung<br />

auch die Slowakei und die Tschechische Republik. Die nachgeordneten (regionalen)<br />

Gebietskörperschaften verfügen <strong>in</strong> diesen Län<strong>der</strong>n über e<strong>in</strong>en verfassungsrechtlichen Schutz<br />

o<strong>der</strong> Status.<br />

3.6.4. Unitarische Staaten (Regionen mit Bezirks-/Départements- o<strong>der</strong> Grafschaftscharakter<br />

bzw. gar nicht regionalisiert)<br />

Trifft auf Bulgarien, Dänemark (ohne Färöer und Grönland), Estland, F<strong>in</strong>nland, Griechenland,<br />

Irland, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Rumänien, Schwe<strong>den</strong>, Slowenien, Ungarn, Zypern<br />

und <strong>den</strong> englischen Teil des Vere<strong>in</strong>igten Königreichs zu. Die zum Teil nur auf lokaler Ebene<br />

existieren<strong>den</strong> Gebietskörperschaften beruhen auf gesetzlicher und nicht auf verfassungsrechtlicher<br />

Grundlage.


Interessant ist, dass praktisch alle EU-Beitrittskandidaten (mit Ausnahme Polens, das als unitaristisch-dezentraler<br />

Staat bezeichnet wer<strong>den</strong> kann) zu dieser Gruppe zu zählen s<strong>in</strong>d (o<strong>der</strong> es<br />

bis vor kurzem noch waren). Auch wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen dieser Län<strong>der</strong> Ten<strong>den</strong>zen zu e<strong>in</strong>er gewissen<br />

Regionalisierung zu verzeichnen s<strong>in</strong>d (etwa <strong>in</strong> <strong>der</strong> Slowakei und <strong>der</strong> Tschechischen Republik),<br />

wird dies auf die Diskussion über die künftigen Strukturen <strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> und<br />

die Bedeutung <strong>der</strong> Regionen <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> <strong>Union</strong> nicht ohne Auswirkungen bleiben können.<br />

3.7. Auslän<strong>der</strong>Innenwahlrecht<br />

Die EU legte 1992 im Vertrag von Maastricht fest, dass alle <strong>Union</strong>sbürgerInnen an lokalen Wahlen<br />

und an <strong>den</strong> Wahlen zum EU-Parlament teilnehmen dürfen, unabhängig davon, <strong>in</strong> welchem<br />

Mitgliedsland sie gerade wohnen.<br />

Kommunales (und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Fällen auch regionales) Wahlrecht für sonstige Auslän<strong>der</strong>Innen<br />

gibt es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Reihe von europäischen Staaten, und zwar <strong>in</strong> Belgien, Dänemark, Estland,<br />

F<strong>in</strong>nland, Irland, Luxemburg, <strong>den</strong> Nie<strong>der</strong>lan<strong>den</strong>, Schwe<strong>den</strong> sowie <strong>in</strong> <strong>den</strong> nicht zur <strong>Europäischen</strong><br />

<strong>Union</strong> gehören<strong>den</strong> Län<strong>der</strong>n Norwegen und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Schweizer Kantonen. Die Voraussetzung<br />

für die Inanspruchnahme des Wahlrechts ist zumeist e<strong>in</strong>e bestimmte Aufenthaltsdauer. Diese<br />

reicht von 6 Monaten <strong>in</strong> Irland über 3 Jahre <strong>in</strong> Dänemark und Schwe<strong>den</strong> bis zu 5 Jahren <strong>in</strong><br />

Belgien, Luxemburg und <strong>den</strong> Nie<strong>der</strong>lan<strong>den</strong>.<br />

Schwe<strong>den</strong> kennt seit 1975 das Stimm- und Wahlrecht für kommunale und regionale Angelegenheiten<br />

für Auslän<strong>der</strong>Innen, die seit m<strong>in</strong>destens 3 Jahren behördlich <strong>in</strong> Schwe<strong>den</strong> gemeldet<br />

s<strong>in</strong>d. Über die E<strong>in</strong>führung des Stimm- und Wahlrechts auf nationaler Ebene wird zwar seit<br />

längerem diskutiert, e<strong>in</strong>geführt wurde es aber bis dato nicht. Schwedische Studien haben übrigens<br />

gezeigt, dass sich die Wahlbeteiligung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>Innen nach <strong>den</strong> mit viel Publizität<br />

begleiteten ersten Wahlen ständig verr<strong>in</strong>gert hat (von 60% im Jahr 1976 auf 40% im Jahre<br />

