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150 Jahre Bergbau-Bücherei<br />

Professor Dr. Klaus Tenfelde, Direktor des Instituts für soziale Bewegungen an der Ruhr-<br />

Universität und Vorsitzender des Vorstands der Stiftung Bibliothek des Ruhrgebiets (SBR),<br />

Bochum<br />

Wir haben am heutigen Nachmittag die Grundzüge<br />

der Interessenpolitik im Ruhrbergbau<br />

am Beispiel der Geschichte des berühmten<br />

und manchmal auch berüchtigten Bergbauvereins,<br />

des Vereins für die bergbaulichen Interessen (VbI)<br />

im Oberbergamtsbezirk Dortmund, behandelt. Eine<br />

der besonders positiv zu würdigenden Seiten der<br />

Geschichte dieses Verbands verbindet sich mit seinen<br />

Anstrengungen zur Verbesserung der bergmännischen<br />

Bildung, insbesondere derjenigen der mittleren Führungsränge,<br />

und mit der Schaffung von Voraussetzungen<br />

für montanwissenschaftliche Forschung.<br />

bedürfnis nach Informationen<br />

Was nun die Bildungs- und Forschungsbemühungen<br />

angeht, so haben sich diese verständlicherweise nur<br />

Schritt für Schritt in der Verbandsgeschichte kristallisiert.<br />

So wissen wir, offen gestanden, nicht genau,<br />

wann die Bergbau-Bücherei überhaupt gegründet<br />

worden ist. Vergegenwärtigt man sich aber die Geschichte<br />

wohl der allermeisten Interessenverbände<br />

im 19. Jahrhundert, dann wird rasch offenbar, dass<br />

mit dem ersten Tag der verbandspolitischen Wirksamkeit<br />

– und das war beim Bergbauverein Ende<br />

1858 – das Bedürfnis nach Information entstehen<br />

musste. Das hieß zunächst einmal, sich die wichtigsten,<br />

einschlägigen Zeitschriften und Zeitungen zu halten<br />

und diese im Büro aufzubewahren, und im Weiteren<br />

hieß es dann sehr rasch, in der Geschäftsführung des<br />

Verbands eine Handbibliothek bereitzustellen. Denn<br />

Nachschlagewerke und mindestens die wichtigen<br />

montanwissenschaftlichen Veröffentlichungen würden<br />

es der Geschäftsführung erleichtern, politisch<br />

zu agieren. Unentbehrlich dürfte beispielsweise die<br />

Gesetzessammlung des preußischen Staats gewesen<br />

sein, ebenso wie der Gothaische Genealogische Hofkalender,<br />

bald dann die gedruckten Protokolle des<br />

Abgeordnetenhauses, diejenigen des Herrenhauses,<br />

die offiziellen Verlautbarungen der Ministerien – und<br />

so weiter.<br />

Es besteht deshalb guter Grund anzunehmen, dass<br />

die Geschichte der Bergbau-Bücherei mit derjenigen des<br />

Bergbauvereins, also Ende 1858 angefangen hat. Das<br />

gilt zumal, wenn man sich die Persönlichkeit des langjährigen<br />

Geschäftsführers, des Abgeordneten, Juristen<br />

und zeitweiligen Parlamentsabgeordneten Friedrich<br />

Hammacher (1824 bis 1904), vergegenwärtigt. Hammacher<br />

war ein typischer Liberaler des 19. Jahrhunderts.<br />

Zur Zeit der Revolution 1848/1849 neigte er<br />

eher zum linken Liberalismus und zur Demokratie, er<br />

kannte wohl auch die zeitgenössischen frühsozialistischen<br />

Theoriebildungen, und er strebte wirksam in die<br />

Politik. Das büßte er in der späten Revolutionszeit mit<br />

