VSAO JOURNAL Nr. 1 - Februar 2013
Zeit - Urologie/Geriatrie Zulassungsstopp und Ärztemangel
Zeit - Urologie/Geriatrie
Zulassungsstopp und Ärztemangel
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inhalt<br />
Titelbild: aebi, grafik & illustration, bern<br />
EDITORIAL<br />
5 Tempus fugit<br />
Politik<br />
6 Zulassungsstopp, offene Fragen<br />
7 Auf den Punkt gebracht:<br />
Zulassungsstopp trotz Ärztemangel?<br />
Weiterbildung<br />
8 Lesen lernen:<br />
Häufig ist nicht gleich häufig<br />
<strong>VSAO</strong><br />
9 Sektion Basel<br />
10 Sektion Bern<br />
11 Sektion Genf<br />
11 Sektion Graubünden<br />
13 Sektion Waadt<br />
14 <strong>VSAO</strong>-Inside<br />
16 <strong>VSAO</strong> Rechtsberatung<br />
Fokus<br />
18 Schneller und immer schneller<br />
21 Zeit, Alter und der Traum von<br />
der Unsterblichkeit<br />
23 So individuell wie das Zeitempfinden<br />
25 Das zweite Leben<br />
28 26.7 Kilometer in<br />
89 millionstel Sekunden<br />
30 Das unaufhörliche Ballett der Arten<br />
Perspektiven<br />
32 Aktuelles aus der Urologie:<br />
Neues Verständnis vom Schmerzsyndrom<br />
des Beckens<br />
35 Aus der «Praxis»:<br />
Konsensusempfehlungen zur Beurteilung<br />
der medizinischen Mindestanforderungen<br />
für Fahreignung bei kognitiver<br />
Beeinträchtigung<br />
47 Unglaubliche Fallgeschichten aus<br />
der Medizin: Die Pantoffelbehandlung<br />
Mediservice <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
48 Briefkasten<br />
49 Praxiseröffnung: Starthilfe für<br />
Neueinsteiger<br />
50 «Das SWICA Care-Management war<br />
meine Rettung»<br />
53 Pensionskasse – neue Hürden bei<br />
der Steuerplanung<br />
54 Impressum<br />
<strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
3
editorial<br />
Foto: Severin Novacki<br />
Catherine Aeschbacher<br />
Chefredaktorin <strong>VSAO</strong>-Journal<br />
Tempus fugit<br />
Der erste Monat des neuen Jahres liegt bereits hinter uns, und<br />
2012 gehört längst der Vergangenheit an. Die Welt scheint sich<br />
immer schneller zu drehen. Entsprechend stellte der deutsche<br />
Philosoph Jürgen Habermas mit Blick auf den Bildungs- und<br />
Medienbereich fest: «Hecheln ist unsere Leitgeschwindigkeit.»<br />
Dies trifft wohl nicht nur auf die angesprochenen Gebiete zu,<br />
die Beschleunigung hat die ganze Gesellschaft fest im Griff. Im<br />
Fokus befassen wir uns deshalb mit den unterschiedlichsten<br />
Aspekten von Zeit. Ludwig Heuwinkel, Soziologe und Kulturwissenschaftler,<br />
hat sich ausführlich mit Fragen nach Zeit und<br />
Beschleunigung auseinandergesetzt. Er erklärt in seinem Beitrag<br />
den Ursprung und die Folgen der Beschleunigung. Ganz<br />
andere Tempi beschäftigen den Paläontologen Hugo Bucher,<br />
dessen Forschung unvorstellbar grosse Zeiträume umfasst. Im<br />
andern Extrem bewegen sich die Wissenschaftler am Kernforschungszentrum<br />
CERN in Genf. Der Teilchenbeschleuniger<br />
lässt pro Sekunde beinahe eine Milliarde Protonen aufeinanderprallen.<br />
Dazwischen liegen die «menschlichen» Zeitbegriffe,<br />
so die unterschiedlichen Geschwindigkeiten in der Transplantationsmedizin<br />
oder die Frage nach der Unsterblichkeit in der<br />
Genetik. Und schliesslich – in der Schweiz schon fast ein Must<br />
– kommt ein Uhrmacher zu Wort, dessen eigenwillige Zeitmesser<br />
altes Handwerk in neuer Form aufleben lassen.<br />
Um Fristen geht es auch im Politikteil. Der Zulassungsstopp<br />
scheint kaum mehr abwendbar zu sein. Nun gilt es, die Details<br />
zu prüfen, damit die Bedingungen nicht erneut verschlechtert<br />
werden. Zur Diskussion steht unter anderem die Frage, in<br />
welchem Zeitraum eine Zulassung verfallen kann. Genaueres<br />
hierzu findet sich im gesundheitspolitischen Artikel. Ebenfalls<br />
mit dem Zulassungsstopp im weiteren Sinne befasst sich die<br />
Kolumne «Auf den Punkt gebracht». Die politische Sekretärin<br />
des <strong>VSAO</strong>, Rosmarie Glauser, skizziert Möglichkeiten, wie man<br />
eine sinnvolle ärztliche Versorgung im ganzen Land auch<br />
ohne Zulassungsbeschränkung erreichen könnte.<br />
In der Rubrik Weiterbildung führen wir die Kolumne «Lesen<br />
lernen» von Lukas Staub für das bessere Verständnis wissenschaftlicher<br />
Arbeiten weiter. Dieses Jahr setzt sich der Autor in<br />
Form eines kleinen Glossars mit wissenschaftlichen Begriffen<br />
auseinander. Den Anfang machen «Prävalenz» und «Inzidenz».<br />
<strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
5
Politik<br />
Gesundheitspolitik<br />
Zulassungsstopp, offene Fragen<br />
Die Wiedereinführung des Zulassungsstopps kann politisch wohl nicht mehr verhindert werden.<br />
Trotzdem hat der <strong>VSAO</strong> ein Gutachten in Auftrag gegeben, das offene Fragen wie die Verfassungsmässigkeit<br />
oder die Vereinbarkeit mit den bilateralen Verträgen klären soll.<br />
Rosmarie Glauser, Politische Sekretärin <strong>VSAO</strong><br />
Das Vernehmlassungsverfahren zur Wiedereinführung<br />
des Zulassungsstopps ist<br />
abgeschlossen. Die Vorlage wird in der<br />
Frühlingssession behandelt und soll auf<br />
April in Kraft gesetzt werden. Ob es aufgrund<br />
der Stellungnahmen im parlamentarischen<br />
Prozess noch Anpassungen geben<br />
wird, ist bei Redaktionsschluss nicht<br />
bekannt. Offen ist auf jeden Fall noch die<br />
Frist, nach welcher eine Zulassung verfallen<br />
soll, wenn von ihr nicht «Gebrauch<br />
gemacht» wird. Im Gesetzesentwurf steht,<br />
dass der Bundesrat diese Frist festlegt. Bei<br />
dem bis 2011 geltenden Zulassungsstopp<br />
betrug sie sechs Monate. Man kann davon<br />
ausgehen, dass sie im selben Rahmen<br />
festgelegt wird, aber sicher ist das nicht.<br />
Eine weitere Unsicherheit besteht bei der<br />
Frage, was unter «Gebrauch machen» zu<br />
verstehen ist. Beim letzten Zulassungsstopp<br />
gab es diesbezüglich keine Vorgaben,<br />
so dass jede irgendwie geartete Abrechnung<br />
innerhalb von jeweils sechs Monaten<br />
genügte. Unglücklicherweise hat die FMH<br />
in ihrer mündlichen Vernehmlassung<br />
verlangt, dass dieser Passus präzisiert werden<br />
müsse. Wir hoffen sehr, dass Bundesrat<br />
und Parlament darauf verzichten.<br />
Sobald die Gesetzesänderung und die<br />
bundesrätliche Verordnung definitiv sind,<br />
werden wir unsere Mitglieder in einem<br />
weiteren Newsletter informieren.<br />
Der <strong>VSAO</strong> wird mit aller Kraft versuchen,<br />
bei der definitiven Lösung, die den Zulassungsstopp<br />
nach spätestens drei Jahren<br />
ablösen soll, ein kräftiges Wort mitzureden.<br />
Es muss eine Lösung sein, die den<br />
jungen Ärztinnen und Ärzten eine echte<br />
Perspektive bietet und sie nicht behindert.<br />
Erste Ideen sind da, aber es braucht noch<br />
viel Denkarbeit. Anregungen und Ideen<br />
nehmen wir sehr gerne entgegen.<br />
Wie verändert sich der<br />
Arbeitsalltag<br />
Wir wollen es genau wissen und<br />
haben zu diesem Zweck mit den<br />
anderen Berufsverbänden der Allianz<br />
DRG-Personal ein Erhebungsraster<br />
erarbeitet.<br />
DRG, neue Spitalfinanzierung, sinkende<br />
Tarife, kantonale Sparmassnahmen – das<br />
alles zeigt Wirkung: Fallzahlen werden<br />
erhöht, Personalkosten gesenkt, Stellen<br />
werden gestrichen oder Dienste werden<br />
durch Pikettdienste ersetzt, obwohl klar<br />
ist, dass es zu Einsätzen kommt. Wo früher<br />
ein Oberarzt angestellt wurde, wird<br />
plötzlich ein stellvertretender Oberarzt<br />
gesucht, um eine Gehaltsklasse einzusparen,<br />
oder die Zeit für das Teaching fehlt,<br />
um nur einige Beispiele zu nennen. Uns<br />
interessieren diese Veränderungen, damit<br />
wir reagieren können.<br />
Wir haben vor der Einführung der neuen<br />
DRG-basierten Spitalfinanzierung zusammen<br />
mit vielen andern eine Begleitforschung<br />
gefordert, damit die Veränderungen<br />
erfasst werden und wenn nötig<br />
Gegensteuer gegeben werden kann. Bis<br />
heute gibt es keine umfassende Begleitforschung,<br />
die Auswirkungen auf das Personal<br />
sind überhaupt kein Thema.<br />
Aus diesem Grund haben die in der Allianz<br />
DRG-Personal zusammengeschlossenen<br />
Personal- und Berufsverbände beschlossen,<br />
die Veränderungen in ihrem<br />
direkten Arbeitsbereich selber zu erfassen.<br />
Wir haben zu diesem Zweck ein Erhebungsraster<br />
erarbeitet, das den <strong>VSAO</strong>-<br />
Mitgliedern im Dezember 2012 in einem<br />
Newsletter elektronisch zugestellt wurde.<br />
Das Raster kann auch auf unserer Website<br />
www.vsao.ch heruntergeladen oder online<br />
ausgefüllt werden.<br />
Wir bitten Euch, uns alle Veränderungen,<br />
die Ihr in Eurem Berufsumfeld feststellt<br />
und die mit DRG oder mit Sparmassnahmen<br />
zusammenhängen, mit diesem Raster<br />
zu melden.<br />
Ihr könnt die Veränderungen selbstverständlich<br />
auch Euren Sektionen melden.<br />
Die Präsidenten und Geschäftsstellen haben<br />
das Raster auch und werden es nach<br />
Euren Wünschen ausfüllen.<br />
Wenn es uns und den anderen Berufsverbänden<br />
gelingt, die Veränderungen auf<br />
diese Weise zu erfassen, können wir ein<br />
Schwarzbuch erarbeiten und unsere Forderungen<br />
damit untermauern. So können<br />
wir unseren Teil zu einer Begleitforschung<br />
beitragen zum Schutz der Patienten und<br />
des Personals.<br />
■<br />
Wie beeinflussen DRG und Sparmassnahmen<br />
Ihren Berufsalltag?<br />
Melden Sie uns Veränderungen im Zusammenhang mit Sparmassnahmen, DRG<br />
oder der neuen Spitalfinanzierung mittels Onlineformular auf unserer Website unter<br />
der Rubrik Gesundheitspolitik/Monitoring Allianz DRG!<br />
6 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong>
Politik<br />
Auf den PUNKT gebracht<br />
Zulassungsstopp trotz Ärztemangel?<br />
Rosmarie Glauser, Politische Sekretärin <strong>VSAO</strong><br />
Politikerinnen und<br />
Politiker beklagen auf<br />
der einen Seite die<br />
Ärzteplethora und beschliessen<br />
aus diesem<br />
Grund die Wiedereinführung<br />
des Zulassungsstopps,<br />
auf der<br />
andern Seite den Ärztemangel,<br />
dem sie mit<br />
mehr Ausbildungsplätzen<br />
begegnen wollen.<br />
Den Widerspruch<br />
erklären die Verfechterinnen<br />
und Verfechter<br />
des Zulassungsstopps<br />
mit dem Standardsatz, es handle sich um<br />
ein Problem der Verteilung, genau deswegen<br />
brauche es eine Steuerung.<br />
Was heisst das denn genau? Will man die<br />
Ärztinnen und Ärzte zwingen, im Spital<br />
zu arbeiten? Oder will man sie zwingen,<br />
Hausärzte zu werden? Oder will man Spezialisten<br />
gegen ihren Willen in Landregionen<br />
schicken? Solche Massnahmen<br />
würden den Ärztemangel nur noch weiter<br />
verstärken.<br />
Wenn wir es schaffen würden, dass Ärztinnen<br />
und Ärzte im Spital selbstbestimmter<br />
arbeiten könnten und ihre Arbeitsbedingungen<br />
endlich familienverträglich<br />
wären, würden sie auch ohne Zulassungsstopp<br />
gerne in den Spitälern arbeiten.<br />
Würden wir uns bemühen, in Grundversorgerpraxen<br />
und Medizentren attraktive<br />
Stellen, insbesondere auch Teilzeitstellen<br />
zu schaffen und die Rahmenbedingungen<br />
generell zu verbessern, würde der Beruf<br />
der Hausärztin und des Hausarztes ganz<br />
von allein wieder attraktiv. Und vielleicht<br />
ist eine Konzentration der Spezialarztpraxen<br />
in den Städten sogar ganz sinnvoll.<br />
Die geplante Zulassungssteuerung wird<br />
unsere Probleme nicht lösen. Im Gegenteil:<br />
Sie wird den Mangel an Schweizer<br />
Ärztinnen und Ärzten weiter verschärfen.<br />
Ein Beruf ist nur dann attraktiv,<br />
wenn er Zukunftsperspektiven bietet.<br />
Für viele Ärztinnen und Ärzte stellt der<br />
Arbeitsplatz Spital keine langfristige<br />
Perspektive dar, vor allem, weil die Arbeitsbedingungen<br />
vielerorts nach wie vor<br />
nicht familienverträglich sind und es oft<br />
an Wertschätzung fehlt. Die Mehrheit der<br />
Ärzte sind heute Frauen und viele von<br />
ihnen sagen offen, dass der Gang in die<br />
Praxis für sie die einzige Möglichkeit<br />
ist, Beruf und Familie verbinden zu können.<br />
Wollen wir also unseren Nachwuchs<br />
im Beruf halten, sollten wir auf<br />
den Zulassungsstopp verzichten und<br />
stattdessen für attraktive Arbeitsplätze in<br />
Spitälern und Grundversorgerpraxen<br />
sorgen.<br />
■<br />
<strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
7
weiterbildung<br />
A B C D E F ...<br />
a b c d e f ...<br />
LESEN LERNEN<br />
Häufig ist nicht gleich häufig<br />
Lukas Staub, Redaktionsmitglied <strong>VSAO</strong>-Journal<br />
In den Journalausgaben des letzten Jahres<br />
habe ich allgemeine Tipps zur effizienten<br />
Suche und Interpretation medizinischer<br />
Studien gegeben. In diesem Jahr werde ich<br />
einige grundlegende Begriffe der Epidemiologie<br />
erläutern. Auf diese Weise soll ein<br />
kleines Glossar entstehen.<br />
Den Anfang machen die beiden Häufigkeitsmasse<br />
Prävalenz und Inzidenz. Obwohl<br />
diese Kennzahlen unterschiedliche<br />
Aspekte zum Gesundheitszustand einer<br />
Population beschreiben, werden sie<br />
manchmal verwechselt.<br />
Die Prävalenz ist definiert als der Anteil<br />
einer bestimmten Population<br />
mit einer bestimmten Krankheit zu<br />
einem bestimmten Zeitpunkt. Es<br />
könnte uns zum Beispiel interessieren, wie<br />
viele Bewohnerinnen und Bewohner des<br />
Kantons Zürich am 1. Januar <strong>2013</strong> Kopfschmerzen<br />
hatten. Nehmen wir an, in<br />
einer Befragung von 2051 zufällig ausgewählten<br />
Zürcherinnen und Zürchern bejahten<br />
545 die Frage nach Kopfschmerzen<br />
an Neujahr. Die geschätzte Prävalenz für<br />
Zürich wäre dann 545/2051 = 27 Prozent.<br />
Die Prävalenz ist also ein Mass der momentanen<br />
Krankheitsbelastung einer<br />
Population.<br />
Die Inzidenz hingegen ist definiert als<br />
die Anzahl neuer Fälle einer bestimmten<br />
Krankheit während einer<br />
bestimmten Zeitperiode in einer<br />
bestimmten Population, die zu Beginn<br />
der Periode nicht erkrankt ist. Eine<br />
mögliche Frage wäre zum Beispiel, wie<br />
viele Bewohner einer Bergregion pro Jahr<br />
einen Skiunfall erleiden. Angenommen<br />
im Jahr 2011 wurden in dem Gebiet mit<br />
43 000 Einwohnern 127 Fälle gemeldet.<br />
Daraus ergibt sich eine Inzidenz von<br />
127/43 000 = 0,3 Prozent pro Jahr. Zur<br />
besseren Leserlichkeit und Vergleichbarkeit<br />
mit anderen Regionen kann dies auf<br />
eine Population von 100 000 hochgerechnet<br />
werden, was 295 Unfälle pro 100 000<br />
Einwohner/in pro Jahr ergibt. Die Inzidenz<br />
ist also Ausdruck des Krankheitsrisikos<br />
einer Population.<br />
Trotz der Unterschiede gibt es auch Zusammenhänge<br />
zwischen den beiden<br />
Kennzahlen. So ist die Prävalenz annäherungsweise<br />
gleich dem Produkt von Inzidenz<br />
und durchschnittlicher Krankheitsdauer.<br />
Wenn die Inzidenz einer Krankheit<br />
steigt, steigt auch deren Prävalenz. Wenn<br />
eine neue Behandlungsmethode gefunden<br />
wird und weniger Patientinnen und<br />
Patienten an der Krankheit sterben, steigt<br />
die Prävalenz weiter. Wenn hingegen eine<br />
Behandlung zur Heilung gefunden wird,<br />
sinkt die Prävalenz wieder. ■<br />
Feedback-Pool<br />
(D)ein kleiner, aber wertvoller<br />
Beitrag für eine gute<br />
Weiter- und Fortbildung<br />
Um im Bereich der ärztlichen Weiter- und Fortbildung Meinungen<br />
unserer Mitglieder zu einem Thema einholen zu<br />
können, wurde der Feedback-Pool eingerichtet.<br />
Macht mit, und helft dem <strong>VSAO</strong> damit, den Horizont im Ressort<br />
Weiterbildung etwas zu erweitern und Überlegungen<br />
breiter abzustützen.<br />
Weitere Infos unter www.vsao.ch und Anmeldung per E-Mail<br />
an bertschi@vsao.ch.<br />
Deine Erfahrung zählt!<br />
Visitationen bilden ein Element für das Überprüfen und Sicherstellen<br />
der Weiterbildungsqualität an einer Weiterbildungsstätte.<br />
Ein Visitationsteam, bestehend aus Vertretern des<br />
SIWF, der entsprechenden Fachgesellschaft und des <strong>VSAO</strong>,<br />
besucht die Klinik; vor Ort können die Umsetzung des Weiterbildungskonzeptes<br />
und die Verhältnisse überprüft werden. Ziel<br />
ist es, im Sinne einer positiv-konstruktiven Rückmeldung<br />
mögliche Verbesserungspotenziale zu erkennen und zu nutzen.<br />
Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte, die gerne für den<br />
<strong>VSAO</strong> Visitationen begleiten möchten, melden sich bei Béa trice<br />
Bertschi, unserer Sachbearbeiterin für Weiterbildung/Visitationen<br />
im <strong>VSAO</strong> (bertschi@vsao.ch).<br />
8 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong>
<strong>VSAO</strong><br />
Sektion BASel<br />
Rückblick und<br />
Ausblick<br />
Das neue Jahr hat begonnen. Zeit, kurz<br />
zurückzuschauen und zugleich in die<br />
Zukunft zu blicken. Das letzte Jahr war<br />
geprägt durch die Einführung der DRG<br />
sowie der Verselbständigung der Basler<br />
Spitäler USB, Felix Platter und der UPK<br />
sowie der Baselbieter Spitäler Bruderholz,<br />
Liestal und Laufen. Unsere Sektion umfasst<br />
98 Abteilungen in unterschiedlichsten<br />
Häusern von Industrie über Alternativkliniken,<br />
Universitätsspitäler und Palliativhäuser.<br />
Alle spüren den Druck durch<br />
die DRG und Wirtschaftslage.<br />
Es wird und wurde gespart, gleichzeitig<br />
gilt aufgrund der Verselbständigung nunmehr<br />
in allen Spitälern das Arbeitsgesetz.<br />
Dies bedeutet, dass keine Überzeit von<br />
Oberärzten oder Assistenzärztinnen einfach<br />
mehr gestrichen werden darf, wie dies<br />
zuvor seit Jahren üblich war. Die 80-Stunden-Regel<br />
gibt es so nicht mehr. Es gilt die<br />
50-Stunden-Woche. Das Jahr 2012 war für<br />
viele Spitäler ein Übergangsjahr, in dem<br />
die Einhaltung des Arbeitsgesetzes erst<br />
noch implementiert werden musste. <strong>2013</strong><br />
soll das Arbeitsgesetz endlich Tatsache<br />
werden. Damit dies Fakt wird und schon<br />
gar nicht mehr so viele Überstunden generiert<br />
werden, ist es uns durch Protest<br />
und Verhandlungen gelungen, dass im<br />
Universitätsspital bereits auf Ende 2012<br />
die 30 allernötigsten Arztstellen gesprochen<br />
wurden (etwa fünf Prozent des bisherigen<br />
Stellenetats). In den anderen<br />
Spitälern gibt es noch viel zu tun. Die<br />
Gespräche und allenfalls auch Proteste<br />
werden weitergeführt werden müssen.<br />
Hinzu kommen in diesem Jahr Verhandlungen<br />
über Gesamtarbeitsverträge, einerseits<br />
für das USB, das Felix-Platter und<br />
die UPK, andererseits für die öffentlichrechtlichen<br />
Spitäler im Baselbiet (Bruderholz,<br />
Liestal, Laufen). Ob es schon dieses<br />
Jahr zu einer Urabstimmung über das<br />
Verhandlungsresultat kommen wird, ist<br />
offen. Die Arbeit wird uns jedenfalls nicht<br />
ausgehen.<br />
Die Kalender füllen sich bereits jetzt, umso<br />
mehr bitte ich folgende zwei Termine zu<br />
notieren (schriftliche Einladungen folgen<br />
zu gegebener Zeit):<br />
• 15.5.<strong>2013</strong>, 18.30 Uhr, Mitgliederversammlung<br />
und im Anschluss Klinikvertretersitzung,<br />
Safranzunft, 1.Stock,<br />
Gerbergasse, Basel<br />
• 23.10.<strong>2013</strong>, 19.00 Uhr, Klinikvertretersitzung,<br />
Safranzunft<br />
Zu den Klinikvertretersitzungen laden wir<br />
die offiziellen Vertreter einer Abteilung<br />
ein. Da es nicht in allen Abteilungen solche<br />
Posten gibt, ist jedes engagierte Mitglied<br />
eingeladen, ob Assistent oder Oberärztin,<br />
von den Freuden oder Sorgen<br />
während seiner/ihrer Arbeit zu berichten.<br />
Mit den Worten unseres <strong>VSAO</strong>-Schweiz-<br />
Präsidenten Daniel Schöpfer im Dezember-Newsletter:<br />
«Der <strong>VSAO</strong> kann nur helfen<br />
und aktiv werden, wenn wir informiert<br />
sind.» Dafür dient in Basel die Klinikvertretersitzung.<br />
Es ist in diesen Runden<br />
immer wieder erfreulich, wie viel Kreativität<br />
und Erfahrungswissen unter den<br />
einzelnen Basismitgliedern vorhanden ist,<br />
und so können die ersten Probleme schon<br />
am gleichen Abend angegangen werden.<br />
Im letzten Jahr haben wir zudem auch<br />
eine neue Onlinestellenbörse www.aerzteteilzeit.ch<br />
entwickelt. Auf dieser Plattform<br />
können alle Arten von Stellen gesucht<br />
oder angeboten werden. Der Fokus liegt<br />
zwar auf Teilzeitstellen, Vollzeitstellen<br />
werden aber auch berücksichtigt. Das kostenlose<br />
Angebot steht allen <strong>VSAO</strong>-Basel-<br />
Mitgliedern zur Verfügung, die eine (Teilzeit-)Stelle<br />
in der Medizin suchen und/<br />
oder anbieten wollen. Wir freuen uns auf<br />
reges Interesse: www.aerzteteilzeit.ch. ■<br />
Sonja Truestedt,<br />
Co-Präsidentin Sektion Basel<br />
Kitaplatz gesucht – der <strong>VSAO</strong> hilft<br />
Wenn Sie einen Betreuungsplatz für Ihr Kind suchen, denken Sie daran: Seit 2011 unterstützt<br />
Ihr Verband Sie bei dieser zeitaufwendigen Aufgabe. Eine Anfrage mittels Online-Formular beim <strong>VSAO</strong> genügt und Sie<br />
erhalten Informationen zu verfügbaren Plätzen in Ihrer Wunschregion und die entsprechenden Kontaktdaten<br />
der Tagesstätten. Weitere wichtige Informationen und das Formular finden Sie unter der neuen Rubrik Arztberuf und Familie<br />
auf der <strong>VSAO</strong>-Homepage www.vsao.ch.<br />
<strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
9
<strong>VSAO</strong><br />
Sektion Bern<br />
Wochenarbeitszeit<br />
der Oberärztinnen<br />
und -ärzte im<br />
inselspital<br />
Gemäss Gesamtarbeitsvertrag für das Personal<br />
Bernischer Spitäler (GAV) beträgt<br />
die wöchentliche Arbeitszeit für Oberärztinnen<br />
und -ärzte seit Januar 2012 46<br />
Stunden. Ausserdem werden als Abgeltung<br />
für die Differenz zwischen 42 und 46<br />
Stunden zwei Kompensationswochen gewährt,<br />
die wie Ferienwochen behandelt<br />
werden (also nicht minus 46 Stunden<br />
zählen). Leider hat das Inselspital den GAV<br />
bisher nicht unterzeichnet, so dass diese<br />
Bestimmungen hier nicht gelten. Die Spitalleitung<br />
und der Verwaltungsrat des<br />
Inselspitals prüfen aber im Moment, wie<br />
und wann diese neuen Regelungen umgesetzt<br />
werden können. Dabei spielt selbstverständlich<br />
der Umstand, dass im Moment<br />
der Zusammenschluss zwischen<br />
dem Inselspital und dem Spitalnetz Bern<br />
vorbereitet wird, eine wichtige Rolle. Weitere<br />
Informationen sind für das Frühjahr<br />
<strong>2013</strong> zu erwarten.<br />
Protestaktion<br />
«So nicht»<br />
Unter dem Motto «So nicht. Nein zur Abbaupolitik»<br />
haben am 22. November 2012<br />
auf dem Berner Rathausplatz 350 Personen<br />
gegen die drohenden Sparmassnahmen im<br />
Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich<br />
protestiert. Die Kundgebung wurde vom<br />
VPOD und den Berufsverbänden SBK und<br />
<strong>VSAO</strong> organisiert. Die Grossrätinnen und<br />
Grossräte wurden mit einem Flugblatt und<br />
einem Schokolade-Sankt-Nikolaus aufgefordert,<br />
insbesondere die Sparmassnahmen<br />
bei der Erziehungsdirektion und der<br />
Gesundheits- und Fürsorgedirektion abzulehnen<br />
und die nötigen Mittel für die ursprünglich<br />
budgetierte Lohnrunde zur<br />
Verfügung zu stellen. Weitere Informationen<br />
dazu unter www.vsao-bern.ch.<br />
Der Protest<br />
geht weiter ...<br />
... und zwar am Samstag, 16. März<br />
<strong>2013</strong>, um 13.30 Uhr auf dem Bundesplatz<br />
in Bern<br />
Zusammen mit vielen anderen Berufsverbänden<br />
im Kanton Bern wollen wir an<br />
diesem Tag ein kräftiges Zeichen setzen.<br />
Der Kanton spart und spart – und zwar<br />
immer dort, wo es am wenigsten Widerstand<br />
gibt: beim Personal und bei den<br />
Patientinnen und Patienten. Doch jetzt ist<br />
genug, wir wollen uns das nicht mehr<br />
gefallen lassen. Wir fordern unter anderem<br />
Löhne, die interkantonal mithalten<br />
können, familienverträgliche und gesetzeskonforme<br />
Arbeitsbedingungen, gute<br />
Weiterbildung und genügend Zeit für die<br />
Patientinnen und Patienten.<br />
Die Löhne<br />
in den Gesundheitsberufen<br />
haben<br />
deutlichen<br />
Nachholbedarf<br />
Die Löhne der Gesundheitsberufe im Kanton<br />
Bern sind im Gehaltssystem zu tief<br />
eingereiht. Dies zeigt eine Lohnvergleichsstudie,<br />
die die Personalverbände im Dezember<br />
2012 den Medien vorgestellt haben.<br />
Weil die Löhne einiger Berufe, zum<br />
Beispiel die der Oberärztinnen und -ärzte,<br />
im Vergleich zu denen in den Nachbarkantonen<br />
deutlich hinterherhinken, verlangen<br />
die Verbände von den Arbeitgebern<br />
und dem Kanton rasche Anpassungen.<br />
Mehr unter www.vsao-bern.ch.<br />
Zusammenführung<br />
von<br />
inselspital und<br />
Spital Netz Bern<br />
Die Grundzüge des Spitalzusammenschlusses<br />
sind inzwischen bekannt. Im<br />
Projekt mit dem Arbeitstitel Stärkung Medizinstandort<br />
Bern (SMSB) hat der Verwaltungsrat<br />
Spital Netz Bern AG und Inselspital-Stiftung<br />
das künftige organisatorische<br />
und medizinische Betriebsmodell,<br />
die Führungsstruktur und die<br />
Meilensteine der Umsetzung festgelegt.<br />
Die aktuellste Medienmitteilung ist auf<br />
unserer Website www.vsao-bern.ch aufgeschaltet.<br />
■■<br />
Rosmarie Glauser,<br />
Geschäftsführerin Sektion Bern<br />
Mitgliederversammlung<br />
<strong>2013</strong><br />
Die ordentliche Mitgliederversammlung<br />
des <strong>VSAO</strong> Bern findet am<br />
Donnerstag, 18. April <strong>2013</strong>, um<br />
19.00 Uhr im Restaurant Tramdepot<br />
in Bern<br />
statt. Detailliertere Infos folgen im<br />
nächsten Journal, per Post und auf<br />
unserer Website www.vsao-bern.ch.<br />
10 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong>
<strong>VSAO</strong><br />
Sektion Genf<br />
Wechsel<br />
im Vorstand<br />
Nach drei Jahren an der Spitze der Association<br />
des Médecins d’Institutions de Genève<br />
(AMIG) bricht Dr. med. Yannick Mercier<br />
zu neuen Ufern auf. Während seiner Präsidentschaft<br />
hat er es verstanden, ausgezeichnete<br />
Beziehungen mit den Hôpitaux<br />