1994).<br />

In Dänemark (und Norwegen) haben Auslän<strong>der</strong>Innen seit 1981 bzw. 1983 das aktive und passive<br />

Wahlrecht <strong>in</strong> kommunalen und regionalen Angelegenheiten, sofern sie sich seit mehr als 3<br />

Jahren rechtmäßig im Land aufhalten. In Dänemark wurde das Kommunalwahlrecht bereits<br />

seit 1974 für Staatsangehörige aus <strong>den</strong> nordischen Län<strong>der</strong>n praktiziert.<br />

Auch F<strong>in</strong>nland gewährt <strong>den</strong> BürgerInnen aus nordischen Län<strong>der</strong>n und allen sonstigen Auslän<strong>der</strong>Innen<br />

(nach 4 Jahren Aufenthalt) das kommunale aktive und passive Wahlrecht.<br />

Die Nie<strong>der</strong>lande gewähren seit 1986 allen Auslän<strong>der</strong>Innen, die seit 5 Jahren im Land leben,<br />

das Stimm- und Wahlrecht <strong>in</strong> kommunalen Angelegenheiten. Um die Auslän<strong>der</strong>Innen über ihr<br />

Wahlrecht zu <strong>in</strong>formieren, startete die Regierung 1985 e<strong>in</strong>e großangelegte Informationskampagne<br />

unter dem Motto „Zusammen leben, zusammen wählen“. Die Kampagne sollte die<br />

Öffentlichkeitsarbeit <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> und <strong>der</strong> Organisationen <strong>der</strong> M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten unterstützen<br />

und ergänzen. Material stand <strong>in</strong> 13 Sprachen zur Verfügung, Fernseh- und Radioprogramme<br />

wur<strong>den</strong> produziert, Plakate gedruckt, Anzeigen veröffentlicht und Broschüren herausgegeben.<br />

Im März 1986 beteiligten sich rund 46% <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>Innen an <strong>den</strong> Wahlen. Seit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung<br />

des kommunalen Wahlrechts haben die MigrantInnen übrigens ihre anfängliche starke<br />

Präferenz für die Sozialdemokratische Partei <strong>der</strong> Arbeit immer mehr dem Wahlverhalten <strong>der</strong><br />

nie<strong>der</strong>ländischen Bevölkerung angeglichen.<br />

Auch Großbritannien, Portugal und Spanien kennen das Stimm- und Wahlrecht für Auslän<strong>der</strong>-<br />

Innen, allerd<strong>in</strong>gs nur für bestimmte Auslän<strong>der</strong>Innengruppen (z.B. aufgrund geme<strong>in</strong>samer Sprache,<br />

für Personen, die aus ehemaligen Kolonien stammen, für Skand<strong>in</strong>avierInnen o<strong>der</strong> aufgrund<br />

von Gegenseitigkeit). In Irland ist die Staatsbürgerschaft ke<strong>in</strong> Kriterium für politische Rechte<br />

auf Geme<strong>in</strong>deebene. Nach e<strong>in</strong>er m<strong>in</strong>destens sechsmonatigen Wohnsitzdauer wird das aktive<br />

und passive Wahlrecht erteilt. Auf nationaler Ebene wird <strong>den</strong>jenigen ausländischen Staatsbürgern<br />

das Wahlrecht zum irischen Parlament gewährt, welche aus Län<strong>der</strong>n stammen, die<br />

<strong>den</strong> dort ansässigen Iren gleiche o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest ähnliche Rechte e<strong>in</strong>räumen. Bis heute steht<br />

das Wahlrecht auf nationaler Ebene e<strong>in</strong>zig <strong>den</strong> BürgerInnen von Großbritannien zu.<br />

Estland gewährt pr<strong>in</strong>zipiell allen aufenthaltsberechtigten Personen das Wahlrecht auf kommunaler<br />

Ebene.