einigen Monaten Haft. Im westlichen Ruhrgebiet nahm<br />

er später verschiedene kommunale Ämter ein, und er<br />

verblieb auch im Kaiserreich, als Abgeordneter und<br />

führender Politiker der Nationalliberalen Partei seit dem<br />

Jahr 1867, eher am linken Rand der Partei angesiedelt.<br />

Das dürfte ihn nach dem großen Bergarbeiterstreik<br />

von 1889, in dem er zu vermitteln versuchte, auch sein<br />

über drei Jahrzehnte sehr wirksam wahrgenommenes<br />

Amt an der Spitze des Bergbauvereins gekostet haben<br />

– freilich erst im schon fortgeschrittenen Alter. Als Frühliberaler<br />

war Hammacher typischerweise bildungs- und<br />

fortschrittsüberzeugt; er dürfte von Beginn angeregt<br />

haben, die sich anbahnende Sammlung von Schriften<br />

beim Vorstand des Bergbauvereins systematisch zur<br />

Bibliothek auszubauen.<br />

Wann genau das geschah, wissen wir also nicht.<br />

Erkennbar ist nur, dass die Bibliothek seit dem Jahr<br />

1861 in den Haushaltsentwürfen, nachgewiesen<br />

durch die Jahresberichte des Bergbauvereins 1 , einen<br />

Posten ausmachte. Es besteht also guter Grund, die<br />

Bergbau-Bücherei, die einen Kernbestand der Bibliothek<br />

des Ruhrgebiets ausmacht, ebenfalls mit einem<br />

150jährigen Jubiläum heute zu feiern.<br />

1 Im Folgenden stütze ich mich, ohne Einzelnachweis der<br />

Zitate, auf das Konvolut der Jahresberichte des Vereins<br />

für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk<br />

Dortmund, die unter wechselndem Titel und in nicht immer<br />

regelmäßigen Abständen in Essen gedruckt wurden und<br />

die vollständig in der Bibliothek des Ruhrgebiets, Bochum,<br />

überliefert sind. Frau Beate Hepprich danke ich für die<br />

Erschließung und Bereitstellung dieses Materials.<br />

Tenfelde: 150 Jahre Bergbau-Bücherei<br />

Glückauf 145 (2009) Nr. 3<br />

150 Jahre VbI<br />

147


150 Jahre VbI<br />

148<br />

Tenfelde: 150 Jahre Bergbau-Bücherei<br />

Glückauf 145 (2009) Nr. 3<br />

Steigende bedeutung<br />

Für die Frühzeit der Bibliothek sind die Jahresberichte<br />

des Bergbauvereins weiterhin die wichtigste Quelle.<br />

Und da muss nun gesagt werden, dass die Bibliothek<br />

im 19. Jahrhundert so wichtig noch nicht geworden<br />

ist. Im Jahresbericht 1902 hieß es beispielsweise, dass<br />

man weiter an der Aufstellung des Katalogs arbeite,<br />

ferner, dass mit diesem Katalog „die Benutzung der<br />

Bibliothek, die bisher nicht stark gewesen ist, sicher<br />

erheblich zunehmen“ werde und damit „das in der<br />

Bibliothek angelegte Vermögen besser nutzbar“ werde.<br />

In jenen Jahren beschäftigte man sich im Übrigen mit<br />

der Erstellung des berühmten „Sammelwerks“ über<br />

„Die Entwicklung des niederrheinisch-westfälischen<br />

Steinkohlenbergbaus“, eines noch heute viel gerühmten<br />

zwölfbändigen Konvoluts von vorwiegend<br />

technisch-montanwissenschaftlichen Erörterungen,<br />

in dem aber auch die Geschichte des Ruhrbergbaus<br />

ausführlich dargestellt ist. Offenkundig sind der Bibliothek<br />

in diesen Jahren bedeutende Mittel zugeführt<br />