Universitaires de Genève (HUG) zu pflegen,<br />
dem grössten Arbeitgeber des Kantons<br />
im medizinischen Bereich. Dank<br />
dieser Zusammenarbeit wurden die Arbeitsbedingungen<br />
der Assistenz- und<br />
Oberärztinnen und -ärzte, insbesondere<br />
durch die Einführung eines neuen Reglements<br />
des medizinischen Betriebs an den<br />
HUG, verbessert. Wir danken ihm herzlich<br />
für seine Arbeit in der AMIG und wünschen<br />
ihm alles Gute für seine weitere<br />
Laufbahn.<br />
Zwei weitere Gesichter haben den Vorstand<br />
der AMIG Ende letzten Jahres ebenfalls<br />
verlassen: Dr. med. Denis Rentsch und<br />
Frau Dr. med. Sandrine Kranck. Auch<br />
ihnen sprechen wir unseren Dank für ihre<br />
wertvolle Mitarbeit im Vorstand aus. Herr<br />
Dr. Rentsch war ganze 16 Jahre im Vorstand<br />
der AMIG tätig und war damit eine<br />
der wichtigsten Persönlichkeiten in unserem<br />
Verband.<br />
Vordere Reihe: Delphine Arni, Anne-Laure Germond-Goncerut, Isabelle Eperon. Hintere<br />
Reihe: Nathalie Pozzi, Natacha Premand, Alexis Zawodnik, Andréa Rudaz, Tatiana Roiron,<br />
Yan Beauverd, Hervé Spechbach, Ebrahim Khabiri.<br />
Der heutige Vorstand zählt 17 Mitglieder<br />
aus verschiedenen Fachrichtungen. Der<br />
neue Präsident, Dr. med. Alexis Zawodnik,<br />
möchte die Arbeit seines Vorgängers weiterführen,<br />
insbesondere die Zusammenarbeit<br />
mit den HUG und die Vertretung der<br />
Interessen der Ärzte in Weiterbildung auf<br />
lokaler und eidgenössischer Ebene. ■<br />
Der Vorstand der AMIG<br />
Sektion Graubünden<br />
Der <strong>VSAO</strong> GR<br />
hat den Neustart<br />
geschafft –<br />
und wie geht<br />
es nun weiter?<br />
Liebes <strong>VSAO</strong>-Mitglied<br />
Ein bewegtes, zu Beginn arbeitsintensives,<br />
aber sehr bereicherndes Jahr 2012 ist zu<br />
Ende. Bei Amtsantritt an der ordentlichen<br />
Mitgliederversammlung Anfang 2012 hatten<br />
die neuen Vorstandskolleginnen und<br />
-kollegen und ich uns vorgenommen, die<br />
Sektion Graubünden transparenter, mitgliedernaher<br />
und effizienter als in den<br />
vergangenen Jahren zu führen.<br />
Mittels drei Mitgliederbriefen und zwei<br />
<strong>VSAO</strong>-Artikelbeiträgen hielten wir Dich<br />
regelmässig über den Stand der Vorstandsarbeiten<br />
auf dem Laufenden. An der konstruktiven<br />
ausserordentlichen Mitgliederversammlung<br />
vom 25. Juni 2012 konnten<br />
wir über die abgeschlossene Neustrukturierung<br />
der Sektion informieren: Der ehemalige<br />
Geschäftsführer war freigestellt<br />
worden; Samuel B. Nadig konnte neben<br />
seinem Engagement als Sektionsjurist<br />
auch als neuer Geschäftsführer gewonnen<br />
und erstmals seit dem Jahr 2010 konnte<br />
ein Budget genehmigt werden.<br />
Während der Geschäftsführer/Sektionsjurist<br />
im letzten Jahr zahlreiche Mitgliederanfragen<br />
bearbeitete, schuf der Vorstand<br />
die personellen Strukturen, um seine<br />
Aufgaben möglichst effizient angehen zu<br />
können. So verfügen alle Spitäler wieder<br />
über Spitalvertreterinnen und -vertreter,<br />
mit denen am 3. Oktober 2012 ein erster<br />
informativer Austausch stattfand. Weiter<br />
konnten wichtige Kontakte zu Spitalverwaltungen<br />
und anderen Berufsverbänden<br />
hergestellt sowie die der Sektion Graubünden<br />
zustehenden Plätze in der FMH-Ärztekammer<br />
besetzt werden.<br />
Nach der Umstrukturierung wurden mehrere<br />
Projekte vom Vorstand zusammen<br />
mit dem Geschäftsführer bearbeitet. Wir<br />
konnten mittels einer Stellungnahme den<br />
Inhalt eines geplanten Hausarztcurriculums<br />
mitbeeinflussen. Weiter reagierten<br />
wir auf die Neuauflage des Arbeitszeitreglements<br />
des Kantonsspitals Graubünden<br />
(KSGR) mit einem Schreiben an Dr. Arnold<br />
Bachmann, CEO des KSGR. Darin<br />
verlangten wir in sieben Forderungen die<br />
konsequente Einhaltung von Arbeitsgesetz<br />
und Obligationenrecht. Eine schriftliche<br />
Antwort des Spitals ist in Bearbeitung.<br />
Auch wurde in Zusammenarbeit mit den<br />
Spitälern pro Spital ein Spitalsteckbrief<br />
erarbeitet und auf der Website des <strong>VSAO</strong><br />
GR publiziert. Und nicht zuletzt wurden<br />
die Statuten aktualisiert und revidiert.<br />
Erfreulicherweise wurde der Vorstand an<br />
der letzten Mitgliederversammlung von<br />
vier auf sechs Mitglieder erweitert. Aufgrund<br />
einer Weiterbildungsstelle in Basel<br />
wird Elena den Vorstand Anfang <strong>2013</strong><br />
<strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
11
<strong>VSAO</strong><br />
verlassen. Hast Du Lust, in diesen spannenden<br />
Zeiten in einem begeisterten<br />
Team bereichernde Erfahrungen zu sammeln?<br />
Erkundige Dich einfach bei einem<br />
Vorstandsmitglied für einen «Schnuppertermin»<br />
in einer der nächsten Vorstandssitzungen.<br />
Du bist jederzeit herzlich willkommen!<br />
Trotz dem grossen Arbeitsaufwand gelang<br />
es uns, die Sektion effizient und kostengünstig<br />
zu führen. Auf den von der ehemaligen<br />
Präsidentin eingereichten Unterstützungsbeitrag<br />
vom <strong>VSAO</strong> Schweiz von<br />
jährlich CHF 30 000 können wir im Jahre<br />
<strong>2013</strong> voraussichtlich bereits wieder verzichten!<br />
Obwohl nicht alles klappte – zum Beispiel<br />
war eine Mitgliederumfrage zum Thema<br />
Weiterbildung aus konzeptionellen Gründen<br />
und mangels Rücklauf nicht auswertbar<br />
– ist der <strong>VSAO</strong> Graubünden nach dem<br />
Neustart wieder bekannt, gefragt und respektiert.<br />
In den kommenden Jahren können<br />
wir uns somit der Umsetzung der<br />
50-Stunden-Woche inklusive 8 Stunden<br />
qualitativ guter Weiterbildung sowie der<br />
administrativen Entschlackung der ärztlichen<br />
Arbeit widmen.<br />
Damit wir diese Ziele erreichen, braucht<br />
es auch Deinen Einsatz! Mit Deinem Mitwirken<br />
– sei es als Teilnehmer an der<br />
Mitgliederversammlung, als Spitalvertreterin<br />
oder sogar als Vorstandsmitglied –<br />
und Deinem Feedback erleichterst Du die<br />
Vorstandsarbeit sehr. Nur so wird es dem<br />
<strong>VSAO</strong> GR gelingen, Deine Interessen wirksam<br />
zu vertreten.<br />
Im Namen sämtlicher Vorstandsmitglieder<br />
bedanke ich mich für das ausgesprochene<br />
Vertrauen. Ich darf auf ein interessantes,<br />
ereignis- und lehrreiches 2012<br />
zurückblicken. Ich wünsche mir, dass der<br />
neue Schwung in der Sektion Graubünden<br />
durch Dich aufgenommen und weitergetragen<br />
wird. Regelmässig erleben wir: Es<br />
braucht einen aktiven <strong>VSAO</strong>. Aber auch<br />
das Umgekehrte gilt: Der <strong>VSAO</strong> braucht<br />
aktive Mitglieder! Bist Du oder wirst Du<br />
eines davon?<br />
Ich freue mich auf ein Kennenlernen oder<br />
Wiedersehen.<br />
■<br />
Herzliche Grüsse<br />
Stefan Greuter<br />
Präsident <strong>VSAO</strong> Graubünden
<strong>VSAO</strong><br />
Sektion Waadt<br />
Bericht über<br />
die ordentliche<br />
Mitgliederversammlung<br />
vom<br />
22. November<br />
2012<br />
1. Vorstand<br />
Die Mitgliederversammlung vom 22. November<br />
2012 hat einen neuen Vorstand<br />
gewählt, dessen Zusammensetzung unter<br />
www.asmav.ch abrufbar ist.<br />
Der scheidende Präsident und die anlässlich<br />
der Mitgliederversammlung neu gewählte<br />
Präsidentin, Anja Zyska Cherix,<br />
haben die Übergabe der Amtsgeschäfte<br />
auf den 1. <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong> festgelegt. Damit<br />
können laufende Projekte zu Ende geführt<br />
und eine reibungslose Übergabe der aktuell<br />
vom Verband bearbeiteten Dossiers sichergestellt<br />
werden.<br />
2. Generalsekretariat<br />
Um die Arbeit des Vorstands zu unterstützen,<br />
hat dieser beschlossen, die Stelle eines<br />
Generalsekretärs zu schaffen. Dessen<br />
Hauptfunktion wird es sein, das operationelle<br />
Geschäft des Verbandes zu führen.<br />
Die Funktion wird ab dem 1. <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />
von Fürsprecher Patrick Mangold besetzt.<br />
Er ist bereits seit 2009 Rechtsberater des<br />
Verbandes und hat sich einverstanden<br />
erklärt, vermehrt für die Asmav tätig zu<br />
sein.<br />
3. Mitgliederbeiträge<br />
Aufgrund der stetigen Zunahme der Arbeitslast<br />
im Vorstand und wegen der<br />
Schaffung des Postens des Generalsekretärs<br />
hat die Mitgliederversammlung einer<br />
Erhöhung der Mitgliederbeiträge für das<br />
Jahr <strong>2013</strong> von CHF 80.– auf 90.– zugestimmt.<br />
Für die Passivmitglieder wird der<br />
Beitrag von CHF 50.– auf 55.– ansteigen.<br />
Auch wenn sie sich bewusst ist, dass eine<br />
solche Erhöhung eine zusätzliche finanzielle<br />
Belastung für die Mitglieder sein<br />
kann, hat sich die Mitgliederversammlung<br />
mit dieser Massnahme für eine Unterstützung<br />
der Arbeit des Vorstandes<br />
ausgesprochen. Damit können sämtliche<br />
Aktivitäten des Verbandes aufrechterhalten<br />
werden.<br />
4. Corporate Design<br />
An der Mitgliederversammlung hat der<br />
Vorstand das neue, anlässlich der MV 2011<br />
beschlossene Corporate Design des Verbandes,<br />
vorgestellt. Diese neuen Leitlinien<br />
betreffen sämtliche Publikationen des<br />
Verbandes sowie seine Website, die bei dieser<br />
Gelegenheit grundlegend überarbeitet<br />
wurde. Das neue Corporate Design ermöglicht<br />
es auch, einen elektronischen Newsletter<br />
zu produzieren, der wesentliche<br />
Einsparungen bei den Druck- und Versandkosten<br />
möglich macht.<br />
5. Budget 2012/<strong>2013</strong><br />
Der Vorstand des Verbandes hat ein ausgeglichenes<br />
Betriebsbudget vorgestellt.<br />
Dieses wurde von der Mitgliederversammlung<br />
angenommen. Ein ausserordentliches<br />
Budget für allfällige politische Aktionen<br />
wurde ebenfalls genehmigt.<br />
Stellenportal<br />
unter<br />
www.asmav.ch<br />
Das Stellenportal unter www.asmav.ch hat<br />
ein neues Gesicht bekommen! Es ist die<br />
erste Internetplattform mit Stellenangeboten<br />
für Assistenz- und Oberärzte in der<br />
Westschweiz.<br />
Die Darstellung wurde überarbeitet, um<br />
• die Lesbarkeit zu verbessern,<br />
• die Benutzung zu vereinfachen,<br />
• eine verbesserte Druckversion <br />
anzubieten.<br />
Es besteht neu auch die Möglichkeit, für<br />
bestimmte Stelleninserate das PDF-Dokument<br />
mit dem Inserat herunterzuladen.<br />
Sie finden den Stellenanzeiger auf der<br />
Website der ASMAV: www.asmav.ch<br />
Zugriff: Menu principal à Offres d’emplois<br />
Praxisassistenz:<br />
Angebot<br />
Im Kanton Waadt werden zurzeit 18 Praxisassistenzstellen<br />
angeboten, die entweder<br />
für sechs Monate zu 100 Prozent oder<br />
für ein Jahr zu 50 Prozent besetzt werden<br />
können. Zwölf Stellen werden im Waadtländer<br />
Programm angeboten, sechs Stellen<br />
in regionalen Programmen, d.h. vier<br />
Stellen vom ForOm NV im Nord vaudois<br />
und zwei Stellen vom FormOL (Formation<br />
Ouest Lémanique) in der Region Nyon.<br />
Diese Weiterbildung ist im Rahmen des<br />
Weiterbildungsprogramms Allgemeine<br />
Innere Medizin anerkannt. Unterstützt<br />
wird dieses Angebot von der ASMAV, den<br />
politischen Behörden und den akademischen<br />
Institutionen. Es soll dazu beitragen,<br />
den drohenden Ärztemangel abzuwenden.<br />
Wie kann ich mich einschreiben?<br />
Dazu brauchen Sie einen anerkannten<br />
Lehrpraktiker und eine Finanzierung.<br />
Wo finde ich einen Lehrpraktiker?<br />
Auf der Website der FMH: www.fmh.ch<br />
Zugriff: Weiterbildung allgemein à Weiterbildungsstätten/Arztpraxen<br />
à Liste der<br />
Grundversorgerpraxen<br />
Wo finde ich eine Finanzierung?<br />
Die Praxisassistenz findet im Rahmen der<br />
Weiterbildung in Hausarztmedizin statt.<br />
Die Verantwortlichen des Cursus Romand<br />
de Médecine Générale (Westschweizer<br />
Studiengang in Allgemeiner Medizin)<br />
können Sie beraten und über die verschiedenen<br />
bestehenden Angebote informieren.<br />
Die Website www.devenirgeneraliste.ch ist<br />
in diesem Zusammenhang von grossem<br />
Nutzen.<br />
Alles in allem bestehen also drei<br />
Möglichkeiten im Kanton Waadt:<br />
Das Waadtländer Programm «Assistanat<br />
au cabinet du praticien» (Dr. med. Patrick<br />
Cuénoud: patrickcuenoud@gmail.com.)<br />
Die regionalen Angebote mit Weiterbildungsstellen<br />
im Spital und in der Privatpraxis:<br />
ForOm NV – Etablissements hospitaliers<br />
du Nord vaudois (Dr. med. Olivier Pasche:<br />
olivier.pasche@ehnv.ch)<br />
FormOL – Nyon (Dr. med. Pierre Raimondi:<br />
piraim@hotmail.com)<br />
Die Stiftung zur Förderung der Weiterbildung<br />
in Hausarztmedizin (www.whmfmf.ch)<br />
Der Vorstand der Sektion Waadt<br />
<strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
13
<strong>VSAO</strong><br />
-Inside<br />
Kristina Tänzler<br />
Wohnort: Bern<br />
Im <strong>VSAO</strong> seit: <strong>VSAO</strong> Sektion Bern<br />
seit 2008, im Geschäftsausschuss<br />
VSAQ Schweiz seit 2010<br />
Funktion im <strong>VSAO</strong>:<br />
Geschäftsausschussmitglied,<br />
Ressortleiterin Arbeitsbedingungen,<br />
Vorstandsmitglied Sektion<br />
Bern, Standeskommission<br />
Arbeitsort und Funktion:<br />
Oberärztin am Inselspital Bern<br />
Der <strong>VSAO</strong> für dich in drei Worten:<br />
Engagement, Notwendigkeit,<br />
Mitgliedernähe<br />
Nach ihrem Medizinstudium an der Universität<br />
in Bern, startete Kristina ihre Assistenzzeit<br />
am Tiefenau-Spital auf der<br />
chirurgischen Abteilung. Danach wechselte<br />
sie dort auf die Innere Medizin. Seit<br />
Herbst 2008 ist sie als Internistin im Inselspital<br />
Bern tätig und seit 2010 Oberärztin,<br />
aktuell zu 50 Prozent im Jobsharing.<br />
Im <strong>VSAO</strong> Schweiz engagiert sie sich im<br />
Geschäftsausschuss und leitet das Ressort<br />
Arbeitsbedingungen. Zusätzlich ist sie in<br />
der Sektion Bern als Vorstandsmitglied<br />
und Spitalvertreterin des Inselspitals aktiv.<br />
Dort arbeitet sie beispielsweise in verschiedenen<br />
Nachfolgekommissionen für neu<br />
zu besetzende Chefarztposten mit. Für<br />
ihre Tätigkeit beim <strong>VSAO</strong> hat sie sich aus<br />
persönlichen und beruflichen Gründen<br />
entschieden. Ungerechtigkeiten im Spital<br />
führten dazu, dass sie sich erst in der<br />
Sektion Bern und anschliessend im <strong>VSAO</strong><br />
Schweiz einsetzte. Ihr grösster Wunsch<br />
wäre einerseits, dass bei Ärztinnen und<br />
Ärzten in den Spitälern als Minimum das<br />
Arbeitsgesetz eingehalten werden könnte,<br />
und andererseits, dass Jobsharing oder<br />
andere familienverträgliche Arbeitszeitmodelle<br />
auch für Kaderstellen möglich<br />
gemacht würden, unabhängig vom Geschlecht.<br />
Damit wäre ein grosser Schritt<br />
in Richtung familienfreundliches Arbeiten<br />
gemacht. Bei ihren Aufgaben schätzt<br />
sie vor allem die Teamarbeit. Die verschiedenen<br />
Meinungen, die in den Diskussionen<br />
eingebracht werden, empfindet sie<br />
motivierend und inspirierend. Sie hat das<br />
Gefühl, dass schliesslich die Entscheidungen<br />
basisdemokratisch gefällt und durch<br />
den guten Austausch an den Sitzungen<br />
stets auch gemeinsam getragen werden.<br />
In ihrer Freizeit widmet sich Kristina am<br />
liebsten ihrer Familie, vor allem ihrer<br />
kleinen Tochter Lucy. Daneben arbeitet sie<br />
in ihrem Garten, in dem sie übers Jäten<br />
bis zum Einpflanzen alles gerne macht.<br />
Auf die Frage nach einer Anekdote aus<br />
dem «Berufsalltag» im <strong>VSAO</strong>, berichtete<br />
sie darüber, dass sie ihre Tochter mangels<br />
Babysitter an eine GA-Sitzung mitnehmen<br />
musste. Die positiven Reaktionen und der<br />
reibungslose Ablauf der Sitzung haben sie<br />
sehr gefreut und bewiesen, dass die Vereinbarkeit<br />
von Familie und Beruf sehr<br />
wohl möglich sei.<br />
■<br />
14 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong>
<strong>VSAO</strong><br />
Susanne Gasser<br />
Wohnort: Münsingen, zusammen<br />
mit ihren beiden Töchtern<br />
Im <strong>VSAO</strong> seit: April 2002<br />
Funktion im <strong>VSAO</strong>:<br />
Leiterin Buchhaltung<br />
Der <strong>VSAO</strong> für dich in drei Worten:<br />
dynamisch, am Puls der Zeit, offen<br />
Susanne startete in ihre berufliche Laufbahn<br />
mit einer kaufmännischen Lehre in<br />
einem Treuhandbüro. Die Zahlen faszinierten<br />
sie also schon früh. Deshalb<br />
schloss sie eine Weiterbildung zur Buchhalterin<br />
mit eidgenössischem Fachausweis<br />
ab und arbeitete darauf in einem anderen<br />
Treuhandbüro. Schliesslich war sie während<br />
sechs Jahren Finanzverantwortliche<br />
im graphischen Gewerbe, bevor sie zum<br />
<strong>VSAO</strong> wechselte. Im Zentralsekretariat<br />
trägt sie die Verantwortung für die gesamte<br />
Buchhaltung sowie für das Lohn- und<br />
Personalwesen. Auf die Frage, wieso sie sich<br />
für den <strong>VSAO</strong> und ihr Berufsfeld entschieden<br />
hat, meint Susanne, dass für viele<br />
Menschen Zahlen ein Gräuel seien, für sie<br />
aber einfach nur logisch. Sie böten die<br />
Möglichkeit, diverse Begebenheiten auf<br />
verschiedene Sichtweisen zu analysieren.<br />
Nach zehn Jahren im <strong>VSAO</strong> sei natürlich<br />
vieles Routine und doch überhaupt nicht<br />
langweilig. Dazu tragen in ihren Augen die<br />
stets neuen und spannenden Aktivitäten<br />
des <strong>VSAO</strong> bei, die auch die Zahlen in «neuen<br />
Bildern» erscheinen lassen. Neben der<br />
Arbeit treibt Susanne vor allem sehr viel<br />
Sport und verbringt gerne Zeit mit ihrer<br />
Familie. Schwimmen, Joggen, Tennis und<br />
Skifahren gemeinsam mit ihren Töchtern<br />
sind ihr am liebsten. Ausserdem erteilt sie<br />
zusätzlich Schwimmunterricht für Kinder.<br />
Für die Zukunft wünscht sich Susanne<br />
eine gute Gesundheit und, dass sie ihren<br />
Kindern in allen Situationen den nötigen<br />
Halt und die Unterstützung bieten kann,<br />
die sie brauchen.<br />
■
<strong>VSAO</strong><br />
§<br />
Rechtsberatung<br />
Samuel B. Nadig,<br />
Geschäftsführer und Sektionsjurist<br />
<strong>VSAO</strong> Graubünden<br />
Ich bin Assistenzärztin auf<br />
der Gynäkologie im Spital<br />
O. Nach meinem Mutterschaftsurlaub<br />
habe ich wieder<br />
zu arbeiten begonnen.<br />
Mein Kind ist aber oft<br />
krank, und die Kindertagesstätte<br />
weigert sich<br />
dann, es zu betreuen.<br />
Was kann ich tun?<br />
Der Arbeitgeber hat auf Arbeitnehmerinnen<br />
und Arbeitnehmer mit Familienpflichten<br />
besonders Rücksicht zu nehmen.<br />
Als Familienpflichten gelten die<br />
Erziehung von Kindern bis 15 Jahren sowie<br />
die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger<br />
oder nahestehender Personen.<br />
Im Falle der Erkrankung Ihres Kindes gilt<br />
folgende Regelung: Als Arbeitnehmerin<br />
(und natürlich auch als Arbeitnehmer)<br />
haben Sie das Recht, bis zu drei Tage für<br />
die Pflege und Betreuung ihres kranken<br />
Kindes von ihrer Arbeitspflicht entbunden<br />
zu werden. Dieser Anspruch trägt dem<br />
Umstand Rechnung, dass es für Alleinerziehende<br />
und Berufstätige schwierig ist,<br />
kurzfristig die Betreuung eines kranken<br />
Kindes sicherzustellen. Diese Regelung<br />
ergeht aus dem Arbeitsgesetz und ist eine<br />
zwingende Vorschrift, die nicht zuungunsten<br />
der Arbeitnehmerin abgeändert<br />
werden darf. Der Arbeitgeber darf selbstverständlich<br />
von Ihnen ein ärztliches<br />
Zeugnis für das Kind verlangen. Einen<br />
weitergehenden Beweis etwa über fehlende<br />
Betreuungsalternativen ist für die höchstens<br />
dreitägige Freistellung aber nicht<br />
erforderlich. Die drei Tage gelten pro<br />
Krankheitsfall, und es sind drei Arbeitstage<br />
damit gemeint. Eine 50%-Teilzeitanstellung<br />
berechtigt somit nicht, für 6 Tage<br />
freigestellt zu werden. Sie haben jedoch<br />
bei jeder neuen Erkrankung ihres Kindes<br />
wiederum Anspruch höchstens drei Arbeitstage<br />
von der Arbeitspflicht entbunden<br />
zu werden.<br />
Die betreffende Arbeit ist nicht nachzuholen<br />
und darf nicht mit dem Ferienguthaben<br />
verrechnet werden. Sofern Sie als Arbeitnehmerin<br />
nachweisen können, dass<br />
Sie auch für die über drei Tage hinausgehende<br />
Zeit keine andere Möglichkeit finden<br />
konnten, als das kranke Kind selber<br />
zu betreuen, sind Sie grundsätzlich auch<br />
für diese Zeit freizustellen. Dieser Nachweis<br />
wird jedoch nur in Ausnahmefällen<br />
möglich sein.<br />
Die Entlöhnung dieser Ausfalltage ist<br />
nicht Gegenstand des Arbeitsgesetztes,<br />
sondern ist in Ihrem Fall arbeitsvertraglich<br />
geregelt. Die Krankheit eines Angehörigen<br />
gilt wie eine Verhinderung der Arbeitsleistung<br />
des Arbeitnehmers. Ihr Lohn<br />
muss Ihnen daher bezahlt werden, wenn<br />
Ihre diesbezüglichen Ansprüche nicht<br />
schon ausgeschöpft sind. Mit anderen<br />
Worten: Ob Sie trotz Nichterbringung der<br />
Arbeitsleistung einen Lohn erhalten, bestimmt<br />
sich nach dem Obligationenrecht<br />
oder nach den im öffentlich-rechtlichen<br />
Arbeitsverhältnis anwendbaren Bestimmungen.<br />
Grundsätzlich ist ein Arbeitsverhältnis<br />
von einer gewissen Dauer erforderlich.<br />
Liegt ein solches vor, besteht für eine<br />
gewisse Zeit eine Lohnfortzahlungspflicht<br />
des Arbeitgebers, die aber – gleich wie im<br />
Fall der Erkrankung der Arbeitnehmerin<br />
selbst – abhängig vom Dienstalter der<br />
Arbeitnehmerin zeitlich befristet ist. ■<br />
16 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong>
fokus<br />
Schneller und immer schneller<br />
Beschleunigung ist ein Wesensmerkmal moderner Gesellschaften. Die Erhöhung des Tempos hat<br />
ihren Preis: Viele Menschen leiden zunehmend unter Stress bedingten Erkrankungen. Anderseits ist<br />
Beschleunigung auch Garant einer Wohlstandsgesellschaft und wird deshalb in Kauf genommen.<br />
Anzustreben wäre jedoch ein Ausgleich zwischen materiellem Wohlstand und Zeitwohlstand.<br />
Ludwig Heuwinkel, Dr. phil., Dozent am Westfalen-Kolleg Bielefeld<br />
Beschleunigung kann als Mengenwachstum<br />
pro Zeiteinheit definiert werden. Das<br />
heisst beispielsweise, wenn früher der<br />
Transport eines bestimmten Gutes von A<br />
nach B zehn Stunden erforderte und heute<br />
die Transportdauer auf eine Stunde<br />
gesunken ist, ergibt sich rechnerisch eine<br />
Zeitersparnis von neun Stunden und damit<br />
tendenziell eine Entschleunigung<br />
individueller und gesellschaftlicher Lebensverhältnisse.<br />
In der Realität ist aber<br />
die Menge der zu transportierenden Güter<br />
um einiges stärker angewachsen als die<br />
Steigerung der Geschwindigkeit. Hierdurch<br />
wird heute für den Transport mehr<br />
Zeit benötigt, wodurch sich tendenziell<br />
eine Beschleunigung ergibt.<br />
Beispiele für<br />
Beschleunigung<br />
Im Bereich der Wirtschaft, die der wichtigste<br />
Beschleunigungsverursacher in der<br />
Moderne ist, kann als Beispiel für die<br />
Beschleunigung die Verkürzung der<br />
Produktlebenszyklen angeführt werden.<br />
Dieser Begriff zeigt, dass ein Produkt auf<br />
dem Markt eine bestimmte Lebensdauer<br />
hat. Typisch für die heutige Wirtschaft ist,<br />
dass sich die Produktlebenszyklen in vielen<br />
Bereichen wie z.B. Mode oder Automobil-<br />
und EDV-Branche deutlich verkürzen.<br />
Als ein Beispiel für die Dynamisierungsprozesse<br />
im Bereich der EDV-Branche wird<br />
häufig das so genannte Mooresche Gesetz<br />
zitiert. Es basiert auf der Beobachtung des<br />
Ingenieurs Gordon Moore und besagt,<br />
dass sich die Computerleistung alle 18<br />
Monate verdoppelt. Während der erste Mikrochip<br />
mit maximal 740 Kilohertz rechnete,<br />
liegt der aktuelle Standard bei drei<br />
Gigahertz, was einer Steigerung um mehr<br />
als das 4000fache entspricht.<br />
Einige weitere Beispiele für Beschleunigungsprozesse<br />
aus anderen Bereichen:<br />
––<br />
Bücher verweisen bereits im Titel auf<br />
die kurze Lesezeit, die für die Lektüre<br />
erforderlich ist: «Gute-Nacht-Geschichten<br />
für eine Minute», «Kant in 90 Minuten»,<br />
«Zeitmanagement in 30 Minuten»,<br />
«Die schnelle Stunde: Allgemeinwissen».<br />
––<br />
Power-Nap: Form einer zeitbeschleunigten<br />
Regeneration durch zeitoptimierten<br />
Kurzschlaf.<br />
––<br />
Sport: Das Interesse an Sportrekorden<br />
kommt in der Neuzeit erst im ausgehenden<br />
19. Jahrhundert auf; seitdem<br />
hängen «gute» Leistungen vor allem<br />
von der Stoppuhr ab.<br />
––<br />
Die amerikanische Schlaf-Stiftung<br />
schätzt, dass die durchschnittliche<br />
Schlafzeit im Laufe der Jahrhunderte<br />
um zwanzig Prozent gesunken sei.<br />
––<br />
Multitasking und Simultanten: Sowohl<br />
im privaten als auch im beruflichen<br />
Bereich ist die Tendenz feststellbar, dass<br />
immer mehrere Tätigkeiten simultan<br />
ausgeführt werden.<br />
Ursachen der<br />
Beschleunigung<br />
Als zentrale Triebfeder gesellschaftlicher<br />
Beschleunigungsprozesse ist der von Adam<br />
Smith theoretisch begründete Wirtschaftsliberalismus<br />
herauszustellen (vgl. hierzu<br />
u.a. Heuwinkel 2004 und 2006). Der für<br />
den «Wohlstand der Nationen» ausfindig<br />
gemachte Egoismus des Einzelnen befördert<br />
– weitestgehend frei von staatlicher<br />
Lenkung – das Gewinnstreben des Unternehmers.<br />
Die von persönlichen Bedürfnissen<br />
losgelöste Produktion konzentriert sich<br />
auf den anonymen Markt, eine natürliche<br />
Produktionsgrenze existiert nicht mehr.<br />
Die Arbeiter werden einseitig unter dem<br />
Aspekt als Mittel zur Gewinnsteigerung<br />
betrachtet. Um die Gewinnmaximierung<br />
langfristig zu garantieren, müssen die<br />
Unternehmer ihre Produktion ausweiten<br />
und/oder die menschliche Arbeitskraft<br />
effizienter ausnutzen.<br />
Benjamin Franklin hat mit seiner bekannten<br />
Feststellung «Zeit ist Geld» die<br />
das Industriezeitalter kennzeichnende<br />
Zeitauffassung prägnant zum Ausdruck<br />
gebracht. Max Weber hat als Zeitimpe rative<br />
der protestantischen Ethik das Verschwendungsgebot<br />