Übersichtstabelle<br />

Belgien<br />

Dänemark<br />

Deutschland<br />

Estland<br />

F<strong>in</strong>nland<br />

Frankreich<br />

Griechenland<br />

Großbritannien<br />

Irland<br />

Italien<br />

Lettland<br />

Litauen<br />

Luxemburg<br />

Malta<br />

Nie<strong>der</strong>lande<br />

Wahlalter Staatsoberhaupt<br />

a: 18<br />

p: 21/18k Monarch<br />

a: 18<br />

p: 18<br />

a: 18 1<br />

p: 18 2<br />

a: 18<br />

p: 21/40p<br />

a: 18<br />

p: 18<br />

a: 18<br />

p: 18 3<br />

a: 18<br />

p: 25/40p<br />

a: 18<br />

p: 21<br />

a: 18<br />

p: 21/35p<br />

a: 18/25s<br />

p: 25/40s<br />

a: 18<br />

p: 21/40p<br />

a: 18<br />

p: 18/25<br />

a: 18<br />

p: 18<br />

a: 18<br />

p: 18<br />

a: 18<br />

p: 18<br />

Parlament Wahlsystem<br />

2<br />

Kammern<br />

Verhältniswahlrecht<br />

Monarch 1 Kammer Verhältniswahlrecht<br />

Präsi<strong>den</strong>t<br />

(Wahlkollegium)<br />

Präsi<strong>den</strong>t<br />

(Parlament)<br />

Präsi<strong>den</strong>t<br />

(Volkswahl)<br />

Präsi<strong>den</strong>t<br />

(Volkswahl)<br />

Präsi<strong>den</strong>t<br />

(Parlament)<br />

Monarch<br />

Präsi<strong>den</strong>t<br />

(Volkswahl)<br />

Präsi<strong>den</strong>t<br />

(Wahlkollegium)<br />

Präsi<strong>den</strong>t<br />

(Parlament)<br />

Präsi<strong>den</strong>t<br />

(Volkswahl)<br />

2<br />

Kammern<br />

1<br />

Kammer<br />

Relative<br />

Mehrheitswahl<br />

und<br />

Verhältniswahl<br />

(2 Stimmen)<br />

Verhältniswahlrecht<br />

1 Kammer Verhältniswahlrecht<br />

2<br />

Kammern<br />

Mehrheitswahlrecht<br />

1 Kammer verstärktes<br />

Verhältniswahlrecht<br />

2<br />

Kammern<br />

2<br />

Kammern<br />

2<br />

Kammern<br />

Mehrheitswahlrecht<br />

Verhältniswahlrecht<br />

Relative<br />

Mehrheitswahl<br />

und<br />

Verhältniswahl<br />

(2 Stimmen)<br />

1 Kammer Verhältniswahlrecht<br />

1<br />

Kammer<br />

Relative<br />

Mehrheitswahl<br />

und<br />

Verhältniswahl<br />

(2 Stimmen)<br />

Monarch 1 Kammer Verhältniswahlrecht<br />

Präsi<strong>den</strong>t<br />

(Parlament)<br />

Monarch<br />

1 Kammer verstärktes<br />

Verhältniswahlrecht<br />

2<br />

Kammern<br />

Verhältniswahlrecht<br />

Fö<strong>der</strong>alisierung<br />

Bundesstaat<br />

E<strong>in</strong>heitsstaat<br />

Bundesstaat<br />

E<strong>in</strong>heitsstaat<br />

E<strong>in</strong>heitsstaat<br />

teilw. fö<strong>der</strong>aler<br />

Zentralstaat<br />

E<strong>in</strong>heitsstaat<br />

teilw. fö<strong>der</strong>aler<br />

Zentralstaat<br />

E<strong>in</strong>heitsstaat<br />

stark<br />

regionalisierter<br />

Staat<br />

E<strong>in</strong>heitsstaat<br />

E<strong>in</strong>heitsstaat<br />

E<strong>in</strong>heitsstaat<br />

E<strong>in</strong>heitsstaat<br />

teilw. fö<strong>der</strong>aler<br />

Zentralstaat<br />

Kommunales<br />

Auslän<strong>der</strong>wahlrecht<br />

Ja (5 Jahre<br />

Aufenthalt)<br />

Ja (3 Jahre<br />

Aufenthalt)<br />

Ne<strong>in</strong><br />

Ja (alle ständigen<br />

E<strong>in</strong>wohner)<br />

Ja (4 Jahre<br />

Aufenthalt)<br />

Ne<strong>in</strong><br />

Ne<strong>in</strong><br />

Ja<br />

(Commonwealth<br />

und Irland)<br />

Ja (britische<br />

Staatsbürger)<br />

Ne<strong>in</strong><br />

Ne<strong>in</strong><br />

Ne<strong>in</strong><br />

Ja (5 Jahre<br />

Aufenthalt)<br />

Ne<strong>in</strong><br />

Ja (5 Jahre<br />

Aufenthalt)