worden, sodass man jetzt auch daranging, die Bestände<br />

retrospektiv zu erweitern, also ganze Zeitschriftenserien<br />

aufzukaufen, Lücken zu ergänzen und Preziosen<br />

aus der Frühgeschichte des Bergbaus in Deutschland<br />

anzuschaffen. Nach zwei Vorläufern aus den Jahren<br />

1884 und 1893 konnte dann im Jahr 1905 ein Katalog<br />

im stattlichen Umfang von 830 Seiten gedruckt und<br />

versandt werden 2 . Seither sei, so hieß es im Jahresbericht,<br />

„eine wesentlich stärkere Inanspruchnahme<br />

der Bibliothek festzustellen“. Das hielt in der Folgezeit<br />

an, und fortan berichtet die Bibliothek jährlich über<br />

stattliche Neuerwerbungen. Im Jahr 1907 umfasste sie<br />

20 000 Bände, und jährlich wurden 1 500 weitere Bände<br />

akquiriert. Nunmehr ging es, unterbrochen durch den<br />

Weltkrieg, nur noch aufwärts: „Stark zugenommen“<br />

habe die Benutzung der Bibliothek, hieß es schon im<br />

Jahr 1909, mehr als 5 000 Bände wurden jetzt ausgeliehen,<br />

45 % mehr als im Vorjahr. Der jährliche Zuwachs<br />

betrug nun fast 3 000 Bände. Man veröffentlichte jetzt<br />

ein jährliches Zugangsverzeichnis, um Interessenten<br />

auf Neuerscheinungen hinzuweisen. Kurz vor Kriegsausbruch<br />

verfügte man über rund 35 000 Bände, und<br />

die Ausleihe stieg weiter an, jetzt spielte auch bereits<br />

die Fernleihe eine große Rolle.<br />

Das sah nun in den Kriegs- und Inflationsjahren<br />

verständlicherweise anders aus. Erst im Jahr 1925,<br />

nach den großen Krisenjahren der Nachkriegszeit,<br />

wurde wieder ein starker Aufschwung der Bibliothek<br />

verzeichnet. Sie umfasste jetzt 52 000 Bände, und weiterhin<br />

wurden jährlich mehr als 2 000 Druckschriften<br />

akquiriert.<br />

Neben den Interessenten in den Mitgliedsgesellschaften<br />

und Einrichtungen des Bergbauvereins waren<br />

es vor allem junge „Bergbaubeflissene“ und Studenten,<br />

die mit den Instrumenten der Bibliothek ihre Diplom-,<br />

Assessor- oder Doktorarbeiten anfertigten. Im Jahr<br />

1933 wurde die Bibliothek 75 Jahre alt, und man gab<br />

aus diesem Anlass den letzten systematisch gegliederten<br />

Auswahlkatalog heraus. Die Pflege der Fachgebiete<br />

2 Die gedruckten Kataloge und sonstige Veröffentlichungen<br />

der Bergbau-Bücherei sind dokumentiert in: Tönges,<br />

Ingrid: Die Bergbau-Bücherei in Essen. Die Entwicklung<br />

einer Spezialbibliothek. Hausarbeit für den höheren Bibliotheksdienst.<br />

Fachhochschule für Bibliotheks- und Dokumentationswesen,<br />

Köln, 1983, vorhanden in der Bibliothek<br />

des Ruhrgebiets.<br />

blieb typisch montanwissenschaftlich, umfasste also<br />

die wesentlichen Lehr- und Handbücher, Monographien<br />

und Zeitschriften aus letztlich allen Gebieten der<br />

Naturwissenschaften sowie Nachschlagewerke über<br />

das Ingenieurwesen, über Werkstoffkunde, Kraft-<br />

und Wärmewirtschaft, Schienenkunde, Bauwesen,<br />

Elektrotechnik, Transportwesen und so weiter. Im<br />

Hinblick auf die seit langem zunehmende Bedeutung<br />

der Nebenprodukte-Gewinnung im Kohlenbergbau<br />

wurde nun auch das chemiewissenschaftliche<br />

