Lernpaket Allen Jones - Völklinger Hütte
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Weltkulturerbe <strong>Völklinger</strong> <strong>Hütte</strong><br />
Europäisches Zentrum für Kunst und Industriekultur<br />
Generaldirektor Prof. Dr. Meinrad Maria Grewenig<br />
Oder auch sein 1964 entstandenes Werk Falling Woman: Durch die schlüssellochförmige<br />
Leinwand erhascht der Betrachter einen Blick auf den Intimbereich einer fallenden Frau. Die<br />
ungewöhnliche Form versetzt den Betrachter in die physische Position des Voyeurs. Um die<br />
Illusion des Schlüssellochblicks zu komplettieren, bedient sich <strong>Jones</strong> der Farbabstufung und<br />
schafft somit den Anschein von Tiefe. Auch Marriage Medal, Wunderbare Landung und<br />
Cockpit (alle von 1963) sind Beispiele für Shaped Canvases.<br />
1961 kehrt <strong>Jones</strong> an das Hornsey College zurück, wo er eine Ausbildung zum Zeichen- und<br />
Mallehrer absolviert. Zwischen 1961 und 1963 unterrichtet er Lithografie am Croydon<br />
College of Art und 1964 Zeichnen an der Chelsea School of Art. Die Lithografie, sein<br />
bevorzugtes grafisches Verfahren, begleitet den Künstler bis heute. Ideen und Motive, die<br />
sich in seinen Gemälden kristallisieren, sind oft in seinen Lithografien und Zeichnungen<br />
bereits zuvor bearbeitet worden. Andere, in Gemälden entstandene Motive werden später<br />
häufig in Lithografien verarbeitet oder neu dargelegt. Die Interaktion und die<br />
Gleichwertigkeit dieser und weiterer Gattungen sind charakteristisch für <strong>Jones</strong>‟ Œuvre.<br />
Auch seine Lehrtätigkeit wird über die nächsten 40 Jahre ein fester Bestandteil seines<br />
Lebens bleiben.<br />
Angeregt durch die Lektüre Friedrich Nietzsches, Sigmund Freuds und Carl Gustav Jungs,<br />
auf die sich bereits vor <strong>Jones</strong> verschiedene Künstler bezogen haben, wie zum Beispiel René<br />
Magritte, Salvador Dalí und Willem de Kooning, ist <strong>Allen</strong> <strong>Jones</strong>‟ Werk Anfang der 1960er-<br />
Jahre inhaltlich stark psychologisch ausgerichtet. Nietzsche und Jung definierten den<br />
Künstler als jemanden, der über sich selbst hinaus schafft. Nach Nietzsche ist der Intellekt<br />
eine männliche und die Emotion eine weibliche Eigenschaft. Für den kreativen Akt sind beide<br />
gleichbedeutende Kräfte. <strong>Allen</strong> <strong>Jones</strong> folgt diesem kulturpsychologischen Ansatz, indem er<br />
seine Bilder als Versuch darstellt, beide Bestandteile der menschlichen Seele miteinander<br />
zu versöhnen. Seine eng umschlungenen Paare sind Metaphern des kreativen Akts und der<br />
ganzheitlichen Synthese zwischen gleichberechtigten männlichen und weiblichen Elementen<br />
im künstlerischen Schaffensprozess. Hieraus entwickelt sich das prägnanteste Bildmotiv,<br />
das heute noch <strong>Allen</strong> <strong>Jones</strong>‟ Werke bevölkert: Wo-Men! Frauen-Männer! So wie das<br />
englische Wort für »Frau« sich den Stamm mit jenem für »Mann« teilt, so entwickelte <strong>Jones</strong><br />
eine androgyne, hermaphrodite Weltsicht, die er in seinen Bildern immer wieder zum<br />
Ausdruck bringt.<br />
Wenn man von einigen Auftragswerken oder auch der Tatsache, dass er gerne seine<br />
Ehefrauen als Modell nahm, absieht, bleiben die männlichen und weiblichen Figuren bei<br />
<strong>Jones</strong> stereotypisch anonym. Ihn interessiert ihre Kraft und Präsenz auf der Leinwand weit<br />
mehr als einzelne Menschen. Ein frühes Beispiel hierfür ist das Ölgemälde Hermaphrodite<br />
aus dem Jahr 1963 (Abb. 10), übrigens das erste Werk von <strong>Allen</strong> <strong>Jones</strong>, das von einem<br />
Museum angekauft wurde.<br />
Weltkulturerbe <strong>Völklinger</strong> <strong>Hütte</strong><br />
Europäisches Zentrum für Kunst und Industriekultur<br />
66302 Völklingen/Saar<br />
Redaktion: Peter Backes, Frank Krämer, Jeanette Wagner<br />
Tel. 06898/9 100 159, Fax 06898/9 100 111<br />
mail@voelklinger-huette.org Seite 51