Österreich<br />

Polen<br />

Portugal<br />

Schwe<strong>den</strong><br />

Slowakei<br />

Slowenien<br />

Spanien<br />

Tschechische<br />

Republik<br />

Ungarn<br />

Zypern<br />

a: 18 4<br />

p: 19/35p<br />

a: 18<br />

p: 18/35p<br />

a: 18<br />

p: 18/35p<br />

a: 18<br />

p: 18<br />

a: 18<br />

p: 21/18k<br />

a: 18 5<br />

p: 18<br />

a: 18<br />

p: 18<br />

a: 18<br />

p: 21/40s<br />

a: 18<br />

p: 18/35p<br />

a: 18<br />

p: 18<br />

Präsi<strong>den</strong>t<br />

(Volkswahl)<br />

Präsi<strong>den</strong>t<br />

(Volkswahl)<br />

Präsi<strong>den</strong>t<br />

(Volkswahl)<br />

Monarch<br />

Präsi<strong>den</strong>t<br />

(Volkswahl)<br />

Präsi<strong>den</strong>t<br />

(Volkswahl)<br />

Monarch<br />

Präsi<strong>den</strong>t<br />

(Wahlkollegium)<br />

Präsi<strong>den</strong>t<br />

(Parlament)<br />

Präsi<strong>den</strong>t<br />

(Volkswahl)<br />

2<br />

Kammern<br />

2<br />

Kammern<br />

1<br />

Kammer<br />

1<br />

Kammer<br />

1<br />

Kammer<br />

2<br />

Kammern<br />

2<br />

Kammern<br />

2<br />

Kammern<br />

1<br />

Kammer<br />

1<br />

Kammer<br />

Verhältniswahlrecht<br />

verstärktes<br />

Verhältniswahlrecht<br />

verstärktes<br />

Verhältniswahlrecht<br />

Verhältniswahlrecht<br />

Verhältniswahlrecht<br />

Verhältniswahlrecht<br />

Verhältniswahlrecht<br />

Verhältniswahlrecht<br />

Relative<br />

Mehrheitswahl<br />

und<br />

Verhältniswahl<br />

(2 Stimmen)<br />

Verhältniswahlrecht<br />

k: auf kommunaler Ebene; p: bei Präsi<strong>den</strong>tschaftswahlen; s: bei Senatswahlen<br />

Bundesstaat<br />

teilw. fö<strong>der</strong>aler<br />

Zentralstaat<br />

teilw. fö<strong>der</strong>aler<br />

Zentralstaat<br />

E<strong>in</strong>heitsstaat<br />

teilw. fö<strong>der</strong>aler<br />

Zentralstaat<br />

E<strong>in</strong>heitsstaat<br />

stark<br />

regionalisierter<br />

Staat<br />

teilw. fö<strong>der</strong>aler<br />

Zentralstaat<br />

E<strong>in</strong>heitsstaat<br />

E<strong>in</strong>heits-<br />

Staat 6<br />

Ne<strong>in</strong><br />

Ne<strong>in</strong><br />

Für bestimmte<br />

Gruppen<br />

Ja (3 Jahre<br />

Aufenthalt)<br />

Ne<strong>in</strong><br />

Ne<strong>in</strong><br />

Für bestimmte<br />

Gruppen<br />

1. Ausnahmebestimmungen beim aktiven Wahlrecht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Bundeslän<strong>der</strong>n (Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>atswahlen).<br />

2. Ausnahmebestimmungen beim passiven Wahlrecht zum Bundespräsi<strong>den</strong>ten und für e<strong>in</strong>ige Landtage.<br />

3. Ausnahmen gibt es beim passiven Wahlrecht.<br />

4. Ausnahmen gibt es beim aktiven Wahlrecht bei Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>atswahlen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

5. ArbeitnehmerInnen s<strong>in</strong>d ab dem 16. Lebensjahr wahlberechtigt.<br />

6. Im Falle <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vere<strong>in</strong>igung <strong>der</strong> bei<strong>den</strong> Landesteile wird e<strong>in</strong>e bundesstaatliche Regelung angestrebt.<br />

Ne<strong>in</strong><br />

Ne<strong>in</strong><br />

Ne<strong>in</strong>


4. Quellen<br />

4.1. <strong>Wahlsysteme</strong><br />

Election Process Information Collection www.epicproject.org<br />

Wahlen, Wahlrecht und <strong>Wahlsysteme</strong> www.wahlrecht.de<br />

4.2. Län<strong>der</strong><strong>in</strong>formationen<br />

Die Europäische <strong>Union</strong> onl<strong>in</strong>e www.europa.eu.<strong>in</strong>t<br />