und das Effizienzsteigerungsgebot<br />
identifiziert. Und schliesslich<br />
zielten und zielen der Taylorismus<br />
und der Fordismus durch die effiziente<br />
Nutzung der Zeit sowie durch einen rigid<br />
geplanten Arbeitsablauf auf eine einseitige<br />
Steigerung der materiellen Produktion<br />
ab.<br />
In der Gegenwart werden die wirtschaftlichen<br />
Beschleunigungsprozesse insbesondere<br />
durch die internationalen Finanzströme<br />
geprägt. Im Zeitalter der internationalen<br />
elektronischen Vernetzung aller<br />
grossen Finanzmärkte können im so genannten<br />
Hochfrequenzhandel per Mausklick<br />
in Sekundenschnelle Milliardenbeträge<br />
um die Erdkugel transferiert werden.<br />
Teilweise sind bestimmte Transfers bereits<br />
automatisch im Computer vorprogrammiert,<br />
um so in Bruchteilen von Sekunden<br />
durch schnelles Reagieren Gewinne zu<br />
realisieren. In 150 Millisekunden – das<br />
entspricht dem Wimpernschlag eines<br />
Menschen – können die Computer der<br />
Deutschen Börse fast 300 Aufträge ausführen.<br />
Die Risiken und die Unkontrollierbarkeit<br />
dieses Hochfrequenzhandels<br />
wurden am 6. Mai 2010 deutlich, als der<br />
Dow-Jones-Index innerhalb von 20 Minuten<br />
um fast 1000 Punkte absackte und in<br />
dieser Zeit ca. 1,3 Milliarden Aktien verkauft<br />
wurden. Einige Aktien verloren bis<br />
zu 99 Prozent ihres Wertes (vgl. hierzu<br />
Dettmer u.a. 2012, 62).<br />
Neben den primär ökonomischen Faktoren,<br />
die hier als Ursachen für die Dynamik<br />
gesellschaftlicher Veränderungen skizziert<br />
worden sind, gibt es noch weitere<br />
Faktoren und Sichtweisen, mit denen gesellschaftliche<br />
Beschleunigungsprozesse<br />
erklärt werden. Der Philosoph Hans Blu-<br />
18 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong>
fokus<br />
––<br />
Grundsätzliche Erweiterung individueller<br />
und gesellschaftlicher Optionen.<br />
Negative Folgen der Beschleunigung<br />
––<br />
wachsender Zeitdruck und Zeitstress<br />
––<br />
psychische und physische Erkrankungen;<br />
Gefühl der Überforderung<br />
––<br />
Verunsicherung angesichts des beschleunigten<br />
sozialen Wandels über die<br />
individuelle und gesellschaftliche Zukunft<br />
––<br />
Missachtung natürlicher Rhythmen<br />
und Gefährdung der Umwelt.<br />
menberg führt die Öffnung der Zeitschere<br />
zwischen der – aus der Sicht des Individuums<br />
– unendlichen Weltzeit und der<br />
begrenzten individuellen Lebenszeit als<br />
Erklärung dafür an, dass die Menschen<br />
im Laufe ihres Lebens vor einem elementaren<br />
Konflikt stehen: «Immer weniger<br />
Zeit für immer mehr Möglichkeiten und<br />
Wünsche.» (Blumenberg 2001, 73) Als<br />
Ausweg bleibe den Menschen eine durch<br />
Aktivitätssteigerungen und Beschleunigung<br />
geprägte Lebensführung.<br />
Auswirkungen der<br />
Beschleunigung<br />
Der amerikanische Psychologe Robert<br />
Levine stellt bezogen auf die westlichen<br />
Industrieländer mit ihrem schnelleren<br />
Lebenstempo fest, dass «Menschen in einer<br />
schnelleren Umgebung … stärker<br />
potentiell gesundheitsschädlichem Stress<br />
ausgesetzt [sind], was sich etwa in einer<br />
höheren Anzahl koronarer Herzerkrankungen<br />
zeigt, aber es ist auch wahrscheinlicher,<br />
dass sie einen komfortablen Lebensstandard<br />
erreichen und, wenigstens<br />
teilweise aus diesem Grunde, insgesamt<br />
mit ihrem Leben zufriedener sind.» (Levine<br />
1999, 276).<br />
Ebenso wie Levine werden von den Zeitforschern<br />
die Auswirkungen der Beschleunigungsprozesse<br />
als ambivalent eingeschätzt.<br />
Die wichtigsten von ihnen vorgebrachten<br />
Argumente lassen sich wie folgt<br />
zusammenfassen:<br />
Positive Folgen der Beschleunigung<br />
––<br />
höherer materieller Wohlstand; bessere<br />
Versorgung mit preiswerten Massenkonsumgütern<br />
––<br />
Erweiterung der Informations- und<br />
Kommunikationsmöglichkeiten<br />
Vermeidung der<br />
negativen Folgen<br />
Handlungsalternativen zum Umgang mit<br />
der Zeit in der Beschleunigungsgesellschaft<br />
können sowohl auf der individuellen<br />
als auch auf der gesellschaftlichen Ebene<br />
aufgezeigt werden. Bezogen auf die erstere<br />
Ebene sollten Individuen angeregt werden,<br />
über ihren Umgang mit der Zeit nachzudenken<br />
sowie sich mit Fragen des Zeitbewusstseins<br />
und -erlebens intensiver auseinanderzusetzen.<br />
Auf diese Weise gelangten<br />
sie zu einem zufriedenstellenden Ergebnis<br />
zwischen Arbeit und Freizeit und würden<br />
hierdurch zugleich Zeit für andere, z.B.<br />
politische, kulturelle oder sportliche Aktivitäten<br />
«gewinnen». Ziel einer kritischen<br />
Auseinandersetzung mit den individuellen<br />
Zeitbedingungen wäre die Gewinnung von<br />
mehr Zeitkompetenz und Zeitsouveränität.<br />
Diese Zielsetzungen sind nur sehr eingeschränkt<br />
vereinbar mit den Ratschlägen<br />
des traditionellen Zeitmanagements mit<br />
ihrer einseitigen Ausrichtung an Effektivitätsgesichtspunkten.<br />
«Es ist nicht die grosse<br />
Zeitfreiheit, in die die Ratschläge und<br />
Hinweise derjenigen führen, die auftreten,<br />
als wüssten sie wie man es richtig macht.<br />
Im Gegenteil ist es die Tyrannis des Zeit-<br />
Bewirtschaftungsprinzips und die des Terminkalenders<br />
bei denen man schliesslich<br />
landet.» (Geissler 2012, S. 184)<br />
Auf der gesellschaftlichen Ebene ist neben<br />
der politischen Ebene vor allem die wirtschaftliche<br />
Ebene relevant. Hierbei ist als<br />
oberste Zielsetzung beim Umgang mit Zeit<br />
eine stärkere Berücksichtigung von qualitativen<br />
Aspekten in der Produktion (z.B.<br />
Haltbarkeit und Nutzungsdauer) und<br />
beim Konsum anzustreben. Zudem kann<br />
bezogen auf das Ziel einer nachhaltigen<br />
Wirtschaftsentwicklung auf die Notwendigkeit<br />
verwiesen werden, dass wirtschaft-<br />
<strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
19
fokus<br />
liches Handeln auch die Eigenzeiten (Regenerationszeiten)<br />
und Rhythmen der<br />
Natur zu berücksichtigen hat.<br />
Um den negativen Folgen der gesellschaftlichen<br />
Beschleunigungsprozesse<br />
eine positive Zielsetzung gegenüberzustellen,<br />
ist die Unterstützung des Zeitwohlstands<br />
als wichtiges persönliches und<br />
gesellschaftliches Ziel durch Zeitpolitik,<br />
Bildung und entsprechende Aufklärungsarbeit<br />
erforderlich. Neben das traditionelle<br />
Ziel Güterwohlstand sollte heute das<br />
gleichberechtigte Ziel Zeitwohlstand gestellt<br />
werden. Dabei ist der zur Verfügung<br />
stehende Umfang an freier Zeit eine notwendige,<br />
aber kein hinreichende Voraussetzung<br />
für Zeitwohlstand und Zeitsouveränität.<br />
Denn Voraussetzung hierfür sind<br />
auch die Möglichkeit, Bereitschaft und<br />
Fähigkeit, die eigene Zeit bewusst, abwechslungsreich<br />
und gezielt gestalten zu<br />
können. Hierzu gehören neben den entsprechenden<br />
materiellen Faktoren auch<br />
bestehende Sozialkontakte und eine intakte<br />
Ökologie.<br />
■<br />
Benutzte Literatur:<br />
Blumenberg, Hans (2001): Lebenszeit und Weltzeit,<br />
Frankfurt/M.: suhrkamp<br />
Dettmer, Markus; Schmundt, Hilmar und Tietz,<br />
Janko (2012): Hertz ist Trumpf. In: DER SPIE-<br />
GEL 10/2012 v. 5.3.2012, S. 62f.<br />
Geissler, Karlheinz A. (2012): Enthetzt Euch!<br />
Weniger Tempo - mehr Zeit, Stuttgart: Hirzel<br />
Verlag<br />
Heuwinkel, Ludwig (2004): Zeitprobleme in der<br />
Beschleunigungsgesellschaft. In: Aus Politik<br />
und Zeitgeschichte B 31 – 32, S. 33 – 38.<br />
Heuwinkel, Ludwig (2006): Umgang mit Zeit in<br />
der Beschleunigungsgesellschaft, Schwalbach/Ts.:<br />
WOCHENSCHAU Verlag<br />
Heuwinkel, Ludwig (2011): Zeitstrukturen als<br />
Machtfaktor. In: zeitschrift für didaktik der<br />
gesellschaftswissenschaften, H. 2/2011, S. 82<br />
- 104<br />
Levine, Robert (1999): Eine Landkarte der Zeit,<br />
München: Piper Verlag<br />
Smith, Adam (1978): Der Wohlstand der Nationen.<br />
Eine Untersuchung seiner Natur und<br />
seiner Ursachen, München: dtv (Erstveröffentlichung<br />
1776)<br />
20 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong>
fokus<br />
Zeit, Alter und der Traum von<br />
der Unsterblichkeit<br />
Schildkröten, Korallen oder Quallen besitzen, wonach es die Menschheit dürstet – ein sehr langes<br />
Leben oder gar die Unsterblichkeit. Unsere DNA ist zwar ebenfalls äusserst langlebig, trägt aber<br />
dennoch zum Alterungsprozess bei. So wird unser Erbgut täglich beschädigt und wieder repariert;<br />
ein Prozess, der seine Spuren hinterlässt.<br />
Prof. Dr. Sabina Gallati, Abteilung für Humangenetik, Universitätsklinik für Kinderheilkunde, Inselspital Bern<br />
Zeit ist Anfang und Ende, Leben und Sterben,<br />
sie ist immer da und doch stets vorbei.<br />
Sie bedeutet Bewegung, Wandel, Fortschreiten<br />
im Sinne des griechischen panta<br />
rhei (παντα ρει), «alles fliesst».<br />
Ähnlich verhält es sich mit unserem Erbgut,<br />
es ist in beständigem Umbau begriffen.<br />
Die Folge: Jeder Organismus, jeder<br />
Mensch, selbst jede Körperzelle ist ein<br />
genetisches Universum für sich, das trotz<br />
klar definierten genetischen Prozessen ein<br />
offenes System bildet, in welchem keineswegs<br />
alles vorbestimmt ist.<br />
Die Entdeckung der DNA sowie die Etablierung<br />
der Genomanalyse werfen die Frage<br />
auf, wieviel im Leben des Menschen bereits<br />
in den Genen angelegt ist beziehungsweise<br />
wie weit er sich selbständig entwickeln<br />
und sein Leben und Sterben beeinflussen<br />
kann. Zudem ermöglichen sie uns, sowohl<br />
weit in unsere Vergangenheit (Paläogenetik)<br />
wie auch in die Zukunft (Präimplantations-<br />
und Pränataldiagnostik, Prädispositionsanalytik)<br />
zu blicken.<br />
Unsterbliche Qualle<br />
Langlebigkeit oder gar Unsterblichkeit ist<br />
ein uralter Menschheitstraum. Lebt eine<br />
Fliege nur einige Stunden, so werden die<br />
Menschen heute durchschnittlich 80,<br />
manche bei guter Gesundheit sogar mehr<br />
als 100 Jahre alt. Was jedoch nicht annähernd<br />
an die Aldabra-Schildkröte mit<br />
mehr als 250 Jahren, an die Baumkoralle<br />
mit 4000 Jahren oder gar an den Riesenschwamm,<br />
der bereits 10 000 Jahre auf<br />
dem Buckel hat, heranreicht. Unsterblichkeit<br />
hat offensichtlich die Qualle Turritopsis<br />
nutricula erreicht, indem sie nach<br />
der Vermehrung nicht abstirbt, wie ihre<br />
Artgenossen, sondern sich zu einer sexuell<br />
unreifen koloniebildenden Lebensform<br />
(Polyp) zurückentwickelt und so den gesamten<br />
Lebenszyklus immer und immer<br />
wieder durchlaufen kann. Altern muss<br />
also kein zwangsläufiges Gesetz allen Lebens<br />
sein.<br />
Unser Erbgut, d.h. unsere DNA, kann uns<br />
bei weitem überleben und uns z.B. Informationen<br />
über Menschen, die Jahrtausende<br />
vor uns gelebt haben liefern. Die Paläogenetik<br />
befasst sich schwerpunktmässig<br />
mit der Bearbeitung anthropologischer,<br />
paläontologischer und archäologischer<br />
Fragestellungen, die mit Hilfe molekulargenetischer<br />
Techniken bearbeitet werden.<br />
Dabei richtet sich der Fokus vor allem auf<br />
die Gewinnung und Analysierung von<br />
DNA aus bereits lang verstorbenen Lebewesen.<br />
Diese sogenannte alte DNA (ancient<br />
DNA = aDNA) kann aus Jahrtausende<br />
alten organischen Überresten wie Knochen<br />
und Zähne extrahiert und bearbeitet<br />
werden. Dank der Paläogenetik und der<br />
Langlebigkeit der DNA wissen wir heute,<br />
dass vor rund 50 000 Jahren in der Region<br />
des Altai-Gebirges im Süden Sibiriens andere<br />
Frühmenschen gelebt haben, weder<br />
Neandertaler noch der moderne Homo<br />
sapiens, sondern eine dritte Form. Oder es<br />
konnte aus einer 100-jährigen Haarlocke<br />
das Genom eines australischen Ureinwohners<br />
analysiert werden, das zeigte, dass die<br />
Vorfahren der australischen Ureinwohner<br />
entgegen der bisherigen Lehrmeinung<br />
direkte Nachfahren von Menschen sind,<br />
die als erste den afrikanischen Kontinent<br />
verliessen, um die Welt zu erobern. Demnach<br />
waren die ersten Australier rund<br />
50 000 Jahre allein, bevor in einer zweiten<br />
Einwanderungswelle erneut Menschen<br />
nach Australien kamen. Alle Asiaten und<br />
Europäer stammen von den Vertretern der<br />
zweiten Auswanderung Afrikas ab, die erst<br />
vor rund 40 000 Jahren begann.<br />
Teilen und Aufbauen<br />
Obwohl die DNA derart langlebig sein<br />
kann, trägt sie doch wesentlich zum Alterungsprozess<br />
bei. Jede Körperzelle erleidet<br />
ca. 50 000 Schädigungen pro Tag an ihrem<br />
Erbgut und ein Überleben ist nur<br />
dank vielseitigen DNA-Reparaturmechanismen<br />
möglich. Trotzdem sammeln sich<br />
im Laufe des Lebens diese Schäden an,<br />
wobei hier der Einfluss sogenannter<br />
«Langlebigkeits»- oder «Methusalem»-<br />
<strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
21
fokus<br />
Gene wie z.B. FoxO, EXO1 oder APOE eine<br />
bedeutende Rolle spielen, da sie die Funktion<br />
dieser überlebenswichtigen Reparatursysteme<br />
und den Energiehaushalt der<br />
Zellen regulieren helfen. Bei diesem primären<br />
Altern kann der Mensch kaum<br />
Einfluss nehmen auf den Verlauf, beim<br />
sekundären Altern jedoch bestimmt er mit<br />
seinem Lebenswandel durchaus mit, wie<br />
die Prognose ausfällt. Nach heutigen<br />
Kenntnissen wird das Altern ca. zu 30 Prozent<br />
von unseren Genen und zu 70 Prozent<br />
von unseren Lebens- und Umweltbedingungen<br />
beeinflusst.<br />
Wenn sich die Zelle teilt, müssen sich auch<br />
die Chromosomen teilen und dabei nutzen<br />
sich die Chromosomenenden, die sogenannten<br />
Telomere, ab. Eine lineare<br />
Doppelhelix verliert mit jeder Replikation<br />
zwangsläufig an ihren Enden einen kurzen<br />
Sequenzabschnitt. Mit jeder Replikationsrunde<br />
verkürzt sich ein Telomer um<br />
50 bis 100 Nukleotide. Innerhalb gewisser<br />
Grenzen spielt das keine Rolle, da die repetierten<br />
Sequenzen der Telomere keine<br />
genetische Information enthalten. Wir<br />
haben jedoch eine permanente Telomerverkürzung<br />
im Laufe unseres Lebens, und<br />
wenn die Telomere verbraucht sind, stirbt<br />
die betroffene Zelle ab. Laut der Telomer-<br />
Hypothese sind wir also nicht so alt wie<br />
unser Geburtstag es uns sagt, sondern so<br />
alt wie unsere Telomere lang sind. Es besteht<br />
somit ein Unterschied zwischen biografischem<br />
und biologischem Alter. Alle<br />
Zellen unseres Körpers stammen über<br />
zahlreiche Zellteilungen von der ursprünglichen<br />
befruchteten Eizelle ab,<br />
diese ist ihrerseits durch eine Kette von<br />
Zellteilungen aus den Zygoten hervorgegangen,<br />
aus denen unsere Eltern entstanden<br />
sind und so weiter. Eine ununterbrochene<br />
Reihe von Zellteilungen reicht<br />
durch die Generationen zurück bis zum<br />
Beginn des Lebens. Warum also besitzen<br />
wir heute die Telomere überhaupt noch?<br />
Dank dem Enzym Telomerase, das Telomere<br />
in voller Länge wieder herstellen<br />
kann. Die Telomerase baut in der Keimbahn<br />
jeder Generation wieder vollständige<br />
Telomere auf. In normalen somatischen<br />
Zellen dagegen wird sie nicht exprimiert.<br />
Krebszellen jedoch, die gewissermassen<br />
unsterblich sind, reaktivieren die Telomerase<br />
wieder, um unbegrenzte Teilungsfähigkeit<br />
zu erreichen.<br />
Wie steht es nun mit unserer Unsterblichkeit?<br />
Möchten wir uns mit Telomerase<br />
behandeln, um die Teilungsfähigkeit unserer<br />
Zellen zu erhalten, allerdings so<br />
dosiert, dass sie nicht etwa zu Krebszellen<br />
entarten? Oder wollen wir uns gar durch<br />
somatisches Klonen verewigen? Wäre eine<br />
Gesellschaft von Unsterblichen überhaupt<br />
erstrebenswert? Sollte es uns gelingen, den<br />
Alterungsprozess zu verhindern, so wären<br />
wir trotzdem noch verletzlich (nicht nur<br />
an der Achillesferse) und würden mit Kriegen<br />
und Unfällen unseren Tod herbeiführen.<br />
Deshalb sollten wir uns vielleicht<br />
zufriedengeben mit der Tatsache, dass in<br />
bestimmten Zellen eines jeden höheren<br />
Lebewesens das Potential zur unbegrenzten<br />
Teilungsfähigkeit und damit zur Unsterblichkeit<br />
vorhanden ist, dass dieses<br />
Potential aber nicht der Erhaltung des<br />
einzelnen Individuums, sondern des gesamten<br />
Lebensplanes dient.<br />
Johann Wolfang von Goethe:<br />
«Das Ewige regt sich fort in allen: Denn<br />
alles muss in Nichts zerfallen wenn es im<br />
Sein beharren will.» («Eins und Alles»)<br />
<br />
■<br />
22 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong>
fokus<br />
So individuell wie das<br />
Zeitempfinden<br />
Latein, Griechisch, Mathematik, Astronomie, theoretische Physik – bewandert ist Ludwig Oechslin in<br />
vielem. Seine Leidenschaft aber gilt der Zeit und ihren Einteilungen. Deshalb stellt er in seiner Firma<br />
in Luzern Zeitmesser her, die nicht nur präzise und funktionssicher sind, sondern auch durch ungewöhnliche<br />
Konzepte auffallen.<br />
Claudia Walder, Bilder: Bea Weinmann<br />
«Weisst du eigentlich wie spät es hier ist?!»,<br />
so mögen die mürrischen, durchs Telefon<br />
leicht verzerrten Worte vom anderen Ende<br />
der Welt geklungen haben, die den Altertumswissenschaftler,<br />
Mathematiker, Physiker<br />
und Uhrmachermeister Ludwig<br />
Oechslin zu seiner Zweizeitzonenuhr inspiriert<br />
haben. Diese produziert und vertreibt<br />
er nun – neben drei weiteren Modellen<br />
– mit der Firma ochs und junior, die<br />
er 2006 zusammen mit Beat Weinmann<br />
gegründet hat. Seit vergangenem Jahr<br />
wirkt ausserdem die Neuenburger Uhrenfirma<br />
Ulysse Nardin als strategische Partnerin<br />
mit. Aber Oechslin bringt nicht nur<br />
«aufgeweckte» Freunde und viel Erfindergeist<br />
in das junge Uhrenunternehmen ein,<br />
er hat auch reichlich Erfahrung. Er amtet<br />
als Direktor des Musée International<br />
d’Horlogerie (MIH) und hat zwischen<br />
1978 und 1982 im Vatikan die Farnesianische<br />
Uhr, einen komplexen, astronomischen<br />
Zeitmesser aus dem 18. Jahrhundert,<br />
restauriert und dokumentiert. Er hat<br />
für Ulysse Nardin komplexe Uhrenmodelle<br />
entwickelt und für das MIH die Antikythera,<br />
einen griechischen Kalendermechanismus<br />
aus dem 1. Jahrhundert v. Ch,<br />
rekonstruiert.<br />
Jahreskalender entworfen, der statt<br />
40 Bauteile nur deren drei benötigt. Nur<br />
fünf Bauteile erfordert die Mondphasenanzeige<br />
der «selene», die in Sachen Genauigkeit<br />
bei Armbanduhren unübertroffen<br />
ist – einmal richtig gestellt, muss sie<br />
erst nach 3478,27 Jahren wieder korrigiert<br />
werden. Auch im Design wird die angestrebte<br />
Vereinfachung konsequent umgesetzt.<br />
Die Uhren, einschliesslich der Datumsuhr<br />
«mese», fallen nicht nur durch<br />
ihre elegante Form auf, sondern auch<br />
durch das Fehlen von Buchstaben und<br />
Zahlen. Einzig die «due ore» greift auf<br />
letztere zurück, um das Lesen der beiden<br />
gleichzeitig angezeigten Zeitzonen zu vereinfachen.<br />
Optimale Lesbarkeit ist Oechslin<br />
bei allen Modellen wichtig. Herkunftsbezeichnungen<br />
oder Ähnliches hingegen<br />
sucht man auf dem Zifferblatt vergeblich,<br />
man erkennt die zeitlosen Zeitmesser<br />
auch so. Nur auf der Rückseite des Lederbandes<br />
wird das Logo eingebrannt, und<br />
zwar von Sohn Giorgio Oechslin, der mit<br />
einer frechen Bemerkung über alte Ochsen<br />
und coole Junioren seinen Beitrag zur<br />
Namensfindung geleistet hat.<br />
Klein, aber fein<br />
300 Uhren wollen ochs und junior maximal<br />
pro Jahr produzieren. Denn nur so<br />
können sie den persönlichen Kontakt zum<br />
Kunden garantieren. Kommunikation<br />
statt Werbung heisst die Devise, und dass<br />
Innovation, Produktion, Verkauf und Service<br />
aus einer Hand angeboten werden,<br />
gehört zur Unternehmensphilosophie. So<br />
Einfach, präzise und<br />
kompromisslos<br />
2000 Jahre Uhrengeschichte im Gepäck<br />
und trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen<br />
– geht ochs und junior ganz neue<br />
Wege, sowohl bei der Entwicklung wie<br />
auch im Vertrieb. Statt möglichst viele<br />
zusätzliche Funktionen mit möglichst<br />
vielen Bauteilen zu realisieren, wie das in<br />
der Uhrenbranche üblich ist, kommt es<br />
Ludwig Oechslin auf höchstmögliche<br />
Funktionalität und Präzision an, realisiert<br />
in genial einfacher Weise. Für das<br />
Modell «anno» zum Beispiel hat er einen<br />
<strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
23
fokus<br />
werden die ungewöhnlichen Uhren nur<br />
im oxloft, dem Ladenlokal an der Zürichstrasse<br />
49 in Luzern, und übers Internet<br />
direkt auf der eigenen Plattform verkauft.<br />
Dafür können ochs und junior nicht nur<br />
individuellen Service, sondern auch ein<br />
ganz persönliches Produkt anbieten. Die<br />
ochs-und-junior-Uhren kann man nämlich<br />
vom Armband übers Zifferblatt bis zu<br />
den Zeigern und Markierungen farblich<br />
selbst entwerfen, zum Beispiel mittels des<br />
Onlinedesigntools auf der Website oder im<br />
Gespräch mit Firmenmitbegründer Beat<br />
Weinmann. Damit man die Auswahl der<br />
Farben und Farbkombinationen sorgfältig<br />
und in aller Ruhe treffen kann, bekommt<br />
man im hellen, grossräumigen oxloft einen<br />
Espresso (mit Zucker, aber ohne<br />
Milch) aus der Gaggia-Maschine von<br />
1966, auf die die Geschäftsinhaber beinahe<br />
so stolz sind wie auf ihre Uhren.<br />
Formel 1 statt<br />
Uhrenindustrie<br />
Was mit viel Denkarbeit beginnt, soll auch<br />
präzise umgesetzt werden. Gerade weil die<br />
Uhrenkonzepte von Oechslin mit so viel<br />
Denkarbeit beginnen und mit so viel<br />
Sachverstand und Innovationsgeist angedacht<br />
werden, können ochs und junior<br />
auch auf Spezialisten ausserhalb der Uhrenindustrie<br />
setzen, die flexibel und in<br />
Kleinstmengen produzieren. Die Gehäuse<br />
und feinmechanischen Teile fräst ihnen<br />
Peter Cantieni, der ansonsten in seiner<br />
Werkstatt in Hinwil für das Formel-<br />
1-Team Sauber arbeitet. Mit einem ETA-<br />
2824-2 Basiswerk setzt die Meisteruhrmacherin<br />
Marion Müller diese dann in ihrem<br />
Atelier auf dem Klosterareal Kappel am<br />
Albis zusammen. Die Lederbänder werden<br />
in Frankreich von Camille Fournet aus<br />
Leder von Ecopell aus dem Allgäu genäht.<br />
Bevor eine Uhrenidee allerdings so weit ist,<br />
dass sie durch diese fachkundigen Hände<br />
geht, wird sie von Ludwig Oechslin selbst<br />
als Prototyp umgesetzt. Und getestet. Erst<br />
wenn sie den harten Alltag an seinem<br />
Handgelenk oder in seiner Westentasche<br />
überstanden hat, kommt sie in die Produktion,<br />
denn Oechslin will, dass seine<br />
Uhren auch wirklich den Alltag und das<br />
Leben ihrer Träger begleiten können. Kleinere<br />
Gebrauchsspuren sind dabei durchaus<br />
erwünscht, so werden die verlässlichen<br />
Zeitmesser – mit der Zeit – in gewissem<br />
Sinne auch zu Lebens- oder eben<br />
Zeitzeugen.<br />
■<br />
24 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong>
fokus<br />
Das zweite Leben<br />
Der Organspendeprozess ist gekennzeichnet durch verschiedenste Zeiträume und Tempi. Zunächst<br />
die oftmals zermürbend lange Wartefrist der Patienten auf ein neues Organ, dann die kurze Zeit, in<br />
denen die Organe entnommen und transplantiert werden müssen. Und schliesslich die zusätzliche<br />
Lebenszeit, die der Empfänger dank dem Spender geschenkt bekommen hat.<br />
Franz Immer, Facharzt für Herzchirurgie FMH und Direktor Swisstransplant<br />
Die letzten Wochen haben sie gezeichnet:<br />
Sie hat kaum gegessen, andauernd ist sie<br />
müde und bei der kleinsten Anstrengung<br />
verspürt sie Atemnot. Heute nun die traurige<br />
Gewissheit. Nur eine Herztransplantation<br />
bleibt noch als Behandlung. Sie<br />
kommt auf die Warteliste, auf der Ende<br />
September dieses Jahres 1102 Personen<br />
standen, 39 von diesen für ein Herz. Nun<br />
heisst es, Geduld haben: Im Schnitt wartet<br />
man in der Schweiz acht Monate auf ein<br />
passendes Spenderherz. Aber es kann auch<br />
viel länger dauern, meinen die Ärzte.<br />
Vor der Transplantation:<br />
Warten<br />
Gut 200 Tage wartet man durchschnittlich<br />
auf eine Leber oder ein Herz. Bei der<br />
Niere sind es im Mittel etwas über zwei<br />
Jahre bis das passende Organ zugeteilt<br />
werden kann. Eine lange Zeit. Die Tage,<br />
Wochen und Monate verstreichen – und<br />
die Zuversicht wechselt sich zuweilen<br />
auch mit der Angst ab. Eines Nachts klingelt<br />
das Telefon. Es ist so weit – endlich.<br />
Die Klinik ruft an, ein passendes Spenderherz<br />
sei möglicherweise gefunden<br />
worden. Nun eilt es. Eine Ambulanz fährt<br />
sie mit Blaulicht durch die Nacht. Für sie<br />
ist dies die einzige Möglichkeit, wieder ein<br />
mehr oder weniger normales Leben zu<br />
führen.<br />
Abbildung 1: Ende September 2012 warteten in der Schweiz 1102 Personen auf ein passendes Spenderorgan.<br />
Abbildung 2: Am längsten wartet man mit durchschnittlich 692 Tagen auf eine neue Niere.<br />
<strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
25
fokus<br />
Während der<br />
Transplantation: Tempo<br />
Ein Team des Spitals ist bereits unterwegs<br />
zum Spender. Die Organentnahme ist<br />
anspruchsvoll und nimmt eine grosse<br />
Logistik in Anspruch. Ein Team aus Spezialisten<br />
entnimmt Leber, Nieren und die<br />
Bauchspeicheldrüse, ein anderes die Lunge<br />
und ein drittes das Herz. Die Organe<br />
werden bei der Entnahme mit einer kalten<br />
Lösung gekühlt und geschützt. Idealerweise<br />
sollte das Herz vier Stunden später<br />
in ihrem Brustkorb wieder zum Schlagen<br />
kommen. Lunge und Leber ertragen vier<br />
bis zwölf Stunden gekühlt ausserhalb des<br />
Körpers und die Nieren bis zu 36 Stunden<br />
– es sind Minuten oder wenige Stunden,<br />
auf die es ankommt.<br />
Während beim Spender das eine Team das<br />
Herz entnimmt, bereitet das andere die<br />
Empfängerin auf den Eingriff vor. Sorgfältig<br />
