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Volken im 19. Jahrhundert - Gemeinde Volken

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Schwierige <strong>Gemeinde</strong>versammlungen oder der Frust des Präsidenten<br />

Warum die Präsidenten wohl am liebsten den Götz von Berlichingen zitiert hätten<br />

Am 16. Mai 1868 ersuchte Präsident Jakob Ritzmann den Bezirksrat in Andelfingen wegen „Unwohlseins―<br />

um sofortige Entlassung aus dem <strong>Gemeinde</strong>rat. Ob seine wirklichen Rücktrittsgründe Probleme mit der<br />

Bürgerschaft oder mangelnde Unterstützung durch seine Kollegen waren, bleibt unklar. Letztere schrieben<br />

dem Bezirksrat reumütig, Ritzmann sei „vollkommen wieder hergestellt“. Auch sei er als Präsident des<br />

Rates und als Mitglied des Stillstandes „ordentlich begabt“, also bestünden keine „erheblichen Gründe“<br />

mehr für seine Entlassung. Dem st<strong>im</strong>mte der Bezirksrat zu und lehnte Ritzmanns Rücktrittsgesuch ab.<br />

Wie schon unter dem Titel „Friedensrichter― auf Seite 9 berichtet, war 1870 die Bevölkerung <strong>Volken</strong>s zusammen<br />

mit derjenigen von Höri die prozentual klagefreudigste <strong>im</strong> Kanton Zürich. Es wurde nämlich eine<br />

Klage pro 20 Einwohner eingereicht. Ein Zeichen nicht zu verleugnender Unzufriedenheit.<br />

Sieben Jahre später wiederholte sich die Geschichte. Wie sein Namensvetter Jakob Ritzmann <strong>im</strong> Jahr 1868,<br />

so sandte auch Heinrich Ritzmann Mitte Mai 1875 ein Gesuch an den Bezirksrat Andelfingen um sofortigen<br />

Rücktritt als Präsident des <strong>Gemeinde</strong>rates. Wiederum bezweifelten seine <strong>Gemeinde</strong>ratskollegen in<br />

einer Eingabe an den Bezirksrat die vom Präsidenten angegebenen Gründe, mit welchen er seinen sofortigen<br />

Rücktritt rechtfertigte. Der wirkliche Grund sei vielmehr „ohne Zweifel, dass in letzter <strong>Gemeinde</strong>versammlung<br />

ziemlich rumort worden ist, und wie es vielleicht in anderen <strong>Gemeinde</strong>n auch sein mag, dass<br />

etwelche Individuen gerne rumoren und sich nicht zur Ruhe stellen lassen.― Wiederum lobten seine Kollegen<br />

die Kompetenz und Arbeit ihres Präsidenten. „Es wäre sämtlichen Mitgliedern des <strong>Gemeinde</strong>rates der<br />

Wunsch, der löbliche Bezirksrat möge den Herrn Präsident Ritzmann für diese Periode in seiner Amtstelle<br />

noch bestätigen. In der Hoffnung, der löbliche Bezirksrat werde diesem Wunsch entsprechen, zeichnet<br />

hochachtungsvoll namens des <strong>Gemeinde</strong>raths der Vizepräsident.“<br />

Der löbliche Bezirksrat Andelfingen allerdings hatte kein Gehör und bestätigte, dass Präsident Heinrich<br />

Ritzmann seinem Wunsch entsprechend entlassen werde. Daraufhin setzte der <strong>Gemeinde</strong>rat die Ersatzwahl<br />

auf den 1. August an und verordnete, dass die Wahlversammlung 8 Tage vorher durch den Wächter bekanntgegeben<br />

werde. An dieser <strong>Gemeinde</strong>versammlung wurden <strong>Gemeinde</strong>rat Morgen mit grossem Mehr<br />

zum Präsidenten und Konrad Gisler Schulpfleger als neues Mitglied des Rates gewählt. Beide legten aber<br />

umgehend Rekurs gegen ihre Wahl ein. Wiederum brachten die übrigen Ratskollegen Gründe vor, warum<br />

diese Rekurse abgelehnt werden und die Gewählten ihr Amt antreten sollten. Konsequenterweise wurde<br />

eine <strong>Gemeinde</strong>versammlung auf den 3. Januar 1876 angesetzt und eine Ersatz-Präsidentenwahl mit offener<br />

Abst<strong>im</strong>mung durchgeführt. Doch mit Schreiben vom <strong>19.</strong> Februar 1876 entschied der Bezirksrat, dass die<br />

gesetzlichen Vorschriften nur eine gehe<strong>im</strong>e Abst<strong>im</strong>mung zuliessen! So wurde am 18. März 1876 eine <strong>Gemeinde</strong>versammlung<br />

mit „richtigem― Abst<strong>im</strong>mungsverfahren einberufen, und der wiedergewählte Heinrich<br />

Ritzmann willigte ein, bis zum Ende seiner Amtszeit als Präsident weiterzumachen. Wahrscheinlich sah er<br />

ein, dass nur so eine Lösung der verfahrenen Situation möglich war.<br />

Typisch für die Unruhen in der Bevölkerung war ein Zwischenfall am <strong>19.</strong> Februar 1876, an welchem es<br />

nochmals zu einem Eclat kam: Anlässlich der Verhandlungen über die Auflösung der Vieh-Assekuranz sei<br />

„nun über diesen Gegenstand ein Tumult entstanden, und alle Ermahnungen zur Ruhe waren fruchtlos und<br />

tobten <strong>im</strong>mer noch fort, und zwar hauptsächlich Johannes, Ferdinand und Konrad Messmer wollen sich<br />

gar nicht zur Ruhe begeben, sodass der Präsident die Versammlung als aufgelöst erklärte.“<br />

Ja, Präsident Heinrich Ritzmann brauchte wirklich Nerven.<br />

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