Das digitale Europa www.europa-digital.de<br />

www.politik-digital.de<br />

Gegenwärtige und historische nationale<br />

und <strong>in</strong>ternationale Verfassungstexte www.verfassungen.de<br />

Das Auswärtige Amt (Deutschland) www.auswaertiges-amt.de<br />

CIA – The World Factbook 2002 www.cia.gov<br />

Ausschuss <strong>der</strong> Regionen (EU) www.cor.eu.<strong>in</strong>t<br />

Verfassung und Demokratie <strong>in</strong> Deutschland www.<strong>der</strong>staat.de<br />

Ost-West-Institut <strong>der</strong> Universität Koblenz (Osteuropa) www.ewis.de<br />

Der virtuelle Rechtsvergleicher www.dvr.euv-frankfurt-o.de<br />

Konrad-A<strong>den</strong>auer-Stiftung www.kas.de<br />

4.3. Staatliche Institutionen<br />

Fö<strong>der</strong>ale Portalseite Belgien www.belgium.be<br />

Belgisches Parlament (beide Kammern) www.fed-parl.be<br />

Portalseite Dänemak www.<strong>den</strong>mark.dk<br />

Dänisches Parlament (Folket<strong>in</strong>get) www.ft.dk<br />

Portalseite Deutschland www.deutschland.de<br />

Deutscher Bundestag www.bundestag.de<br />

Estnisches Parlament www.riigikugu.ee<br />

F<strong>in</strong>nisches Parlament www.eduskunta.fi<br />

Französischer Präsi<strong>den</strong>t www.elysee.fr<br />

Archiv des französischen Premierm<strong>in</strong>isters www.archives.premier-m<strong>in</strong>istre.gouv.fr<br />

Französisches Parlament (Assemblée Nationale) www.assemblee-nat.fr<br />

Griechisches Parlament www.parliament.gr<br />

Griechische Botschaft Berl<strong>in</strong> www.griechische-botschaft.de<br />

UK onl<strong>in</strong>e www.open.gov.uk<br />

Irische Regierung www.irlgov.ie<br />

Italienische Regierung www.governo.it<br />

Italienisches Parlament (beide Kammern) www.parlamento.it


Lettischer Präsi<strong>den</strong>t www.presi<strong>den</strong>t.lv<br />

Lettische Regierung www.mk.gov.lv<br />

Lettisches Parlament www.saeima.lv<br />

Lettische Hauptwahlbehörde (CVK) www.cvk.lv<br />

<strong>Union</strong> of Local and Regional Governments of Latvia www.lps.lv<br />

Lettland-Institut www.lat<strong>in</strong>st.lv<br />

Portalseite Litauen www.lietuva-jums.lt<br />

Association of Local Authorities <strong>in</strong> Lithuania www.lsa.lt<br />

Lithuania Onl<strong>in</strong>e www.up.on.lt<br />

Luxemburgische Regierung www.gouvernement.lu<br />

Department of Information Malta www.doi.gov.mt<br />

Maltesische Regierung www.gov.mt<br />

Nie<strong>der</strong>ländisches Parlament („Zweite Kammer“) www.tweede-kamer.nl<br />

Österreichische Regierung www.austria.gv.at<br />

Portalseite Polen www.poland.pl<br />

Polnisches Parlament www.sejm.gov.pl<br />

Portugiesische Regierung www.portugal.gov.pt<br />

Portalseite Schwe<strong>den</strong> www.swe<strong>den</strong>.se<br />

Slowakische Regierung www.vlada.gov.sk<br />

Slowakisches Außenm<strong>in</strong>isterium www.foreign.gov.sk<br />

Wahlresultate Slowakei www.statistics.sk<br />

Slowenische Regierung www.gov.si<br />

Slowenische Regierung, Informationsbüro www.uvi.si<br />

Slowenisches Parlament www.dz-rs.si<br />

Spanisches Parlament www.congreso.es<br />

Tschechische Regierung www.vlada.cz<br />

Tschechisches Parlament (Abgeordnetenhaus) www.psp.cz<br />

Verwaltungsportal Ungarn www.ekormanyzat.hu<br />

Ungarisches Parlament www.mkogy.hu<br />

Zypriotische Regierung/Präsi<strong>den</strong>t www.pio.gov.cy<br />

4.4. Literatur<br />

Ismayr, Wolfgang (Hrsg.), Die politischen Systeme Osteuropas, 916 S., Opla<strong>den</strong> 2002.<br />

Ismayr, Wolfgang (Hrsg.), Die politischen Systeme Westeuropas, 3. Auflage, 842 S.,<br />

Opla<strong>den</strong> 2003.

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