wird das Organ in gekühltem Eiswasser<br />
verpackt und das Team hält kurz inne, um<br />
allen Beteiligten, vor allem aber dem unbekannten<br />
Spender zu danken. Das Getöse<br />
des Helikopters auf der Plattform dringt<br />
Abbildung 3: Die kalte Ischämiezeit ist für das Herz am kürzesten und für<br />
die Niere am längsten. Im Allgemeinen gilt: Je kürzer die Ischämiezeit, desto<br />
besser ist die Funktion des Organes.<br />
Abbildung 4: Überlebenswahrscheinlichkeit der Organempfängerinnen und -empfänger (survival probabilitiy mittels<br />
Kaplan-Meier-Kurzven); Reportingperiode: 1. Mai bis 31. Dezember 2011 (Quelle: STCS). Bemerkung: Unterhalb<br />
der Graphik sind die Patientenzahlen «at risk» angegeben.<br />
26 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong>
fokus<br />
in den Operationssaal. Das Entnahmeteam<br />
ist gelandet und bringt das Herz herein.<br />
Nun geht alles sehr schnell. Das alte<br />
Herz wird entnommen und durch das neue<br />
ersetzt. Nach weniger als vier Stunden öffnet<br />
sich die Aortenklemme und ihr Blut<br />
durchströmt das Herz. Wenige Minuten<br />
verstreichen, bis das neue Herz von alleine<br />
anfängt zu schlagen.<br />
Nach der Transplantation:<br />
Überleben<br />
Alles verläuft reibungslos. Das Herz übernimmt<br />
die Funktion, der Brustkorb wird<br />
verschlossen, und die Operation ist so weit<br />
geglückt. Nach weniger als vier Wochen<br />
geht es nach Hause. Auch wenn anfangs<br />
noch viele Kontrollen anstehen, zahlreiche<br />
Medikamente notwendig sind, um die Abstossung<br />
des Organs zu verhindern, es geht<br />
ihr von Tag zu Tag besser. In diese neue<br />
Unbeschwertheit mischt sich plötzlich die<br />
Frage nach der verbleibenden Zeit. Wie lange<br />
wird diese neue Lebensqualität anhalten,<br />
wie lange funktioniert das neue Herz?<br />
Die Statistik hilft nicht wirklich weiter:<br />
Herztransplantierte Menschen haben heute<br />
ein Zehnjahres-Überleben zwischen 60<br />
und 70 Prozent. Ähnlich sieht die Statistik<br />
für Leber- und Lungentransplantierte aus.<br />
Bei der Niere nimmt man an, dass rund<br />
80 Prozent der Organe nach zehn Jahren<br />
noch funktionieren. Bedeutet dies, dass es<br />
nach zehn Jahren vorbei ist? Nein, denn<br />
die Überlebensraten sind von zahlreichen<br />
Faktoren abhängig. Sie können durch den<br />
Betroffenen selbst, wie beispielsweise<br />
durch regelmässige Kontrollen und Medikamenteneinnahmen,<br />
günstig beeinflusst<br />
werden. Es gibt Menschen, die leben seit<br />
über 25 Jahren mit einem transplantierten<br />
Herzen, einer transplantierten Leber oder<br />
gar über 40 Jahre mit einer transplantierten<br />
Niere.<br />
Start ins zweite Leben:<br />
Zeit für Dankbarkeit<br />
Sie verspürt Dankbarkeit. Dankbarkeit, die<br />
sie jeden Tag gegenüber ihrem Spender<br />
verspürt. Denn dieser hat eingewilligt,<br />
einem anderen Menschen in Not zu helfen.<br />
Er hat sich die Zeit genommen, um<br />
sich mit dieser Fragestellung einer Organspende<br />
auseinanderzusetzen. Und er hat<br />
seinen Entscheid den Angehörigen mitgeteilt.<br />
Eine Dankbarkeit verspürt sie aber<br />
auch gegenüber den Ärzten und Pflegefachkräften<br />
auf der Notfall- und Intensivstation,<br />
die an die Organspende gedacht<br />
und das Gespräch mit den Angehörigen<br />
geführt haben. Dankbarkeit für all diejenigen,<br />
die im entscheidenden Moment da<br />
waren, keine Mühe gescheut haben, um<br />
diese Transplantation zu ermöglichen –<br />
all die Ärzte, Pflegefachkräfte und Mitarbeiter<br />
im Spital, die die Operation, das<br />
Aufwachen und auch ihre Rekonvaleszenz<br />
mit hoher Professionalität begleitet haben.<br />
Sie alle haben sich Zeit genommen, um<br />
ihr mit grösster Sorgfalt den Start ins<br />
zweite Leben zu ermöglichen. Danke. ■<br />
<strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
27
fokus<br />
Blick in den LHC Tunnel (links oben). Der grafische Querschnitt illustriert die zwei Strahlen in den Strahlröhren, umgeben von<br />
den Magnetspulen (Mitte).<br />
26.7 Kilometer in<br />
89 millionstel Sekunden<br />
Weshalb haben subatomare Teilchen Masse? Und weshalb unterscheidet sich die Masse dieser Teilchen?<br />
Mit Hilfe des LHC am CERN sollen grundlegende Fragen der Physik beantwortet werden. Dazu<br />
werden Protonen in einem kreisförmigen Tunnel auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und<br />
miteinander kollidiert. Die dabei entstehenden «Trümmerpartikel» geben Aufschluss über Struktur<br />
und Eigenschaften von Materie.<br />
Dr. Sigrid Wagner und Dr. Rüdiger Schmidt, Technology Department – Machine Protection and Electrical Integrity Group –<br />
Performance Evaluation, CERN<br />
Der in einem unterirdischen, knapp 27 km<br />
langen Tunnel eingebaute LHC Teilchenbeschleuniger<br />
besteht im Wesentlichen<br />
aus mehreren tausend supraleitenden<br />
Magneten. Mit ihnen werden die Protonen<br />
auf einer Kreisbahn gehalten. Zwei Protonenstrahlen<br />
kreisen in entgegengesetzter<br />
Richtung in separaten Strahlröhren unter<br />
Ultrahochvakuum. Die Strahlen bestehen<br />
aus je 300 Trillionen Protonen und werden<br />
mit Radiowellen beschleunigt. An vier<br />
Stellen kreuzen sich die Strahlen, was zu<br />
annähernd einer Milliarde Kollisionen<br />
von Protonen pro Sekunde führt. Detektoren<br />
von der Grösse eines fünfstöckigen<br />
Hauses vermessen die entstehenden<br />
«Trümmerpartikel» mit einer Genauigkeit<br />
von 1/1000 mm. Die Detektoren sammeln<br />
riesige Datenmengen zu den Partikeln,<br />
welche dann analysiert und ausgewertet<br />
werden.<br />
Ein typischer Betriebszyklus dauert etwa<br />
12 Stunden. Er beginnt mit der schrittweisen<br />
Injektion von Protonen aus den Vorbeschleunigern<br />
in den LHC. Dies benötigt<br />
etwa 15 Minuten. Anschliessend werden<br />
die Protonen in etwa 20 Minuten auf nahezu<br />
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt,<br />
die Strahlen gekreuzt und Protonenkollisionen<br />
erzeugt. Die Kollisionen werden im<br />
Idealfall für rund 11 Stunden aufrechterhalten,<br />
während die Detektoren Daten<br />
sammeln. Durch die Kollisionen nimmt<br />
die Anzahl der Protonen in den Strahlen<br />
langsam ab. Am Ende werden die Protonenstrahlen<br />
aus dem Ring heraus- und in<br />
10 Tonnen schwere Graphitblöcke gelenkt,<br />
welche die Protonen und deren Energie<br />
schadlos absorbieren. Dieser Vorgang wird<br />
Beam Dump genannt. Die anschliessende<br />
Vorbereitung für den nächsten Zyklus<br />
benötigt etwa 20 Minuten.<br />
Anforderungen an<br />
Schutzsysteme<br />
Der LHC birgt eine Vielzahl technischer<br />
Besonderheiten und Herausforderungen.<br />
28 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong>
fokus<br />
So wird ein Grossteil der insgesamt rund<br />
10 000 Magnete bei einer Temperatur von<br />
–271 Grad Celsius betrieben, also nahe<br />
des absoluten Nullpunkts. Dies ist erforderlich,<br />
um die benötigten hohen Magnetfelder<br />
zu erzielen, und wird durch Kühlung<br />
mit superflüssigem Helium erreicht.<br />
Das Herunterkühlen der Magnete von<br />
Umgebungs- auf Betriebstemperatur<br />
nimmt mehrere Wochen in Anspruch.<br />
Besondere Anforderungen stellt der LHC<br />
auch an die Schutzsysteme. Diese Systeme<br />
überwachen den Zustand der LHC-Komponenten<br />
und die Parameter der Protonenstrahlen.<br />
Im Falle einer Störung werden<br />
die Protonen sicher in die Graphitblöcke<br />
gelenkt. Würden die Protonenstrahlen<br />
stattdessen Komponenten im Ringtunnel,<br />
insbesondere Magnete, treffen, hätte dies<br />
beträchtliche Schäden zur Folge.<br />
Die Protonen durchlaufen den 27 km langen<br />
Tunnel mit nahezu Lichtgeschwindigkeit<br />
in lediglich 89 Mikrosekunden.<br />
Um im Falle einer Störung zu verhindern,<br />
dass die Protonenstrahlen weiter kreisen<br />
und Schaden anrichten, muss ein Beam<br />
Dump daher sehr schnell ausgeführt werden.<br />
Die schnellsten Schutzsysteme am<br />
LHC benötigen für einen Beam Dump<br />
zwischen 170 und 360 Mikrosekunden.<br />
Für den Fall einer Störung, die zu Strahlverlust<br />
innerhalb dieser Zeit führt, sind die<br />
kritischen Komponenten im Ring durch<br />
besondere Strahlabsorberblöcke geschützt.<br />
CERN – Europäische Organisation<br />
für Kernforschung<br />
Das CERN in Genf ist ein internationales Forschungsinstitut im Bereich Teilchenphysik.<br />
Gegründet 1954, wird es heute von 20 Mitgliedstaaten, darunter der Schweiz,<br />
getragen. Das CERN hat ein jährliches Budget von 1165.9 Millionen CHF (2012),<br />
beschäftigt rund 2500 Mitarbeiter und ist Forschungsstätte für mehr als 10 000<br />
Gastwissenschaftler. Die Forschung stützt sich auf eine Reihe von Teilchenbeschleunigern,<br />
mit dem LHC als Flaggschiff.<br />
LHC – Large Hadron Collider<br />
Der LHC ist der grösste Teilchenbeschleuniger der Welt. Er wurde 2008 nach jahrzehntelanger<br />
Planung und mehrjähriger Bauzeit erstmals in Betrieb genommen.<br />
Seit 2009 werden erfolgreich Protonenkollisionen durchgeführt und deren Daten<br />
gesammelt. Die Kosten für den Bau des LHC beliefen sich auf etwa 5 Milliarden CHF.<br />
Zeit für weitere<br />
Verbesserungen<br />
Eine der Hauptmotivationen für den Bau<br />
des LHC war die Suche nach dem sogenannten<br />
Higgs-Boson. Diesem Teilchen<br />
kommt eine entscheidende Bedeutung in<br />
der Theorie des Standardmodells der Physik<br />
zu. Ein Nachweis des Higgs-Bosons<br />
würde wesentlich zur Bestätigung des<br />
Standardmodells beitragen.<br />
Mitte 2012 wurden Auswertungsergebnisse<br />
der Daten aus zweieinhalb Jahren LHC-<br />
Betrieb präsentiert. Sie deuten auf die<br />
Existenz eines neuen Teilchens hin, bei<br />
dem es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />
um das gesuchte Higgs-Boson handelt.<br />
Diese Entdeckung stellt einen Meilenstein<br />
dar. Die Kapazität des LHC ist damit jedoch<br />
noch nicht ausgeschöpft. Der LHC<br />
wurde bisher auf etwa der halben der<br />
vorgesehenen Leistung betrieben. Als Vorbereitung<br />
für den Betrieb auf höchster<br />
Stufe mit maximaler Strahlenergie stehen<br />
als nächstes umfangreiche Unterhaltsund<br />
Verbesserungsarbeiten an. Diese beginnen<br />
Anfang <strong>2013</strong> und werden voraussichtlich<br />
knapp zwei Jahre dauern; die<br />
Zeit, die es braucht, um unter anderem<br />
die mehr als 10 000 Verbindungsstellen<br />
in den supraleitenden Kabeln zwischen<br />
Magneten einzeln zu prüfen und zu verbessern.<br />
Nach der Wiederinbetriebnahme werden<br />
die Protonen erneut in 89 Mikrosekunden,<br />
aber mit höherer Energie, ihre Runden<br />
drehen. Man darf gespannt sein, welche<br />
neuartigen Erkenntnisse deren Kollision<br />
hervorbringen wird.<br />
■<br />
<strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
29
fokus<br />
Das unaufhörliche Ballett der Arten<br />
Die heute lebenden Arten stellen nur einen winzigen Teil der Gesamtheit der Biodiversität dar, die<br />
einmal auf der Erde existiert hat. Man schätzt, dass 99 Prozent der durch die biologische Evolution<br />
entstandenen Arten verschwunden sind. Die chronologische Analyse der andauernden Erneuerung<br />
der Arten ermöglicht es, die Urzeit in immer feinere Intervalle zu unterteilen. Dies ist eine Voraussetzung,<br />
um die Evolution in ihrer zeitlichen Dimension zu verstehen. Allerdings haben längst nicht<br />
alle Arten Spuren ihres Auftritts hinterlassen.<br />
Prof. Dr. Hugo Bucher, Paläontologisches Institut und Museum Universität Zürich<br />
Wie wird in der Paläontologie Zeit definiert?<br />
Eine erste grundsätzliche Schwierigkeit<br />
dieser Zeitmessung ist, dass das Signal<br />
weder periodisch noch linear ist, im Gegensatz<br />
zur physischen Zeit, wie sie vom<br />
Menschen wahrgenommen wird. Ein zweites<br />
Hindernis der paläontologischen Zeit,<br />
das einfacher zu erfassen ist, besteht in den<br />
unterschiedlichen Grössenordnungen gegenüber<br />
der menschlichen Zeitskala.<br />
Die Lebensdauer der Arten, d.h. die Zeit<br />
zwischen dem evolutionären Erscheinen<br />
einer Art bis zu deren endgültigen Aussterben,<br />
bildet die Basis der paläontologischen<br />
Uhr. Diese unterscheidet sich stark von der<br />
«menschlichen» Zeit, die der Entwicklungszeit<br />
eines Individuums von der Befruchtung<br />
bis zum Tod entspricht. Es ist<br />
dieses unaufhörliche Ballett von Erscheinen<br />
und Aussterben, das es ermöglicht, die<br />
«tiefe» Zeit in aperiodische Einheiten und<br />
solchen von variabler Dauer einzuteilen,<br />
deren hierarchisches Gefüge letztendlich<br />
die geologische Zeitskala bildet. Je grösser<br />
die Anzahl gleichzeitig aussterbender oder<br />
erscheinender Arten ist, desto höher wird<br />
die hierarchische Stellung der entsprechenden<br />
Grenze in der geologischen Zeitskala<br />
sein. So gründen zahlreiche wichtige<br />
Grenzen der fossilbildenden Zeiten<br />
(bspw. Grenze Perm-Trias, Trias-Jura,<br />
Kreide-Tertiär) auf einem Massenaussterben,<br />
d.h. auf besonderen Zeiträumen in<br />
der Geschichte des Lebens und der Erde,<br />
in welchen sich das Aussterben auf eigenartige<br />
Weise konzentriert.<br />
Koexistenz von Arten<br />
Am anderen Ende der paläontologischen<br />
Zeitskala sind die kürzesten und zuverlässigsten<br />
elementaren Zeitgrenzen durch die<br />
Assoziation der Arten definiert. Darunter<br />
versteht man die sowohl räumliche (am<br />
gleichen Ort und also gemeinsam in einer<br />
geologischen Schicht gefunden) wie auch<br />
zeitliche (d.h. zur gleichen Zeit in verschiedenen<br />
ökologischen Gemeinschaften<br />
und Umgebungen) Koexistenz von Arten.<br />
Da die Mechanismen der Artbildung und<br />
des Aussterbens der Arten von Natur aus<br />
an beschränkte geographische Räume<br />
gebunden sind, kann man den genauen<br />
Zeitpunkt des echten Erscheinens (im<br />
evolutionären Sinn) oder Aussterbens<br />
nicht dazu verwenden, um in anderen<br />
fossilbildenden Abfolgen synchrone und<br />
leicht erkennbare Zeitlinien zu definieren.<br />
In letzteren werden die ersten lokalen Erscheinungen<br />
älter als die echte evolutionäre<br />
Erscheinung sein und das lokale<br />
Aussterben wird jünger sein als das endgültige<br />
Aussterben (Diachronismus des<br />
lokalen Erscheinens und Aussterbens,<br />
siehe Abbildung). Die maximalen Assoziationen<br />
von Arten, die räumlich oder<br />
zeitlich koexistiert haben, bilden eigentlich<br />
die einzigen elementaren, reproduzierbaren<br />
und zuverlässigen Einheiten in<br />
der tiefen Zeit. Es sind keine synchronen,<br />
unmittelbaren und senkrecht zur physischen<br />
Zeitachse stehenden Linien, sondern<br />
getrennte, aufgrund der maximalen<br />
Koexistenzen von Arten gebildete Intervalle.<br />
Ohne externe Kalibrierung, beispielsweise<br />
mit Hilfe des radiometrischen Alters<br />
(das selber auch nicht frei von Unsicherheiten<br />
ist!), bleibt die absolute Dauer dieser<br />
Intervalle undefiniert. Mit taxonomischen<br />
Gruppen, deren Evolution gesamthaft<br />
schnell verläuft (z.B. Ammoniten, Conodonten,<br />
Nager etc.), liegt die maximal<br />
mögliche Auflösung, die für solche durch<br />
maximale Assoziationen definierte Intervalle<br />
und deren Trennungsintervalle erreicht<br />
werden kann, in der Grössenordnung<br />
von 20 000 bis 50 000 Jahren. Gemessen<br />
an der menschlichen Zeitskala<br />
mögen diese Grössenordnungen sehr<br />
gross erscheinen. Wenn man aber bedenkt,<br />
dass man hier von Intervallen<br />
spricht, die beispielsweise 250 Millionen<br />
Jahre zurückliegen, erreicht man bereits<br />
eine unglaubliche Auflösung. Deren Präzision<br />
ist mit derjenigen der besten zurzeit<br />
für so alte Zeiten erhältlichen radiometrischen<br />
(auch absolut genannten) Datierungsmethoden<br />
vergleichbar. In der Fachsprache<br />
nennt man solche in urzeitlichen<br />
Umgebungen erkennbaren Zeitintervalle<br />
Biochronozonen. Je homogener die Umweltbedingungen<br />
an der Oberfläche des<br />
Ozeans sein werden, desto grösser wird die<br />
geographische Ausdehnung einer solchen,<br />
beispielsweis aus Plankton- und Nektonorganismen<br />
gebildeten Biochronozone,<br />
sein. So lassen sich urzeitliche Zeiträume<br />
erkennen, die durch eine starke, der heutigen<br />
biogeographischen Verteilung ähnlichen<br />
Längszonation charakterisiert sind.<br />
Bedeutende Stressepisoden im Ozean<br />
(Änderungen des pH, der Temperatur, des<br />
Salzgehalts, des Sauerstoffgehalts etc.)<br />
führen zu einem massiven Rückgang der<br />
globalen Vielfalt. Arten, die die Krise überstehen,<br />
werden hingegen stark dazu tendieren,<br />
Kosmopoliten zu werden, d.h.,<br />
global sehr leicht erkennbare Biochronozonen<br />
zu bilden.<br />
Kontinuum des Balletts<br />
Unsere Zeitmessung, die direkt vom Ballett<br />
der Arten abhängig ist, ist also eine<br />
Funktion vom Verhältnis zwischen Erscheinungs-<br />
und Aussterbensrate. Die<br />
Paläontologen haben sich gefragt, ob die<br />
Intensität des Aussterbens sich zunehmend<br />
verteilt (Potenzgesetz) oder ob das<br />
Massenaussterben tatsächlich eine eigene<br />
Kategorie bildet, die durch einen quantitativen<br />
und qualitativen Sprung vom<br />
Grundaussterben getrennt ist. Gemäss den<br />
jüngsten Erkenntnissen handelt es sich<br />
eigentlich um ein Kontinuum. Wenn die<br />
Intensitäten des Aussterbens tatsächlich<br />
einem Potenzgesetz zu folgen scheinen,<br />
30 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong>
fokus<br />
Zeiten des Aussterbens und der Diversifizierung<br />
signifikant niedriger ist, als in<br />
den stabilen Phasen der Biodiversität (Escarguel<br />
& Bucher 2006). Diese bedeutenden<br />
Variationen des Verhältnisses zwischen<br />
Erscheinungs- und Aussterbensrate<br />
ermöglichen paradoxerweise eine viel<br />
feinere Messung der paläontologischen<br />
Zeit. Die Analyse und Modellierung dieser<br />
Aussterbens- und Wiederherstellungsepisoden<br />
der Biodiversität ist auch ein wichtiges<br />
und neues Ziel der Paläontologie, das<br />
unsere Gesellschaft wegen der Störungen,<br />
die durch eine junge und nimmer satte Art<br />
verursacht werden, direkt betrifft.<br />
Der Existenzbereich einer Art wird von der Gesamtheit der Punkte, die eine<br />
Art räumlich und zeitlich belegt, gebildet. Die Form dieses Volumens wird<br />
hauptsächlich durch die Umweltbedingungen, die die Verteilung der Art regeln,<br />
bestimmt. Die orthogonale Projektion dieses Volumens auf die Zeitachse<br />
entspricht dem Intervall der Existenz der Art. Im abgebildeten Beispiel<br />
kann keine Sektion – egal welche geographische Position diese<br />
einnimmt – die Gesamtheit des Existenzintervalls einfangen. Die Ablagerungslücken<br />
und die selektive Erhaltung verkürzen auch die Ablagerung<br />
der Art in den ausgewählten Sektionen. Schlussendlich stellt man fest, dass<br />
die effektive Ablagerung (rot gekennzeichnet) nur eine diskontinuierliche<br />
Fraktion des Existenzintervalls bildet. Dies entzieht dem ersten lokalen Erscheinen<br />
und Aussterben jegliche zeitliche Bedeutung. Die einzige logische<br />
Folgerung daraus ist, dass wenn eine Art in einer bestimmten geologischen<br />
Schicht vorhanden ist, sich diese Schicht während der Gesamtheit oder einem<br />
Teil des Existenzintervalls dieser Art gebildet hat. Wendet man den<br />
gleichen Gedankengang auf n beschriebene Arten in einer selben Schicht<br />
an, muss daraus gefolgert werden, dass sich diese Schicht während der Intersektion<br />
der n Existenzintervalle gebildet hat. Ein solches Intervall wird<br />
maximal (d.h. einmalig) sein, wenn die Liste der assoziierten Arten nicht<br />
in einer grösseren Liste eines anderen Intervalls enthalten ist. Diese maximalen<br />
Assoziationen sind die einzige zuverlässige Vorgehensweise, um<br />
synchrone Zeitintervalle der fossilen Ablagerung zu extrahieren.<br />
sind die Intensitäten der Diversifizierungsphasen,<br />
die auf das Aussterben folgen, weit<br />
weniger bekannt und Gegenstand intensiver<br />
Forschung.<br />
Es scheint bereits klar, dass die mittleren<br />
Erscheinungsraten einer bestimmten<br />
Gruppe während der Phasen der Wiederherstellung<br />
der Biodiversität zunehmen.<br />
Zu beachten ist hier, dass eine Diversifizierung<br />
auch anders ausgelöst werden<br />
kann, beispielsweise durch einen Rückgang<br />
der Aussterbensraten. Die ökologischen<br />
Lücken, die durch Gruppen ausgestorbener<br />
Arten hinterlassen werden, bilden<br />
offensichtlich einen starken evolutionären<br />
Stimulus, sowohl für bestimmte<br />
Gruppen, die überlebt haben, als auch für<br />
andere neu erschienene Arten. Die Phasen<br />
des Aussterbens und der Diversifizierung<br />
führen also zu einer Beschleunigung des<br />
Balletts der Arten und erzeugen damit<br />
eine grössere Anzahl Biochronozonen als<br />
in den intermediären Phasen, die von<br />
einer langsamen Erneuerung der Fauna<br />
gekennzeichnet sind.<br />
Die numerischen Simulationen, die auf<br />
einer inversen Vorgehensweise vom Typ<br />
Monte-Carlo-Algorithmus basieren, haben<br />
auch gezeigt, dass die von den Biochronozonen<br />
gefangene Zeitmenge in<br />
Spurlos verschwunden<br />
Diese grossen oder kleinen Fluktuationen<br />
der Biodiversität dienen dazu, die letzten<br />
540 Millionen Jahre der Geschichte des<br />
Lebens in Biochronozonen zu unterteilen.<br />
Diese wiederum sind selber in Stockwerke,<br />
Epochen und Perioden unterteilt, und dies<br />
seit der kambrischen Explosion, die als<br />
Zeitpunkt für das Auftreten der wichtigsten<br />
Tierphyla mit den wichtigsten Bauplänen<br />
gilt. Im Vergleich zum Erdalter (4,5<br />
Milliarden Jahre) oder sogar zu den ältesten<br />
irdischen Lebensspuren (Archaeobacteria,<br />
ab 3,8 Milliarden Jahre) mögen<br />
diese letzten 540 Millionen Jahre (das<br />
Phanerozoikum) schon sehr kurz erscheinen.<br />
Unsere Messung der paläontologischen<br />
Zeit hängt eigentlich auch von einer<br />
wichtigen evolutionären Innovation ab,<br />
die sich im Kambrium ereignete: die Mineralisierung<br />
des Gewebes, sowohl in<br />
Form des externen wie auch internen<br />
Skeletts. Diese mineralisierten Gewebe<br />
steigern die Fossilisationsfähigkeit der<br />
ausgestorbenen Organsimen gegenüber<br />
dem Schicksal der weichen Gewebe, die<br />
normalerweise nicht erhalten bleiben. Nur<br />
ungefähr das letzte Sechstel des Balletts<br />
der Arten ist für uns sichtbar und damit<br />
direkt in relativer Zeit analysierbar. ■<br />
Referenzen<br />
Escarguel, G., und Bucher, H., 2004. Counting<br />
taxonomic richness from discrete biochronozones<br />
of unknown duration: a simulation.<br />
Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology<br />
202: 181–208.<br />
Guex, J., 1991. Biochronological Correlations.<br />
Springer.<br />
<strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
31
Perspektiven<br />
Aktuelles aus der Urologie<br />
Neues Verständnis vom<br />
Schmerzsyndrom des Beckens<br />
Verschiedene Schmerzsyndrome des Beckens haben einen enormen Einfluss auf die Lebensqualität<br />
der Betroffenen. Zu den wichtigsten zählen das Prostataschmerz- sowie das Blasenschmerzsyndrom.<br />
Wichtig für die Betreuung der Patienten ist neben dem Ausschluss von «verwechselbaren» Erkrankungen<br />
das Verständnis für das Wesen des chronischen Schmerzes sowie der Wechselwirkung mit<br />
der Organfunktion bei diesen Syndromen.<br />
Daniel S. Engeler, Leitender Arzt Klinik für Urologie, Kantonsspital St. Gallen<br />
In früheren Jahren fokussierte sich die<br />
Forschung im Bereich des chronischen<br />
Beckenschmerzes vorwiegend auf periphere<br />
Endorgan-Mechanismen wie entzündliche<br />
oder infektiöse Vorgänge. Jedoch<br />
machten Grundlagenforschung und<br />
klinischen Erkenntnisse klar, dass sich<br />
viele krankheitsrelevante Vorgänge im<br />
zentralen Nervensystem abspielen. Heutzutage<br />
geht man davon aus, dass bei diesen<br />
Schmerzsyndromen ein peripherer<br />
Stimulus, z.B. eine Infektion oder ein<br />
Trauma, eine Reihe von Folgeerscheinungen<br />
auslöst. Diese verselbständigen sich<br />
im Rahmen einer Modulation des Zentralnervensystems<br />
letztlich unabhängig<br />
von der primären Ursache. Neben dem<br />
Schmerz äussert sich diese Modulation im<br />
Rahmen von verschiedenen anderen sensorischen,<br />
funktionellen (z.B. Miktion<br />
oder Defäkation), verhaltensmässigen<br />
oder psychologischen Phänomenen. Solche<br />
individuell ausgeprägten Phänomene<br />
bilden dann die Basis der Diagnose eines<br />
Schmerzsyndroms.<br />
Es ist wichtig, dass bei vielen dieser<br />
Schmerzsyndrome keine periphere persistierende<br />
Pathologie mehr festzustellen ist,<br />
wie z.B. Entzündung/Infektion, die durch<br />
das Krankheitssuffix «-itis» reflektiert ist.<br />
Somit ist eine Nomenklatur, die sich allein<br />
auf das periphere Endorgan fokussiert,<br />
unpassend und irreführend, ja gefährlich,<br />
da daraus möglicherweise falsche therapeutische<br />
Konsequenzen gezogen werden.<br />
Aus diesem Grunde wird in der neuen<br />
Abbildung 1: Mögliche Mechanismen der peripheren Sensibilisierung durch chemische<br />
Mediatoren beim Blasenschmerzsyndrom. ATP = Adenosintrophosphat, Ach = Acetylcholine,<br />
NO = Stickstofmonoxid, NGF = Nerve growth factor, NKA = Neurokinin A, TrKA = Tyrosinkinase<br />
A, TRPV1 = Vanilloid Rezeptor 1, nAChR = Nikotinischer Acetylcholinrezeptor,<br />
P2X/P2Y = Purinrezeptoren, M3 = Muskarinischer Acetylcholinrezeptor M3.<br />
Terminologie (u.a. Guidelines der European<br />
Association of Urology) (1) der chronische<br />
Beckenschmerz in spezifischkrankheitsassoziierten<br />
Beckenschmerz<br />
mit bekannter Ätiologie sowie in die Beckenschmerzsyndrome<br />
unterteilt. Die<br />
häufigsten Schmerzsyndrome im urologischen<br />
Bereich sind das Prostataschmerz<br />
syndrom (Prostate Pain Syndrome<br />
= PPS, früher chronische Prostatitis)<br />
und das Blasenschmerzsyndrom (Bladder<br />