Schrifttum nachdrücklich gepflegt. Hinzu kam das<br />

große Feld der Rechtswissenschaft, hier vor allem das<br />

Bergrecht und die einschlägige Rechtsprechung, das<br />

Aktien-, Unternehmens-, Konzern- und Kartellrecht,<br />

das Sozialversicherungsrecht und neuerdings auch<br />

das Arbeitsrecht. Schließlich wurde aus allen Zweigen<br />

der wirtschaftswissenschaften Literatur gesammelt. Es<br />

gehört aus heutiger Sicht außerdem zu den großen<br />

Vorzügen der Bibliothek, dass sie die umfangreiche<br />

Literatur der älteren und jüngeren historischen Schule<br />

der Nationalökonomie sammelte.<br />

Im „GLÜCKAUF“ des Jahres 1942 findet sich ein<br />

Überblick zur Geschichte der Bergbau-Bücherei;<br />

später haben auch bibliothekswissenschaftliche<br />

Diplomarbeiten die Entwicklung der Bibliothek in<br />

genauen Augenschein genommen 3 . Offenkundig<br />

waren die Benutzer der Bibliothek, anders als üblicherweise<br />

Humanwissenschaftler, mit der Nutzung<br />

dieses Instruments nicht übermäßig vertraut, und<br />

die Bibliothek verstand sich selbst zunächst einmal<br />

als eine Dienstleistungseinrichtung für den Bergbau<br />

insgesamt – jedenfalls wird nachdrücklich betont,<br />

dass gerade die Benutzer von Fachbibliotheken wie<br />

der Bergbau-Bücherei anhaltende Beratung benötigten.<br />

Das ist übrigens eine Betätigung, die gerade in<br />

diesem Bereich in unserem Hause auch heute noch<br />

vielfach dringend erforderlich ist, aber das ändert<br />

sich langsam: Die zunehmend studentischen und aus<br />

geschichts- und sozialwissenschaftlichen Bereichen<br />

zuströmenden Benutzer sind in der Regel mit der<br />

Technik des Bibliographierens heute gut vertraut, und<br />

überdies hilft hier ja neuerdings das Internet, wenn<br />

man es nur zu nutzen versteht.<br />

Für außerordentlich wichtig wurde in den 1920er-<br />

Jahren die Auswertung der Zeitschriften-Literatur<br />

gehalten. Es entstand eine heute noch benutzbare,<br />

umfängliche Zettelkasten-Dokumentation über die<br />

weltweit erscheinenden montanwissenschaftlichen<br />

Aufsätze, und das dürfte in Zukunft ein wissenschaftsgeschichtlich<br />

hochbedeutsames Quellenfeld werden.<br />

Man sammelte nicht nur und ordnete, sondern man<br />

sichtete „nach bestimmten Gesichtspunkten durch<br />

sachlich vorgebildete Kräfte und Erfassung in fein<br />

gegliederten, systematisch geordneten Schrifttumsnachweisen“,<br />

so hieß es im Bibliotheksbericht. In<br />

Sachen Fachdokumentation erlangte die Bibliothek ein<br />

ausgezeichnetes Renommee. Man signierte inzwischen<br />

nach der internationalen Dezimal-Klassifikation. In<br />

den 1950er-Jahren wurde aus der Bergbau-Bücherei,<br />

so kann man zusammenfassend sagen, eine der<br />

3 Vgl. die vorstehende Anmerkung sowie Floss, Arthur: Die<br />

Bergbau-Bücherei in Essen. Glückauf 88 (1952) S. 172f.<br />

und, mit weiteren Hinweisen Behrends, Elke: Zur Entstehung<br />

bedeutender Industrie- und Vereinsbibliotheken in<br />

Nordrhein-Westfalen. Mitteilungsblatt des Verbands der<br />

Bibliothek in NRW 44 (1994) S. 419-432.


überhaupt wichtigsten Fachbibliotheken in Westdeutschland.<br />

Diese Entwicklung hielt bis in die frühen 1970er-<br />

Jahre an. Im Jahr 1957 war die Leitung der Bibliothek<br />

von Arthur Floss auf Dr. Manfred Koch übergegangen.<br />

Bald war der Gesamtbestand, Ende 1971, auf beinahe<br />

157 000 Monographien und Zeitschriftenbände angewachsen.<br />

Man katalogisierte jährlich weiterhin knapp<br />

3 000 Bände, mehr als 14 000 Bände wurden jährlich<br />

ausgeliehen, der Fernleihverkehr blieb rege mit mehr<br />

als 3 000 Bestellungen pro Jahr. Die Bibliothek hielt<br />

laufend 917 Zeitschriften, davon 276 aus dem Ausland<br />

– alle diese Titel sind weiterhin vorhanden. Denn die<br />

Kriegsverluste der Bibliothek sind glücklicherweise<br />

sehr gering geblieben. In der Dokumentation wurden<br />

jährlich 2 900 Veröffentlichungen systematisch erfasst,<br />

man sah systematisch jährlich 300 Fachzeitschriften<br />

durch und wertete sie zur montanwissenschaftlichen<br />

und gewiss auch bergbaupolitischen Verwendung aus.<br />

Beachtlich war ferner die Mitarbeit an der Erstellung<br />

des „TWZ“, des Verzeichnisses von Zeitschriften auf<br />

verschiedenen Gebieten der Natur- und Technikwissenschaften<br />

und anderer Wissensgebiete. Auch<br />

gab es einen Übersetzungsdienst, der im Jahr 1971<br />

offenbar in enger Verbindung zur Bergbau-Bücherei<br />

mehr als 9 000 Abzüge von Übersetzungen an die<br />

Mitgliedsgesellschaften und die Institute des Steinkohlenbergbaus<br />

verteilte.<br />

blütezeit in den 1950er-Jahren<br />

Das waren beachtliche Leistungen. Die Bergbau-<br />

Bücherei dürfte, auch in ihrer personellen Besetzung,<br />

in den 1950er-Jahren mit der anhaltenden Wiederbelebung<br />

der bergbaulichen Aktivitäten einen gewissen<br />

Höhepunkt ihrer Geschichte erlebt haben. Sie war in<br />

der Tat zur erstrangigen, wenn nicht einzigen wissenschaftlichen<br />

Bibliothek des Ruhrgebiets geworden:<br />

Stadtbüchereien sind in den großen Städten namentlich<br />

seit der Wende zum 20. Jahrhundert entstanden,<br />

aber diese Bibliotheken widmeten sich nicht vorrangig<br />

wissenschaftlichen Sammlungszielen, sondern waren<br />

an ihren Benutzern orientiert, hielten also gerade auch<br />

Sachbuchliteratur und Belletristik. Anders verhielt es<br />

sich allenfalls bei der freilich erst 1907 gegründeten<br />

Stadt- und Landesbibliothek Dortmund. Seit Beginn<br />

des 20. Jahrhunderts dürfte neben der Bergbau-<br />

Bücherei einzig die Werksbücherei der Fried. Krupp<br />

AG im Ruhrgebiet einen gewissen wissenschaftlichen<br />

Rang erreicht haben; auch dort flossen reichlich Mittel<br />

zur Bibliotheksergänzung, während die anderen<br />

Werksbüchereien doch deutlich dahinter zurückblieben.<br />

Im Jahr 1898 wurde die Kruppsche Bücherhalle<br />

gegründet; diese Bibliothek war dann die vielleicht<br />

größte deutsche Industriebibliothek des 20. Jahrhunderts,<br />

ihr Bestand wuchs von 26 000 Bänden im Jahr<br />

1907 auf 100 000 Bände im Jahr 1937, darin waren<br />

750 laufend gehaltene Zeitschriften enthalten. Sie<br />

