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Lernpaket Allen Jones - Völklinger Hütte

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Weltkulturerbe <strong>Völklinger</strong> <strong>Hütte</strong><br />

Europäisches Zentrum für Kunst und Industriekultur<br />

Generaldirektor Prof. Dr. Meinrad Maria Grewenig<br />

Sein unapologetisches Oszillieren zwischen diesen beiden Arten intensiver Sinnesfreude, die<br />

beide, zumindest für kurze Zeit, jeden anderen Gedanken ausschalten können, lädt jeden<br />

Betrachter dazu ein, den Augenblick bewusst und in Gänze auszukosten, sich durch und<br />

durch lebendig zu fühlen.<br />

1978 schuf <strong>Jones</strong> ein großes und in gewisser Weise untypisches Gemälde. Es zeigt eine an<br />

einem Bambuszaun entlangschreitende Varietékünstlerin mit einer furchterregenden<br />

rituellen Maske, die ihren Rumpf und ihr Gesicht verdeckt. Dabei ließ er sich nicht nur von<br />

einem großen Gemälde eines unbekannten Künstlers inspirieren, das früher einmal als<br />

Dekoration in einer Bar gehangen hatte und das er in Los Angeles, wo er damals gerade<br />

lebte, erworben hatte, sondern er besaß auch noch die Unverfrorenheit, seiner Version exakt<br />

den gleichen französischen Titel zu geben, den ein zu Recht berühmtes fauvistisches<br />

Gemälde von Matisse aus dem Jahr 1904 trägt: Luxe, calme et volupté. Das in einer<br />

pointillistischen Technik gemalte matissesche Bild, das eine Gruppe von weiblichen<br />

Badenden zeigt, die sich an einem Mittelmeerstrand räkeln, war wiederum von Charles<br />

Baudelaires Gedicht »Einladung zur Reise« inspiriert, in dem der Dichter schreibt: »Dort wird<br />

nur Ordnung im Verein / Mit Schönheit, Frieden, Wonne sein.« 3 Matisse bleibt nahe an der<br />

Metaphorik des baudelaireschen Gedichts, einem der berühmtesten aus dem Gedichtband<br />

Die Blumen des Bösen, in dem die Schönheit der Frau, an die es gerichtet ist, mit der eines<br />

idyllischen Traumlandes gleichgesetzt wird, das für einen Zustand vollkommenen<br />

Wohlbehagens und inneren Friedens steht. Das exotische Flair, das <strong>Jones</strong> von seiner<br />

Barentdeckung übernommen hat, entführt den Betrachter in eine andere Welt, eine Welt, die<br />

an unbeschwerte Ferien an tropischen Stränden und an die romantischen, primitivistischen<br />

Anklänge in den Werken Paul Gauguins erinnert, die wiederum die matissesche Fantasie<br />

angeregt hatten. Für <strong>Jones</strong> werden die baudelaireschen Verse zu Passwörtern, die den<br />

Zugang in die Welt der Fantasie – insbesondere der sexuellen Fantasie – ermöglichen und uns<br />

in einen Zustand reiner Sinnesempfindung versetzen, der uns in Farben und visueller<br />

Sinnesfreude schwelgen lässt. So bringt uns <strong>Jones</strong> auch in diesem Gemälde, mit seinen<br />

räumlich wiedergegebenen Palmwedeln und Anspielungen auf den Südsee-Eskapismus, dazu,<br />

seine Kunst als Ort der Freude zu erleben, der frei von den Zwängen des Alltags ist.<br />

Der Maler und Aquarellist <strong>Jones</strong> hatte und brauchte in seinem Atelier nie einen Assistenten,<br />

war es für ihn doch stets ein Gebot, seine Arbeiten von Anfang bis Ende von eigener Hand<br />

auszuführen. Bei seinen Skulpturen und seinen zahlreichen editierten Lithografien, die in<br />

Zusammenarbeit mit verschiedenen Spezialdruckereien entstanden, arbeitete er jedoch<br />

sinnvollerweise mit Spezialisten zusammen, die in der Lage waren, seine Anweisungen<br />

hinsichtlich Gestaltung und Verarbeitung mit höchster Professionalität auszuführen. Dies<br />

galt bereits für die Möbelskulpturen von 1969, die Dick Beech unter Anleitung des Künstlers<br />

aus Ton modellierte und die anschließend in Fiberglas gegossen und von der Firma Atomage,<br />

einem Hersteller von Bondage-Outfits, mit hautengen Lederdessous bekleidet wurden.<br />

Weltkulturerbe <strong>Völklinger</strong> <strong>Hütte</strong><br />

Europäisches Zentrum für Kunst und Industriekultur<br />

66302 Völklingen/Saar<br />

Redaktion: Peter Backes, Frank Krämer, Jeanette Wagner<br />

Tel. 06898/9 100 159, Fax 06898/9 100 111<br />

mail@voelklinger-huette.org Seite 73

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