Pain Syndrome = BPS, früher intersti tielle<br />
Zystitis). Von einem chronischen Schmerzsyndrom<br />
spricht man ab einer Dauer von<br />
sechs Monaten.<br />
Die Hintergründe des<br />
chronischen Schmerzes<br />
Mechanismen des chronischen Beckenschmerzes<br />
können verschiedene Prozesse<br />
beinhalten, die weitgehend bekannt sind.<br />
Einerseits sind persistierende akute<br />
Schmerzmechanismen möglich, wie diejenigen,<br />
die mit entzündlichen Veränderungen<br />
assoziiert sind, andererseits bestehen<br />
vor allem chronische Mechanismen,<br />
die das Zentralnervensystem involvieren.<br />
Bei der sogenannten peripheren Sensibilisierung<br />
geht man davon aus, dass unmyelinisierte<br />
viszerale Afferenzen (Typ-C-<br />
Fasern), die normalerweise nicht (50–<br />
90 Prozent) oder wenig aktiv sind, durch<br />
verschiedene Vorgänge eine reduzierte<br />
Aktivierungsschwelle oder eine gesteigerte<br />
Antwort aufweisen. Dies geschieht über<br />
eine Änderung in Botensubstanzen oder<br />
Modifikation von Rezeptoren. Als Beispiel<br />
sei hier die vermehrte Ausschüttung von<br />
Nerve Growth Factor (NGF), Adenosintriphosphat<br />
(ATP) oder Substanz P genannt,<br />
die über ihre spezifischen Rezeptoren für<br />
eine vermehrte Aktivierung der viszeralen<br />
32 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong>
Perspektiven<br />
Afferenzen sorgen (Abb. 1) (2, 3). Durch<br />
zentralen Transport z.B. des Tyrosinkinase-A(TrkA)-NGF<br />
wird unter Umständen<br />
auch die Genexpression verändert. Ein<br />
anderer peripherer Mechanismus ist die<br />
Veränderung von spannungsabhängigen<br />
Ionenkanälen (z.B. Tetrodotoxin-resistant<br />
Sodium Channel, NaV1.8), die sich abhängig<br />
vom Membranpotential öffnen oder<br />
schliessen. Als weitere Möglichkeit kann<br />
es bei einem direkten Schaden an peripheren<br />
Nerven zu einer pathologischen<br />
afferenten Aktivität mit Ausbildung von<br />
neuropathischen Schmerzen und einer<br />
nachfolgenden zentralen Sensibilisierung<br />
kommen.<br />
Bei der zentralen Sensibilisierung sind<br />
verschiedene Mechanismen vor allem auf<br />
spinaler Ebene involviert, insbesondere<br />
Änderungen in der Proteinaktivität, Proteintranskription<br />
oder auch strukturelle<br />
Änderungen in den neuronalen Verbindungen<br />
(4). Als Beispiel sei hier der Wegfall<br />
des Magnesiumblocks des N-metyl-<br />
Aspartat-Rezeptors (NMDA) genannt, der<br />
auf eine erhöhte Glutamatfreisetzung<br />
aufgrund repetitiver afferenter nozizeptiver<br />
Signale folgt. Dies führt über das Einströmen<br />
von Calcium-Ionen zu einer<br />
vermehrten Depolarisation des sekundären<br />
afferenten Neurons. Weiter zentral<br />
spielt die Modulation von spinalen Signalen<br />
eine wichtige Rolle, insbesondere das<br />
periaquäduktale Grau (PAG), das unter<br />
dem Einfluss von höheren Zentren steht,<br />
die mit Kognition und Emotion assoziiert<br />
sind (Abb. 2). Bei der deszendierenden<br />
Inhibition sind verschiedene Transmitter<br />
involviert, wie Opioide, 5-Hydroxytryptamin<br />
und Noradrenalin. Untersuchungen<br />
mit funktioneller Magnetresonanztomographie<br />
haben gezeigt, dass bei der wichtigen<br />
psychischen Modulation von viszeralen<br />
Schmerzen möglicherweise mehrere<br />
neuronale Bahnen involviert sind (5).<br />
Wechselwirkung von<br />
Schmerz und Organfunktion<br />
– Phänotypisierung<br />
Im Rahmen der meisten Schmerzsyndrome<br />
kommt es zur sekundären Ausbildung<br />
von Störungen der Organfunktion. Dabei<br />
sind diese häufig nicht nur Funktionsänderungen<br />
des (vermutlich) in die primäre<br />
Entstehung des Schmerzes involvierten<br />
Organes, sondern auch von anderen, häufig<br />
benachbarten Organen. So ist zum<br />
Beispiel das chronische PPS häufig mit<br />
Abbildung 2: Rolle des periaquaeduktalen Graus bei der zentralen<br />
Schmerzverarbeitung.<br />
Störungen der Blasenfunktion (z.B. überaktive<br />
Blase), der Sexualität (z.B. erektile<br />
Dysfunktion), der Defäkation (z.B. Obstipation)<br />
oder der Muskulatur (z.B. überaktiver<br />
Beckenboden) assoziiert. Diese<br />
Funktionsstörungen wiederum können<br />
dann die Schmerzsymptomatik negativ<br />
beeinflussen respektive weiter verstärken.<br />
In ihrer Gesamtheit nehmen die Funktionsstörungen<br />
bei einzelnen Patienten<br />
sehr unterschiedliche Ausprägungen an.<br />
Es wurde im Rahmen von verschiedensten<br />
randomisierten Placebo-kontrollierten<br />
Studien gezeigt, dass einzelne Monotherapien<br />
häufig über das Gesamtkollektiv<br />
aller Patienten keinen signifikanten<br />
Effekt zeigten. Aus diesem Grunde wird<br />
neuerdings versucht, die Patienten entsprechend<br />
der Symptomatologie in verschiedene<br />
Phänotypen einzuteilen und<br />
die Therapie entsprechend daran zu orientieren.<br />
Dies in der Hoffnung, dass einzelne<br />
Subtypen ein besseres Ansprechen<br />
auf eine phänotypenfokussierte Therapie<br />
haben.<br />
Beispiel Prostataschmerzsyndrom<br />
(PPS)<br />
Beim PPS ist in der Grosszahl der Fälle<br />
keine Infektion oder andere Organpathologie<br />
der Prostata mehr nachzuweisen.<br />
Neben der Erfassung der Symptome, die<br />
nicht nur den eigentlichen Prostataschmerz,<br />
sondern auch andere assoziierte<br />
Symptome umfassen soll (z.B. Miktionsstörungen,<br />
muskulosfasziale Störungen,<br />
Störungen der Sexualität, Störungen der<br />
Psyche/Lebensqualität) werden entsprechend<br />
der klinischen Präsentation mittels<br />
geeigneter diagnostischer Untersuchungen<br />
Krankheiten mit spezifischer Behandlung<br />
ausgeschlossen. Wenn diese Abklärungen<br />
dann unauffällig ausfallen, sind<br />
mehrfache Wiederholungen dieser Untersuchungen<br />
nicht sinnvoll.<br />
Bei der Behandlung des PPS sollte eine<br />
multimodale Therapie, allenfalls unter<br />
Beizug anderer Fachdisziplinen, angestrebt<br />
werden. Eine Serie von Patienten,<br />
die mittels phänotyporientierter multimodaler<br />
Therapie behandelt wurden, zeigte<br />
eine signifikante symptomatische Verbesserung<br />
bei 84 Prozent (6). Ein erster therapeutischer<br />
Schritt besteht darin, dem<br />
Patienten die Krankheit, das chronische<br />
Schmerzsyndrom, zu erklären und ihm<br />
die häufig vorhandene Krebsangst zu nehmen.<br />
Ebenfalls wichtig ist es, ihm die<br />
zentralnervöse und psychische Dimension<br />
des Problems zu erklären, damit er präzipitierende<br />
Faktoren erkennen und aktiv<br />
damit umgehen kann. Durch Ändern von<br />
symptomverstärkendem Verhalten kann<br />
ebenfalls meist eine gewisse Verbesserung<br />
erreicht werden. Es ist wichtig, im Hinblick<br />
auf therapeutische Compliance, realistische<br />
Behandlungsziele zu formulieren<br />
und überhöhte Therapieerfolgsvorstellungen<br />
zu vermeiden. Verschiedene Therapieansätze<br />
konnten mittels randomisierter<br />
Studien belegt werden, wobei diejenigen<br />
mit peripherem Ansatz phänotyporientiert<br />
vor allem bei kürzerer Krankheitsdauer<br />
(
Perspektiven<br />
romodulatorische Ziele haben, unter<br />
Umständen eine Möglichkeit (1). Weitere<br />
Forschung ist jedoch notwendig, um die<br />
Wirksamkeit von neueren phänotypgerichteten<br />
Therapien zu belegen.<br />
Schlussfolgerung<br />
Wichtig bei der modernen Betrachtung<br />
von Schmerzsyndromen des Beckens ist,<br />
dass der Schmerz als Krankheitsprozess<br />
gesamthaft ins Zentrum rückt. Dies bedeutet,<br />
dass die damit verbundenen funktionellen<br />
Organveränderungen sowie die<br />
negativen Auswirkungen auf die Kognition,<br />
das Verhalten, die Sexualität und die<br />
Emotionen in die Betrachtung einbezogen<br />
werden. Das Augenmerk sollte nicht mehr<br />
in erster Linie einer konkreten peripheren<br />
Organpathologie gelten, die häufig nur<br />
minimal nachweisbar ist. Eine monotherapeutische,<br />
oft repetitive Therapie mit<br />
peripherem Endorganansatz (z.B. Antibiotikatherapie<br />
mit dem Fokus bakterieller<br />
Infektbehandlung) ist meist zum<br />
Scheitern verurteilt, weil wichtige Aspekte<br />
des chronischen Schmerzsyndroms vernachlässigt<br />
werden. Die Zukunft wird<br />
zeigen, welche multimodalen Behandlungsstrategien<br />
die besten Resultate bringen.<br />
■<br />
Literaturangaben<br />
1 D. Engeler et al. Guidelines on Chronic Pelvic<br />
Pain. In: EAU Guidelines, edition presented<br />
at the 26th EAU Annual Congress, Paris 2012.<br />
ISBN 978-90-79754-83-0. Downloadbar unter:<br />
http://www.uroweb.org/fileadmin/user_<br />
upload/Guidelines/Chronic%20Pelvic%20<br />
Pain.pdf<br />
2 Sun Y et al. Augmented stretch activated adenosine<br />
triphosphate release from bladder<br />
uroepithelial cells in patients with interstitial<br />
cystitis. J Urol 2001;166:1951–6.<br />
3 Sculptoreanu A et al. KW-7158 enhances A-<br />
type K+ currents in neurons of the dorsal root<br />
ganglion of the adult rat. J Pharmacol Exper<br />
Therap 2004;310:159–68.<br />
4 McMahon SB, Jones NG. Plasticity of pain<br />
signaling: role of neurotrophic factors exemplified<br />
by acidinduced pain. J Neurobiol<br />
2004;61:72–87.<br />
5 Fulbright RK, et al. Functional MR imaging<br />
of regional brain activation associated with<br />
the affective experience of pain. AJR Am J<br />
Roentgenol 2001; 177:1205–10.<br />
6. Shoskes DA et al. Phenotypically directed<br />
multimodal therapy for chronic prostatitis/<br />
chronic pelvic pain syndrome: A Prospective<br />
Study Using UPOINT. Urology. 2010;<br />
75:1249–53.<br />
34 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong>
Perspektiven<br />
Aus der «Praxis» *<br />
Universitäre Psychiatrische Dienste, Direktion Alterspsychiatrie, Bern 1 ; Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich, Verkehrsmedizin und Forensische<br />
Psychiatrie 2 ; Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat 3 ; Stadtspital Waid, Klinik für Akutgeriatrie, Memory-Klinik, Zürich 4 ; Neurologie Spitalzentrum<br />
Biel 5 ; Universitätsspital Basel, Akutgeriatrie, Memory Clinic, Basel 6 ; Schweizerische Alzheimervereinigung, Yverdon-les-Bains 7 ; Inselspital, Abteilung für<br />
Kognitive und Restorative Neurologie, Bern 8 ; Universität Bern, Gerontechnologie und Rehabilitation, Bern 9 ; Strassenverkehrsamt Chur 10 ; Service Universitaire<br />
de Psychiatrie de l’Age Avancé, Départment de Psychiatrie, Centre Hospitalier Universitaire Vaudois, Lausanne 11 ; Praxisgemeinschaft Kofmehl-<br />
Huus, Subingen 12<br />
Konsensusempfehlungen<br />
zur Beurteilung der medizinischen<br />
Mindestanforderungen<br />
für Fahreignung bei kognitiver<br />
Beeinträchtigung<br />
Consensus Recommendations for the Assessment of Fitness to Drive in Cognitively Impaired Patients<br />
1,9 U.P. Mosimann, 2 J. Bächli-Biétry, 3 J. Boll, 4 I. Bopp-Kistler, 5 F. Donati, 6 R.W. Kressig, 7 B. Martensson,<br />
6 A.U. Monsch, 8,9 R. Müri, 9 T. Nef, 10 A. Rothenberger, 2 R. Seeger, 11 A. von Gunten, 12 U. Wirz<br />
Allgemeines<br />
Im Verein Swiss Memory Clinics haben<br />
sich mehr als 30 Schweizer Memory Clinics<br />
zusammengeschlossen (http:// www.<br />
swissmemoryclinics.ch/). Der Verein hat<br />
u.a. das Ziel, Qualitätsstandards für die<br />
Demenzdiagnostik und Therapie zu entwickeln.<br />
Memory Clinics bieten spezialisierte<br />
Demenzdiagnostik und Therapie<br />
an. Der diagnostische Prozess ist interdisziplinär<br />
und berücksichtigt nationale<br />
Konsensusempfehlungen [1] und internationale<br />
Richtlinien [2]. Memory Clinics<br />
arbeiten im Auftrag von niedergelassenen<br />
Ärzten und suchen die Zusammenarbeit<br />
mit Angehörigen. Sie fördern die Vernetzung<br />
von Betroffenen und Angehörigen<br />
(z.B. Schweizerische Alzheimervereinigung;<br />
http://www.alz.ch).<br />
Demenzen sind progrediente Erkrankungen,<br />
die abhängig von Ursache und<br />
Schweregrad die Fahreignung beeinträchtigen<br />
und das Unfallrisiko erhöhen können<br />
[3]. Die Inzidenz und Prävalenz von<br />
Demenzen nehmen altersabhängig zu. In<br />
der Schweiz leben gemäss Hochrechnungen<br />
mehr als 110 000 Menschen mit Demenz<br />
und die meisten von ihnen, d.h.<br />
etwa 60%, leben zu Hause [4]. Demenzen<br />
werden einerseits unterdiagnostiziert, was<br />
dazu führen kann, dass Fahrzeuglenker<br />
in Unkenntnis der Erkrankung Motorfahrzeuge<br />
lenken. Anderseits stimmt der<br />
Zeitpunkt der Diagnose nicht zwingend<br />
mit dem Zeitpunkt überein, an dem die<br />
Fahreignung aus medizinischen Gründen<br />
nicht mehr gegeben ist. Im internationalen<br />
Vergleich ist die Verkehrssicherheit in<br />
Mitglieder der interdisziplinären Expertengruppe Fahreignung bei Demenz des Vereins<br />
Swiss Memory Clinics (in alphabetischer Reihenfolge): Dr. phil. J. Bächli (Verkehrspsychologie);<br />
Dr. iur. J. Boll (Staatsanwaltschaft); Dr. med. I. Bopp-Kistler (Geriatrie);<br />
Dr. med. F. Donati (Neurologie); Prof. Dr. med. R. W. Kressig (Geriatrie); lic. oec.<br />
Birgitta Martensson (Alzheimervereinigung); Prof. Dr. phil. A. U. Monsch (Neuropsychologie);<br />
Prof. Dr. med. U. P. Mosimann (Alterspsychiatrie; Vorsitz); Prof. Dr. med. R.<br />
Müri (Neurologie); Prof. Dr. sc. T. Nef (Ingenieurwissenschaften); A. Rothenberger<br />
(Verkehrsexperte); Dr. med. R. Seeger (Rechtsmedizin); Prof. Dr. med. A. von Gunten<br />
(Alterspsychiatrie) und Dr. med. et phil. nat. U. Wirz (Hausarztmedizin).<br />
der Schweiz gross [5]. Es fehlen jedoch<br />
Statistiken, die aufzeigen, wie viele Senioren<br />
mit Demenz Verkehrsunfälle verursachen.<br />
* Der Artikel erschien ursprünglich in der<br />
«Praxis» (2012; 101 (7): 451-464). <strong>VSAO</strong>-<br />
Mitglieder können die «Praxis» zu äusserst<br />
günstigen Konditionen abonnieren. Details s.<br />
unter www.verlag-hanshuber.com/vsao.<br />
Im Artikel verwendete Abkürzungen:<br />
AAN American Academy of Neurology<br />
BGE Bundesgericht<br />
CDR Clinical Dementia Rating<br />
CERAD Consortium to Establish a Registry<br />
for Alzheimer’s Disease<br />
DLB Dementia with Lewy Bodies<br />
FTD Fronto-temporale Lobärdegeneration<br />
IADL Instrumental Activities of Daily Living<br />
ICADTS International Council on Alcohol,<br />
Drugs and Traffic Safety<br />
MCI Mild Cognitive Impairment<br />
MMSE Mini-Mental-Status Examination<br />
MWT Maintenance of Wakefullness Test<br />
NPI Neuropsychiatrisches Inventar<br />
OR Obligationenrecht<br />
PDD Parkinson-Demenz<br />
SVG Schweizerisches Strassenverkehrs -<br />
gesetz<br />
TAP Test zur Aufmerksamkeitsprüfung<br />
UFOV Useful Field of View Test<br />
VZV Verkehrszulassungsverordnung<br />
<strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
35
Perspektiven<br />
* Der Lesbarkeit halber wird im ganzen Manuskript<br />
die männliche Form, stellvertretend für<br />
beide Geschlechter verwendet.<br />
Autofahren ist wohl eine der komple xesten<br />
instrumentellen Alltagsaktivitäten (instrumental<br />
activities of daily living<br />
[IADL]), die ein optimales Zusammenspiel<br />
von Perzeption, Kognition und Motorik<br />
erfordert. Die häufigsten verkehrsrelevanten<br />
Erkrankungen bei Senioren sind<br />
Demenzen und altersassoziierte Sehstörungen.<br />
Die typischen Fahrschwierigkeiten<br />
bei Demenz sind: das Nichteinhalten<br />
der Fahrspur, abrupte Spurwechsel, fehlende<br />
Geschwindigkeitsgestaltung, unsicheres<br />
oder fehlerhaftes Verhalten an<br />
Verzweigungen, Nichtgewähren des Vortritts,<br />
Nichtbeachten des Rechtsvortritts<br />
oder Fehl interpretation von Lichtsignalen<br />
und anderes mehr [6].<br />
Die Kernkompetenz der Memory Clinic<br />
liegt darin, eine Demenz zu diagnostizieren,<br />
deren Ursache festzustellen und den<br />
Schweregrad der Erkrankung zu quantifizieren.<br />
Für die Einschätzung, ob trotz<br />
Erkrankung die medizinischen Mindestanforderungen<br />
erfüllt bleiben, müssen<br />
zusätzlich verkehrsrelevante Komorbiditäten<br />
und Medikationen mitberücksichtigt<br />
werden. Die meisten Informationen<br />
für die Beurteilung werden im Rahmen<br />
der Demenzdiagnostik erhoben. Der Verzicht<br />
auf das Autofahren sollte nicht<br />
leichtfertig empfohlen werden, da bei Senioren<br />
durch die Einschränkung der eigenen<br />
körperlichen Leistungsfähigkeit die<br />
Abhängigkeit zum Auto steigt, das Umsteigen<br />
auf öffentliche Verkehrsmittel schwierig<br />
ist und Angewöhnungszeit braucht. Die<br />
Einschränkung der Mobilität kann zudem<br />
zu sozialer Isolation, zu Depression<br />
oder Institutionalisierung führen [7,8].<br />
Der Verein der Swiss Memory Clinics hat<br />
eine interdisziplinäre Expertengruppe<br />
beauftragt, praktische Empfehlungen für<br />
die Beurteilung der medizinischen Mindestanforderungen<br />
bei Demenzen zu erarbeiten.<br />
In der Expertengruppe waren die<br />
Fachgebiete Geriatrie, Psychiatrie, Neurologie,<br />
Verkehrsmedizin, Neuropsychologie,<br />
Verkehrspsychologie, Hausarztmedizin,<br />
Strassenzulassungsbehörde, Verkehrstechnik,<br />
Jurisprudenz und die Alzheimervereinigung<br />
vertreten. Die hier im<br />
Konsensus erarbeiteten Empfehlungen<br />
fokussieren auf ältere Motorfahrzeuglenker<br />
* der Gruppe 3 mit der Führerausweiskategorie<br />
B (d.h. Fahrzeugnutzung im<br />
Privatverkehr, Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen<br />
und bis zu acht Sitzplätzen). Bei der Erarbeitung<br />
der Empfehlungen hat die Expertengruppe<br />
die eigene klinische Erfahrung,<br />
die rechtlichen Rahmenbe dingungen, die<br />
publizierte Evidenz und bestehenden Konsensusempfehlungen<br />
[9–11] berücksichtigt.<br />
Die rechtlichen<br />
Rahmen bedingungen<br />
Die rechtlichen Rahmenbedingungen<br />
sind im Schweizerischen Strassenverkehrsgesetz<br />
(SVG) (SR 741.01), in der Verordnung<br />
über die Zulassung von Personen<br />
und Fahrzeugen zum Strassenverkehr<br />
(Verkehrszulassungsverordnung (VZV)<br />
SR 741.51) und im Obligationenrecht (OR)<br />
(SR 220) geregelt (Tab. 1).<br />
Das SVG (Art. 14, Abs. 4) (http://www.<br />
admin.ch/ch/d/sr/c741_01.html) regelt<br />
das ärztliche Melderecht an die Aufsichtsbehörde<br />
oder an die Verkehrszulassungsbehörde.<br />
Das Melderecht gilt für<br />
Personen, die wegen körperlichen oder<br />
geistigen Krankheiten oder wegen Süchten<br />
zum sicheren Führen von Motorfahrzeugen<br />
nicht mehr fähig sind. Die Gesetzgebung<br />
regelt, dass die Meldung im Ermessen<br />
des Arztes liegt und dazu keine<br />
Entbindung des Berufsgeheimnisses notwendig<br />
ist. Es handelt sich hier ausdrücklich<br />
um ein Melderecht und keine Meldepflicht.<br />
Das Behandlungsteam einer Memory<br />
Clinic ist im Rahmen der beruflichen<br />
Sorgfaltspflicht (OR Art. 398) (http://<br />
www.admin.ch/ch/d/sr/c220.html) zusätzlich<br />
verpflichtet, die Untersuchungen<br />
sorgfältig durchzuführen, die Patienten<br />
über die Erkrankung, deren Prognose und<br />
über die möglichen Auswirkungen im<br />
Strassenverkehr aufzuklären. Der Inhalt<br />
der Untersuchungsergebnisse und der<br />
Aufklärung müssen in der Krankengeschichte<br />
dokumentiert werden. Bei schwer<br />
amnestischen oder anosognostischen<br />
Patienten empfiehlt es sich, den Ausgang<br />
der Untersuchung in Anwesenheit der Angehörigen<br />
zu besprechen und allenfalls<br />
die Empfehlungen schriftlich mitzuteilen.<br />
Die VZV (http://www.admin.ch/ch/d/sr/<br />
c741_51.html) regelt unter anderem die<br />
regelmässigen medizinischen Kontrolluntersuchungen<br />
(Art. 27), die Kontrollfahrt<br />
(Art. 29) und die medizinischen Mindestanforderungen<br />
(Anhang 1). Art. 27 sieht<br />
bei den über 70-jährigen Ausweisinhabern<br />
zurzeit alle zwei Jahre eine medizinische<br />
Kontrolluntersuchung vor, die von den<br />
meisten Kantonen an die Hausärztinnen<br />
und Hausärzte delegiert wird. Pro Jahr<br />
fallen in der Schweiz so ungefähr 175 000<br />
Kontrolluntersuchungen an [3]. Falls<br />
nach einer Kontrolluntersuchung von der<br />
Behörde zusätzliche spezialärztliche Abklärungen<br />
empfohlen werden, kann die<br />
Behörde eine Zusatzuntersuchung bei<br />
Spezialisten, z.B. in einer Memory Clinic<br />
oder in einer verkehrsmedizinischen Abklärungsstelle<br />
anordnen. In dieser Situation<br />
hat die Memory Clinic gegenüber der<br />
Behörde Garantenpflicht. Eine vollständige<br />
Rückmeldung und Empfehlung an die<br />
Behörde ist Teil des Auftrages, der in der<br />
Regel vom Exploranden bezahlt werden<br />
muss. Da die Memory Clinic in diesem<br />
Falle eine Gutachterrolle einnimmt, ist es<br />
wichtig und notwendig, dem Exploranden<br />
das Auftragsverhältnis, die Kostenfolgen<br />
und Verpflichtung der Informa tionsweitergabe<br />
zu erklären.<br />
Die medizinischen Mindestanforderungen<br />
(VZV Anhang 1) sehen u.a. vor, dass<br />
keine schweren Nervenkrankheiten,<br />
keine Geisteskrankheiten von Bedeutung<br />
und keine periodische Bewusstseinstrübung<br />
oder Bewusstseinsverluste<br />
vorliegen dürfen. Der Gesetzgeber erlaubt<br />
erhöhtes Risiko. Er bejaht z.B. Autofahren<br />
mit 0,5 Promille Alkohol, obwohl<br />
dies das Unfallrisiko erhöht. Ähnliches gilt<br />
bei Visus- und Gesichtsfeldeinschränkungen,<br />
bei denen innerhalb eines gewissen<br />
Rahmens die Mindestanfor derungen erfüllt<br />
bleiben, obwohl das Unfallrisiko ansteigt.<br />
Für kognitive Einschränkungen<br />
oder Demenzen gibt es einen gewissen<br />
Ermessensspielraum, da klar definierte<br />
Schwellenwerte fehlen. Die Rechtsprechung<br />
gibt allerdings vor, dass die Grundleistung<br />
alleine nicht ausreichend ist, um<br />
fahr geeignet zu sein, weil Leistungsreserve<br />
notwendig ist, um auf aussergewöhnliche<br />
Ereignisse zu reagieren, z.B. plötzlich<br />
auftretende, schwierige Verkehrs-,<br />
Strassen- und Umweltverhältnisse. Vereinfacht<br />
gilt deshalb, dass also je höher<br />
das medizinische Grundrisiko ist (z.B.<br />
leichte kognitive Beeinträchtigung plus<br />
leichte Sehschwäche), desto kleiner ist die<br />
verbleibende Leistungsreserve (Abb. 1)<br />
(siehe auch Entscheidung des Schweizerischen<br />
Bundesgerichts, amtliche Sammlung<br />
(BGE) 130 IV 32, Erwägung 3.1).<br />
36 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong>
Perspektiven<br />
Obligationenrecht (OR)<br />
OR Art. 398<br />
Thema<br />
Inhalt<br />
(http://www.admin.ch/ch/d/sr/c220.html)<br />
Ärztliche Sorgfaltspflicht Regelt die Sorgfaltspflicht bei einfachen Aufträgen.<br />
Strassenverkehrsgesetz (SVG)<br />
(http://www.admin.ch/ch/d/sr/c741_01.html)<br />
Art 14, Abs. 4 Ärztliches Melderecht Jeder Arzt kann Personen, die wegen körperlichen oder geistigen Krankheiten<br />
oder Gebrechen oder wegen Süchten zur sicheren Führung von Motorfahrzeugen<br />
nicht fähig sind, der Aufsichtsbehörde für Ärzte und der für die Erteilung<br />
und den Entzug des Führerausweises zuständigen Behörde melden.<br />
Verkehrszulassungsverordnung (VZV)<br />
(http://www.admin.ch/ch/d/sr/c741_51.html)<br />
Art. 27, Abs. 1b und 2a Vertrauensärztliche Gemäss Art. 27. Abs. 1, Buchstabe b haben sich alle Fahrzeugführer, die<br />
Kontrolluntersuchung den Führerausweis der 3. Gruppe besitzen (z.B. insbesondere Kat. B-Personenwagen,<br />
Kat. A-Motorräder oder landwirtschaftliche Fahrzeuge) ab<br />
dem 70. Altersjahr alle zwei Jahre einer medizinischen Kontrollunter -<br />
suchung zu unterziehen, um verkehrsrelevante Erkrankungen auszuschliessen.<br />
Art. 27 Abs. 2a regelt, dass diese vertrauensärztlichen Kontrolluntersuchungen<br />
an die behandelnden Ärzte übertragen werden können.<br />
Art. 29 Kontrollfahrt Dieser Artikel regelt die Kontrollfahrt, die sich für Senioren eignet, die die<br />
medizinischen Mindestanforderungen erfüllen und trotzdem Bedenken über<br />
die Eignung eines Fahrzeugführers bestehen.<br />
Anhang 1 Medizinische Dieser Anhang regelt die medizinischen Mindestanforderungen. Für die<br />
Mindestanforderungen Memory Clinics sind die Minimalanforderungen betreffend Nervensystem<br />
(also insbesondere keine schweren Nervenkrankheiten, keine<br />
Geisteskrankheiten von Bedeutung; keine periodischen Bewusstseinstrübungen<br />
oder -verluste; keine Gleichgewichtsstörungen) und Sehen<br />
(für Beidäugige: Visus korrigiert minimal 0,6; Gesichtsfeld minimal<br />
140 Grad, keine Doppelbilder) wichtig.<br />
Tab. 1: Die wesentlichen rechtlichen Rahmenbedingungen für die Einschätzung der medizinischen Mindestanforderungen in<br />
Memory Kliniken.<br />
Patienten, die die medizinischen Mindestanforderungen<br />
nicht erfüllen, dürfen<br />
nicht zur Kontrollfahrt angemeldet werden.<br />
Die Rahmenbedingungen für die<br />
Kontrollfahrt sind in der VZV (Art. 29)<br />
geregelt. Sie dauert in der Regel 45–60<br />
Minuten und wird im eigenen Fahrzeug<br />
durchgeführt. Bei Nichtbestehen kann sie<br />
in der Schweiz, anders als in anderen europäischen<br />
Ländern, nicht wiederholt<br />
werden. Für den Patienten ist es deshalb<br />
empfehlenswert, vor der Kontrollfahrt<br />
Fahrstunden bei einem konzessionierten<br />
Fahrlehrer zu nehmen. In einigen Kantonen<br />
(z.B. Zürich, Schaffhausen, Thurgau,<br />
Zug, St. Gallen, Solothurn, Luzern<br />
und Graubünden) werden im Rahmen<br />
von verkehrsmedizinischen Abklärungen<br />
ärztlich begleitete Kontrollfahrten durchgeführt.<br />
Während diesen beurteilt der<br />
Experte die Fahrkompetenz und der Arzt<br />
die Auswirkungen der Erkrankungen auf<br />
das Fahrverhalten. Die Kontrollfahrt eignet<br />
sich für Senioren, welche die medizinischen<br />
Mindestanforderungen möglicherweise<br />
erfüllen und bei denen Bedenken<br />
zur Fahreignung trotz Untersuchung<br />
nicht ausgeräumt werden können. Typische<br />
Indikationen für Kontrollfahrten<br />
sind z.B. leichte Demenz; schwierig zu<br />
beurteilende kogni tive Beeinträchtigung<br />
bei fehlender Schulbildung oder Fremdsprachigkeit;<br />
Multimorbidität durch das<br />
Zusammenwirken von verschiedenen<br />
leichten Erkrankungen, die in ihrer Gesamtheit<br />
eingeschätzt werden müssen.<br />
Bei leichter kognitiver Beeinträchtigung,<br />
einer beginnenden Demenz oder anderen<br />