wird für den Bibliotheken technischer Hochschulen<br />

„durchaus ebenbürtig“ gehalten 4 . Es gibt sie längst<br />

nicht mehr. Bedeutende Teile gingen mit Gründung<br />

der Ruhr-Universität in deren Universitätsbibliothek<br />

ein. Einen ähnlichen Rang dürfte allenfalls, unter<br />

deutschen Industriebibliotheken, noch diejenige des<br />

Bayer-Konzerns in Leverkusen erreicht haben.<br />

4 Behrends, S. 423.<br />

Dass die Bergbau-Bücherei über viele Jahrzehnte die<br />

einzige wissenschaftliche Bibliothek des Ruhrgebiets<br />

geblieben ist, macht heute ihren Rang aus. Sie hat,<br />

besonders nach 1945, mehrfach ihren Ort gewechselt.<br />

Selbstverständlich befand sie sich anfänglich über Jahrzehnte<br />

im Dienstgebäude des Bergbau-Vereins, das<br />

im Krieg stark zerstört und in den 1950er-Jahren an<br />

nahe gelegenem Ort, an der Essener Bismarckstraße,<br />

als „Glückauf-Haus“ neu errichtet wurde. Während des<br />

Zweiten Weltkriegs wurde die Bibliothek zum Schutz<br />

vor Bomben nach Weilburg an der Lahn ausgelagert,<br />

und die Bestände sind unter großen Mühen nach<br />

Kriegsende zunächst in die zu einem Drittel zerstörten<br />

Magazine zurückgeführt worden, um nach mehreren<br />

Umzügen eine provisorische Bleibe auf dem Gelände<br />

der im Jahr 1958 gegründeten Bergbau-Forschung in<br />

Essen-Kray zu finden. Dort erhielten die Bücher dann<br />

im Jahr 1970 in einem Neubau eine eigene Bleibe an<br />

der Bundesstraße B 1, der heutigen Autobahn A 40,<br />

wo im Jahr 1990 die Deutsche Montan Technologie<br />

GmbH (DMT) ihre Arbeit aufnahm. Bei ihr ressortierte<br />

die Bibliothek über zwei Jahrzehnte während der beginnenden<br />

Schrumpfung des Steinkohlenbergbaus.<br />

Sicherung der bergbau-bücherei –<br />

eine kulturpolitische aufgabe<br />

Im Jahr 1998 ging dann die Bergbau-Bücherei mit<br />

einem Bestand von etwa 240 000 Medieneinheiten in<br />

das Eigentum der Stiftung Bibliothek des Ruhrgebiets<br />

über. Auch dieser überlebenswichtigen Entscheidung<br />

lag ein langjähriges Hin und Her zu Grunde: Als ich<br />

im Jahr 1995 an die Ruhr-Universität berufen wurde,<br />

ist mir die Sicherung der Bergbau-Bücherei als eine<br />

bedeutende kulturpolitische Aufgabe der nahen<br />

Zukunft erläutert worden. Sie war der Universitätsbibliothek<br />

der Ruhr-Universität angeboten worden,<br />

aber dort hatte man die Übernahme wegen der<br />

absehbaren, außerordentlichen Kosten abgelehnt.<br />

Wir haben dann diese wichtige Aufgabe erfolgreich<br />

angehen können.<br />

So hat also die Bergbau-Bücherei alle Strukturveränderungen<br />

bis heute beinahe völlig unbeschadet<br />

überstanden. Sie hat in den 1950er- und 1960er-Jahren<br />

eine bedeutende Rolle in der fachwissenschaftlichen<br />

Erschließung und bibliothekswissenschaftlichen<br />

Weiterentwicklung in der Bundesrepublik gespielt;<br />

das dokumentierte sich in Gremien-Mitarbeit und<br />

Übernahme von Führungsaufgaben. Es war ein für<br />

das Ruhrgebiet beinahe unschätzbares Glück, dass<br />

selbst der Bombenkrieg diesen unvergleichlichen<br />

