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Jahresbericht XENIA, Fachstelle Sexarbeit 2016

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Was braucht es, damit die Gesundheit bei der arbeit nicht gefährdet<br />

wird? Was erschwert es, bei der arbeit auf die eigene Gesundheit<br />

zu achten?<br />

V Es braucht Ausgleichsmöglichkeiten. Das Schöne an dieser Arbeit ist,<br />

dass man auch immer wieder Zeit für sich selber hat, wenn keine Kunden da sind<br />

und wir hier im Salon sind. Man kann sich viel mehr um den eigenen Körper und<br />

das eigene Wohlbefinden kümmern als bei einer anderen Erwerbsarbeit. Für mich<br />

sind auch Rückzugsmöglichkeiten zur Erholung wichtig. Ich schaue sehr gerne<br />

Filme oder lese, wenn nicht die anderen Frauen im Zimmer sind und miteinander<br />

sprechen. Die Kunden nehmen Energie, insbesondere dann, wenn sie Eigenschaften<br />

und Eigenheiten mitbringen, die ich als unangenehm empfinde.<br />

L Von fünf Kunden, die hier anrufen, fragen etwa drei für «Blasen ohne<br />

Gummi». Vielen Kunden fehlt es an Wissen über HIV/STI 2 und Wissen zur Prävention.<br />

Insbesondere die jungen Kunden wissen weniger als noch vor 20 Jahren. Auch wissen<br />

die Jungen oft nicht, wie sie eine Beziehung anfangen sollen – das liegt auch an<br />

der Digitalisierung der Kontakte. Sie sind schlecht aufgeklärt, die sexuelle Gesundheit<br />

und Sex im Allgemeinen wird in der Schule zu wenig thematisiert. Und dann informieren<br />

sie sich irgendwo – oder gar nicht. Und nicht alle Eltern sind bereit und nehmen<br />

sich die Zeit mit ihren Kindern über Sexualität zu sprechen.<br />

Wenn ich die Anrufe von den Kunden entgegen nehme, die «ohne Gummi»<br />

verlangen, versuche ich so schnell wie möglich über die Risiken von HIV und anderen<br />

Infektionen zu informieren. Aber 90% interessiert sich nicht dafür. Kürzlich waren<br />

auch zwei junge Schülerinnen von einer Fachschule für ein Interview zu besuch. Auch<br />

sie wussten nicht, dass man sich bei Französisch 3 , oder Blowjob, wie sie es nennen,<br />

die Infektionen 4 an den Schleimhäuten im Hals holen kann.<br />

2. Sexually Transmitted Infections (engl.):<br />

sexuell übertragbare Krankheiten<br />

3. Oralverkehr<br />

Was macht für dich den unterschied zwischen einer professionellen<br />

Dienstleistung und bspw. einem one-night-stand aus? Gibt es<br />

aspekte an der sexarbeit, die du als eher schwierig empfindest?<br />

4. Zu den bei Oralverkehr (OV) übertrag baren Infektionen gehören:<br />

HIV (wenn Sperma oder Blut in die Mundhöhle gelangen); SYPHILIS,<br />

(wenn der/die Sexualpartner*in ein akutes Primärgeschwür an<br />

Penis oder Scheide oder im Mund hat); TRIPPER (kann durch den<br />

eitrigen bakterienhaltigen Ausfluss des passiven Parts auf den<br />

aktiven übertragen werden. Der/die passive Partner*in ist dann<br />

gefährdet, wenn der/die aktive Partner*in eine Tripperinfektion<br />

in seinem/ihrem Rachen hat (die Symptome hierbei wären starke<br />

Halsschmerzen ähnlich denen einer Angina)); CHLAMYDIEN:<br />

(Bakterien können sich im Anus, in der Harnröhre oder in der<br />

Scheide befinden); HP-Viren; HEPATITIS B (sowohl durch aktiven<br />

(HBV ist wie HIV in Scheiden- und Samenflüssigkeit enthalten)<br />

als auch – in sehr seltenen Einzelfällen! – durch passiven OV (bei<br />

HBV ist eine Übertragung durch Speichel nicht auszuschließen);<br />

Akute HERPES-Bläschen (sie können bis einige Tage nach ihrem<br />

Abheilen noch Herpesviren «abgeben», so dass eine Übertragung<br />

von Genital-Herpes durch OV ebenfalls möglich ist)<br />

5. Freier können sich auf der Seite www.verantwortlicherfreier.ch<br />

informieren, was mögliche Hinweise auf eine Zwangs situation<br />

sein können, wie sie sich bei einem Verdacht verhalten sollen und<br />

wen sie kontaktieren können. Sie können sich bei Unsicherheit<br />

und einem unguten Gefühl auch telefonisch oder per Mail<br />

bei <strong>XENIA</strong> melden.<br />

6. «alles ohne» – d.h. ungeschützte Praktiken.<br />

F Ich habe lieber <strong>Sexarbeit</strong>erinnen als One-Night-Stands – der Sex ist besser,<br />

es ist eine klare Sache, um was es geht und die Frauen gehen richtig offensiv an<br />

die Sache. Sie hat Sex mit mir, sie vögelt mich, nicht ich sie. Das ist ein Unterschied<br />

und das habe ich gerne. Schwierig ist es für mich, wenn ich eine Zwangssituation<br />

antreffen würde, da würde ich sofort wieder gehen. Also beispielsweise, wenn es eine<br />

Minder jährige wäre oder es Anzeichen für Menschenhandel oder Sklaverei gibt 5 .<br />

Was ist ein guter kunde? Welche Fähigkeiten und eigenschaften braucht<br />

es von deiner seite, um eine gute beziehung zur sexarbei te rin aufzubauen?<br />

Was würdest du als «gute (Geschäfts-) beziehung» beschreiben?<br />

Da kann ich nur von mir selber sprechen: Ich märte nicht, ich bezahle gut, ich<br />

gehe sauber und gepflegt dorthin und verlange kein AO 6 . Ich behandle die Frauen<br />

einfach so, wie es sich gehört und so, wie ich auch gerne behandelt werden möchte.<br />

Ich habe gerne Menschen mit Witz, ich habe es gerne einigermassen sauber<br />

und schön in diesen Räumen, die Frau sollte selber auch gepflegt sein. Dann habe<br />

ich es gerne, wenn der Sex so ist, wie ich ihn gerne habe, dass sie mir einen Service<br />

anbietet, der mir auch passt.<br />

Wenn nach dem Sex beide zufrieden sind und wir es noch ein bisschen lustig<br />

haben, würde ich sagen, dass es eine gute Geschäftsbeziehung war. Auch habe ich<br />

es gerne, wenn ich die Frauen verstehe, d.h., wenn sie Englisch, Französisch, Deutsch<br />

oder Italienisch sprechen.<br />

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