progredienten Erkrankungen ist es sinnvoll,<br />
die Kontrollfrist zu verkürzen. Die<br />
Fahrtauglichkeit kann aus medizi nischen<br />
Gründen örtlich, zeitlich oder bezüglich<br />
Fahrzeugkategorie (z.B. Kategorie F,<br />
45 km/h) eingeschränkt werden oder es<br />
können Auflagen (z.B. Brillen tragen) für<br />
das Autofahren gemacht werden. Bei Demenzen<br />
sind die Einschränkungen, z.B.<br />
Verminderung des Fahrradius, in der Regel<br />
keine Lösung, da diese Limitationen vergessen<br />
werden und erfahrungsgemäss viele<br />
Schwierigkeiten auch innerorts, also im<br />
Bereich von 50 km/h, auftreten können [6].<br />
Kognition und Autofahren<br />
Die Kognition ist neben der Motorik und<br />
der Perzeption eine wichtige Teilfunk tion<br />
beim Autofahren. Die kognitive Testung<br />
ist ein integraler Bestandteil der Demenzdiagnostik.<br />
In den Schweizer Memory<br />
Clinics wird als Basismodul für die kognitive<br />
Testung oft die Neuropsychologische<br />
Testbatterie des Consortium to Establish<br />
a Registry for Alzheimer’s Disease<br />
(CERAD-Plus; siehe www.memoryclinic.<br />
ch) [12] verwendet. In der Literatur [3]<br />
werden für das Autofahren neben der kognitiven<br />
Gesamtleistung die Aufmerksamkeit,<br />
die exekutiven und visuellen<br />
Funktionen sowie das Reaktionsvermögen<br />
als besonders relevant beurteilt.<br />
Die Aufmerksamkeit ist eine basale kognitive<br />
Leistung und entscheidend für die<br />
<strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
37
Perspektiven<br />
[180 s]), eine Kontrollfahrt nicht mehr<br />
bestehen [6]. Obwohl solche Testwerte,<br />
wenn sie isoliert betrachtet werden, nicht<br />
genügend aussagekräftig sind, können sie<br />
in der Praxis als Bestandteil der Risikobeurteilung<br />
hilfreich sein. Wenn die Testleistung<br />
über den genannten Schwellenwerten<br />
liegt, kann nicht zwingend gefolgert<br />
werden, dass die medizinischen Mindestleistungen<br />
erhalten sind, da dafür die<br />
Demenzätiologie, die Komorbiditäten und<br />
die Medikation berücksichtigt werden<br />
müssen.<br />
Abb. 1: Schematische Darstellung der Assoziation zwischen Risiko und Leistungsreserve.<br />
Je höher das kumulative Risiko (z.B. durch kognitive Beeinträchtigung, Komorbi dität und<br />
Medikation), desto kleiner die Leistungsreserve.<br />
Informationsselektion (d.h. selektive oder<br />
fokussierte Aufmerksamkeit) und Verarbeitung,<br />
z.B. gleichzeitige Verarbeitung<br />
von visuellen und akustischen Signalen<br />
(geteilte Aufmerksamkeit) [3]. Aufmerksamkeit<br />
und exekutive Funktionen sind<br />
eng miteinander verknüpft. Letztere umfassen<br />
Planung, Antizipation von Veränderungen,<br />
Umstellfähigkeit, Flexibilität,<br />
Antrieb, Motivation und Impulskontrolle.<br />
Visuelle Perzeption ist für das Erkennen<br />
von Gefahrensituationen, von<br />
Verkehrsschildern, für den Überblick und<br />
die Orientierung im Verkehr sehr entscheidend.<br />
Bei der Testung der visuellen Perzeption<br />
werden ein normales Gesichtsfeld,<br />
normales Kontrastsehen und gute Sehschärfe<br />
vorausgesetzt. All diese Funktionen<br />
sind für den Verkehr relevant, da<br />
die Beeinträchtigungen zu Fehlwahrnehmungen<br />
oder Fehleinschätzungen<br />
führen können.<br />
In der CERAD-Plus neuropsychologischen<br />
Testbatterie wird visuelle Perzep tion unter<br />
anderem im Boston Naming Test und in<br />
den visuo-konstruktiven Teilaufgaben<br />
geprüft. Die Aufmerksamkeits- und exekutiven<br />
Funktionen werden im Trail Making<br />
Test untersucht [13]. Mehrere Studien<br />
haben die Assoziation zwischen Trail<br />
Making Test und Fahr sicherheit untersucht<br />
[14,15]. In einer Meta-Analyse war<br />
der Trail Making B Test einer der besten<br />
Prädiktoren für das Bestehen einer praktischen<br />
Fahrprobe [14]. Der Trail Making<br />
Test wird zusammen mit anderen Testverfahren<br />
(z.B. Uhrentest) von der American<br />
Medical Asso ciation als Bestandteil für die<br />
kognitive Screening-Untersuchung für die<br />
Beurteilung der Fahreignung bei Senioren<br />
empfohlen [11]. Aufmerksamkeitsdefizite<br />
sind jedoch diagnostisch unspezifisch. Sie<br />
bestehen bei neurodegenerativen Erkrankungen,<br />
bei psychischen Störungen (z.B.<br />
Depression) oder sie sind Nebenwirkungen<br />
von psychotropen Substanzen (z.B. Benzodiazepinen).<br />
Die Mini-Mental-Status<br />
Examination (MMSE) [16] und der Uhrentest<br />
sind häufig verwendete kognitive<br />
Screening-Verfahren, die jedoch wenig<br />
mit der Fahrleistung korrelieren [17]. Sie<br />
wurden nicht für die Fahreignungstestung<br />
entwickelt, wodurch ihre Aussagekraft bei<br />
der Beurteilung der Fahreignung begrenzt<br />
ist.<br />
Im Hinblick auf Verkehrssicherheit soll<br />
neben der Gesamtleistung ein besonderes<br />
Augenmerk auf die exekutiven und visuell<br />
perzeptiven Funktionen geworfen werden<br />
(d.h. CERAD Gesamtleistung; MMSE;<br />
Scores in Boston Naming Test, visuokonstruktive<br />
Aufgaben, Trail Making<br />
Test). Die Richtlinien der American Academy<br />
of Neurology (AAN) weisen darauf<br />
hin, dass die Fahrleistung bei MMSE-<br />
Werten 24/30 und Trail Making Test,<br />
Part B-Werte 180 s nachlässt [9]. Als<br />
Faustregel gilt in der verkehrsmedizinischen<br />
Praxis, dass ältere Fahrzeuglenker<br />
mit einem MMSE 21 oder einem pathologischen<br />
Trail Making Test Part-A (d.h.<br />
mit Fehlern und Zeitüberschreitung<br />
Andere kognitive<br />
Screening-Verfahren<br />
Für die vertiefte Beurteilung von verkehrsrelevanten<br />
kognitiven Funktionen werden<br />
in einigen Memory Clinics zusätzliche<br />
Testverfahren eingesetzt. Beispiele sind<br />
das Wiener Test-System (Schuhfried ® ;<br />
www.schuhfried.at), die Testbatterie ART<br />
2020 [18], der Test zur Aufmerksamkeitsprüfung<br />
(TAP-Mobilität, www.psytest.de)<br />
[19], oder der Useful Field of View Test<br />
(UFOV) [20]. Diese Computer unterstützten<br />
Testverfahren haben den Vorteil, dass<br />
sie u.a. Reaktionszeiten alters-, geschlechts-<br />
und ausbildungsadaptiert erfassen<br />
können.<br />
Es sind uns keine Studien bekannt, welche<br />
die Zusammenhänge zwischen der<br />
CERAD-Plus Leistung und Fahreignung<br />
untersuchen. Beim UFOV Test bestehen<br />
gute Korrelationen zwischen Testleistung<br />
und Fahrleistung bei Senioren ohne Demenz<br />
[21]. Es fehlen Studien, welche die<br />
Zusammenhänge zwischen spezialisierten<br />
Testverfahren und Fahrsicherheit bei<br />
Demenzen untersuchen. Deshalb ist der<br />
Mehrwert der spezialisierten Testung bei<br />
Patienten mit leichter Demenz noch ungewiss<br />
[9,10]. Wiederholt geäusserte Kritikpunkte<br />
betreffen die Testfairness, die<br />
Augenscheinvalidität und der Umstand,<br />
dass die Zusammenhänge zwischen Kognition<br />
und Motorik der Extremitäten<br />
schlecht untersucht werden.<br />
Die leichte kognitive<br />
Beeinträchtigung<br />
Nur zwei Studien haben die Fahrleistung<br />
bei leichter kognitiver Beeinträchtigung<br />
(engl. mild Cognitive Impairment<br />
[MCI]) untersucht [22,23]. Eine Studie<br />
[22] fand eine leichte Verunsicherung<br />
beim Manöv rieren bei Probanden mit<br />
38 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong>
Perspektiven<br />
MCI. Die andere Studie [23] verglich die<br />
Fahrfähigkeit im Fahrsimulator bei Probanden<br />
mit MCI und Patienten mit leichter<br />
Alzheimer-Erkrankung. Sie fand im<br />
Vergleich zu Kontrollen bei Gesunden nur<br />
minimale Beeinträchtigungen bei einer<br />
Kontrollfahrt im Fahrsimulator. Aufgrund<br />
der klinischen Erfahrung und der publizierten<br />
Evidenz können Senioren mit MCI<br />
die medizinischen Mindestanforderungen<br />
in der Regel erfüllen. Ausnahmen bestehen<br />
bei MCI-Erkrankten mit prominenten<br />
exekutiven Störungen (v.a. beginnende<br />
frontale Demenz) und bei MCI-Erkrankten<br />
mit anderen verkehrsrelevanten Komorbiditäten.<br />
Da ein grosser Teil der MCI-<br />
Patienten in der Folge eine Demenzerkrankung<br />
entwickelt, sind jährliche Verlaufskontrollen<br />
sinnvoll.<br />
Demenz<br />
Es fehlt ein Goldstandard, um die Auswirkungen<br />
einer Demenz für den Strassenverkehr<br />
zu beurteilen. Die AAN hat für<br />
Demenz-Erkrankte mit leichter Krankheitsausprägung<br />
(Clinical Dementia Rating<br />
[CDR] 0,5–1) [24] Risikomerkmale<br />
beim Autofahren definiert [9]. Zu diesen<br />
gehören die Einschätzung der Angehörigen,<br />
dass der Erkrankte grenzwertig oder<br />
unsicher fährt; eine Vorgeschichte mit<br />
Unfällen oder Bussen; die selbstgewählte<br />
Einschränkung der Fahrleistung oder<br />
Fahrexposition; eine MMSE-Punktezahl<br />
24 und aggressive oder impulsive Persönlichkeitsmerkmale.<br />
Zusätzliche Risikofaktoren<br />
sind der Einfluss von Alkohol<br />
oder psychotropen Substanzen und visuelle<br />
oder motorische Einschränkungen.<br />
Schweregrad<br />
Es ist unbestritten, dass mittelschwer bis<br />
schwer Demenzerkrankte nicht mehr Autofahren<br />
dürfen [9,25]. Zwei prospektive<br />
Studien zeigen klar, dass die Erkrankungsprogression<br />
und der Schweregrad<br />
der Alzheimer-Erkrankung die Fahreignung<br />
beeinträchtigen und das Unfallrisiko<br />
erhöhen [26,27]. Der Schweregrad<br />
wurde in beiden Studien mit der Clinical<br />
Dementia Rating (CDR) Skala beurteilt<br />
[24]. Die Skala berücksichtigt die Gedächtnisleistung,<br />
die Orientierung, die<br />
Problemlösungsstrategien, die Alltagsfunktionen<br />
und die Selbstversorgung. In<br />
der Studie von Ott et al. [27] haben innerhalb<br />
von einem Jahr 30% der an Alzheimer<br />
Erkrankten mit CDR 0,5 und 50% der<br />
Erkrankten mit CDR 1,0 auf das Autofahren<br />
verzichtet. Die häufigsten Gründe für<br />
den Verzicht waren das Fortschreiten der<br />
Demenz, das Nichtbestehen einer Fahrprobe<br />
oder ein Unfall. Die Mehrheit der<br />
Demenz-Erkrankten mit CDR 0,5 (d.h.<br />
67–85%) oder CDR 1 (41–76%) bestanden<br />
jedoch eine Fahrprobe bei Studieneinschluss<br />
[26,28], was eindrücklich illustriert,<br />
dass der Zeitpunkt der Diagnose<br />
«leichte Demenz» nicht zwingend mit<br />
dem Zeitpunkt gleichzusetzen ist, an dem<br />
das Autofahren aufgegeben werden muss.<br />
Von den vielen Skalen für die Beurteilung<br />
des Schweregrades der Demenz ist die<br />
CDR-Skala am weitesten verbreitet [9,29].<br />
Sie wurde für die Be urteilung der Alzheimer-Demenz<br />
ent wickelt, und sollte vor<br />
allem dort ein gesetzt werden. Da die Demenz<br />
eine progrediente Erkrankung ist,<br />
haben Verlaufsuntersuchungen (z.B. alle<br />
6–12 Monate) eine grosse Bedeutung.<br />
Ätiologie<br />
Alzheimer-Erkrankung<br />
Die Zusammenhänge zwischen Autofahren<br />
und Demenz sind am besten bei<br />
der Alzheimer-Erkrankung untersucht<br />
[23,26,27]. Studien zeigten, dass Alzheimer-Kranke<br />
beim Autofahren mehr Fehler<br />
machen als gesunde Senioren oder<br />
Senioren mit MCI [23,30]. Zwei prospektive<br />
Studien fanden, dass die Fahreignung<br />
bereits in den frühen Krankheitsstadien<br />
beeinträchtigt ist [27,30]. Die Beeinträchtigungen<br />
sind bei Patienten mit CDR 1<br />
derart, dass die medizinischen Mindestanforderungen<br />
für das Autofahren i.d.R.<br />
nicht mehr erfüllt sind [3].<br />
Fronto-temporale<br />
Lobärdegenerationen<br />
Die Fahreignung bei der Verhaltensvariante<br />
der fronto-temporalen Lobärdegenerationen<br />
(FTD) (behavioural variant of<br />
fronto-temporal dementia) [31] ist in<br />
einer kleinen Fahrsimulator-Studie untersucht<br />
worden [32]. Die Fahreignung war<br />
schwer beeinträchtigt und das Ausmass<br />
der Beeinträchtigung korrelierte mit den<br />
Verhaltensauffälligkeiten. Initialsymptome<br />
dieser Demenzform sind Persönlichkeitsveränderungen,<br />
Verhaltensstörungen<br />
und exekutive Dysfunktion, die allesamt<br />
nicht mit sicherem Autofahren zu vereinbaren<br />
sind. Deshalb sind hier die medizinischen<br />
Mindestanforderungen in der<br />
Regel nicht mehr erfüllt. Schwierig ist die<br />
Einschätzung der medizinischen Mindestanforderungen<br />
bei den fronto-temporalen<br />
Demenzformen mit prominenten<br />
Sprachstörungen (primär progrediente<br />
Aphasie und semantische Demenz) [33],<br />
da der Schweregrad der kognitiven Beeinträchtigung<br />
wegen der Sprachstörung<br />
schwer quantifizierbar ist. Falls die Alltagsfunktionen<br />
nicht beeinträchtigt sind<br />
und keine anderen Komorbiditäten bestehen,<br />
kann die Fahrsicherheit oft nur im<br />
Strassenverkehr selbst (d.h. während einer<br />
Kontrollfahrt) beurteilt werden.<br />
Demenzen mit extrapyramidalmotorischen<br />
Störungen<br />
Da es beim Autofahren die Integration von<br />
Kognition, Perzeption und Motorik<br />
braucht, erfüllen Demenz-Erkrankte Patienten<br />
mit motorischen und/oder perzeptiven<br />
Beeinträchtigungen die medizinischen<br />
Mindestanforderungen des VZV in<br />
der Regel nicht mehr. Eine Studie untersuchte<br />
die Fahreignung bei Patienten mit<br />
Huntington-Krankheit [34]. Die Patienten<br />
hatten im Vergleich zu gesunden Probanden<br />
mehr Kollisionen in der Vorgeschichte<br />
und mehr Schwierigkeiten im Fahrsimulator.<br />
Mehrere Studien untersuchten<br />
die Fahreignung mit M. Parkinson und<br />
zeigten, dass für die Beurteilung der Fahreignung<br />
die extrapyramidal-motorischen<br />
Störungen, die kognitiven Beeinträchtigungen,<br />
die visuell perzeptiven Veränderungen,<br />
die Alltagsfunktionen und die<br />
Tagesschläfrigkeit mitberücksichtigt werden<br />
müssen [35–40]. Da diese Studien<br />
Patienten mit Parkinson-Demenz (PDD)<br />
ausschlossen, fehlt Studienevidenz zur<br />
Fahrsicherheit bei Parkinson-Demenz<br />
[41] oder Lewy Körperchen-Demenz (dementia<br />
with Lewy bodies [DLB]) [42].<br />
Die Hauptmerkmale dieser Demenzformen<br />
sind die Fluktuation der Kognition,<br />
extrapyramidal-motorische Defizite, Bradyphrenie,<br />
perzeptive Beeinträchtigungen<br />
und vi suelle Halluzina tionen, die insgesamt<br />
kaum mehr mit Fahreignung zu<br />
vereinbaren sind.<br />
Vaskuläre Demenzen<br />
Obwohl zerebrovaskuläre Erkrankungen<br />
eine häufige Ursache für Demenzerkrankungen<br />
sind, fehlen Studien, welche die<br />
Zusammenhänge zwischen vaskulärer<br />
Demenz und Fahreignung untersuchen.<br />
Die klinische Manifestation von vaskulären<br />
Demenzen hängt vom Ausmass und<br />
<strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
39
Perspektiven<br />
der Lokalisation der vaskulären Läsionen<br />
ab. Deshalb wird es schwierig sein, generalisierbare<br />
Regeln zur Fahreignung bei<br />
vaskulärer Demenz zu entwickeln. Neben<br />
den kognitiven und motorischen Ausfällen<br />
sind bei diesen Erkrankungen insbesondere<br />
auch Doppelbilder, Gesichtsfeldausfälle,<br />
Verlangsamung und visuo-spatialer<br />
Neglekt zu berücksich tigen [43].<br />
Demenz-assoziierte<br />
Ssymptome, die bei der<br />
Beur teilung der medizinischen<br />
Mindestanforderungen<br />
berücksichtigt<br />
werden müssen<br />
Einsicht in die kognitiven Defizite<br />
und Kompensationsstrategien<br />
Es besteht bei den meisten Verkehrsteilnehmern,<br />
unabhängig vom Alter, die Tendenz,<br />
das eigene Fahrvermögen zu überschätzen.<br />
Eine sichere Verkehrsteilnahme ist jedoch<br />
nur möglich, wenn Betroffene die kognitive<br />
Einschränkung wahrnehmen können.<br />
Viele Senioren entwickeln Kompensationsstrategien<br />
und vermeiden Risiken durch<br />
Routenwahl (nur bekannte Routen), durch<br />
die Wahl des Zeitpunktes der Autofahrt (z.B.<br />
Vermeiden von Fahrten in der Nacht, bei<br />
schlechter Witterung, oder in Stoss zeiten)<br />
und durch Strategien während der Fahrt<br />
(z.B. langsameres Fahren, mehr Abstandkontrolle,<br />
Vermeiden von Überholmanövern)<br />
[44]. Mit einer fehlenden Selbstwahrnehmung<br />
der Krankheit (Anosognosie)<br />
können die Folgen der kognitiven Beeinträchtigungen<br />
für den Strassenverkehr<br />
nicht mehr realistisch beurteilt werden. Das<br />
beeinträchtigt den Gebrauch von Kompensationsstrategien<br />
[45] und führt zu Fehleinschätzungen<br />
im Verkehr [46]. Viele<br />
Demenzkranke schränken die Fahrdistanz<br />
ein (weniger Kilometer pro Jahr), doch<br />
scheint diese Vermeidungsstrategie das Unfallrisiko<br />
eher zu erhöhen [9]. Hinweise auf<br />
Anosognosie sind eine unterschiedliche<br />
Selbst- und Fremdeinschätzung bezüglich<br />
der kognitiven Leistungen [47] oder der<br />
Alltagsfunktionen [48]. In der Regel können<br />
die medizinischen Mindestanforderungen<br />
bei Demenz mit Anosognosie nicht<br />
mehr erfüllt werden.<br />
Aggressives und impulsives<br />
Verhalten und andere demenzassoziierte<br />
Verhaltensstörungen<br />
Aggressives und impulsives Verhalten bei<br />
Demenzerkrankten kann zu Verkehrsregelverletzungen<br />
und Unfällen führen<br />
[49]. Diese Symptome können mit dem<br />
Neuropsychiatrischen Inventar (NPI) gemessen<br />
[50] und müssen bei der Beurteilung<br />
der medizinischen Mindestanforderungen<br />
kritisch berücksichtigt<br />
werden, da sie mit einer Fahreignung<br />
nicht zu vereinbaren sind.<br />
Andere wesentliche<br />
komorbiditäten und<br />
Medikamente<br />
Die Komorbiditäten und die medizinischen<br />
Mindestanforderungen sind im<br />
Anhang 1 VZV beschrieben [51]. Die meisten<br />
verkehrsrelevanten Komorbiditäten<br />
werden bei der Demenzdiagnostik ohnehin<br />
erfasst. Die wichtigsten sind die Folgenden:<br />
Altersassoziierte Sehstörungen<br />
Sehstörungen nehmen altersabhängig zu.<br />
Die häufigsten Ursachen sind Katarakt,<br />
diabetische Retinopathie, senile Makuladegeneration,<br />
Glaukom, Augenmuskelparesen,<br />
supranukleäre Störungen der Okulomotorik<br />
und Störung der höheren visuel<br />
len Funktion (z.B. Hemianopsie).<br />
Falls altersassoziierte Augenerkrankungen<br />
bekannt sind oder wenn sich in der<br />
klinischen Routineuntersuchung Sehstörungen<br />
finden, empfiehlt sich für die<br />
Einschätzung der Auswirkungen für den<br />
Strassenverkehr und die Prüfung der therapeutischen<br />
Möglichkeiten eine spezialärztliche<br />
ophthalmologische Untersuchung<br />
[52]. Es ist ungewiss, ob durch<br />
präventive visuelle Screening-Untersuchungen<br />
die Verkehrssicherheit verbessert<br />
werden kann [53]. Die medizinischen<br />
Mindestanforderungen (VZV Anhang 1)<br />
legen fest, dass der korrigierte Fernvisus<br />
an einem Auge mindestens 0,6 und am<br />
anderen Auge 0,1 sein muss. Falls diese<br />
Anforderungen nur mit Brille oder mit<br />
Kontaktlinsen erreicht werden können,<br />
muss die entsprechende Auflage im Führerausweis<br />
vermerkt sein. Die horizon tale<br />
Ausdehnung des Gesichtsfeldes muss<br />
mind. 140 Grad betragen und es dürfen<br />
keine Doppelbilder bestehen. Bei Patienten<br />
mit Glaukom ist eine fachärztliche<br />
Gesichtsfeldprüfung zum Ausschluss eines<br />
Zentralskotoms sinnvoll.<br />
Diabetes mellitus<br />
Die Schweizerische Gesellschaft für Diabetologie<br />
hat zusammen mit der Schweizerischen<br />
Gesellschaft für Rechtsmedizin<br />
Richtlinien für die Beurteilung der Fahrfähigkeit<br />
bei Diabetes mellitus erarbeitet<br />
[54]. Die Diabetes mellitus assoziierten<br />
Risiken sind einerseits die Bewusstseinsbeeinträchtigung<br />
durch Hypoglykämie und<br />
anderseits die Spätfolgen der Erkrankung<br />
(v.a. diabetische Retinopathie, koronare<br />
Herzerkrankungen, periphere Polyneuropathie).<br />
Besteht ein Diabetes mellitus bei<br />
gleichzeitiger Demenz, können Schwierigkeiten<br />
bei der Com pliance und der medikamentösen<br />
Selbstkontrolle zu Hyper- oder<br />
Hypoglykämien führen, was bei der Beurteilung<br />
der Fahreignung berücksichtigt<br />
werden sollte. Wir verweisen auf die kürzlich<br />
publizierten Richtlinien [54,55]<br />
(http://www.diabetesgesellschaft.ch).<br />
Erkrankungen mit Bewusstseinsverlust<br />
und Epilepsie<br />
Senioren sind mittlerweile die grösste Altersgruppe<br />
mit Epilepsien und die meisten<br />
Betroffenen, d.h. 75%, bleiben nach erfolgreicher<br />
Therapie anfallsfrei. Die Richtlinien<br />
der Schweizerischen Liga gegen<br />
Epilepsie (www.epi.ch) empfehlen bei einem<br />
unprovozierten Anfall sechs Monate<br />
Fahrkarenz und bei mehr als einem Anfall<br />
zwölf Monate Fahrkarenz [56]. In der<br />
Praxis [57] wird bei Syn kopen mit Behandlungsmöglichkeiten<br />
eine Fahrkarenz<br />
bis zur erfolgreich ab geschlossenen<br />
Therapie (z.B. Schrittmacherimplantation)<br />
empfohlen.<br />
Pathologische Tagesschläfrigkeit<br />
Die Schweizerische Gesellschaft für<br />
Schlaf forschung, Schlafmedizin und<br />
Chronobiologie hat zum Thema Fahreignung<br />
bei Tagesschläfrigkeit Richtlinien<br />
publiziert [58], die die Beurteilung und<br />
das praktische Vorgehen bei der Fahreignung<br />
bei Tagesschläfrigkeit regeln. Die<br />
häufigsten Ursachen der Tagesschläfrigkeit<br />
im Alter sind die neurodegenerative<br />
Erkrankung selbst (vor allem Lewy-Körperchen-Demenz<br />
und Parkinson-Demenz),<br />
das Schlaf-Apnoe-Syndrom, Medikamente<br />
(v.a. Benzodiazepine, Antihistaminika,<br />
Antiepileptika, Antidepressiva,<br />
Dopaminagonisten und Opiate) und die<br />
Insomnie. Tagesschläfrigkeit kann mit<br />
dem Main tenance of Wakefullness Test<br />
(MWT) [59] oder dem Epworth-Fragebogen<br />
[60] quantifiziert werden. Bei Letzterem<br />
sind Summenwerte über 10 abnorm<br />
und Werte über 12 korrelieren mit Unfallereignissen<br />
[61]. Das Schlaf-Apnoe-Syn-<br />
40 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong>
Perspektiven<br />
drom ist i.d.R. therapierbar. Unbehandelt<br />
kann dies die vaskulären Risiken erhöhen<br />
und zu kognitiven Beeinträchtigungen<br />
und depressiven Verstimmungen führen.<br />
Autofahren nach Schlaganfall<br />
Eine Kontrolluntersuchung zur Überprüfung<br />
der medizinischen Mindestanforderungen<br />
nach Schlaganfall ist in jedem<br />
Fall indiziert. Zerebrovaskuläre Ereignisse<br />
erhöhen das Risiko für eine sekundäre<br />
demenzielle Entwicklung und sie können<br />
die Erstmanifestation einer neurodegenerativen<br />
Erkrankung sein. Bei der Beurteilung<br />
nach Schlaganfall sollten Kognition,<br />
vaskuläre Risikofak toren, motorische<br />
Defizite, kognitive Ausfälle, hemispatialer<br />
Neglekt und Hinweise auf Augenmotilitätsstörungen<br />
berücksichtigt werden [43].<br />
Einige Defizite sind innerhalb der ersten<br />
Monate nach Schlaganfall regredient,<br />
weshalb eine freiwillige Fahrpause von<br />
3–6 Monaten vor der Beurteilung der<br />
Fahreignung vorteilhaft sein kann.<br />
Psychische Erkrankung<br />
Psychiatrische Komorbiditäten, insbesondere<br />
im Kontext von neurodegenerativen<br />
Erkrankungen, müssen bei der Beurteilung<br />
der Fahreignung berücksichtigt werden.<br />
Am häufigsten sind affektive Störungen<br />
(z.B. Angst, Depression), Suchterkrankungen<br />
(bei Senioren insbesondere Benzodiazepine<br />
und Alkohol), die abhängig<br />
vom Schweregrad der Erkrankung oder<br />
der Therapie die Verkehrssicherheit beinträchtigen<br />
[62,63]. Wenn die psychische<br />
Erkrankung im Kontext einer Demenz<br />
besteht, ist für die Beurteilung der Fahreignung<br />
in jedem Fall eine vertiefte Abklärung<br />
notwendig.<br />
Psychotrope Medikamente<br />
Die Liste der psychotropen Substanzen,<br />
welche die Fahrfähigkeit (und evtl. auch<br />
die Fahreignung) beeinflussen können,<br />
ist lang. Die Risiken sind am grössten in<br />
den ersten Wochen der Therapie und bei<br />
Dosisanpassung. Im Alter steigt das Risiko<br />
der Dosisakkumulation bei Substanzen<br />
mit langer Halbwertszeit, weshalb der Zeitpunkt<br />
der Medikamenteneinnahme und<br />
die Polypharmazie berücksichtigt werden<br />
müssen. Die wichtigsten Substanzen, die<br />
die Verkehrssicherheit beeinflussen, umfassen<br />
Benzodiazepine [64]; Benzodiazepin-ähnliche<br />
Substanzen (Zolpidem, Zopiclon<br />
und Zaleplon); Substanzen mit<br />
anticholinergen (z.B. trizyklische<br />
Antidepres siva), antihistaminergen Wirkungen,<br />
Insulin und Sulfonylharnstoffe<br />
(Hypoglykämiegefahr), Dopaminagonisten<br />
(zur Therapie des Morbus Parkinson)<br />
bzw. -Antagonisten (Antipsychotika) und<br />
zentral wirkende Schmerzmittel. Senioren,<br />
die tagsüber Benzodiazepine nehmen,<br />
sollten nicht mehr autofahren.<br />
Wenn diese Substanzen verschrieben werden,<br />
müssen die Auswirkungen auf die<br />
Fahrfähigkeit erwähnt werden. Zu Beginn<br />
der Therapie oder bei einer Dosiserhöhung<br />
sollte eine Fahrpause während 1–2 Wochen<br />
erwogen werden.<br />
Das International Council on Alcohol,<br />
Drugs and Traffic Safety (ICADTS) hat<br />
eine dreistufige Kategorisierung für psychotrope<br />
Substanzen publiziert [65]<br />
(http://www.icadts.nl/medicinal.html).<br />
Die Kategorisierung basiert auf Blutalkohol-Äquivalenzdosen.<br />
Medikamente<br />
der Kategorie I haben keinen signifikanten<br />
Einfluss auf die Verkehrssicherheit<br />
(Äquivalenzdosis zu Blutalkoholgehalt,<br />
0,5 Promille) (z.B. Fluoxetin, Paroxetin);<br />
solche der Kategorie II haben einen<br />
kleinen Effekt auf die Verkehrssicherheit<br />
(Äquivalenzdosis zu Blutalkoholgehalt<br />
0,5–0,8 Promille) (z.B. Imipramin,<br />
Nortriptylin) und jene der Kategorie III<br />
sind Substanzen mit Gefahrenpotenzial,<br />
da sie die Verkehrssicherheit beeinträchtigen<br />
(Äquivalenzdosis zu Blutalkoholgehalt,<br />
0,8 Promille) (z.B. Benzodiazepine,<br />
Anxiolytika) (http://www.icadts.nl/<br />
medicinal.html) [65]. Bei den Antidepressiva<br />
beeinträchtigen Substanzen mit sedierenden<br />
Nebenwirkungen (Mirta zapin,<br />
Trazodon) die Verkehrssicherheit mehr als<br />
solche ohne Sedation (z.B. SSRI). Bei den<br />
Antipsychotika führen Aty pika zu etwas<br />
weniger Fahrbeeinträchtigungen als z.B.<br />
Haloperidol [66]. Die Wirkung der psychotropen<br />
Substanzen wird durch Polypharmazie<br />
