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Burgblatt-2017-06

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Ratgeber Steuern<br />

Sozialversicherung – Quo vadis<br />

Bei aller Fokussierung auf die Steuer wird oft vergessen, dass die<br />

Sozialversicherungsbeiträge mit einem Satz von rund der Hälfte<br />

des Bruttolohns nicht zu vernachlässigen sind. Dabei teilen sich<br />

Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Beiträge nahezu paritätisch.<br />

Dies führt zwar dazu, dass die Sozialabgaben auf Arbeitnehmerseite<br />

als verschmerzbar wahrgenommen werden, jedoch würde<br />

der Arbeitnehmer sicherlich auch ganz gerne selbst den Arbeitgeberanteil<br />

zu seinem Bruttolohn hinzuzählen. Den Arbeitgeber<br />

würde dieser Wunsch nicht tangieren, denn in seinem Budget ist<br />

der Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung ohnehin bereits fest<br />

als Personalaufwand eingeplant.<br />

Laut Statistischem Bundesamt sind 2016 Beiträge von 613 Milliarden<br />

Euro in die Sozialversicherungszweige geflossen! Zum Vergleich:<br />

Die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden<br />

haben gemäß Bundesfinanzministerium gerade einmal 648 Milliarden<br />

betragen.<br />

Jetzt wird klar, dass Krankenkassen, Renten- und Arbeitslosenversicherungsträger<br />

zusammen mit ihren Milliardenrücklagen die<br />

„Hidden Champions“ im Finanzsystem sind.<br />

Obgleich die Arbeitnehmer pflichtgemäß und ohne jegliche auswählbare<br />

Alternativen in die Rentenversicherung einzahlen, ist<br />

die Altersarmut schon heute für den Durchschnittsverdiener absehbar.<br />

Zwar zahlt man Sozialversicherungsbeiträge um einen definierten<br />

Versicherungsschutz zu erlangen, trotzdem werden die Beiträge<br />

für überbordende Verwaltungen oder sachfremde (versicherungsfremde)<br />

Leistungen fehlverwendet.<br />

Dies sind ein paar beispielhafte Entwicklungen, die allerdings in<br />

der breiten Öffentlichkeit nur am Rande diskutiert werden.<br />

Ein weitverbreitetes Problem im Zusammenhang mit den Sozialabgaben<br />

ist die Scheinselbständigkeit oder der sogenannte arbeitnehmerähnliche<br />

Selbständige. In Zeiten der Arbeitslosigkeit<br />

wurde die Ich-AG als Allheilmittel gepriesen. Daraufhin machten<br />

sich viele als Einmann-Betrieb selbständig. Heute werden genau<br />

diese Selbständigen herausgepickt und oft als Scheinunternehmer<br />

eingestuft, also so behandelt als wären sie Arbeitnehmer.<br />

Die Nachzahlung der daraufhin fälligen Sozialabgaben obliegt<br />

nicht etwa dem Scheinselbständigen, sondern allein dem Auftraggeber.<br />

Da bei Sozialversicherungsprüfungen über einen Prüfungszeitraum<br />

von 4 Jahren ein gehöriges Nachzahlungspotential<br />

im Raum steht, sind die Auftrag gebenden Unternehmen doch<br />

von der Sozialversicherung in größerem Ausmaß tangiert - und<br />

zwar oberhalb der budgetierten Personalkosten. Ferner ist es<br />

heute ein beliebtes Schlagwert: Mehr Netto vom Brutto.<br />

Nun kommt es bei Betriebsprüfungen immer öfter vor, dass sozialversicherungsfreie<br />

Lohnbestandteile wie zum Beispiel Tankgutscheine,<br />

Internetzuschuss oder Fahrtkostenerstattungen<br />

nicht in der Vielzahl anerkannt werden. Somit werden auch auf<br />

diese Lohnbestandteile Sozialversicherungsbeiträge fällig. Keine<br />

Frage, dass ausschließlich der Arbeit gebende Unternehmer die<br />

Abgaben nachzuentrichten hat. Das heißt, er trägt das finanzielle<br />

Risiko, wenn er allzu großzügig den Arbeitnehmern den Wunsch<br />

nach mehr Nettolohn erfüllt.<br />

Ein weiterer Brennpunkt ist der sogenannte Phantomlohn. Das<br />

ist eine Spezialität des Sozialrechts; nicht etwa der bezahlte Lohn<br />

wird verbeitragt, sondern der vereinbarte. An dieser Stelle kommen<br />

Tarifverträge oder der bezahlte Mindesturlaub ins Spiel. Wir<br />

beobachten derzeit ein Verfahren vor dem Sozialgericht bei dem<br />

es um die Frage geht, in welchen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag<br />

ein bestimmtes Unternehmen einzuordnen ist. Weder der<br />

spezialisierte Rechtsanwalt noch der zuständige Berufsverband<br />

können im Vorfeld helfen. Die Sozialversicherung jedenfalls stellt<br />

Nachforderungen von 200.000 Euro.<br />

Nachdem es sich bei diesem Rechtsgebiet definitiv nicht um das<br />

Steuerrecht handelt sind wir Steuerberater nur zu einer sehr eingeschränkten<br />

Beratung befugt. Wir dürfen insbesondere nicht<br />

im Widerspruchsverfahren vertreten. Verstöße hiergegen können<br />

von der Rechtsanwaltskammer mit einer kostenpflichtigen<br />

Abmahnung verfolgt werden und sind auch nicht als Steuerberatertätigkeit<br />

durch die berufsständische Haftpflichtversicherung<br />

abgedeckt.<br />

Ergo steht der Unternehmer den Sozialversicherungsträgern alleine<br />

gegenüber, helfen kann nur ein auf das Sozialrecht spezialisierter<br />

Rechtsanwalt.<br />

Nun stellt sich zusammenfassend die Situation so dar: Die Sozialversicherungsträger,<br />

fast ebenso groß und mächtig wie die Finanzverwaltung,<br />

bewegen Einnahmeströme von mehr als einer<br />

haben Billion Euro, wobei Verwaltungseffizienz und andere Fehlverwendungen<br />

nicht öffentlich bekannt sind. Insbesondere sind<br />

zwar die Arbeitnehmer durch die Beiträge belastet, die unkalkulierbaren<br />

Risiken tragen jedoch in erster Linie die Unternehmer.<br />

Ein Ausblick zeigt, dass der Finanzbedarf der Sozialversicherungsträger<br />

kontinuierlich steigen wird. Die derzeitige gute Arbeitsmarktlage<br />

wird sicher nicht bis in alle Ewigkeit fortbestehen, der<br />

demografische Wandel ist bekannt und die Flüchtlingswelle ist<br />

immer noch kostenintensiv.<br />

Somit steht zu resümieren, dass Sozialversicherungsprüfungen<br />

schon heute für alle Unternehmen ein nicht zu unterschätzendes<br />

Damoklesschwert darstellt.<br />

Gerhard Güllich<br />

Hilpoltstein<br />

Dipl.-Kfm.<br />

Gerhard Güllich GmbH<br />

Steuerberatungsgesellschaft<br />

Ohmstraße 9 • 91161 Hilpoltstein<br />

Tel. 0 91 74/47 96-0 • Fax 0 91 74/47 96-50<br />

Dipl.-Kfm.<br />

Gerhard Güllich<br />

Steuerberater<br />

Fachberater für Internationales Steuerrecht<br />

www.guellich.info

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