Bücherbestand verschonte. Alle Bestände sind heute<br />

bestens erhalten und stehen zur wissenschaftlichen<br />

Benutzung zur Verfügung.<br />

Unsere heutige Bibliothek des Ruhrgebiets besteht<br />

aus zwei Abteilungen: der Bergbau-Bücherei und<br />

der Bibliothek der sozialen Bewegungen, die aus der<br />

ursprünglichen Bibliothek der Arbeiterbewegung<br />

hervorgegangen ist. In letztere sind im Wesentlichen<br />

die rund 50 000 Bände umfassenden Bestände der IG<br />

Bergbau und Energie (IGBE) eingegliedert worden.<br />

Dieser Prozess ist beinahe vollendet. Die Bergbau-<br />

Bücherei wird, unter gewisser Konzentration der<br />

Sammlungsgebiete, weitergeführt, auch in der Zeitschriftenabteilung,<br />

und die Stiftung ist verpflichtet,<br />

die Akquisitionen der Bergbau-Bücherei getrennt von<br />

jenen der Bibliothek für soziale Bewegungen zu halten.<br />

Tenfelde: 150 Jahre Bergbau-Bücherei<br />

Glückauf 145 (2009) Nr. 3<br />

150 Jahre VbI<br />

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150 Jahre VbI<br />

150<br />

Tenfelde: 150 Jahre Bergbau-Bücherei<br />

Glückauf 145 (2009) Nr. 3<br />

Der Erwerbsetat der Bibliothek beträgt derzeit jährlich<br />

rund 45 000 €, eine durchaus bedeutende Summe, und<br />

wenn auch der Personalstand der 1950er-Jahre nicht<br />

entfernt gehalten werden konnte, so können wir doch<br />

mit Befriedigung sagen, dass seit dem Übergang auf<br />

die Stiftung Bibliothek des Ruhrgebiets der Personalstand<br />

im Wesentlichen bestehen blieb und dass die<br />

Benutzerzahlen seit diesem Übergang wieder deutlich<br />

angestiegen sind. Seitdem die EDV-Erfassung vorangeschritten<br />

und im Netz verfügbar gemacht worden<br />

ist, haben auch die Fernleihe-Dimensionen bereits das<br />

früher übliche Maß wieder erreicht. Wir können also<br />

heute sagen, dass die Bibliothek sich auch unter dem<br />

neuen Dach als wissenschaftliche Fachbibliothek gut<br />

etabliert hat.<br />

Vermutlich wissen vor allem Historiker zu schätzen,<br />

was hier an Schrifttum verfügbar gehalten wird. Bei-<br />

Layout<br />

Service<br />

spielsweise sind im Ruhrgebiet die Stenographischen<br />

Berichte des Deutschen Reichstags seit dem Jahr 1871<br />

und des Deutschen Bundestags nur ganz selten vollständig<br />

verfügbar; dasselbe gilt für die mehreren Hundert<br />

großvolumigen Bände der Statistik des deutschen<br />

Reichs und erst recht für die Protokolle des Preußischen<br />

Herrenhauses. Dabei habe ich noch überhaupt nicht<br />

von unseren Aushängestücken, etwa jenem Agricola<br />

im lateinischen Erstdruck aus dem Jahr 1556, berichtet;<br />

dazu gehört eine sehr umfangreiche Sammlung<br />

alter Bergordnungen, zum Teil handschriftlich, mit<br />

Kommentierungen zeitgenössischer Bergbeamter,<br />

das ist für sich ein Schatz von besonderer Güte. Seien<br />

wir froh, hier in Bochum und in der Region insgesamt,<br />

dass uns dieser Bestand erhalten blieb – er macht einen<br />

besonders wichtigen Teil der kulturellen Identität des<br />

Ruhrgebiets aus.<br />

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