und Alkohol verstärkt [67]. Es fehlen<br />
Studien, die bei Patienten mit leichter<br />
Demenz die Auswirkungen von psychotropen<br />
Substanzen auf die Fahreignung untersuchen.<br />
Empfehlungen zur Beurteilung<br />
der Fahreignung<br />
bei kognitiver Beeinträchtigung<br />
bzw. Demenz<br />
Bei jeder Abklärung sollte erhoben werden,<br />
ob der Patient ein Motorfahrzeuglenker<br />
ist und wie seine Zukunfts planung<br />
beim Autofahren aussieht. Für die Beurteilung<br />
der verkehrsrelevanten Auswirkungen<br />
einer Demenz muss neben dem<br />
Mobilitätsbedürfnis, auch das Risiko<br />
durch die kumulative Komorbidität berücksichtigt<br />
werden. Die Demenzursache<br />
und der Schweregrad der Erkrankung<br />
sowie die verkehrsrelevanten Komorbiditäten<br />
werden im diagnostischen Prozess<br />
in der Memory Clinic ohnehin erfasst und<br />
beurteilt [1]. Da die Kernkompetenz der<br />
Memory Clinic die Demenzdiagnostik ist,<br />
gelten für die Berücksichtigung der Komorbiditäten<br />
ähnliche Anforderungen wie<br />
für die gesetzlich vorgeschriebene periodische<br />
Kontrolluntersuchung, die in der<br />
Regel von den Hausärzten durchgeführt<br />
wird [51,57]. Bei Unklarheiten empfiehlt<br />
sich die Zusammenarbeit mit den Spezialisten.<br />
Die Anhänge 2 und 3 der VZV [68]<br />
enthalten Entwürfe für ärztliche Zeugnisse<br />
oder für medizinische Begutachtung.<br />
Zu Beginn der Beratung werden von den<br />
Betroffenen oft die unfallfreien Jahre betont.<br />
Es hilft zu vermitteln, dass es hier<br />
keinesfalls um die Beurteilung «guter<br />
oder schlechter Autofahrer geht», sondern<br />
um die Einschätzung, ob die medizinischen<br />
Mindestanforderungen für die Zulassung<br />
zum Strassenverkehr trotz kognitiver<br />
Beeinträchtigung noch erfüllt sind.<br />
Sobald die Erkrankten über die Diagnose<br />
und die Krankheitsprogression aufgeklärt<br />
sind und verstehen, dass die Fahreignung<br />
durch Demenz in jedem Fall infrage gestellt<br />
wird und das bestmögliche Ergebnis<br />
einer vertieften und kostspieligen Fahreignungsabklärung<br />
allenfalls die Erhaltung<br />
der Fahreignung um ein weiteres Jahr<br />
beträgt, zeigen sich die meisten Patienten<br />
einsichtig. Das Ziel der Beratung, welche<br />
die Besprechung der Sicherheit und der<br />
Alternativen einschliesst, sollte der freiwillige<br />
Verzicht auf das Autofahren sein. Ein<br />
mögliches Entscheidungsschema ist in<br />
Abbildung 2 wiedergegeben.<br />
Falls ein Motorfahrzeuglenker mit leichter<br />
Demenz weiter Autofahren möchte, empfiehlt<br />
es sich, fremd- und eigenanamnestisch<br />
gezielt nach Schwierigkeiten<br />
(Polizeikontrollen, Verkehrsbussen, Fast-<br />
Unfälle, Unfälle oder Parkschäden) oder<br />
Unsicherheiten (z.B. Verfahren in gewohnter<br />
Umgebung, Unsicherheitsgefühl<br />
bei Fahrer oder Beifahrer) während der<br />
letzten beiden Jahre zu fragen. Es interessiert<br />
auch, ob sich das Fahrverhalten<br />
<strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
41
Perspektiven<br />
Abb. 2: Zeigt einen möglichen Abklärungsentscheidungsprozess für die Fahrberatung von Senioren mit leichter Demenz.<br />
verändert hat (z.B. keine Fahrten in der<br />
Nacht, bei dichtem Verkehr, bei schlechter<br />
Witterung) und wie viele Kilometer pro<br />
Jahr gefahren werden. Die Fremdanamnese<br />
ist sehr wichtig, da Ereignisse<br />
vergessen werden und bei allen Lenkern,<br />
ob jung oder alt, die Neigung besteht, das<br />
eigene Fahrvermögen zu überschätzen.<br />
Stark divergierende Angaben geben möglicherweise<br />
Hinweise auf fehlende Krankheitswahrnehmung.<br />
Die Angaben müssen<br />
sorgfältig dokumentiert werden, auch<br />
wenn Schwierigkeiten verneint werden.<br />
Die Canadian Medical Association [69]<br />
(http://www.cma.ca/index.php/ci_id/18<br />
223/la_id/1.htm) und die American Medical<br />
Association [11] (http://www.amaassn.org/ama/pub/physicianresources/<br />
public-health/promoting-heal-thy-lifestyles/geriatric-health/older-driver-safety/<br />
assessing-counseling-older-drivers.page)<br />
haben umfangreiche Handbücher für die<br />
Beurteilung der Fahreignung entwickelt.<br />
In diesen sind auch Vorschläge zur Verkehrsanamnese<br />
enthalten und in einigen<br />
wenigen Memory Clinics in der Schweiz<br />
werden Übersetzungen verwendet. Autofahren<br />
kann zum Konfliktthema zwischen<br />
Patienten und Angehörigen werden,<br />
vor allem wenn die Krankheitseinsicht<br />
fehlt. Angehörige können bei ihren Einschätzungen<br />
aus Mitgefühl oder Scheu<br />
vor Konflikten befangen sein. Sie sind von<br />
der Einschränkung der Mobilität mitbetroffen<br />
und müssen deshalb wenn immer<br />
möglich entlastet werden. Die Alzheimervereinigung<br />
hat eine hilfreiche Informationsbroschüre<br />
für Patienten und Angehörige<br />
erarbeitet, die im Web einfach zugänglich<br />
ist (Publikation: Autofahren und<br />
Demenz; ©2010 Schweizerische Alzheimervereinigung<br />
http://www.alz.ch/d/<br />
html/publikationen.html)<br />
Im Somato- und Neurostatus in der Memory<br />
Clinic sind in der Regel nahezu alle<br />
Befunde für eine komplette verkehrsmedizinische<br />
Beurteilung vorhanden. Die<br />
Ausnahmen sind die Prüfung des Sehens<br />
und die Prüfung der Halswirbelsäulenbeweglichkeit.<br />
Bei Letzterer muss auf eine<br />
genügende Auslenkung der Augenebene<br />
(rascher Seitenblick mindestens 45 Grad<br />
beidseits) geachtet werden. Das Sehen<br />
wird in der Memory Clinic oft nur marginal<br />
untersucht. Deshalb braucht es<br />
Ergänzungen, die selbst oder in Zusammenarbeit<br />
mit einem Ophthalmologen<br />
durchgeführt werden können. Bei der<br />
Unter suchung der Augen müssen die Augenbewegungen<br />
(Ausschluss Doppelbilder<br />
und Blick paresen) und das Gesichtsfeld<br />
durch konfrontative Testung und der<br />
Fernvisus (korrigiert und unkorrigiert)<br />
unter optimalen Lichtverhältnissen für<br />
jedes Auge einzeln geprüft werden [57].<br />
In Tabelle 2 sind die wesentlichen Risiken<br />
zusammengefasst und im Konsensus<br />
wurden die Risiken in kleine (grün), mittlere<br />
(gelb) und grosse Risiken (rot) eingeteilt.<br />
Diese Einteilung kann bei der individuellen<br />
Risikoeinschätzung helfen, obwohl<br />
es nicht möglich ist, das Gesamtrisiko<br />
zu quantifizieren. In der Regel sind<br />
die medizinischen Mindestanforderungen<br />
im roten Bereich nicht mehr erfüllt. Wenn<br />
solche Erkrankungen oder Einschrän-<br />
42 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong>
Perspektiven<br />
Risikoeinschätzung<br />
Anamnese klein mittel hoch<br />
Polizeikontrollen, Verkehrsbussen, Unfälle (letzte 2 Jahre)<br />
X<br />
Beifahrer fühlt sich unsicher<br />
X<br />
Vermeidungsstrategien – Einschränkung Fahrleistung X<br />
Clinical Dementia Rating (CDR)<br />
CDR: 0,5<br />
X<br />
CDR: 1,0<br />
X<br />
CDR: 1,0 X<br />
Alltagsaktivitäten<br />
Leichte Beeinträchtigung IADL<br />
Beeinträchtigung BADL<br />
Mini Mentalstatus<br />
MMSE 24<br />
X<br />
MMSE 22–24<br />
X<br />
MMSE 21 X<br />
Trail Making B Test<br />
Testwert 180 s<br />
X<br />
Testwert 180–200 s<br />
X<br />
Testwert 300 (d.h. nicht mehr durchführbar) X<br />
Sehen<br />
Fernvisus 0,6; Gesichtsfeld 140 Grad; keine Doppelbilder, kein Neglekt X<br />
Fernvisus 0,6<br />
X<br />
Gesichtsfeld 140 Grad<br />
X<br />
Doppelbilder<br />
X<br />
Hemispatialer Neglect X<br />
HWS-Beweglichkeit<br />
Kopfdrehen 45 Grad<br />
Kopfdrehen 45 Grad<br />
Demenzätiologie und Schweregrad<br />
Sehr leichte Alzheimer-Demenz (CDR 0,5; MMSE $24, Trail B 180) X<br />
Leichte Alzheimer-Demenz (CDR 1, MMSE $24, Trail B 180)<br />
X<br />
Frontotemporale Degeneration (Verhaltensvariante)<br />
Lewy Körperchen-Demenz (MMSE $24, Trail B 180)<br />
X<br />
Parkinson-Demenz (MMSE $24, Trail B 180) X<br />
+ zusätzliche demenzassoziierte Komorbiditäten<br />
Impulsiv, aggressiv (z.B. neuropsychiatrisches Interview)<br />
Fehlende Krankheitseinsicht<br />
Tagesschläfrigkeit (Epworth Fragebogen $12)<br />
+ andere verkehrsrelevante Komorbiditäten<br />
Psychotrope Substanzen (ICADTS Stufe $2) (Dauertherapie)<br />
Polypharmazie mit psychotropen Substanzen (Dauertherapie)<br />
Hinweise auf Suchterkrankung (Benzodiazepine, Alkohol)<br />
Diabetes mellitus mit körperlichen Spätfolgen*<br />
Diabetes mellitus mit Hypoglykämie*<br />
Epilepsie (asymptomatisch 12 Monate)**<br />
Synkope (asymptomatisch 6 Monate)<br />
Zerebrovaskulärer Insult 6 Monate<br />
* siehe Richtlinien der Schweizerischen Gesellschaft für Diabetologie<br />
** siehe Richtlinien der Schweizerischen Liga gegen Epilepsie<br />
Patienten mit hohen Risiken erfüllen die medizinischen Mindestanforderungen i.d.R. nicht mehr. Sie sollten nicht zur Kontrollfahrt<br />
zugelassen werden. Bei Patienten mit Risiken im mittleren, gelben Bereich muss das kumulative Risiko beurteilt werden und Möglichkeiten<br />
zur Minimierung der Risiken durch Therapie geprüft werden. Allenfalls kann eine Kontrollfahrt Klarheit schaffen.<br />
X<br />
X<br />
X<br />
X<br />
X<br />
X<br />
X<br />
X<br />
X<br />
X<br />
X<br />
X<br />
X<br />
X<br />
X<br />
X<br />
kungen gefunden werden, sollten diese<br />
mit dem Patienten und den Angehörigen<br />
besprochen werden. Es muss in diesem<br />
Fall eine begründete Empfehlung zum<br />
Verzicht besprochen und auch erklärt werden,<br />
wieso weitere Abklärungen innerhalb<br />
der Memory Clinic nicht sinnvoll sind.<br />
Falls die Betroffenen eine spezialisierte<br />
Zweitmeinung wünschen, ist dies sicherlich<br />
in einer verkehrsme dizinischen Abklärungsstelle<br />
möglich, doch müssen die<br />
Kostenfolgen von den Betroffenen getragen<br />
werden. Um eine unnötige und kostspielige<br />
Wiederholung von Untersuchungen<br />
zu vermeiden, empfiehlt es sich, dem<br />
Patienten den Schlussbericht der Memory<br />
Clinic mitzugeben, damit er diesen bei der<br />
verkehrsmedizinischen Untersuchung<br />
vorlegen kann. Bei Uneinsichtigkeit und<br />
wenn Gefahr im Verzug ist, sollte eine<br />
Meldung an die Strassenverkehrszulassungsbehörde<br />
erwogen werden. Dazu<br />
ist keine Entbindung vom Berufsgeheimnis<br />
notwendig, da der Gesetzgeber ein<br />
Melderecht vorsieht. In einigen Memory<br />
Clinics wird vor einer Meldung das Ergebnis<br />
der Beurteilung und die Empfehlung<br />
des freiwilligen Verzichtes dem Patienten<br />
noch schriftlich mitgeteilt. Falls das Melderecht<br />
in Anspruch genommen wird,<br />
hilft es, die Entscheidung mit dem zuweisenden<br />
Arzt abzusprechen. Falls die Entscheidung<br />
zum Verzicht auf das Autofahren<br />
von den Angehörigen mitgetragen<br />
wird, kann möglicherweise der Zugang<br />
zum Auto eingeschränkt werden (z.B. Abhängen<br />
der Batterie; Verkauf des Autos<br />
u.a.).<br />
Wenn keine grossen Risiken gefunden<br />
werden und der Betroffene weiter Autofahren<br />
möchte, muss das kumulative Risiko<br />
unter der Berücksichtigung der kleinen<br />
und mittleren Risiken besprochen werden.<br />
Allenfalls sind zusätzliche Abklärungen<br />
notwendig oder es bestehen Möglichkeiten,<br />
gewisse Risiken durch Therapie zu<br />
reduzieren (z.B. Katarakt-Operation).<br />
Gewisse Memory Clinics führen zusätzliche<br />
verkehrspsychologische Testungen<br />
durch. Die Evidenz, dass diese bei diagnostizierter<br />
Demenz zur Voraussage der<br />
Tab. 2: Risikoeinschätzung für die<br />
Beurteilung der medizinischen<br />
Mindestanforderungen bei beginnender<br />
Demenz.<br />
<strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
43
Perspektiven<br />
Fahrsicherheit beitragen, fehlt jedoch<br />
noch. Falls es nicht möglich ist, die Risiken<br />
abschliessend zu beur teilen und die<br />
Fahreignung nicht aus geschlossen ist,<br />
kann eine verkehrs medizinische Untersuchung<br />
z.B. mit spezialärztlich begleiteter<br />
Kontrollfahrt Klarheit schaffen. In jedem<br />
Fall sollte bei Demenz eine Verlaufsuntersuchung<br />
in sechs bis max. zwölf Monaten<br />
eingeplant werden, damit die Auswirkungen<br />
der Krankheitsprogression beurteilt<br />
werden können. Die Konsensusempfehlungen<br />
sind in der Tabelle 3 zusammengefasst.<br />
haben unspezifische Nebenwirkungen<br />
(Schwindel, Übelkeit), die Szenarien sind<br />
nicht standardisiert und die Untersuchungen,<br />
welche für den Schweizer Strassenverkehr<br />
die Leistungen im Simulator mit<br />
Leistungen im Strassenverkehr vergleichen,<br />
fehlen. Mit der Ausbildung von Verkehrsmedizinern<br />
wird die Untersuchung<br />
und Beurteilung der Fahreignung weiter<br />
spezialisiert werden, was den Wissenstransfer<br />
zwischen Verkehrsmedizin und<br />
anderen medizi nischen Disziplinen fördern<br />
wird. In prospektiven klinischen<br />
Studien, die die Fahreignung bei Senioren<br />
mit kognitiver Beeinträchtigung untersuchen,<br />
müssen die noch offenen Fragestellungen<br />
geklärt werden. Wir hoffen, dass<br />
wir durch diese Zusammenstellung des<br />
aktuellen Wissens einen Beitrag zur Vernetzung<br />
des Wissens zwischen verschiedenen<br />
Dis ziplinen und zwischen Therapeuten,<br />
Betroffenen und Angehörigen leisten<br />
können.<br />
Dank<br />
Die Arbeit der Konsensus-Expertengruppe<br />
wurde von der Schweizerischen Alzheimervereinigung<br />
und vom Alz heimer Fo-<br />
Zukünftige Entwicklungen<br />
Viele Fragen bleiben bei der Beurteilung<br />
der Fahreignung offen. Der Abklärungsprozess<br />
sollte weiter vereinheitlicht und<br />
prospektiv evaluiert werden. Es ist erstaunlich,<br />
wie wenig in bisherigen Stu dien<br />
die Kompensationsstrategien und die<br />
Möglichkeiten der Sicherheitsprävention<br />
durch Reduktion des kumulativen Risikos<br />
(z.B. Autofahren mit abgeschaltetem Mobiltelefon,<br />
ohne Alkohol und nur tagsüber)<br />
untersucht wurden. Fahrsimulatoren<br />
sind zurzeit noch nicht geeignet, um<br />
die Fahreignung bei Senioren mit kognitiver<br />
Beeinträchtigung zu beurteilen. Sie<br />
Zusammenfassung<br />
Die Memory Clinics sind auf evidenzbasierte Demenzdiagnostik und Therapie spezialisiert.<br />
Bei der Diagnose Demenz sind sie verpflichtet, erkrankte Motorfahrzeuglenker<br />
über mögliche Beeinträchtigungen im Strassenverkehr aufzuklären. Patienten<br />
und An gehörige brauchen bei dieser schwierigen Fragestellung eine kompetente<br />
Beratung, die das Mobilitätsbedürfnis und die Risiken sorgfältig gegeneinander abwägt.<br />
Der Zeitpunkt der Demenzdiagnose ist nicht zwingend identisch mit dem<br />
Zeitpunkt, an dem die Fahreignung aus medizinischen Gründen nicht mehr gegeben<br />
ist. Für die Entscheidung, ob die medizinischen Mindestanforderungen erfüllt sind,<br />
müssen die Ursache und der Schweregrad der Demenz, die Komorbiditäten und die<br />
Medikation berücksichtigt werden. Im Auftrag des Vereins Swiss Memory Clinics hat<br />
eine Expertengruppe praktische Empfehlungen für die Einschätzung der Fahreignung<br />
in Memory Clinics erarbeitet.<br />
Schlüsselwörter: Memory Clinic – Demenz – Autofahren – Verkehrssicherheit<br />
• Das Memory Kliniken-Team sollte<br />
––<br />
im Rahmen des diagnostischen Prozesses erfassen, ob ein(e) Patient/in Motorfahrzeuglenkerin ist.<br />
––<br />
die Angehörigen in den diagnostischen Prozess einbeziehen, da die Beurteilung der Fahrsicherheit von Dritten von Bedeutung ist.<br />
• Bei einer von der Verkehrszulassungsbehörde angeordneten Untersuchung in einer Memory Klinik ist es zwingend, dem Exploranden das Auftragsverhältnis,<br />
die Kostenfolgen und Verpflichtung der Informationsweitergabe zu erklären.<br />
• Die Diagnose Demenz alleine reicht nicht aus, um die Fahreignung aus medizinischen Gründen zu verneinen. Die Diagnose Demenz sollte zum<br />
Anlass genommen werden, um über die Zukunftspläne beim Autofahren zu sprechen. Demenzen sind progrediente Erkrankungen, die im<br />
Verlauf zu schlechterer Fahrleistung führen und das Unfallrisiko erhöhen. Eine individualisierte Beratung über die Diagnose und deren Auswirkungen<br />
im Strassenverkehr ist sinnvoll, da die meisten Demenzkranken freiwillig auf das Autofahren verzichten. In der Beratung sollten Alternativen<br />
besprochen werden.<br />
• Bei der Beurteilung, ob bei einer beginnenden Demenz die medizinischen Mindestanforderungen erfüllt bleiben, muss<br />
––<br />
die Ursache und der Schweregrad der Demenz berücksichtigt werden, denn Patienten mit mittelschwerer oder schwerer Demenz erfüllen die<br />
Voraussetzungen für das sichere Lenken von Motorfahrzeugen nicht mehr.<br />
––<br />
die kumulative Morbidität und die Polypharmazie bei der Entscheidung mitberüc ksichtigt werden. Eine Gewichtung der Risiken kann für eine<br />
Entscheidung sehr hilfreich sein, denn je grösser das medizin ische Grundrisiko ist, desto kleiner sind die Leistungsreserven.<br />
––<br />
die Entscheidung im Konsens, interdisziplinär, anlässlich der Diagnosekonferenz getroffen werden und sie muss im Verlauf nach sechs bis zwölf<br />
Monaten überprüft werden.<br />
• Es gibt keinen Goldstandard für die Abklärung und Beurteilung der Fahreignung bei Demenz. Bei Unsicherheiten kann eine zusätzliche verkehrsmedizinische<br />
Untersuchung und/oder eine Kontrollfahrt sinnvoll sein. Letztere darf nur angeordnet werden, wenn die medizinischen<br />
Mindestanforderungen möglicherweise erfüllt sind, also keine Kontraindikationen für das Autofahren bestehen.<br />
• Wenn bei einer Demenz die Krankheitseinsicht fehlt und der Betroffene nicht freiwillig auf das Autofahren verzichtet, liegt es im Ermessen des<br />
behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin, eine Meldung an das Strassenverkehrsamt zu machen. Um dieses Melderecht wahrzunehmen,<br />
ist keine Entbindung vom Berufsgeheimnis notwendig. Es empfiehlt sich, vor einer Meldung dem Patienten schriftlich die Einschätzung zur<br />
Fahreignung mitzuteilen und Rücksprache mit dem zuweisenden Hausarzt zu nehmen. Das Melderecht soll nicht delegiert werden.<br />
Tab. 3: Konsensusempfehlungen (Learningpoints).<br />
44 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong>
Perspektiven<br />
rum Schweiz finanziell unterstützt. Frau<br />
B. Gilgen unterstützte die Expertengruppe<br />
in administrativen Belangen. Ihnen allen<br />
herzlichen Dank.<br />
Korrespondenzadresse<br />
Prof. Dr. med. Urs P. Mosimann<br />
Direktion Alterspsychiatrie<br />
Universitäre Psychiatrische<br />
Dienste UPD<br />
Murtenstrasse 21<br />
3010 Bern<br />
urs.mosimann@gef.be.ch<br />
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Abstract<br />
Memory Clinics provide evidence based diagnosis and treatment of dementia. Whenever<br />
a diagnosis of dementia is made, it is important to inform the patients about<br />
the possible impact of dementia on driving. Patients and their next of kin require<br />
competent advice whenever this difficult question is addressed and the mobility<br />
desire and the risks related to driving need to be carefully weight up. The time of<br />
diagnosis does not necessarily equate to the time when a person with dementia becomes<br />
an unsafe driver. The cause and severity of dementia, comorbidities and the<br />
current medication need to be carefully taken into account for this decision. On<br />
behalf of the association of the Swiss Memory Cli nics, a group of experts has developed<br />
recommendations to assess fitness to drive in cognitively impaired older adults.<br />
Key words: Memory Clinic – dementia – driving – traffic safety<br />
Résumé<br />
Les cliniques de la mémoire sont spécialisées dans le diagnostic et la thérapie des<br />
démences. Lorsqu’elles posent le diagnostic de démence, elles sont obligées d’informer<br />
les conducteurs de véhicules au sujet des possibles conséquences de la maladie sur la<br />
sécurité routière. La conduite automobile sou lève des questions délicates, surtout quand<br />
il s’agit de pondérer entre le besoin de mobilité du patient et les ris ques associés à la<br />
conduite. De ce fait, les patients et les membres de la famille ont besoin d’une consultation<br />
et d’informations précises. Le moment du diagnostic d’une démence n’est pas<br />
forcément identique avec celui de l’arrêt de la conduite. La décision quant aux critères<br />
médicaux minimaux pour interdire la conduite est difficile à prendre. Il faut considérer<br />
le type et la sévérité de la démence, les comorbidités et la médication. Sur mandat<br />
de l’association des «Swiss Memory Clinics», un groupe d’experts a développé des<br />
recommandations pratiques pour l’évaluation de la capacité de conduire destinées<br />
aux cliniques de la mémoire. Basées sur l’expérience clinique et l’évidence publiée,<br />
ces recommandations permettent de se faire un jugement plus valable.<br />
Mots-clés: clinique de la mémoire – démences – conduite automobile – sécurité<br />
routière<br />
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Association CM, editor. Ottawa: Canadian<br />
Medical Association, 2006.<br />
46 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong>
Perspektiven<br />
Unglaubliche Fallgeschichten<br />
aus der Medizin<br />
Die PantoFFelbeHAndlung<br />
Genervt vom Kläffen seines Hundes warf der Mann einen Pantoffel nach dem Tier.<br />
Dummerweise traf er stattdessen seine Ehefrau am Auge – woraufhin diese besser sah:<br />
Ihre Welt war mit einem Mal bunter, die Farben leuchteten stärker und das Tageslicht<br />
blendete sie weniger. Der trübe Schleier vor ihrem Auge hatte sich endlich gelüftet, dank<br />
dem beherzten Wurf. Deshalb sah die 86-Jährige auch zunächst keinen Grund, zum Arzt<br />
zu gehen. Als sie nach einer Woche schliesslich doch Augenärzte zurate zog, wurde aus<br />
dem wundersamen Ereignis eine «traumatische Dislokation der Augenlinse» – die Wucht<br />
des fliegenden Pantoffels hatte ihre getrübte Augenlinse aus der Sehachse befördert. Wie<br />
nahezu alle über 65-Jährigen hatte auch die Frau des Pantoffelwerfers grauen Star. Eine<br />
Behandlungsmethode war bereits im alten Babylon bekannt – wenn auch nicht mit dem<br />
Hausschuh, sondern mit einem spitzen Gegenstand. Der «Starstecher» setzte seitlich an<br />
der Augenhornhaut einen Schnitt, schob eine spitze Starnadel bis zur Linse vor und<br />
drückte diese aus der Sehachse nach unten, in den Glaskörper des Auges. Nach getaner<br />
Arbeit machte sich der Operateur tunlichst aus dem Staub, um nicht für die oft folgende<br />
Augeninfektion haften zu müssen. Heute arbeiten die Augenärzte gründlicher: Sie entfernen<br />
meist den vorderen Teil der Linsenkapsel und das trübe Linsenmaterial. Weil die<br />
Linse eine Brechkraft von etwa 18 Dioptrien hat, wird dem Patienten bei der Operation<br />
in der Regel noch eine Kunstlinse eingesetzt, andernfalls wäre er stark weitsichtig. Wird<br />
die Linse nur in den Augenglaskörper verschoben, wie bei der 86-Jährigen, steigt ziemlich<br />
sicher der Druck im Sehorgan, oder es kommt zur Entzündung. Das kann ins Auge<br />
gehen und zur Erblindung führen, auch wenn die Sehkraft sich kurzfristig bessert.<br />
Deshalb rieten die Augenärzte der Seniorin zur Operation. Der Ehemann der Patientin,<br />
der sich ungewollt als Starstecher betätigt hatte, litt übrigens ebenfalls beidseitig am<br />
grauen Star – was vielleicht seine mangelnde Wurfgenauigkeit erklärt. ■<br />
Leserbrief zum Artikel<br />
«Einen Tag lang<br />
PAPst sein» von<br />
Beda M. Stadler (<strong>Nr</strong>. 6/12)<br />
Hat Herr Stadler tragende Argumente gegen das<br />
Wort Christi? Gegen Jesu APPell an unser Gewissen?<br />
Die Geschichte zeigt, dass die Menschen der Antike trotz ihrer Götter und der Philosophie<br />
weiter jahrhundertelang die Frauen unterdrückten, Sklaverei betrieben und sich im<br />
Kolosseum grausamste Unterhaltungen gönnten. In dieser Welt der Antike waren es die<br />
Christen, die sich als Erste systematisch um die Schwachen und Leidenden der Welt<br />
kümmerten. Langsam und unter Hingabe ihres Lebens bewirkten sie eine Transformation<br />
nicht nur der römischen Gesellschaft. Hin zu mehr Mitmenschlichkeit und Lebensschutz<br />
auch für die Schwachen. Im Teil 3 seiner Ausführungen vergisst Kollege Stadler<br />
auch, dass es die grossen Religionsabschaffer (Stalin, Mao) sowie Judenhasser und<br />
Gegner der Kirche (Nationalsozialisten) waren, die zu den grössten Massenmördern der<br />
Geschichte wurden. Im Jahrhundert zuvor schien dies Dostojewski zu ahnen, als er<br />
feststellte: «Wenn es Gott nicht gibt, ist alles erlaubt.»<br />
Wozu die Ausführungen von Herrn Stadler gut sein sollen, weiss ich nicht. An die zentrale<br />
Botschaft Christi kommt er nicht heran. Und wenn er hier keine besseren Vorschläge<br />
machen kann, dann sollte man ihm auch keine Plattform geben, seinen Religionshass<br />
zu befriedigen.<br />
Artikel wie der von Herrn Stadler sollten Sie in Ihrer Zeitschrift künftig nicht mehr<br />
abdrucken. Sie sind eine Beleidigung.<br />
Beat Meister, Hochdorf<br />
<strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
47
mediservice <strong>VSAO</strong>-asmac<br />
Briefkasten<br />
Iris Pignone,<br />
Versicherungsberaterin<br />
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
Ich habe vor kurzem neue, recht kostspielige Ski gekauft. Im Sportgeschäft<br />
hat man mir angeboten, eine Versicherung gegen Diebstahl und<br />
Skibruch abzuschliessen. Lohnt sich das?<br />
In der Regel lohnen sich diese Versicherungen nicht. Diebstähle von Ski oder Snowboards<br />
ausserhalb der eigenen Wohnung fallen in die Kategorie «einfacher Diebstahl auswärts».<br />
Solche Vorkommnisse werden von der Zusatzversicherung zur Hausratversicherung<br />
abgedeckt. 80 Prozent aller Schweizerinnen und Schweizer haben eine solche Zusatzversicherung<br />
abgeschlossen. Allerdings bleibt oft ein Selbstbehalt von 200 Franken zu<br />
zahlen. Ausserdem wird vielfach nicht der Neuwert zurückerstattet, sondern der Zeitwert,<br />
meist mit einer Obergrenze von 2000 Franken. Es gibt indes Versicherungen, wie beispielsweise<br />
die Zurich Connect, bei denen man die Ski auch zum Neuwert versichern<br />
kann. Bei sehr kostspieligen Anschaffungen lohnt es sich deshalb, die bestehende Police<br />
zu überprüfen oder bei der Versicherung nachzufragen. Was den zweiten Schadensfall,<br />
den Skibruch, angeht, zahlt die Hausratversicherung nicht. Diese Fälle sind jedoch<br />
ausserordentlich selten.<br />
Obwohl in den letzten Jahren die Zahl der Skidiebstähle rückläufig ist, empfehlen sich<br />
gewisse Vorsichtsmassnahmen. Man sollte sein Ski oder das Snowboard kennzeichnen,<br />
die Kaufquittung aufbewahren und sich Marke, Farbe, Länge etc. notieren. Im Verlustfall<br />
sollte man möglichst schnell Anzeige bei der Polizei erstatten und hierfür sind genaue<br />
Angaben nötig. Im Weiteren sollte man abschliessbare Skiträger haben und die<br />
Hoteleigenen Skikeller sollten ebenfalls abschliessbar sein. Unter Umständen lohnt sich<br />
die Anschaffung eines Skidiebstahlverhütungssystems. Diese Systeme sind einfach zu<br />
handhaben und können auch für Snowboards benutzt werden. Beim Aufenthalt in<br />
Berghütten empfiehlt es sich, seine Skis im Blick zu haben oder sie getrennt an verschiedenen<br />
Orten zu deponieren. Denn selbst wenn die Versicherung den Schaden deckt, bleibt<br />
doch der Ärger und unter Umständen ein mühsamer Abstieg zu Fuss ins Tal.<br />
Haben Sie Fragen? Rufen Sie uns an unter 031 350 44 22, oder senden Sie uns eine<br />
E-Mail an info@mediservice-vsao.ch.<br />
■<br />
48 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong>
mediservice VsAO-asmac<br />
Praxiseröffnung:<br />
Starthilfe für Neueinsteiger<br />
Der Start ins selbstständige Erwerbsleben ist für Ärztinnen und Ärzte oft wie ein Sprung ins kalte<br />
Wasser. Bereits in der Vorbereitungsphase einer Praxiseröffnung sind unzählige Entscheidungen zu<br />
fällen, welche die weitere Entwicklung massgeblich beeinflussen. Um den Einstieg zu erleichtern,<br />
gibt es spezielle Praxiseröffnungsseminare, wie zum Beispiel PraxiStart. Diese Seminare liefern Neueinsteigern<br />
die wichtigsten Entscheidungsgrundlagen und weisen auf mögliche Stolpersteine hin.<br />
Irgendwann stellt sich jede Ärztin<br />
und jeder Arzt die Frage<br />
nach der langfristigen beruflichen<br />
Perspektive. Viele entscheiden<br />
sich für den Schritt in<br />
die Selbstständigkeit. Da sie die<br />
nötige Ausbildung, Berufserfahrung<br />
und Motivation mitbringen,<br />
sind die Voraussetzungen für den<br />
unternehmerischen Erfolg ausgezeichnet.<br />
Dennoch ist der Einstieg schwierig, denn<br />
die Eröffnung einer eigenen Praxis verlangt<br />
auch viele betriebswirtschaftliche<br />
Entscheidungen, ein Gebiet, mit dem angehende<br />
frei Praktizierende in der Regel<br />
nicht allzu vertraut sind.<br />
Die richtige Wahl ist<br />
entscheidend<br />
Wer in Erwägung zieht, eine eigene Praxis<br />
zu eröffnen, sollte sich deshalb vorgängig<br />
über die richtige Vorgehensweise informieren.<br />
Worauf ist zu achten? In welcher Reihenfolge<br />
müssen Entscheidungen, wie die<br />
Wahl des Laborpartners oder der Abschluss<br />
der nötigen Versicherungen für Praxis und<br />
Personal gefällt werden? Die Suche nach<br />
einem Treuhänder, der mit den unternehmerischen<br />
Besonderheiten des Gesundheitswesens<br />
vertraut ist, gehört genauso zu<br />
den Vorbereitungen wie die Finanzplanung,<br />
die Altersvorsorge, die Organisation<br />
der Buchhaltung und die EDV-Einrichtung.<br />
Jeder einzelne dieser Bereiche verlangt<br />
einiges an Fachwissen, so dass man<br />
leicht die Übersicht verlieren kann.<br />
Fokus auf die<br />
Kernkompetenz<br />
Werden in dieser Startphase Fehlentscheidungen<br />
getroffen, kann das schnell ins<br />
Geld gehen. Die medizinische Fachkompetenz<br />
allein ist noch kein Garant für die<br />
erfolgreiche Führung einer Praxis. Deshalb<br />
laufen junge Ärzte gerne Gefahr, zu<br />
Beginn ihrer Praxistätigkeit hohe Verluste<br />
verbuchen zu müssen und zu wenig Zeit<br />
für ihre Kernaufgaben zu haben. Vor allem<br />
die Praxisadministration ist ein aufwendiger<br />
Bereich, der aber keinen Ertrag<br />
abwirft. Um die Praxisadministration in<br />
den Griff zu bekommen, wenden sich viele<br />
Neueinsteiger an spezialisierte Unternehmen<br />
im Bereich Finanz- und Administrationsdienstleistungen,<br />
die massgeschneiderte<br />
Dienstleistungen und Beratung<br />
für Arztpraxen bieten.<br />
Überblick verschaffen<br />
Neueinsteiger können sich an den Praxiseröffnungsseminaren<br />
PraxiStart einen<br />
ersten Überblick verschaffen, was die Eröffnung<br />
einer eigenen Praxis beinhaltet.<br />
Vertreter führender Unternehmen im<br />
Gesundheitswesen informieren gezielt<br />
über die verschiedenen medizinischen<br />
und betriebswirtschaftlichen Aspekte einer<br />
Arztpraxis und weisen auf mögliche<br />
Schwierigkeiten hin. Angehende Praxisinhaberinnen<br />
und -inhaber können sich<br />
so in kurzer Zeit ein konkretes Bild machen,<br />
welche Voraussetzungen für die<br />
Eröffnung einer eigenen Praxis erfüllt<br />
sein müssen und was es braucht, um die<br />
Praxis erfolgreich zu führen. ■<br />
Fokus auf die Kernkompetenz PraxiStart<br />
Abendseminare<br />
16. Mai <strong>2013</strong>, Hotel Au Premier, Zürich<br />
19. September <strong>2013</strong>, Hotel Au Premier, Zürich<br />
Donnerstag, jeweils von 17.30 bis 21.30 Uhr, inklusive Apéro<br />
Tagesseminare<br />
13. April <strong>2013</strong>, Hotel Au Premier, Zürich<br />
4. Mai <strong>2013</strong>, Hotel Bern, Bern<br />
Samstag, jeweils von 10.00 bis 14.30 Uhr, inklusive Stehlunch<br />
Kosten<br />
Bei der Anmeldung wird eine Gebühr von 50 Franken in Rechnung gestellt, welche<br />
am Seminartag zurückerstattet wird.<br />
Anmeldungen auf praxistart.ch<br />
<strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
49
mediservice <strong>VSAO</strong>-asmac<br />
«Das SWicA Care-Management<br />
war meine Rettung»<br />
Dauerbelastung, psychischer und physischer Stress verursachten bei der dreifachen, alleinerziehenden<br />
Mutter Sabine L.* ein Burnout. Verzweifelt wandte sie sich an das Care-Management von SWicA –<br />
und fand ihren Weg zurück ins Leben.<br />
Der turbulente Alltag als Mutter dreier<br />
Teenager kann Sabine L.* nichts mehr<br />
anhaben. Im Gegenteil – sie geniesst ihre<br />
Kinder und freut sich auf den neuen Job,<br />
den sie in Kürze antreten wird. «Mein Elan<br />
ist zurück!», strahlt die zierliche 46-jährige<br />
Hotelfachfrau. An diesem Dienstagvormittag<br />
sitzt sie in der Küche ihrer gemütlichen<br />
Wohnung in einem Zürcher Aussenquartier,<br />
nippt ab und zu an ihrem Kaffee<br />
und lässt die vergangenen Jahre Revue<br />
passieren. «Erschöpfung gehörte eigentlich<br />
zu meinem Leben, seit ich mich erinnern<br />
kann», sagt sie. «Alle meine Schwangerschaften<br />
waren schwierig, vor allem<br />
aber diejenige mit meiner jüngsten Tochter,<br />
die als Folge der Komplikationen<br />
schliesslich fünf Wochen zu früh zur Welt<br />
kam.» Zwei grössere Kinder hatte Sabine<br />
L. zu jenem Zeitpunkt bereits: Jonas * , ihr<br />
anstrengender Ältester mit einem diagnostizierten<br />
ADHS, und Rebecca * , die Mittlere.<br />
«Meine Kleinste, Laura * , war ein typisches<br />
Schreibaby – sie weinte drei Monate lang<br />
praktisch Tag und Nacht durch.»<br />
Die Belastungsgrenze<br />
überschritten<br />
Als Laura sechs Monate alt war, nahm<br />
Sabine L. auch ihre Arbeit in einem grossen<br />
Zürcher Hotel wieder auf. «Der Job war<br />
für mich einerseits mit einem grossen<br />
organisatorischen Spagat verbunden, ermöglichte<br />
mir aber andererseits etwas<br />
Auszeit vom aufreibenden Familienalltag»,<br />
erklärt Sabine L. Ein Alltag, der<br />
immer mehr von der Hyperaktivität ihres<br />
Sohnes beherrscht wurde: «Als Jonas in<br />
die Mittelstufe kam, gab es für ihn und<br />
uns nur noch eine Lösung, und die hiess<br />
Internat.» Eine schwere Zeit, gerade für<br />
die Mutter, die sich vom Umfeld weder<br />
getragen noch unterstützt fühlte: «Unterschwellig<br />
hat man mir zu spüren gegeben,<br />
dass ich als Mutter versagt hatte.» Durch<br />
den teuren Internatsaufenthalt von Jonas<br />
kam die Familie in grosse Geldnot. Ihren<br />
beiden Töchtern eine gute Mutter zu sein,<br />
Jonas an den Wochenenden ein liebevolles<br />
Umfeld zu bieten, der Teilzeitjob, die Geldsorgen<br />
– all das kostete Sabine L. Kraft,<br />
viel Kraft. Doch es kam noch schlimmer:<br />
Sabine L. entdeckte per Zufall, dass ihr<br />
Mann fremdging. Die darauffolgenden<br />
Monate waren geprägt von Ehetherapie,<br />
Trennung, Versöhnung, erneuter Trennung,<br />
Wohnungswechsel, aufreibendem<br />
Scheidungskrieg und vom Verlust des eigenen<br />
Arbeitsplatzes. Völlig erschöpft bat<br />
sie ihre Ärztin um eine Auszeit und verbrachte<br />
schliesslich drei Monate stationär<br />
in einer Klinik. «Diese drei Monate haben<br />
mir gutgetan», sagt Sabine L., «doch die<br />
Probleme waren bei meiner Rückkehr auf<br />
einen Schlag alle wieder da.» Schnell war<br />
sie wieder so ausgelaugt wie vor dem Klinikaufenthalt,<br />
und als Jonas etwas später<br />
die Schule schmiss, war es um Sabine L.s<br />
Gesundheit geschehen.<br />
Soforthilfe vonnöten<br />
Sabine L. wusste: Sie brauchte Hilfe, und<br />
zwar schnell. Verzweifelt wandte sie sich an<br />
verschiedene Stellen und Organisationen,<br />
sogar im Frauenhaus rief sie an. Ergebnislos.<br />
«Wo ich auch anrief, bekam ich nur<br />
Mitleid oder die Bestätigung, dass meine<br />
Situation wirklich schlimm sei», sagt Sabine<br />
L., «ich wurde aber überall aus Zeitoder<br />
Platzmangel vertröstet, die dringend<br />
notwendige Soforthilfe bekam ich von<br />
niemandem.» In ihrer Hoffnungslosigkeit<br />
wandte sie sich an das Care-Management<br />
von SWICA. «Meine Rettung!», wie Sabine<br />
L. erklärt. Karin Molnár, Leiterin des Care-<br />
Managements von SWICA in Zürich und<br />
verantwortlich für Sabine L., bestätigt:<br />
«Ich kann mich gut an jenen Anruf erinnern<br />
– Frau L. war aufgelöst und überfordert.<br />
Sie wusste nicht mehr weiter und<br />
machte einen sehr erschöpften und müden<br />
Eindruck.» Karin Molnár kümmerte sich<br />
um eine schnelle Lösung, damit Sabine L.<br />
entlastet werden konnte. Die Möglichkeit,<br />
mit den beiden Töchtern sofort in eine<br />
Mutter-Kind-Kur zu verreisen, scheiterte<br />
daran, dass Sabine L. ihren Sohn hätte<br />
alleine zu Hause lassen müssen – unmöglich<br />
in jener Situation.<br />
Hilfe vor Ort<br />
Die SWICA Care-Managerin schlug aufgrund<br />
ihrer Analyse der Situation von<br />
Sabine L. ein Burnout-Coaching bei<br />
Brainjoin Zürich vor, einer Institution, die<br />
Menschen in Krisensituationen unterstützt<br />
und sie auf ihrem Weg zur Wiederherstellung<br />
ihrer Lebensqualität begleitet.<br />
Für Sabine L. genau das Richtige, die sich<br />
schon nach kurzer Zeit zeigte. Karin<br />
Molnár: «Die Kombination von Gespräch<br />
und Coaching ist ideal. Frau L. konnte sich<br />
gut darauf einlassen, sie fühlte sich begleitet<br />
und konnte ihre Alltagsprobleme bei<br />
Brainjoin thematisieren.» Die unmittelbare<br />
Bewältigung dieser Schwierigkeiten<br />
sieht die SWICA Care-Managerin auch als<br />
grossen Vorteil gegenüber einem stationären<br />
Aufenthalt. «Für Patienten, die in einem<br />
‹geschützten› Rahmen sind, ist es ein<br />
schwieriger Schritt, in den Alltag zurückzukehren.»<br />
Verallgemeinert könne aber<br />
nicht werden, erklärt Karin Molnár. Hier<br />
muss das SWICA Care-Management-Team<br />
genau herausspüren, was der Kundin,<br />
dem Kunden besser hilft. Bei Zwischengesprächen<br />
mit Kunden und Therapeuten<br />
vergewissern sich die Care-Managerinnen<br />
und Manager zudem laufend, ob die Therapie<br />
wirkt und so weitergeführt werden<br />
kann oder ob Anpassungen vorgenommen<br />
werden müssen. Sabine L. hat bei Brainjoin<br />
unter anderem gelernt, bei Schwierigkeiten<br />
erst einmal einen Schritt zurückzutreten<br />
und diese aus etwas Distanz zu<br />
betrachten. Oft erkennt sie dann Lösungswege,<br />
auf die sie so mittendrin gar nicht<br />
gekommen wäre. «Ich bin auch mutiger<br />
im Ausprobieren von neuen Pfaden geworden»,<br />
sagt Sabine L. stolz, «und weiss inzwischen,<br />
dass ich Hilfe nicht nur an-<br />
50 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong>
mediservice Vsao-asmac<br />
nehmen darf, sondern sogar muss.» Und<br />
welchen Eindruck hat Karin Molnár heute,<br />
ein paar Monate nach Therapiebeginn,<br />
von Sabine L.? «Frau L. wirkt heute motiviert,<br />
positiv und gefestigt und kann ihre<br />
Ziele selbst definieren. Sie lässt sich von<br />
Rückschlägen nicht mehr sofort in die<br />
Enge treiben, sondern weiss die vielen hilfreichen<br />
Tipps von Brainjoin anzuwenden.<br />
Frau L. weiss aber auch, dass sie noch viel<br />
an sich arbeiten muss und nun nicht einfach<br />
gesund ist.» Inzwischen ist es Mittag<br />
geworden, Sabine L. verschwindet in der<br />
Küche und bereitet für sich und ihre Kinder<br />
eine Gemüselasagne zu. Beim Rüsten<br />
betont sie noch einmal, wie dankbar sie<br />
SWICA sei: «Die SWICA Care-Managerinnen<br />
und -Manager sind Frauen und Männer<br />
der Tat – einfach genial!» ■<br />
*Name geändert<br />
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<strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />
6.1.2009 16:17:45 Uhr<br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC 51
publix.ch<br />
Zentrale Anlaufstelle:<br />
031 350 44 22<br />
www.mediservice-vsao.ch<br />
Neues Beratungskonzept<br />
Mit der Neuausrichtung wurde die Dienstleistungsorganisation<br />
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC leistungsstärker.<br />
Die Beratungsleistungen werden neu nach<br />
Komplexität differenziert sowie konsequenter auf die<br />
Bedürfnisse der Mitglieder ausgerichtet. Ein Teil der<br />
Leistungen wird verstärkt intern erbracht. Die Anzahl<br />
der offiziellen, externen Beratungspartner wurde reduziert<br />
und der Status der verbleibenden aufgewertet.<br />
Die Beratungspartner müssen hohe Qualitätsanforder<br />
ungen hinsichtlich Kundenorientierung und Beratungsethik<br />
erfüllen.<br />
Zentrale Anlaufstelle<br />
Das Ziel von MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC ist es,<br />
seine Mitglieder in sämtlichen Lebensphasen zu begleiten.<br />
Für alle Fragen rund um die Dienstleistungen<br />
können sich die Mitglieder direkt an Telefonnummer<br />
031 350 44 22 wenden. Ausserhalb der üblichen<br />
Bürozeiten ist die Geschäftsstelle per E-Mail<br />
info@mediservice-vsao.ch erreichbar. Die Anfragen<br />
werden wenn möglich sogleich beantwortet, umfassendere<br />
Beratungsanfragen werden mit Einverständnis<br />
des Mitglieds an den zuständigen Beratungspartner<br />
wei tergeleitet. Eine der zentralen Zielsetzungen<br />
ist es, die Zeit spanne zwischen Anfrage und Antwort<br />
kurz zu halten.<br />
Kosten sparen<br />
Der interne Service von MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
hat unter anderem die Aufgabe, den Mitgliedern<br />
beim Sparen zu helfen. Zum Beispiel können mit<br />
dem «Versicherungs-Check-up» bestehende Versicherungsverträge<br />
auf kostengünstigere Alternativen<br />
überprüft wer den. Dank Kollektiv- und Rahmenverträgen<br />
mit nam haften Versicherungsgesellschaften<br />
kann MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC attraktive Angebote<br />
anbieten.<br />
Beratung in allen Lebenslagen<br />
Beratungspartner<br />
• Academix Consult AG<br />
• R.C. Pont Assurances s.à.r.l<br />
• NEUPA Beratungs AG<br />
Versicherungspartner<br />
• Allianz Suisse<br />
• Assura<br />
• CONCORDIA<br />
• EGK-Gesundheitskasse<br />
• Groupe Mutuel<br />
• Helvetia<br />
• Innova<br />
• Sanitas<br />
• Schweizerische<br />
Ärzte-Krankenkasse<br />
• SWICA<br />
• Sympany<br />
• VAUDOISE<br />
• Visana<br />
• Winterthur ARAG<br />
• Zurich<br />
• Zurich Connect<br />
Kompetente, neutrale Beratung<br />
Bei komplexen Versicherungs-, Vorsorge- und Steuerfragen<br />
werden die Mitglieder von der Geschäftsstelle<br />
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC an den entsprechenden<br />
Beratungspartner vermittelt. Ein etwa einstündiges<br />
Erstgespräch ist für die Mitglieder kostenlos. Dank<br />
den Zusammenarbeitsverträgen von MEDISERVICE<br />
<strong>VSAO</strong>-ASMAC mit den jeweiligen Beratungspartnern<br />
kann sichergestellt werden, dass die Beratung kompetent<br />
und neutral erfolgt. Die Beratungsstellen sind<br />
berechtigt, für ihre Beratungsdienstleistungen ein<br />
Aufwand-Honorar zu vereinbaren. Bestehende Verträge<br />
mit den ehemaligen Beratungspartnern sind<br />
von dieser Neuorientierung nicht betroffen.<br />
Frei Praktizierende<br />
Auf dem Weg in die berufliche Selbstständigkeit oder<br />
für eine gezielte Nachfolgeplanung stehen die Beratungspartner<br />
ebenfalls als kompetente Spezialisten<br />
zur Verfügung. Durch die verschiedenen attraktiven<br />
Versicherungs- und Dienstleistungsangebote für frei<br />
praktizierende Ärztinnen und Ärzte lohnt sich die<br />
Mitgliedschaft weiterhin.<br />
Bahnhofplatz 10 A, Postfach 7255, 3001 Bern<br />
Telefon 031 350 44 22, Fax 031 350 44 29<br />
info@mediservice-vsao.ch, www.mediservice-vsao.ch<br />
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Peter Scheidegger<br />
stv. Geschäftsführer/<br />
Leiter Versicherungen
mediservice Vsao-asmac<br />
Pensionskasse – neue Hürden bei<br />
der Steuerplanung<br />
Die berufliche Vorsorge ist in der Steuerplanung ein gerne eingesetztes Mittel. Allerdings ist der<br />
Planungsspielraum in der zweiten Säule über die Jahre durch Gesetzgeber und Gerichtspraxis stetig<br />
eingeschränkt worden, worauf ich bereits im <strong>VSAO</strong>-Journal 3/2011 hingewiesen hatte. Inzwischen<br />
sind aufgrund verschiedener Gerichtsentscheide weitere Planungshürden entstanden, die es zu beachten<br />
gilt, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden.<br />
von Werner A. Räber<br />
der wesentlich reduzierten Steuer auf Kapitalleistungen<br />
– unterworfen würde.<br />
Die Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit<br />
ist einer der im Gesetz verankerten<br />
Auszahlungsgründe. Dabei ist<br />
der Bezug nicht nur bei der Aufnahme<br />
selber möglich, sondern auch später, sofern<br />
das Geld für betriebliche Investitionen<br />
verwendet wird. Gemeinhin ging man<br />
davon aus, dass die Pensionskassen die<br />
notwendige Überprüfung machen und<br />
dieser Entscheid dann auch für die Steuerbehörden<br />
verbindlich ist. In der Praxis<br />
nehmen gewisse Steuerverwaltungen nun<br />
eine eingehende Nachprüfung vor und<br />
handeln dann entsprechend. In einem<br />
konkreten Fall, in dem die Selbstständigkeit<br />
geplant, aber nicht umgesetzt wurde,<br />
hat das angerufene Bundesgericht Folgendes<br />
festgehalten: «Wenn eine Barauszahlung<br />
zu Unrecht erfolgt ist, weil der Empfänger<br />
in casu zu keinem Zeitpunkt selbstständig<br />
erwerbstätig war, ist deren Besteuerung<br />
zusammen mit dem übrigen<br />
Einkommen zum ordentlichen Steuertarif<br />
vorzunehmen. Es ist nicht Aufgabe des<br />
Steuerrechts, ein den Zweck der Vorsorge<br />
gefährdendes Verhalten zu unterstützen<br />
und rechtswidrig bezogene Leistungen<br />
aus Vorsorgeeinrichtungen steuerlich zu<br />
begünstigen.» In einem anderen Fall verneinte<br />
die Steuerverwaltung entgegen der<br />
Beurteilung durch die Pensionskasse den<br />
betrieblichen Investitionsgrund und forderte<br />
den Steuerpflichtigen zur Rückzahlung<br />
des bezogenen Kapitals auf. ■<br />
Die meisten Pensionskassenreglemente<br />
sehen heute die Möglichkeit des vollständigen<br />
Kapitalbezugs vor, wodurch die steuerlich<br />
abzugsfähigen Einkäufe besonders<br />
interessant geworden sind. Oft wird aber<br />
verlangt, dass dieser Bezug innert einer<br />
gewissen Frist, meist drei Jahre, bei der<br />
Kasse voranzumelden ist. In der Praxis<br />
zeigen sich die Pensionskassen in der Regel<br />
jedoch grosszügig und genehmigen Kapitalauszahlungen<br />
auch ohne Einhaltung<br />
der reglementarischen Frist. Dies wurde<br />
einem Steuerpflichtigen unlängst zum<br />
Verhängnis. Die Steuerrekurskommission<br />
des Kantons Zürich hatte diesbezüglich<br />
entschieden, dass die reglementwidrig erfolgte<br />
Kapitalleistung rückgängig zu machen<br />
und das Vorsorgeguthaben als Rente<br />
zu beziehen sei. Das Nichtbefolgen dieser<br />
Aufforderung hätte zur Folge, dass der Bezug<br />
der ordentlichen Steuer – und nicht<br />
Kein Verlass auf Auskünfte der Pensionskasse<br />
In der Praxis zeigen sich die Pensionskassen gewöhnlich kundenfreundlich und<br />
legen ihre eigenen Reglemente entsprechend zugunsten der Versicherten aus. Leider<br />
haben einzelne Steuerverwaltungen inzwischen angefangen, bestimmte Sachverhalte<br />
im Detail nachzuprüfen und gegebenenfalls Auszahlungsverfügungen der<br />
Pensionskassen umzustossen. Mit verheerenden Folgen für die Versicherten. In solchen<br />
Fällen bleiben nur die Alternativen, entweder das bezogene Vorsorgeguthaben<br />
wieder einzuzahlen oder dann darauf die ordentliche Einkommenssteuer zu entrichten.<br />
Bei der direkten Bundessteuer zum Beispiel ist der ordentliche Tarif das<br />
Fünffache des Vorsorgetarifs.<br />
<strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
53
Impressum<br />
Kontaktadressen der sektionen<br />
<strong>Nr</strong>. 1 • 32. Jahrgang • <strong>Februar</strong> 2012<br />
Herausgeber/Verlag<br />
AG<br />
<strong>VSAO</strong> Sektion Aargau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />
Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />
Telefon 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
Bahnhofplatz 10 A, Postfach 7255, 3001 Bern<br />
Telefon 031 350 44 88, Fax 031 350 44 89<br />
journal@vsao.ch, journal@asmac.ch<br />
www.vsao.ch, www.asmac.ch<br />
Im Auftrag des <strong>VSAO</strong><br />
Redaktion<br />
Catherine Aeschbacher (Chefredaktorin/ca),<br />
Christiane Arnold, Jan Vontobel (jv),<br />
Sophie Yammine (sy), Lukas Staub (ls)<br />
BL/BS<br />
BE<br />
FR<br />
<strong>VSAO</strong> Sektion beider Basel,<br />
Geschäftsleiterin und Sekretariat: lic. iur. Claudia von Wartburg, Advokatin,<br />
Hauptstrasse 104, 4102 Binningen, Telefon 061 421 05 95,<br />
Fax 061 421 25 60, sekretariat@vsao-basel.ch, www.vsao.basel.ch<br />
<strong>VSAO</strong> Sektion Bern, Geschäftsführerin: Rosmarie Glauser, Fürsprecherin,<br />
Schwarztorstrasse 22, 3007 Bern, Telefon 031 381 39 39, Fax 031 381 82 41,<br />
bern@vsao.ch, www.vsao-bern.ch<br />
ASMAF Section Fribourg, case postale, 1708 Fribourg,<br />
webmaster@asmaf.ch, www.asmaf.ch<br />
GE Associations des Médecins d’Institutions de Genève, Postfach 23,<br />
Rue Gabrielle-Perret-Gentil 4, 1211 Genf 14, amig@amig.ch, www.amig.ch<br />
Geschäftsausschuss <strong>VSAO</strong><br />
Daniel Schröpfer, Präsident<br />
Raphael Stolz, Vizepräsident<br />
Christoph Bosshard, Marie-Claire Desax, Guillaume<br />
Favre, Lars Frauchiger, Gert Printzen, Nicola<br />
Rüegs egger (swimsa), Miodrag Savic, Urs Sieber,<br />
Ryan Tandjung, Kristina Tänzler, Sonja Trüstedt,<br />
Marino Urbinelli<br />
GR<br />
JU<br />
NE<br />
<strong>VSAO</strong> Sektion Graubünden, Geschäftsstelle: Postfach 697, 7002 Chur,<br />
Telefon 078 880 81 64, info@vsao-gr.ch<br />
ASMAC Sektion Jura, Dr. med. Carlos Munoz,<br />
Chemin des Vauches 7, 2900 Porrentruy, Telefon 032 465 65 65,<br />
cfmunoz@bluewin.ch<br />
amine@asmac.ch<br />
Druck, Herstellung und Versand<br />
Stämpfli Publikationen AG<br />
Wölflistrasse 1, CH-3001 Bern<br />
Telefon +41 31 300 66 66, info@staempfli.com<br />
www.staempfli.com<br />
Layout: Tom Wegner<br />
Inserate<br />
Axel Springer Schweiz AG, Fachmedien<br />
Förrlibuckstrasse 70, Postfach, 8021 Zürich<br />
Telefon 043 444 51 02, Fax 043 444 51 01<br />
vsao@fachmedien.ch<br />
Auflagen<br />
21 075 Expl. Druckauflage<br />
20 428 Expl. WEMF-geprüft 2012<br />
Erscheinungshäufigkeit: 6 Hefte pro Jahr.<br />
Für <strong>VSAO</strong>-Mitglieder im Jahresbeitrag inbegriffen.<br />
ISSN 1422-2086<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 2/<strong>2013</strong> erscheint im April <strong>2013</strong>.<br />
Thema: Ausland<br />
© <strong>2013</strong> by <strong>VSAO</strong>, 3001 Bern<br />
Printed in Switzerland<br />
SG/AI/AR <strong>VSAO</strong> Sektion St.Gallen-Appenzell, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />
Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />
Telefon 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
SO<br />
TI<br />
TG<br />
VD<br />
VS<br />
<strong>VSAO</strong> Sektion Solothurn, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />
Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />
Telefon 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
ASMACT, Associazione Medici Assistenti e Capiclinica<br />
Ticinesi, Avv. Marina Pietra Ponti, Viale S. Franscini 17,<br />
6904 Lugano, telefono 091 922 95 22, fax 091 923 61 71,<br />
pietraponti@ticino.com<br />
<strong>VSAO</strong> Sektion Thurgau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />
Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />
Telefon 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
ASMAV, case postale 9, 1011 Lausanne-CHUV,<br />
www.asmav.ch, asmav@asmav.ch<br />
ASMAVAL, Jessika Mermoud,<br />
rte de Chippis 55a, 1950 Sion, jessika.mermoud@hopitalvs.ch<br />
Zentralschweiz<br />
<strong>VSAO</strong> Sektion Zentralschweiz, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />
Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />
Telefon 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
Gütesiegel Q-Publikation<br />
des Verbandes Schweizer Medien<br />
ZH<br />
Zürcher Spitalärzte und Spitalärztinnen <strong>VSAO</strong>, Dr. R. M. Reck,<br />
Bahnhofstrasse 3, 8610 Uster, Telefon 044 941 46 78, Fax 044 941 46 67,<br />
info@vsao-zh.ch, www.vsao-zh.ch<br />
54 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 1 <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong>