Volken im 19. Jahrhundert - Gemeinde Volken
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<strong>Volken</strong> <strong>im</strong> <strong>19.</strong> <strong>Jahrhundert</strong><br />
Zukunft braucht Herkunft
Inhaltsverzeichnis<br />
Seite<br />
2 Inhaltsverzeichnis<br />
3 Persönliches Vorwort<br />
4 Hintergrund Die Helvetik 1798 – 1803<br />
Die Mediationsverfassung 1803-1814<br />
5 Die Restauration von 1815<br />
Die Regeneration von 1830<br />
6 Zusammenfassung wichtiger Ereig- Verfassungen nach der Revolution von 1798<br />
nisse<br />
Weitere wichtige Änderungen <strong>im</strong> Kanton Zürich<br />
7 Die <strong>Gemeinde</strong>behörden, die wirklichen<br />
Honoratioren <strong>Volken</strong>s<br />
Der <strong>Gemeinde</strong>ammann, Liste d. <strong>Gemeinde</strong>ammänner<br />
8 Der Friedensrichter<br />
9 Verzeichnis der Friedensrichter<br />
10 Der <strong>Gemeinde</strong>rat<br />
11 Titelblatt des ersten <strong>Gemeinde</strong>rats-Protokollbuches<br />
13 Karrieren und Gewaltentrennung<br />
14-15 Liste aller Honoratioren<br />
16-27 Interessantes aus den Protokollen Der Frust der Präsidenten<br />
18 Kriegerisches<br />
20 Feuerwehr<br />
21 Strassenbau<br />
22 Strassenunterhalt, Wasserversorgung<br />
23 Gesundheitspolitisches: Cholera und Hebamme<br />
24-27 Verschiedenes<br />
28-29 Karten von <strong>Volken</strong> 1660,1849,1896<br />
30 Erschliessung <strong>Volken</strong>s mit Strassen Detail der Karte des Weinlandes von 1650<br />
31 Detail der Strassenkarte des Kantons ZH von 1850<br />
32 Strassenbauplan von 1845 Dorf – <strong>Volken</strong> – Flaach<br />
33 Strassenbauplan von 1904 Glemettenstrasse<br />
34 Die Post in <strong>Volken</strong><br />
35 Die Kosten<br />
36 Das „Postgebäude<br />
37 Umbau und Inneres des Restaurant Post<br />
38 Die Weinschenken <strong>Volken</strong>s<br />
39 Verzeichnis der Patentinhaber<br />
40 Abgabeformular und Eintrag des Bierpatentes<br />
41 Was in den Weinschenken so passierte<br />
42 Von Beizen und Bäckern Beizer<br />
43 Bäcker<br />
44 Der Schweizer Franken<br />
45 Vormundschaften und Konkurse<br />
46 Die Bevölkerungsentwicklung<br />
47 Das Bürgerrecht von <strong>Volken</strong><br />
48 Eidgenössische Volkszählungen<br />
49 Die Familie von Heinrich Keller Familie Schuler<br />
50 Die Familie von Hans Konrad Keller<br />
51 Johann Conrad Keller<br />
52 Der Wegzug der Nachkommen<br />
53 Anhang Blatt Gebäudeversicherung des Restaurant Post<br />
54-55 Liste der Mitglieder des <strong>Gemeinde</strong>rates<br />
56-57 Der Grundzins-Loskaufvertrag vom 27.3.1847<br />
Auszug aus dem Protokoll der <strong>Gemeinde</strong>versamm-<br />
58-59<br />
lung vom 10. Juni 1854, Rekursbeantwortung, Angaben<br />
über die Salärstruktur des <strong>Gemeinde</strong>schreibers<br />
2
Persönliches Vorwort<br />
Wenn <strong>im</strong> Alter das gezielte Planen der Zukunft durch das Plätschern des Alltags abgelöst wird, beginnt<br />
man sich zu fragen, woher wir kommen, wo unsere Wurzeln sind. Da meine beiden letzten direkten Vorfahren,<br />
welche in <strong>Volken</strong> lebten, nach der Selbständigkeit <strong>Volken</strong>s 1805 und der Wahl eines eigenen <strong>Gemeinde</strong>rates<br />
eine grosse Rolle spielten, gedachte ich eine Würdigung der letzten zwei Generationen meiner<br />
Ahnen in <strong>Volken</strong> zu schreiben. Aber ich erlag der Faszination, die Entwicklung einer <strong>Gemeinde</strong> durch die<br />
Lektüre der Protokollbücher der <strong>Gemeinde</strong>versammlungen und der <strong>Gemeinde</strong>ratssitzungen verfolgen, ja<br />
fast hautnah miterleben zu können. Die Vergangenheit wurde lebendig. So wuchs dieses Büchlein in Eigendynamik<br />
zu einer Zusammenfassung über <strong>Volken</strong> <strong>im</strong> <strong>19.</strong> <strong>Jahrhundert</strong>. Man möge mir nachsehen, wenn<br />
ich jeweils für typische Beispiele Personen und Ereignisse von meinen Ahnen erwähne. Es fehlten mir Zeit<br />
und Platz, um auch der Geschichte anderer Familien, den Erb, Ritzmann, Schuler, Saller etc. nachzugehen.<br />
Dank Zust<strong>im</strong>mung des Volkemer <strong>Gemeinde</strong>rates, insbesondere der für Kultur zuständigen <strong>Gemeinde</strong>rätin<br />
Elsbeth Ritzmann und den Mitarbeiterinnen der <strong>Gemeinde</strong>verwaltung, konnte ich für meine Nachforschungen<br />
das <strong>Gemeinde</strong>archiv benutzen. Ich danke für das Wohlwollen, das mir entgegengebracht wurde.<br />
„Die gute alte Zeit“: wir neigen dazu, die Vergangenheit zu idealisieren. Wenn wir heute die rasende Entwicklung<br />
auf allen technologischen Gebieten beklagen, vergessen wir, dass auch unsere Ahnen <strong>im</strong> <strong>19.</strong><br />
<strong>Jahrhundert</strong> mit umwälzenden Änderungen konfrontiert wurden. Vieles, was sie und ihre Vorfahren während<br />
mehreren <strong>Jahrhundert</strong>en als feste unverrückbare Werte, Grenzen und Zwänge kannten und akzeptierten,<br />
wurde abgeschafft oder verändert. Die französische Revolution hatte auch in der Schweiz eine wahre<br />
Revolution ausgelöst, mit entsprechenden Auswirkungen wie Chaos, Bürgerkrieg, Staatsstreichen usw.<br />
Dies war ihre damalige „Globalisierung―, geprägt durch die Industrialisierung, den Bau der Eisenbahnen<br />
und die Verlockung zur Auswanderung in fremde Kontinente.<br />
Ich danke recht herzlich all den vielen Menschen, welche mir bei der Zusammenstellung und Überprüfung<br />
der Fakten, bei der Produktion dieses Büchleins und mit dem Lektorat des Textes geholfen haben. So viele<br />
engagierte Helfer zu finden, war eine ganz spezielle Erfahrung. Besonders dankbar bin ich Prof. Dr. h.c.<br />
Peter Ziegler, Wädenswil, und Frau Regula Geiger, Küsnacht, für ihre Korrekturlesung des Textes und Dr.<br />
Samuel Wyder, Forch, für seine Ausschnitte aus alten Karten.<br />
Da das <strong>19.</strong> <strong>Jahrhundert</strong> – nicht zu reden vom 20. <strong>Jahrhundert</strong> – in meinem Geschichtsunterricht, aber auch<br />
in demjenigen vieler meiner Freunde, in der Schule wenig Platz fand, wollte ich zuerst zusammenstellen,<br />
welche politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen denn das Leben unserer Ahnen prägten, wird doch<br />
unser Tun von den vorherrschenden Umweltverhältnissen stark beeinflusst.<br />
In der Geschichtsschreibung kommen vor allem Männer vor. Eine vertiefte Betrachtung der Ereignisse hat<br />
mir aber sehr deutlich vor Augen geführt, dass ihre Frauen eine grosse Verantwortung übernahmen und<br />
gerade in der Landwirtschaft eine riesige Arbeit verrichteten. Wenn sie dann noch früh zu Witwen wurden,<br />
wie z.B. meine Ururgrossmutter Susanna, geborene Gisler, dann trugen sie zum Wohl der Familie eine<br />
vielfache Last als alleinerziehende Mutter, Allein-Bäuerin, Wirtin. Dabei darf angenommen werden, dass<br />
eine Witwe sehr wenig Prestige genoss, hatten doch die Frauen noch sehr lange keine politischen und wenig<br />
wirtschaftliche Rechte und definierten sich über die Stellung ihres Mannes.<br />
Ich hoffe, dass die Lektüre dieses kleinen Werkes einige Menschen anregt, selber Nachforschungen anzustellen.<br />
Dies hier kann nur ein oberflächliches Wiedergeben, eine Zusammenfassung der Vergangenheit<br />
sein, die in den Archiven dokumentiert ist. Es lohnt sich, das eine oder andere Thema vertieft zu betrachten.<br />
Zukunft braucht Herkunft. Tatsächlich: ohne Geschichte ist die Gegenwart nicht zu verstehen. Was haben<br />
unsere Vorfahren geleistet, wie beeinflusst das unser Denken, unser Planen, unser Leben? Das Motto<br />
stammt vom Philosophen Odo Marquard.<br />
Ich bin dankbar, wenn mir allfällige Fehler gemeldet werden, denn trotz grösster Sorgfalt kann ein gelegentlicher<br />
Irrtum nie ausgeschlossen werden.<br />
Hans Peter Keller, Schiedhaldenstrasse 32, 8700 Küsnacht<br />
e-mail: kellerhp@ggaweb.ch<br />
September 2009 Nachdruck unter Quellenangabe gestattet<br />
3
Hintergrund:<br />
Die Schweiz <strong>im</strong> Zeitalter der Französischen Revolution 1<br />
Die Helvetik 1798 – 1803<br />
Die Helvetische Revolution von 1798 war nicht einfach eine von aussen gesteuerte Imitation der Französischen<br />
Revolution, sondern die logische und unvermeidliche Folge der Ungleichheiten <strong>im</strong> zerrütteten politischen<br />
System der Alten Eidgenossenschaft. Es gab überall Aufstände gegen die alten Herrschaftsformen.<br />
Am 12. April 1798 wurde in Aarau die Helvetische Republik ausgerufen. Die Verfassung war ähnlich derjenigen<br />
der Französischen Republik mit einer zentralen Regierung. Die bisherige föderalistische Struktur<br />
wurde völlig el<strong>im</strong>iniert. Das Direktorium der Helvetischen Republik schloss mit Frankreich ein Militärbündnis<br />
und wurde so in die Napoleonischen Kriege hineingezogen (1799 – 1802). Deshalb wurde, erstmals<br />
seit <strong>Jahrhundert</strong>en, auch die Schweiz zu einem Hauptkriegsschauplatz. Französische Truppen kämpften<br />
in der Schweiz.<br />
Die neue Ordnung bedeutete das Ende der bisherigen Regierung durch einige herrschende Familien und die<br />
Zünfte. Alle früher geltenden wirtschaftlichen und politischen Einschränkungen sollten fallen, Handels-,<br />
Gewerbe- und Pressefreiheit wurden eingeführt, Untertanengebiete ab 4. April 1798 abgeschafft. Es entstand<br />
aber nicht eine Demokratie, sondern ein Chaos. Die Einquartierung von Tausenden von Soldaten auf<br />
Kosten der einhe<strong>im</strong>ischen Landbevölkerung zehrte die Ressourcen der Schweiz auf. Das zentralistische<br />
System wurde von der Bevölkerungsmehrheit nicht akzeptiert. „Liberté―, Freiheit, bedeutete für das einfache<br />
Volk, keine Steuern und Abgaben mehr zu bezahlen und zu machen, was einem beliebte. Die Helvetische<br />
Republik hatte keine gesunde finanzielle Basis. Sie erlebte zwischen 1800 und 1802 mindestens vier<br />
Staatsstreiche und versank <strong>im</strong> inneren Chaos.<br />
Nun griff Napoleon ein, verlangte das Ende des Bürgerkriegs und bestellte Delegationen aller Parteien nach<br />
Paris, wo er der Schweiz aus der Erkenntnis heraus, dass der zentralistische Einheitsstaat keine Chance<br />
hatte, eine föderalistische, die Eigenständigkeit der Kantone betonende, Verfassung verschrieb. Seine Proklamation:<br />
„Bewohner Helvetiens, Ihr bietet seit zwei Jahren ein betrübendes Schauspiel dar. Ihr habt<br />
Euch drei Jahre gezankt, ohne Euch zu verstehen. Wenn man Euch länger Euch selbst überlässt, so werdet<br />
Ihr Euch noch drei Jahre morden…“<br />
1 Schweizer Geschichte in: www.geschichte-schweiz.ch/helvetik.html<br />
4
Die Mediationsverfassung 1803 - 1814 2<br />
Sie wurde der Schweiz am <strong>19.</strong> Februar 1803 von Napoleon verordnet, gab den grössten Teil der staatlichen<br />
Kompetenzen an die 19 Kantone der neuen Eidgenossenschaft und el<strong>im</strong>inierte das nationale Parlament<br />
sowie die Zentralregierung. Als nichtständige Konferenz der Kantone wurde die Tagsatzung wieder eingeführt.<br />
Nur die Aussenpolitik blieb be<strong>im</strong> Bund; die Gesetzgebungsgewalt fiel an die Kantone zurück.<br />
Die Zürcher Verfassung gliederte das Kantonsgebiet in fünf grosse Bezirke anstelle der früheren Land- und<br />
Obervogteien: Stadt Zürich, Horgen, Uster, Bülach und Winterthur, zu welchem <strong>Volken</strong> gehörte. Im Sommer<br />
1803 erliess der Grosse Rat Gesetze und Verordnungen über die Organisation des Gerichtswesens.<br />
<strong>Volken</strong> durfte 1803 seinen eigenen Friedensrichter wählen. Seine volle Selbständigkeit erhielt <strong>Volken</strong> 1805<br />
durch die Wahl eines <strong>Gemeinde</strong>rates 3 . Siehe auch Seite 10<br />
Zu bemerken ist noch, dass von der alten Ordnung der Stillstand wieder eingeführt wurde, sodass die Kirche<br />
wieder ihre Funktion als Sittenhüterin zurückerhielt.<br />
Die Abhängigkeit der Schweiz von Frankreich nahm zu. Die Schweiz musste Soldaten und Geld für Napoleon<br />
bereitstellen. Als Napoleon in Russland scheiterte, wollten die Sieger die wegweisenden Errungenschaften<br />
rückgängig machen. Ende 1813 rückten 130’000 russische und österreichische Soldaten in die<br />
Schweiz ein. Die Schweizer Tagsatzung hob die Mediationsverfassung auf, worauf allsogleich der Streit<br />
über die neue Ordnung ausbrach.<br />
Die Restauration von 1815 2<br />
1815 wurden auf dem Wiener Kongress die Verhältnisse in Europa neu geordnet. Die Schweiz konnte froh<br />
sein, dass <strong>im</strong> Wesentlichen die Grenzen von 1798 wiederhergestellt wurden. Der Preis für das Überleben<br />
der Schweiz als Kleinstaat war die Verpflichtung zur Neutralität. Genf, Wallis und Neuenburg sowie Teile<br />
des Fürstbistums Basel wurden neu zu Schweizer Kantonen, nachdem sie vorher zugewandte Orte waren.<br />
Die Schweiz bestand nun aus 22 Kantonen.<br />
Im Innern erreichten die Konservativen die Restauration (Wiederherstellung) der alten Ordnung. Die Abschaffung<br />
der Leibeigenschaft und die allgemeine Volksschulbildung blieben aber bestehen. Die Städte<br />
konnten zwar die Landschaft nicht wie vorher total beherrschen, waren aber in den Parlamenten übervertreten<br />
(in Zürich: Landschaft 82 von 212 Sitzen).<br />
Die Regeneration von 1830 4<br />
Unter dem Eindruck der französischen Julirevolution von 1830 setzte in der Schweiz eine liberale Erneuerungsbewegung<br />
ein, die Regeneration. Viele Kantone, so auch Zürich (1831), erneuerten ihre Verfassung.<br />
Der obrigkeitliche Kirchenzwang wurde aufgehoben. Auch wurde die Pressezensur abgeschafft, das Bildungswesen<br />
gefördert. In Zürich 1832 Neuorganisation der Volksschule, Gründung von Lehrerseminar,<br />
Kantonsschule und Universität. Die Reformation der Volksschule führte zur Reduktion der Kinderarbeit<br />
und fand deshalb den Unmut der Bauern und Fabrikanten. Eine Welle kritischer Bibelforschung an den<br />
Hochschulen führte zu empörten Reaktionen, zu einem Marsch bewaffneter Oberländer Bauern, worauf<br />
Zürichs Regierung zurücktrat.<br />
Die alten katholischen Kantone schlossen sich 1846 zu einem Sonderbund zusammen, doch als Reaktion<br />
darauf gab es einen liberalen Umschwung. Ausländische Hilfe wurde angefragt, der Sonderbundskrieg<br />
eröffnet. Dank einem besonnenen General Henri Dufour wurde dieser Krieg schnell und mit wenigen Toten<br />
und Verletzten beendet. Die Sieger nutzten die Gelegenheit, ihre liberalen Anliegen in bedachter Weise in<br />
der Bundesverfassung von 1848 umzusetzen.<br />
Der Kanton Zürich gab sich am 18.4.1869 seine neue Verfassung, welche bis vor kurzem Gültigkeit hatte.<br />
2<br />
Schweizer Geschichte in: www.geschichte-schweiz.ch/mediation-napoleon.html<br />
3<br />
Emil Stauber: Geschichte der Kirchgemeinde Andelfingen, Seite 80<br />
4<br />
Schweizer Geschichte in: www.geschichte-schweiz.ch/bundesstaat.html<br />
5
1798<br />
Zusammenfassung<br />
Verfassungen nach der Revolution von 1798<br />
1803 Helvetische Republik Bürgerliche Freiheitsrechte, einheitliches Bildungswesen, Einführung<br />
freier Marktwirtschaft<br />
1803 1815 Mediation Von Napoleon diktiert<br />
1803 1830 Wieder Stillstand eingeführt<br />
1815 1830 Restauration Festigung alter feudaler Privilegien von Magistraten und Aristokratie<br />
1831 1839 Regeneration 1831 nach der Julirevolution in Frankreich erkämpft sich das<br />
ländliche Bürgertum mit Hilfe der Bauern & He<strong>im</strong>arbeiter die<br />
Rechtsgleichheit, Einführung der repräsentativen Demokratie,<br />
von Bauern unterstützt<br />
1831 20. März 1831 Neue Verfassung des Kantons Zürich nach dem Uster-Memorial<br />
vom 22.November 1830<br />
Aufhebung des obrigkeitlichen Kirchenzwangs<br />
1839 Züriputsch, konservativer Gegenschlag<br />
1869 18. April 1869 Neue Verfassung des Kantons Zürich<br />
Weitere wichtige Ereignisse <strong>im</strong> Kanton Zürich<br />
aus dem Band 3, Geschichte des Kantons Zürich, Werd Verlag, Angabe der Seitenzahlen<br />
1804 Eheschliessung für Mittellose verboten (S.54)<br />
1816-1817 Ernteausfälle, Teuerung (S.54)<br />
1832 neues Unterrichtswesen, da von der Bevölkerung nur 1/3 lesen könne. (S.134)<br />
1846-1847 Ernteausfälle, Teuerung (S.54)<br />
1863/65 – 1871 Rezession, Kapitalknappheit, Zinssätze auf Hypotheken erreichen Höchststände, bis 5%<br />
(S.146)<br />
1865-1867 schlechte Ernten, Konkurs vieler Kleinbauern (S.147)<br />
1867 Cholera-Epidemie <strong>im</strong> Kanton Zürich (S.147)<br />
1870 Errichtung der Zürcher Kantonalbank (S.146)<br />
1870 – 1871 Deutsch- Französischer Krieg<br />
1873 Handels- und Kreditkrise der Weltwirtschaft<br />
1876 – 1888 „Grosse Depression― des <strong>19.</strong> <strong>Jahrhundert</strong>s<br />
6
Die <strong>Gemeinde</strong>behörden, die wirklichen Honoratioren <strong>Volken</strong>s<br />
Mit der neuen Verfassung von 1803 wurde die Grundlage für eine neue Justiz einerseits und neue politische<br />
Regierungsstrukturen andrerseits (<strong>Gemeinde</strong>versammlung und <strong>Gemeinde</strong>rat auf <strong>Gemeinde</strong>ebene) geschaffen.<br />
Verbindungsstelle zwischen <strong>Gemeinde</strong> und Kanton wurde der <strong>Gemeinde</strong>ammann. Im Gerichtswesen<br />
wurde das Amt des Friedensrichters eingeführt, welches sich in Frankreich bereits bestens bewährt hatte.<br />
Erstaunlicherweise wurden zwei Brüder in diese wichtigsten <strong>Gemeinde</strong>ämter gewählt: Hans Conrad<br />
Keller zum ersten <strong>Gemeinde</strong>ammann, Heinrich Keller zum ersten Friedensrichter.<br />
Der <strong>Gemeinde</strong>ammann<br />
aus „Gesetze und Verordnungen <strong>im</strong> Kanton Zürich von 1803“<br />
Das entsprechende Gesetz best<strong>im</strong>mt, dass während der Mediation (1803 – 1814) die <strong>Gemeinde</strong>ammänner<br />
„sollen Vollziehungsbeamte sein, Mitglieder des <strong>Gemeinde</strong>rates, von welchem sie auch gewählt werden.<br />
Ihre Obliegenheiten sind die Vollziehung der Gesetze, Verordnungen und Sicherheits-Polizey in den <strong>Gemeinde</strong>n;<br />
sie bewilligen <strong>Gemeinde</strong>versammlungen; ihnen obliegt die nächste Aufsicht über Polizey-<br />
Vergehen und Cr<strong>im</strong>inal-Verbrechen, die sie zu verzeigen haben, allenfalls den ersten Gehören beizuwohnen:<br />
„sie gebrauchen Stempelpapier“(!); vollziehen die Verfügungen des Erziehungsrates, handhaben die<br />
Schulordnung. Sie können nicht zugleich Zunftrichter sein; sie kontrollieren die Ausgabe von Pässen für<br />
das Ausland; sie üben Sorgfalt wegen der Gesundheits-Ordnung des in die <strong>Gemeinde</strong> eingekauften Viehs;<br />
ihnen obliegen Polizey-Massnahmen gegen das Bettelgesindel; Aufsicht und Berichterstattung über die<br />
Massregeln „so der Ausrottung des Borkenkäfers halber“, die in allen Nadelwaldungen in dem <strong>Gemeinde</strong>-<br />
Bezirk vorgeschrieben sind; sie üben Pflichten aus wegen der Handhabe der Feuerordnung auf der Landschaft“<br />
usw…<br />
Mit diesen Aufgaben und Kompetenzen war der <strong>Gemeinde</strong>ammann tatsächlich das Scharnier zwischen<br />
Kanton, Bezirk und <strong>Gemeinde</strong> und somit die wichtigste Person in einer <strong>Gemeinde</strong>. <strong>Gemeinde</strong>ammänner<br />
werden in den jährlichen Publikationen „Regierungsetat, Adress-Calender des Kantons“ als unterste dem<br />
Kanton verantwortliche Instanz aufgeführt.<br />
1806 – 1814 Hans Conrad Keller<br />
1815 – 1823 Hans Jacob Hatt<br />
1824 – 1831 Heinrich Kramer<br />
1832 – 1852 Rudolf Wegmann<br />
1853 – 1855/56 Johann Conrad Keller<br />
1856/57 – 1862/63 Jakob Kündig<br />
1863/64 – 1864/65 Johann Conrad Keller<br />
1865/66 Jakob Gisler<br />
1866/67 Konrad Schuler<br />
1867/68 – 1869/70 Ulrich Wegmann<br />
1870/71 – 1877/78 Martin Keller<br />
1878/79 – 1879/80 Jacob Gisler<br />
1880/81 – 1899/1900 Albert Keller<br />
<strong>Gemeinde</strong>ammänner <strong>Volken</strong>s <strong>im</strong> <strong>19.</strong> <strong>Jahrhundert</strong> waren:<br />
7
Der Friedensrichter 5<br />
Foto Peter Friedli, Wädenswil<br />
War auch die Institution des Friedensrichters in der Schweiz ganz neu, so kannte man doch schon früher<br />
auf der Zürcher Landschaft das nachbarrechtliche Schiedsverfahren. Nach der Einführung der Reformation<br />
schuf der Zürcher Rat am 10. Mai 1525 das Ehegericht. Die von der Obrigkeit erlassenen Sittenmandate<br />
setzten Normen für das tägliche Leben. Über ihre Einhaltung wachte in den Dörfern der Landschaft der<br />
„Stillstand―, der 1526 geschaffene Vorläufer der späteren Kirchenpflege, bestehend aus dem Pfarrer und 1-<br />
3 „Ehgaumern―. Wer gegen die Normen verstiess, wurde ein- oder zwe<strong>im</strong>al vor den Pfarrer, die Ehgaumer<br />
oder den gesamten Stillstand zitiert und mit Ernst zu besserem Lebenswandel ermahnt. Als Verschärfung<br />
der Strafe kam das öffentliche Zurschaustellen in Frage, das „Abkanzeln― durch den Pfarrer vor versammelter<br />
<strong>Gemeinde</strong> während des Gottesdienstes. - Die Einführung des Friedensrichters während der Helvetik<br />
war an der Langsamkeit und Schwerfälligkeit von Regierung und Verwaltung gescheitert. Doch die Idee,<br />
dass ein Sühnebeamter streitende Parteien zu gütlicher Einigung bringen sollte, fand weiterhin begeisterte<br />
Anhänger. Die Mediationsverfassung schuf dafür günstige Voraussetzungen; die Gesetzgebungsgewalt fiel<br />
wieder an die Kantone zurück.<br />
<strong>Volken</strong> gehörte während der Mediation (1803-1814), wie bereits ausgeführt, zum Bezirk Winterthur. Jeder<br />
Bezirk war eingeteilt in 13 Zünfte, in Wahlkreise für den Grossen Rat. Volljährige männliche Bürger mit<br />
mindestens 500 Franken Vermögen besassen das aktive und das passive Wahlrecht. Um die Verbindung<br />
zwischen Kirche und Staat zu betonen, gehörte der Friedensrichter in dieser Zeit von Amtes wegen dem<br />
Stillstand – der Kirchenpflege – an. Die neu ernannten <strong>Gemeinde</strong>räte und die Friedensrichter traten ihr Amt<br />
am Tag nach der Wahl an. Grundsätzlich wurden die Friedensrichter aus Geschlechtern gewählt, die <strong>im</strong><br />
Dorf verwurzelt waren und deren Angehörige dort in grossem Ansehen standen. - Im Kanton Zürich wurde<br />
der Friedensrichter gemäss Gesetz von 1803 bis zur Restauration 1815 durch die St<strong>im</strong>mbürger gewählt.<br />
Seine Amtsdauer betrug 2 Jahre, mit der Möglichkeit der Wiederwahl. <strong>Gemeinde</strong>n, welche <strong>im</strong> Jahre 1805<br />
die Wahl des Friedensrichters unterlassen hatten, mussten diese 1806 und 1808 zum zweiten Mal vornehmen.<br />
Für die übrigen <strong>Gemeinde</strong>n galten 1805 und 1807 als Wahljahre.<br />
Die Restauration, der Bundesvertrag vom 7. August 1815, ersetzte in der Schweiz, dem Staatenbund von<br />
nunmehr 22 Kantonen, die Mediationsverfassung von 1803. An die Stelle der bisherigen fünf Distrikte<br />
traten die elf Oberämter Zürich, Knonau, Wädenswil, Meilen, Grüningen, Kyburg, Greifensee, Winterthur,<br />
Andelfingen, Embrach und Regensberg. Den <strong>Gemeinde</strong>n wurde das seit 1803 zugestandene Recht, den<br />
Friedensrichter zu wählen, entzogen. Sie durften nur noch einen doppelten Vorschlag ans Amtsgericht weiterleiten,<br />
das in der Regel den erstgenannten Kandidaten wählte. Die Amtsdauer betrug 3 Jahre. - Friedensrichter<br />
waren in den Grossen Rat und den <strong>Gemeinde</strong>rat wählbar, durften aber während der Ausübung ihres<br />
Amtes keine Tavernen oder Weinschenken führen. Dies schloss in der Zeit der Restauration Hans Conrad<br />
Keller vom Friedensrichter-Amt aus, führte er doch seit Beginn des <strong>19.</strong> <strong>Jahrhundert</strong>s eine Weinschenke,<br />
das heutige Restaurant Post.<br />
5 Peter Ziegler: 200 Jahre Friedensrichter <strong>im</strong> Kanton Zürich 1803-2003, Wädenswil 2003<br />
8
1805 – 1811 Heinrich Keller<br />
1812 – 1823 Hans Jacob Hatt, Grossrat<br />
1823 – 1844 Heinrich Keller<br />
<strong>Volken</strong>s Friedensrichter waren<br />
Die Regeneration von 1831 – 1839 legte definitiv die Gewaltentrennung fest, die bis heute gilt. Das bisherige<br />
Amtsgericht wurde zum Bezirksgericht. Der Friedensrichter wurde von jetzt an wieder durch die <strong>Gemeinde</strong>versammlung<br />
gewählt. Er musste über 25 Jahre alt sein. Nun durften auch Personen, welche eine<br />
Weinschenke führten, in dieses Amt gewählt werden. Es wurde argumentiert, dass ja ein Wirt zum <strong>Gemeinde</strong>ammann<br />
gewählt werden konnte und dass die <strong>Gemeinde</strong>bürger mit diesem engere Kontakte pflegten<br />
als mit dem Friedensrichter, und wenn die Parteien nicht verständig genug wären, sich des starken Genusses<br />
des Weins zu enthalten und wenn ein Friedensrichter nicht fähig sei, sein Amt gehörig zu verwalten, so<br />
hülfen alle gesetzlichen Vorschriften nichts.<br />
1840 – 1873 gab es entscheidende Veränderungen in Verfassung und Gesetzgebung: am 12.8.1848 die<br />
Bundesverfassung, die vom Staatenbund zum Bundesstaat führt, am 18. April 1869 die neue Verfassung des<br />
Kantons Zürich.<br />
1845 – 1853 Konrad Hatt, Major<br />
1854 Jakob Kündig<br />
1855/56 – 1862/62 Konrad Erb<br />
1863/64 – 1864/65 Johann Konrad Ruf [ging 1864 in Konkurs]<br />
1865/66 – 1866/67 Konrad Bucher<br />
1866/67 – 1874/75 Jakob Gisler<br />
Im Jahr 1870 belegte eine Untersuchung, dass sehr häufig Klagen eingereicht wurden. In diesem Jahr<br />
waren <strong>Volken</strong> und Höri leider einsame Spitze, entfiel doch eine Klage auf je 20 Einwohner, in Zürich<br />
und Oberstrass eine auf je 21, in Meilen und Hüntwangen je 27, in Dägerlen je 28, aber in Dübendorf,<br />
Seuzach und Flurlingen eine auf je 200 bis 300, sodann 327 Einwohner pro Klage für Albisrieden und 331<br />
für Greifensee!<br />
Bis 1874 war der Friedensrichter <strong>im</strong> Kanton Zürich ausschliesslich Sühnebeamter. Mit der Geschäftsordnung<br />
von 1866 wurden die Vorschriften für den Friedensrichter <strong>im</strong>mer präziser, umfangreicher und ausführlicher.<br />
1875/76 – 1876/77 Salomon Ruf<br />
1877/78 – 1881/82 Rudolf Ruf [wanderte 1882 nach Amerika aus]<br />
1882/83 – 1888/89 Konrad Erb<br />
1889/90 Salomon Ruf<br />
1890/91 vakant<br />
1891/1900 Konrad Erb<br />
9
Der <strong>Gemeinde</strong>rat<br />
wurde an der <strong>Gemeinde</strong>versammlung gewählt, zu welcher der <strong>Gemeinde</strong>ammann einlud. Anlässlich der<br />
ersten Versammlung in <strong>Volken</strong> wurde best<strong>im</strong>mt, dass drei Männer in den <strong>Gemeinde</strong>rat gewählt werden<br />
sollten, wobei einer nach einem Jahr ausgewechselt werden solle. Wer das sein sollte, best<strong>im</strong>mte das Los.<br />
Nachstehend der Wortlaut des Protokolls der ersten <strong>Gemeinde</strong>versammlung <strong>Volken</strong>s:<br />
VerbalBrozess<br />
Da nun der <strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong> von der Regierung des Cantons Zürich unter dem 9ten Apryll einen eigenen<br />
Gemeind-Rath bewiliget wurde, so wurde desswegen durch den von dem Hr Statthalter zu der Leitung u.<br />
Führung dieses Geschäfts ernannten Wahlpreshitenten Conrad Keller nach dem Gesetz betreffend die<br />
Wahl der <strong>Gemeinde</strong>räthe durch gehe<strong>im</strong>es und relatives St<strong>im</strong>menmehr zu 2 St<strong>im</strong>menzählern und einem<br />
Schreiber geschritten.<br />
Zu St<strong>im</strong>menzählern wurden ernannt Johannes Keller und Konrad Schuler<br />
Der Schreiber Joh. Jacob Hatt<br />
Die Zahl des <strong>Gemeinde</strong>raths wurde auf 3 Mitglieder durch gehe<strong>im</strong>es und relatives St<strong>im</strong>menmehr best<strong>im</strong>mt<br />
und sodann die Besoldung derselben festgesetzt. Die Tagsbesoldung eines Vorgesetzten auf 30 Schilling.<br />
In den <strong>Gemeinde</strong>raht wurden durch das gehe<strong>im</strong>e und relative St<strong>im</strong>menmehr gewählt<br />
Conrad Keller, Seckelmeister unter 75 anwesenden Bürgern mit 45 St<strong>im</strong>men<br />
<strong>Gemeinde</strong>raht Heinrich Schuler 44 St<strong>im</strong>men<br />
Item Conrad Gisler 22 St<strong>im</strong>men<br />
Und zum Bresitent des Gemeindrahts wurde gewählt G.raht Heinrich Schuler mit 48 St<strong>im</strong>men.<br />
Das Wartgelt wurde von der Bürgerschaft für den Gemeindraht jährlich auf 6 Gulden festgesetzt.<br />
Den 21ten Abryll 1805<br />
Die Aufgaben des <strong>Gemeinde</strong>rates waren hauptsächlich die Vorbereitung und hierauf die Durchführung der<br />
<strong>Gemeinde</strong>versammlung und die Ausführung ihrer Beschlüsse. Deshalb wurden häufig <strong>Gemeinde</strong>versammlungen<br />
abgehalten, <strong>im</strong> Jahr 1851 zum Beispiel genau 15 (fünfzehn). Wenn wichtige Geschäfte zu behandeln<br />
und entscheiden waren, wurde meist eine Kommission bestellt, welche die Geschäfte näher abzuklären<br />
und hierauf der <strong>Gemeinde</strong>versammlung Antrag zu stellen hatte. Der <strong>Gemeinde</strong>rat behandelte abschliessend<br />
Fragen der Vormundschaft (Ernennung und anschliessend Überwachung der Vormünder [Vogt genannt],<br />
Kontrolle der Vermögensrechnungen, Festlegen der Kostgelder); der Gesundheit (Vorkehrungen, Schlachterlaubnis<br />
für das Vieh, Massnahmen bei Maul- und Klauenseuche etc.); amtliche Bekanntmachungen;<br />
Verkehr mit vorgesetzten Behörden und anderen <strong>Gemeinde</strong>n; Steuerfragen (Militärpflichtersatz, Steuerwerte<br />
der Güter); Promulgationsbewilligungen (Bewilligung zur Heirat); Erbstreitereien; <strong>Gemeinde</strong>polizeiliche<br />
Massnahmen (Verzeigungen, Bussen, Kontrolle der Blitzableiter); Leumundszeugnisse; Einsammeln der<br />
Maikäfer, Vorbereitung der Erteilung resp. Verweigerung der Einbürgerung und Entlassungen aus dem<br />
Bürgerrecht etc.<br />
Oftmals wurden Leute gegen ihren Willen in die Behörden gewählt!<br />
Lehrer Kündig wurde am 9. Juni 1849 zum Ersatzgemeinderat und an der <strong>Gemeinde</strong>versammlung vom 7.<br />
Juni 1851 zum <strong>Gemeinde</strong>präsident gewählt, erhob aber sofort Rekurs gegen den letzteren Entscheid; er<br />
hatte doch schon fast alle Ämter inne gehabt, die in der <strong>Gemeinde</strong> zu vergeben waren. - Am 10. Juni 1866<br />
wurde Jakob Gisler zum 4. <strong>Gemeinde</strong>rat gewählt. Er lehnte diese Wahl ab. - Ähnliches geschah an der <strong>Gemeinde</strong>versammlung<br />
vom 9. März 1867. Zum <strong>Gemeinde</strong>ammann gewählt wurde <strong>Gemeinde</strong>präsident Martin<br />
Keller, obwohl dieser schon vor der Abst<strong>im</strong>mung „unter statthaften Gründen“ eine Wahl ablehnte. -<br />
Am 27.5.1877 wurden Konrad Gisler zum Präsidenten des <strong>Gemeinde</strong>rates und Salomon Ruf zum Friedensrichter<br />
gewählt. Beide legten gegen ihre Wahl erfolgreich Rekurs ein. Mit Blick auf 2008/9 kann gesagt<br />
werden: die Geschichte wiederholt sich.<br />
6 <strong>Gemeinde</strong>archiv <strong>Volken</strong> Signaturen IV B 2.0-2.03 <strong>Gemeinde</strong>versammlungsprotokolle 1805 - 1899<br />
7 dito Signaturen 1.0 – 1.2. <strong>Gemeinde</strong>ratsprotokolle 1848 - 1900<br />
10<br />
6 7
Titelblatt des ersten Protokollbuches von 1848 des <strong>Gemeinde</strong>rates <strong>Volken</strong><br />
Das erste <strong>im</strong> <strong>Gemeinde</strong>archiv <strong>Volken</strong>s erhaltene Protokollbuch des <strong>Gemeinde</strong>rates beginnt mit dem Jahr<br />
1848. Die oben wiedergegebene Beschriftung der ersten Seite zeigt, dass sich der <strong>Gemeinde</strong>rat seiner grossen<br />
Verantwortung und Aufgabe bewusst ist und dies auch ausdrückt: „Protokol für die gegenwärtigen und<br />
zukünftigen Ehrsamen Gemeindräthe in <strong>Volken</strong>.“ Und zur Dokumentation wird festgehalten „der Gemeindrath<br />
besteht gegenwärtig aus folgenden Mitgliedern<br />
1) Präsident Joh. Konrad Keller, ober Bäck<br />
2) <strong>Gemeinde</strong>rath Salomon Ruf<br />
3) Seckelmeister Johannes Keller, Küfer<br />
4) Schreiber Jakob Kündig<br />
den 13. März 1848<br />
Es scheint tatsächlich, dass die bevorstehende Abst<strong>im</strong>mung über die Bundesverfassung vom 12. August<br />
1848 zu einer Aufbruchst<strong>im</strong>mung führte und dass die Behördenvertreter gewillt waren, ihre Verantwortung<br />
vollumfänglich und kompetent wahrzunehmen.<br />
Als 1849 zwei von drei <strong>Gemeinde</strong>räten als Soldaten an die Grenze einrücken mussten, wurden am 9. Juni<br />
1849 provisorisch zwei „Ersatz-<strong>Gemeinde</strong>räte― gewählt. Dieses Provisorium dauerte bis zur Versammlung<br />
vom 20. Mai 1851, als ein Antrag auf ordentliche„Beiordnung zweier Ersatzmänner für den <strong>Gemeinde</strong>rat―<br />
angenommen und Schullehrer Kündig und Jakob Kramer zu Ersatz-<strong>Gemeinde</strong>räten gewählt wurden.<br />
11
Die Amtsdauer des <strong>Gemeinde</strong>rats wurde ab 1835 auf zwei Jahre festgelegt. 1851 wurde sie auf 4 Jahre<br />
ausgedehnt. - Erstaunlich ist, wie jung gewisse Bürger in das Amt des <strong>Gemeinde</strong>ratsschreibers gewählt<br />
wurden. So war Joh. Jacob Hatt, der erste dieser Zunft in <strong>Volken</strong>, 24-jährig, als er das obige Protokoll<br />
schrieb. Johann Conrad Keller war 22 Jahre alt, als er <strong>Gemeinde</strong>schreiber wurde! Und in der <strong>Gemeinde</strong>versammlung<br />
vom 5. Juli 1851 wurde mitgeteilt, der <strong>Gemeinde</strong>schreiber Konrad Erb besuche jetzt das Seminar<br />
in Küsnacht und könne deshalb während dieser Zeit diese Stelle nicht wahrnehmen.<br />
Sitzungsort des <strong>Gemeinde</strong>rates<br />
Am 3. Februar 1850 entschied der <strong>Gemeinde</strong>rat, dass mangels eines anderen Beschlusses seine Sitzungen<br />
und Beratungen bis auf weiteres bei Präsident Johann Conrad Keller stattfinden sollen (d.h. <strong>im</strong> Restaurant<br />
Post!). Falls die Sitzungen nicht in der unteren Stube stattfinden könnten, also die obere Stube benutzt werden<br />
müsste und diese nicht geheizt sei, dann dürfe Präsident Keller das zum Feuern des Ofens benötigte<br />
Holz von der <strong>Gemeinde</strong> beziehen. So das Protokoll. So wurde sichergestellt, dass die Sitzungs-Effizienz<br />
nachhaltig gesteigert werden konnte, denn nun war es nicht mehr nötig, zur wohlverdienten Befeuchtung<br />
trockengeredeter Kehlen das Sitzungslokal zu verlassen.<br />
Der <strong>Gemeinde</strong>rat war aber auch mit sich selbst sparsam. So wurde am 30. Juli 1854 entschieden, „das gegenwärtige<br />
vollgeschriebene Gemeindsprotokoll durch Einsetzung mehrerer Bogen vergrössert werden<br />
soll, welches dem <strong>Gemeinde</strong>schreiber übertragen wird.“<br />
Mangelnde Disziplin der <strong>Gemeinde</strong>räte<br />
Am 16. Mai 1874 ermahnte der Präsident seine Ratskollegen, den Weibel und den Schreiber ernsthaft und<br />
unter Strafandrohung, dass Indiskretionen über Ratsverhandlungen keinesfalls erlaubt seien. - Weiter würden<br />
inskünftig unentschuldigtes Fernbleiben von Ratsitzungen mit 50 Rappen und Zuspätkommen mit 30<br />
Rappen Busse bestraft.<br />
Amtliches Publikationsorgan<br />
In seiner Sitzung vom 2. Mai 1860 beschloss der <strong>Gemeinde</strong>rat, den „Anzeiger von Andelfingen― als obligatorisches<br />
Publikationsmittel anzuerkennen.<br />
Das feuersichere <strong>Gemeinde</strong>archiv<br />
Dem Bezirksrat wurde regelmässig mitgeteilt, die <strong>Gemeinde</strong> besitze und unterhalte schon seit vielen Jahren<br />
ein feuersicheres Archiv zur Aufbewahrung von Wertschriften, Rechnungen etc.<br />
Deutsche Schrift und neue Schrift<br />
Kurz nach seiner Wahl zum <strong>Gemeinde</strong>schreiber, 1842, übte sich Johann Conrad Keller in der neuen, uns<br />
heutigen Menschen vertrauten, Schrift. Allerdings schien diese noch unvertraute Schreibweise auf einen<br />
gewissen Widerstand zu stossen, denn nach einigen Monaten wechselte er in die ihm und seinen Ratskollegen<br />
vertraute alte Version. Es sollte bis 1884 dauern, bis die „neue― Schrift wieder Einzug hielt. Bis Ende<br />
1883 verfasste der langjährige <strong>Gemeinde</strong>rat und <strong>Gemeinde</strong>schreiber Gottfried Schuler seine Protokolle in<br />
der alten Schrift, ab 1884, zugleich mit dem Wechsel zu einem neuen Protokollbuch, wandte er die „neue―<br />
Schrift an, allerdings nicht ohne sich gelegentlich wieder der vertrauten alten zuzuwenden. So wurden die<br />
Sachgeschäfte der <strong>Gemeinde</strong> in der alten Schrift, die Resultate der Wahlen und Abst<strong>im</strong>mungen aber in der<br />
neuen protokolliert.<br />
Die Protokollbücher<br />
Die Protokolle der <strong>Gemeinde</strong>versammlungen und der <strong>Gemeinde</strong>rats-Sitzungen wurden sorgfältig von Hand<br />
in grosse Bücher geschrieben. Offensichtlich waren die Eintragungen Reinschriften von Entwürfen, die der<br />
jeweilige <strong>Gemeinde</strong>schreiber zuerst verfasste. Das geht aus der praktisch korrekturfreien Schönschrift der<br />
Protokolle hervor sowie von zwei Originalbriefen, welche sich <strong>im</strong> letzten Protokollbuch des <strong>Gemeinde</strong>rates<br />
befanden und auf welchen der Schreiber mit Bleistift den Protokolltext entwarf. Manchmal schrieben Präsident<br />
oder Kollegen Ergänzungen in die Protokolle hinein, ersichtlich aus der anderen Handschrift, oft<br />
auch mit Bleistift und nicht mit derselben Tinte wie die Protokolle geschrieben.<br />
Neues Gesetz von 1866 über das <strong>Gemeinde</strong>wesen<br />
Im Protokoll seiner letzten Sitzung unter dem alten Gesetz schrieb der <strong>Gemeinde</strong>schreiber ganz wehmütig:<br />
„Ende des alten <strong>Gemeinde</strong>rathes―. Es wurden fünf (bisher drei) <strong>Gemeinde</strong>räte gewählt, und sie trafen sich<br />
am 23. Juni 1866 zu ihrer ersten Sitzung.<br />
12
Karrieren und Gewaltentrennung<br />
Für einige Volkemer war die Mitgliedschaft <strong>im</strong> <strong>Gemeinde</strong>rat ein Sprungbrett für eine politische Karriere:<br />
Hans Jacob Hatt, geboren 1781, der an der konstituierenden<br />
Sitzung des <strong>Gemeinde</strong>rates 1805 als Schreiber amtete, wurde<br />
1809 zum Präsidenten des <strong>Gemeinde</strong>rats gewählt. Dieses Amt<br />
hatte er ununterbrochen bis 1823 inne. Von 1815 bis 1823<br />
bekleidete er auch das Amt des <strong>Gemeinde</strong>ammanns und von<br />
1813 bis 1822 zusätzlich dasjenige des Friedensrichters. Somit<br />
hatte er von 1815 bis 1822 sämtliche wichtigen Ämter in Personalunion<br />
inne. Er scheint seine Sache gut gemacht zu haben,<br />
denn diese Ämterkumulation wurde nie beanstandet; mindestens geht aus den entsprechenden Protokollen<br />
nichts hervor, das auf Unzufriedenheit hätte schliessen lassen. Sodann wandte er sich der Kantonspolitik<br />
zu. Er wurde 1817 zum Mitglied des Grossen Rates gewählt, in welchem er bis 1846 blieb. Die Justiz fand<br />
sein besonderes Interesse. Er wurde 1823 Oberamtsrichter in Andelfingen und stieg zum Vizepräsidenten<br />
des Bezirksgerichtes Andelfingen auf (1831 – 1843).<br />
Inspiriert vom Vater wurde sein Sohn Hans Conrad Hatt, Friedensrichter von 1845- 1853. Dann schlug er<br />
die militärische und die politische Laufbahn ein: Lieutenant von 1846 – 1847, Hauptmann 1848 – 1850,<br />
1850 – 1854 Major, 1855 – 1857 Bataillonskommandant. Er wurde auch, wie sein Vater, in den Grossen<br />
Rat (Kantonsrat) gewählt. Er verzichtete für sich und seine Familie auf das Volkemer Bürgerrecht. Das<br />
genaue Datum ist nicht bekannt, da der Verzicht schon vor Anlage des Zivilstands-Registers erfolgte.<br />
Auch andere Volkemer machten nach der Mitgliedschaft <strong>im</strong> <strong>Gemeinde</strong>rat Karriere: Heinrich Kramer,<br />
nach Johann Jacob Hatt <strong>Gemeinde</strong>präsident von 1824 – 1831, wurde 1832 ins Zunftgericht Flaach gewählt,<br />
dem er bis 1836 angehörte. Von 1836 bis 1838 war er Mitglied des Bezirksrates Andelfingen.<br />
Es war auch bemerkenswert, dass die Brüder Hans Conrad und Heinrich Keller zu Beginn der Mediationszeit<br />
die beiden wichtigsten vom Kanton zu vergebenden und von der <strong>Gemeinde</strong>versammlung zu bestätigenden<br />
Ämter zugesprochen erhielten. Erst durch das Diktat Napoleons entstand ja in dieser Epoche wieder<br />
eine funktionsfähige Regierung.<br />
Betrachtet man die Wahlvorgänge, so gab es nie eine stille Wahl in den <strong>Gemeinde</strong>rat, sondern es gab oft<br />
längere Ausmarchungen. Anders die Wahlen des Friedensrichters und des <strong>Gemeinde</strong>ammanns. Hier waren<br />
jahre- wenn nicht jahrzehntelange Wiederwahlen durchaus üblich und kaum richtig bestritten.<br />
Die Ämterkumulation wurde seit der Regeneration (1831 – 1839) von Gesetzes wegen verboten, um eine<br />
saubere Gewaltentrennung zu erreichen. So wurde beispielsweise Johann Conrad Keller an der <strong>Gemeinde</strong>versammlung<br />
vom 3. Juli 1853 in einem Zweiervorschlag (wie vom Gesetz verlangt) als Kandidat für das<br />
Friedensrichteramt an das Statthalteramt Andelfingen gemeldet. Als er kurz daraufhin auch zum <strong>Gemeinde</strong>ammann<br />
gewählt wurde, pfiff ihn der Statthalter zurück. Johann Conrad zog das Amt des <strong>Gemeinde</strong>ammanns<br />
demjenigen des Friedensrichters vor, sodass an der folgenden <strong>Gemeinde</strong>versammlung vom 10. September<br />
1853 eine Ersatzwahl des Friedensrichters stattfand. - Lange erfreute er sich allerdings dieses Amtes<br />
nicht, denn das Gesetz vom 20. Juni 1855 zwang ihn zu einer Wahl zwischen <strong>Gemeinde</strong>ammann-Amt und<br />
dem Betrieb einer Weinschenke: “Die <strong>Gemeinde</strong>ammänner, die Präsidenten und die Schreiber der <strong>Gemeinde</strong>räthe<br />
dürfen weder selbst eine Wirthschaft betreiben noch in einem Haus wohnen, in welchem eine<br />
solche betrieben wird“ 8 . Das Protokoll der <strong>Gemeinde</strong>versammlung vom <strong>19.</strong>8.1855 berichtet, Johann Conrad<br />
Keller habe den „Austritt― als <strong>Gemeinde</strong>ammann gegeben, da er vorzog, seine Weinschenke weiterzuführen.<br />
Die Mitglieder des <strong>Gemeinde</strong>rates sind <strong>im</strong> Anhang aufgelistet. Nachfolgend findet sich eine Liste der Personen,<br />
welche die wichtigsten Ämter <strong>Gemeinde</strong>ammann, Friedensrichter und <strong>Gemeinde</strong>präsident bekleideten.<br />
So lässt sich die anfangs noch mögliche Ämter- resp. Machtkumulation gut ablesen.<br />
8 Zürcher Gesetzessammlung Band 2 1854-1857, Gesetz vom 20.6.1855 betr. das <strong>Gemeinde</strong>wesen, Teil III St<strong>im</strong>m-<br />
recht und Wählbarkeit, Seite 129, §24, Abs.2<br />
13
Zusammenfassende Liste der Honoratioren <strong>Volken</strong>s <strong>im</strong> <strong>19.</strong> <strong>Jahrhundert</strong><br />
Jahr <strong>Gemeinde</strong>ammann <strong>Gemeinde</strong>präsident Friedensrichter<br />
1805 Hans Conrad Keller Heinrich Schuler Heinrich Keller<br />
1806 Hans Conrad Keller Hans Conrad Keller Heinrich Keller<br />
1807 Hans Conrad Keller Hans Conrad Keller Heinrich Keller<br />
1808 Hans Conrad Keller Hans Conrad Keller Heinrich Keller<br />
1809 Hans Conrad Keller Hans Jacob Hatt Heinrich Keller<br />
1810 Hans Conrad Keller Hans Jacob Hatt Heinrich Keller<br />
1811 Hans Conrad Keller Hans Jacob Hatt Heinrich Keller<br />
1812 Hans Conrad Keller Hans Jacob Hatt Heinrich Keller<br />
1813 Hans Conrad Keller Hans Jacob Hatt Hans Jacob Hatt<br />
1814 Hans Conrad Keller Hans Jacob Hatt Hans Jacob Hatt<br />
1815 Hans Jacob Hatt Hans Jacob Hatt Hans Jacob Hatt<br />
1816 Hans Jacob Hatt Hans Jacob Hatt Hans Jacob Hatt<br />
1817 Hans Jacob Hatt Hans Jacob Hatt Hans Jacob Hatt,<br />
1818 Hans Jacob Hatt Hans Jacob Hatt Hans Jacob Hatt,<br />
1819 Hans Jacob Hatt Hans Jacob Hatt Hans Jacob Hatt,<br />
1820 Hans Jacob Hatt Hans Jacob Hatt Hans Jacob Hatt,<br />
1821 Hans Jacob Hatt Hans Jacob Hatt Hans Jacob Hatt,<br />
1822 Hans Jacob Hatt Hans Jacob Hatt Hans Jacob Hatt,<br />
1823 Hans Jacob Hatt Hans Jacob Hatt Heinrich Keller<br />
1824 Heinrich Kramer Heinrich Keller Heinrich Keller<br />
1825 Heinrich Kramer Heinrich Keller Heinrich Keller<br />
1826 Heinrich Kramer Heinrich Keller Heinrich Keller<br />
1827 Heinrich Kramer Heinrich Keller Heinrich Keller<br />
1828 Heinrich Kramer Heinrich Keller Heinrich Keller<br />
1829 Heinrich Kramer Heinrich Keller Heinrich Keller<br />
1830 Heinrich Kramer Heinrich Keller Heinrich Keller<br />
1831 Heinrich Kramer Konrad Schuler Heinrich Keller<br />
1832 Rudolf Wegmann Konrad Schuler Heinrich Keller<br />
1833 Rudolf Wegmann Konrad Schuler Heinrich Keller<br />
1834 Rudolf Wegmann Konrad Schuler Heinrich Keller<br />
1835 Rudolf Wegmann Konrad Schuler Heinrich Keller<br />
1836 Rudolf Wegmann Konrad Schuler Heinrich Keller<br />
1837 Rudolf Wegmann Konrad Schuler Heinrich Keller<br />
1838 Rudolf Wegmann Konrad Schuler Heinrich Keller<br />
1839 Rudolf Wegmann Konrad Schuler Heinrich Keller<br />
1840 Rudolf Wegmann Jakob Gisler Heinrich Keller<br />
1841 Rudolf Wegmann Jakob Gisler Heinrich Keller<br />
1842 Rudolf Wegmann Jakob Gisler Heinrich Keller<br />
1843 Rudolf Wegmann Johannes Kramer Heinrich Keller bis 1844<br />
1845 Rudolf Wegmann Johannes Kramer Hans Conrad Hatt ab 1844<br />
1846 Rudolf Wegmann Johannes Kramer Hans Conr. Hatt Grossrat<br />
1847 Rudolf Wegmann Johannes Kramer Hans Conrad Hatt<br />
1848 Rudolf Wegmann Joh. Conrad Keller Hans Conrad Hatt<br />
1849 Rudolf Wegmann Joh. Conrad Keller Hans Conrad Hatt Major<br />
1850 Rudolf Wegmann Joh. Conrad Keller Hans Conrad Hatt Major<br />
14
Jahr <strong>Gemeinde</strong>ammann <strong>Gemeinde</strong>präsident Friedensrichter<br />
1851/2 Rudolf Wegmann Johannes Schuler Hans Conrad Hatt Major<br />
1852/3 Rudolf Wegmann Heinrich Erb Jakob Kündig<br />
1853/4 Joh. Conrad Keller Heinrich Erb Jakob Kündig<br />
1854/5 Joh. Conrad Keller Heinrich Erb Konrad Erb<br />
1855/6 Joh. Conrad Keller ) Konrad Ruff Konrad Erb<br />
1856/7 Jakob Kündig Gem-Schreib. Konrad Ruff Konrad Erb<br />
1857/8 Jakob Kündig Konrad Ruff Konrad Erb<br />
1858/9 Jakob Kündig Konrad Ruff Konrad Erb<br />
1859/60 Jakob Kündig Konrad Bucher/ Konrad Erb<br />
Martin Keller<br />
1860/1 Jakob Kündig Martin Keller Konrad Erb<br />
1861/2 Jakob Kündig Martin Keller Konrad Erb<br />
1862/3 Jakob Kündig Martin Keller Konrad Erb<br />
1863/4 Joh. Conr. Keller Martin Keller Johann Konrad Ruf<br />
1864/5 Joh. Conr. Keller Martin Keller Johann Konrad Ruf<br />
(ging 1864 konkurs)<br />
1865/6 Jakob Gisler Heinrich Ritzmann Konrad Bucher<br />
1866/7 Konrad Schuler Jakob Ritzmann Konrad Bucher<br />
1867/8 Ulrich Wegmann Jakob Ritzmann Jakob Gisler<br />
1868/9 Ulrich Wegmann Jakob Ritzmann Jakob Gisler<br />
1869/70 Ulrich Wegmann Jakob Ritzmann Jakob Gisler<br />
1870/1 Martin Keller Heinrich Ritzmann Jakob Gisler<br />
1871/2 Martin Keller Heinrich Ritzmann Jakob Gisler<br />
1872/3 Martin Keller Heinrich Ritzmann Jakob Gisler<br />
1873/4 Martin Keller Heinrich Ritzmann Jakob Gisler<br />
1874/5 Martin Keller Heinrich Ritzmann Jakob Gisler<br />
1875/6 Martin Keller Heinrich Ritzmann Salomon Ruf<br />
1876/7 Martin Keller Jakob Gisler Salomon Ruf<br />
1877/8 Martin Keller Jakob Gisler Rudolf Ruf<br />
1878/9 Jakob Gisler Jakob Gisler Rudolf Ruf<br />
1879/80 Jakob Gisler Ulrich Wegmann Rudolf Ruf<br />
1880/1 Albert Keller Ulrich Wegmann Rudolf Ruf<br />
1881/2 Albert Keller Ulrich Wegmann Rudolf Ruf<br />
1882/3 Albert Keller Heinrich Ritzmann Konrad Erb<br />
1883/4 Albert Keller Heinrich Ritzmann Konrad Erb<br />
1884/5 Albert Keller Heinrich Ritzmann Konrad Erb<br />
1885/6 Albert Keller Heinrich Ritzmann Konrad Erb<br />
1886/7 Albert Keller Albert Keller Konrad Erb<br />
1887/8 Albert Keller Albert Keller Konrad Erb<br />
1888/9 Albert Keller Albert Keller Konrad Erb<br />
1889/90 Albert Keller Albert Keller Salomon Ruf<br />
1890/91 Albert Keller Albert Keller vakant<br />
1891/92 Albert Keller Albert Keller Konrad Erb<br />
1892/93 Albert Keller Albert Keller Konrad Erb<br />
1893/94 Albert Keller Albert Keller Konrad Erb<br />
1894/95 Albert Keller Albert Keller Konrad Erb<br />
1895/96 Albert Keller Albert Keller Konrad Erb<br />
1896/97 Albert Keller Albert Keller Konrad Erb<br />
1897/98 Jakob Gisler Albert Keller Konrad Erb<br />
1898/99 Jakob Gisler Albert Keller Konrad Erb<br />
1899/1900 Jakob Gisler Albert Keller Konrad Erb<br />
15
Interessantes aus den <strong>Gemeinde</strong>versammlungen 6 und <strong>Gemeinde</strong>ratssitzungen 7<br />
Die eigentliche Beschlussfassung über <strong>Gemeinde</strong>geschäfte geschah in den <strong>Gemeinde</strong>versammlungen. Die<br />
Teilnahme war obligatorisch. Unentschuldigtes Wegbleiben wurde gebüsst. Zu Beginn jeder <strong>Gemeinde</strong>versammlung<br />
wurde der Bürgerrodel verlesen und festgestellt, wer entschuldigt oder unentschuldigt fernblieb.<br />
Die letzteren wurden gebüsst, doch das war nicht für alle Betroffenen akzeptabel, sodass diese in vielen<br />
Fällen gegen die Bussenverfügung rekurrierten und - nach Geltendmachung einer Entschuldigung - nicht<br />
bezahlen mussten.<br />
Am 2. Januar 1867 zum Beispiel wurde die Busse für Nichterscheinen zu den Haupt-Versammlungen vom<br />
Neujahr und vom Mai für Bürger und Aktivbürger auf 60 Rappen festgelegt, für die anderen <strong>Gemeinde</strong>versammlungen<br />
aber nur für Bürger auf 30 Rappen.<br />
Bis in die Dreissigerjahre ist wenig protokolliert worden. Die meisten Protokolle waren Beschlussprotokolle.<br />
Einzig aus Briefen, die in den Protokollbüchern wörtlich wiedergegeben wurden, liess sich die St<strong>im</strong>mung<br />
ablesen - Nachstehend eine Zusammenfassung wichtiger und charakteristischer Entscheide: (Daten<br />
der <strong>Gemeinde</strong>versammlungen kursiv, Daten der <strong>Gemeinde</strong>rats-Sitzungen Normalschrift)<br />
Abst<strong>im</strong>mungen<br />
Bei den eidgenössischen, kantonalen und Bezirksvorlagen waren die Volkemer recht skeptisch. Wenn es<br />
um grundsätzliche Neuerungen ging, wie z.B. die Gründung von Universität und ETH, Beteiligung an Alpen-Eisenbahn,<br />
Technikum und ähnliche Sachvorlagen, dann überwog meistens die Ablehnung. Ebenso<br />
erging es den Finanzgeschäften. Die Volkemer des <strong>19.</strong> <strong>Jahrhundert</strong>s waren von ihrer Armut überzeugt und<br />
lehnten alles ab, was ihnen hätte Kosten bringen können.<br />
Aber am Sonntag, <strong>19.</strong> April 1874, wurde den Änderungen der Bundesverfassung mit 84 gegen 2 St<strong>im</strong>men<br />
und 2 Enthaltungen zugest<strong>im</strong>mt.<br />
Wahlbeteiligung:<br />
An der ersten <strong>Gemeinde</strong>versammlung waren 72 Wahlberechtigte anwesend. Diese Zahl wurde lange Zeit<br />
nicht mehr erreicht, pendelte sie sich doch während Jahrzehnten zwischen 50 und 60 ein, um 1831 ein Zwischentief<br />
von 46 Teilnehmern zu erreichen. Den Negativrekord an Wahlbeteiligung verzeichnete die <strong>Gemeinde</strong>versammlung<br />
vom 24.10.1863, als erstmals Wahlen in den Nationalrat angesagt waren. Von 75<br />
St<strong>im</strong>mberechtigten waren ganze 8 (acht) Männer anwesend…<br />
Am 5. März 1839 muss eine grosse Wahlkampfst<strong>im</strong>mung geherrscht haben: für die Besetzung von zwei<br />
<strong>Gemeinde</strong>rats-Sitzen benötigten 70 St<strong>im</strong>mberechtigte 5 Wahlgänge bis das erste Ratsmitglied, Heinrich<br />
Kramer, gewählt wurde; hierauf musste dre<strong>im</strong>al gewählt werden bis in der 8. Runde Konrad Erb erkoren<br />
wurde. Wahrscheinlich dank zunehmender Müdigkeit wurde schon <strong>im</strong> 9. Wahlgang Heinrich Kramer zum<br />
Präsidenten des <strong>Gemeinde</strong>rats und in der 10. Wahlrunde Heinrich Keller zum Friedensrichter best<strong>im</strong>mt. –<br />
Zur darauf folgenden <strong>Gemeinde</strong>versammlung, bereits am 28. April 1839, erschienen nur noch 46 St<strong>im</strong>mbürger,<br />
doch waren die so motiviert, dass sie für einen Einervorschlag jeweils 2 Personen auf einen Wahlzettel<br />
schrieben. Diese Wahl musste wiederholt werden.<br />
Strukturen der <strong>Gemeinde</strong>versammlungen<br />
Grob skizziert, wurden an den Neujahrs-Versammlungen folgende Geschäfte behandelt:<br />
Wahlen der St<strong>im</strong>menzähler (für alle Versammlungen des Jahres), des Försters, des Wächters, des Wegknechts,<br />
des Brunnenmeisters, des Schärmausers, des Gemeindwerks-Aufsehers, der Rechnungsprüfungs-<br />
und der Zuchtochsen-Kommissionen; oft wurde anlässlich der Wahl der betreffende Jahreslohn festgesetzt.<br />
An der zweiten wichtigen <strong>Gemeinde</strong>versammlung vom Mai war jeweils die Abnahme der verschiedenen<br />
Rechnungen (<strong>Gemeinde</strong>gut, Schulgut, Armengut etc.) traktandiert. Die übrigen Geschäfte wurden nach<br />
Bedarf angesetzt, diskutiert und entschieden.<br />
16
Schwierige <strong>Gemeinde</strong>versammlungen oder der Frust des Präsidenten<br />
Warum die Präsidenten wohl am liebsten den Götz von Berlichingen zitiert hätten<br />
Am 16. Mai 1868 ersuchte Präsident Jakob Ritzmann den Bezirksrat in Andelfingen wegen „Unwohlseins―<br />
um sofortige Entlassung aus dem <strong>Gemeinde</strong>rat. Ob seine wirklichen Rücktrittsgründe Probleme mit der<br />
Bürgerschaft oder mangelnde Unterstützung durch seine Kollegen waren, bleibt unklar. Letztere schrieben<br />
dem Bezirksrat reumütig, Ritzmann sei „vollkommen wieder hergestellt“. Auch sei er als Präsident des<br />
Rates und als Mitglied des Stillstandes „ordentlich begabt“, also bestünden keine „erheblichen Gründe“<br />
mehr für seine Entlassung. Dem st<strong>im</strong>mte der Bezirksrat zu und lehnte Ritzmanns Rücktrittsgesuch ab.<br />
Wie schon unter dem Titel „Friedensrichter― auf Seite 9 berichtet, war 1870 die Bevölkerung <strong>Volken</strong>s zusammen<br />
mit derjenigen von Höri die prozentual klagefreudigste <strong>im</strong> Kanton Zürich. Es wurde nämlich eine<br />
Klage pro 20 Einwohner eingereicht. Ein Zeichen nicht zu verleugnender Unzufriedenheit.<br />
Sieben Jahre später wiederholte sich die Geschichte. Wie sein Namensvetter Jakob Ritzmann <strong>im</strong> Jahr 1868,<br />
so sandte auch Heinrich Ritzmann Mitte Mai 1875 ein Gesuch an den Bezirksrat Andelfingen um sofortigen<br />
Rücktritt als Präsident des <strong>Gemeinde</strong>rates. Wiederum bezweifelten seine <strong>Gemeinde</strong>ratskollegen in<br />
einer Eingabe an den Bezirksrat die vom Präsidenten angegebenen Gründe, mit welchen er seinen sofortigen<br />
Rücktritt rechtfertigte. Der wirkliche Grund sei vielmehr „ohne Zweifel, dass in letzter <strong>Gemeinde</strong>versammlung<br />
ziemlich rumort worden ist, und wie es vielleicht in anderen <strong>Gemeinde</strong>n auch sein mag, dass<br />
etwelche Individuen gerne rumoren und sich nicht zur Ruhe stellen lassen.― Wiederum lobten seine Kollegen<br />
die Kompetenz und Arbeit ihres Präsidenten. „Es wäre sämtlichen Mitgliedern des <strong>Gemeinde</strong>rates der<br />
Wunsch, der löbliche Bezirksrat möge den Herrn Präsident Ritzmann für diese Periode in seiner Amtstelle<br />
noch bestätigen. In der Hoffnung, der löbliche Bezirksrat werde diesem Wunsch entsprechen, zeichnet<br />
hochachtungsvoll namens des <strong>Gemeinde</strong>raths der Vizepräsident.“<br />
Der löbliche Bezirksrat Andelfingen allerdings hatte kein Gehör und bestätigte, dass Präsident Heinrich<br />
Ritzmann seinem Wunsch entsprechend entlassen werde. Daraufhin setzte der <strong>Gemeinde</strong>rat die Ersatzwahl<br />
auf den 1. August an und verordnete, dass die Wahlversammlung 8 Tage vorher durch den Wächter bekanntgegeben<br />
werde. An dieser <strong>Gemeinde</strong>versammlung wurden <strong>Gemeinde</strong>rat Morgen mit grossem Mehr<br />
zum Präsidenten und Konrad Gisler Schulpfleger als neues Mitglied des Rates gewählt. Beide legten aber<br />
umgehend Rekurs gegen ihre Wahl ein. Wiederum brachten die übrigen Ratskollegen Gründe vor, warum<br />
diese Rekurse abgelehnt werden und die Gewählten ihr Amt antreten sollten. Konsequenterweise wurde<br />
eine <strong>Gemeinde</strong>versammlung auf den 3. Januar 1876 angesetzt und eine Ersatz-Präsidentenwahl mit offener<br />
Abst<strong>im</strong>mung durchgeführt. Doch mit Schreiben vom <strong>19.</strong> Februar 1876 entschied der Bezirksrat, dass die<br />
gesetzlichen Vorschriften nur eine gehe<strong>im</strong>e Abst<strong>im</strong>mung zuliessen! So wurde am 18. März 1876 eine <strong>Gemeinde</strong>versammlung<br />
mit „richtigem― Abst<strong>im</strong>mungsverfahren einberufen, und der wiedergewählte Heinrich<br />
Ritzmann willigte ein, bis zum Ende seiner Amtszeit als Präsident weiterzumachen. Wahrscheinlich sah er<br />
ein, dass nur so eine Lösung der verfahrenen Situation möglich war.<br />
Typisch für die Unruhen in der Bevölkerung war ein Zwischenfall am <strong>19.</strong> Februar 1876, an welchem es<br />
nochmals zu einem Eclat kam: Anlässlich der Verhandlungen über die Auflösung der Vieh-Assekuranz sei<br />
„nun über diesen Gegenstand ein Tumult entstanden, und alle Ermahnungen zur Ruhe waren fruchtlos und<br />
tobten <strong>im</strong>mer noch fort, und zwar hauptsächlich Johannes, Ferdinand und Konrad Messmer wollen sich<br />
gar nicht zur Ruhe begeben, sodass der Präsident die Versammlung als aufgelöst erklärte.“<br />
Ja, Präsident Heinrich Ritzmann brauchte wirklich Nerven.<br />
17
Kriegerisches:<br />
18<br />
Am 9. Juni 1849 wurde berichtet, der<br />
Kriegsrat in Zürich habe es als notwenig<br />
erachtet wegen des Krieges <strong>im</strong> benachbarten<br />
Grossherzogtum Baden, die Schweizer<br />
Grenze von Konstanz bis Basel mit Schweizertruppen<br />
zu bewachen. Der <strong>Gemeinde</strong>rats-Präsident<br />
Johann Conrad Keller und der<br />
<strong>Gemeinde</strong>rat Jakob Ritzmann müssten am<br />
9. August als Soldaten zur Bewachung der<br />
Schweizer Grenzen ausziehen, und folglich<br />
sei der nur noch allein funktionierende <strong>Gemeinde</strong>rat<br />
durch Ersatzmänner zu ergänzen.<br />
Ferner erhielt Seckelmeister Saller den Auftrag,<br />
„auf den 12. August von den Bataillonen<br />
Bantli und Ginsberg 113 Mann unter<br />
die hiesigen Bürger einzuquartieren“. Dann<br />
wurden sogleich zwei Ersatzmänner in den<br />
<strong>Gemeinde</strong>rat gewählt. – Schliesslich wurde<br />
ein Brief des Statthalters verlesen betreffend<br />
die für den Kanton Zürich erwarteten<br />
Flüchtlinge aus Baden. Der Vizepräsident<br />
stellte fest, „dass die <strong>Gemeinde</strong> bis zu diesem<br />
Augenblick noch keine Soldaten zur<br />
Einquartierung erhalten habe. Sollten aber<br />
welche kommen, so soll über die Ernteferien<br />
die Schulstube, die Wachtstube frei sein,<br />
und die Bestuhlung soll sorgfältig in die<br />
Zehntenscheune gebracht werden“.<br />
Der <strong>Gemeinde</strong>rat beschloss an seiner Sitzung vom 31. Juli 1849, dass er die Truppen zurückschicken wolle,<br />
die der <strong>Gemeinde</strong>rat von Flaach ohne Begleitung eines Truppenkommandanten nach <strong>Volken</strong> sende. Und<br />
am 13. August 1849 war es so weit: der <strong>Gemeinde</strong>rat von Flaach habe eigenmächtig 30 Mann Aargauer<br />
Militär nach <strong>Volken</strong> zur Einquartierung geschickt. Folglich wurden diese wieder zurückgewiesen!<br />
Das Kriegskommissariat Zürich fragte Ende September 1863 an, wie viele Wohnungen und Pferdestallungen<br />
vorhanden seien und wie viele Pferde untergebracht werden könnten. Ihm wurde mitgeteilt, <strong>Volken</strong><br />
verfüge über 66 Wohnungen, 24 Pferdestallungen und könne 51 Pferde platzieren.<br />
Am 18. September 1865 wurden folgende Einquartierungsmöglichkeiten in <strong>Volken</strong> gemeldet:<br />
Haus No 1 Mühle <strong>Volken</strong> 20 Mann 16 Pferde<br />
5 Schuler, Fuhrmann - 4 „<br />
20 Bucher Friedrich 10 - „<br />
22 Präsident Keller 10 - „<br />
40 <strong>Gemeinde</strong>rat Keller 14 8 „ 2 Offiziere<br />
43 Abraham Erb 10 8 „<br />
44 Seckelmeister Erb 10 2 „<br />
46 Ritzmann Tierarzt 1 Offizier<br />
55 Ulrich Erb 10 Mann 8 „<br />
Achtung vor Fremden!<br />
Am 9. September 1865 wurde beschlossen, in 2 Zeitungen zu publizieren, dass während des Truppenzusammenzugs<br />
vom 18.-22. September 1865 bei 2 Franken Busse das Betreten der Rebberge und das Verderben<br />
von Feldfrüchten verboten sei.
Der Krieg von 1870/71<br />
Nun wurde es ernst: Der <strong>Gemeinde</strong>rat meldete am 30. Juli 1870 dem Statthalteramt Andelfingen zu Handen<br />
der Militärdirektion ein Verzeichnis der Führer, welche auf Verlangen dem jeweiligen Truppenkommando<br />
zur Verfügung stehen: Ulrich Wegmann, alt <strong>Gemeinde</strong>ammann, Haus 45; Konrad Keller, Rafzers, Haus 35;<br />
Ulrich Messmer, Schuster, Haus 17; Heinrich Schuler, Johannesen, Haus 25.<br />
Den Pferdebesitzern wurde am 3. August 1870 mitgeteilt, sie sollten „unfehlbar― am 5. August nachmittags<br />
15 Uhr ihre requirierten Pferde auf dem Marktplatz Andelfingen zur Inspektion aufführen.<br />
Der <strong>Gemeinde</strong>rat schrieb, er habe am 8. August 1870 die Gutscheine für die Einquartierung der Kompagnie<br />
Nr. 1, Battailon Nr. 74 vom 29. Juli für 99 Mann von Unterwalden dem Kriegskommissariat eingesandt.<br />
„Dasselbe für den Wachdienst à 100 Pfund Stroh und 2 Kerzen“. Weiter habe er am 12. August 1870 den<br />
Pferdebesitzern die regierungsrätliche Verordnung angezeigt, dass sie ihre Pferde während der eidgenössischen<br />
Truppenaufstellung den Militärbehörden des Kantons zur Verfügung zu halten haben und dieselben<br />
ohne Bewilligung der Militärdirektion nicht [Dritten] ausserhalb des Kantons verkaufen dürfen. - Von den<br />
5 requirierten Pferden wurden je 1 angenommen: für Batterie 10 des Auszugs und Batterie 45 der Reserve.<br />
Abschliessend meldete der <strong>Gemeinde</strong>rat am 13. Dezember 1871 dem Statthalteramt Andelfingen, es befänden<br />
sich keine politischen Flüchtlinge in <strong>Volken</strong>.<br />
Am 20.8.75 beschloss die <strong>Gemeinde</strong>versammlung, dass „diejenigen Militärpflichtigen, welche <strong>im</strong> eidgenössischen<br />
Dienst stehen, von der <strong>Gemeinde</strong> 5 Franken Lohn erhalten sollen―.<br />
Truppeneinquartierung am 7. September 1880<br />
Es sollten 33 Pferde und 675 Mann in Scheunen einquartiert werden. Generalstabsmässig wurde am 3. September<br />
die Lokale besichtigt, am 5. mit den Quartiermeistern die Lokale bezeichnet und festgestellt, dass<br />
alle vorläufig bezeichneten benötigt würden. Bereits am 10. September 1880 wurde den Bürgern die Entschädigung<br />
für die Einquartierung der Truppen ausbezahlt.<br />
Am 6. Juni 1882 wurde gemeldet, dass <strong>im</strong> Ernstfall in <strong>Volken</strong> 700 - 1000 Mann und 100 - 200 Pferde in<br />
Scheunen, Ställen und Schöpfen untergebracht werden könnten.<br />
Landsturm<br />
25. Dezember 1887: Die Militärdirektion des Kantons Zürich wünschte und ein Kreisschreiben des Kreiskommandos<br />
Winterthur bekräftigte, dass der <strong>Gemeinde</strong>rat 1-2 Delegierte wählen solle, welche mit dem<br />
Sektionschef die Organisation des Landsturms an die Hand zu nehmen hätten.<br />
Schiessplatz<br />
In der Versammlung vom 18. März 1877 wurde berichtet, dass <strong>im</strong> Auftrag der Militärdirektion für den<br />
Schiessverein <strong>Volken</strong> ein Schiessstand vermittelt wurde, nämlich dass Konrad Schuler, Jakoben, sich verpflichtet<br />
habe, dem Schiessverein <strong>Volken</strong> den bisherigen Schiessplatz <strong>im</strong> Thalacker zu überlassen, solange<br />
der Schiessverein bestehe, zu einem Zins von acht Franken.<br />
19
Feuerwehr:<br />
Versammlung vom Januar 1852: „Der Herr alt Präsident Konrad Keller, als Spritzenkommandant, trug<br />
dem <strong>Gemeinde</strong>rat vor der öffentlichen Versammlung vor, dass er lt. dem nun eingeführten Feuerreglement<br />
verpflichtet sei, dafür zu sorgen, dass bei allfälligem Brandunglück schnell 2 bis 3 Pferde bei dem Spritzenhaus<br />
in Bereitschaft sein sollen. Somit habe er schon mit Herrn Major Hatt Rücksprache genommen, ob<br />
er seine Pferde etwa dazu geben wolle. Herr Major Hatt habe aber sich noch nicht dazu verständigen mögen.<br />
Es wäre ihm soweit minder daran gelegen, wann der <strong>Gemeinde</strong>rat seine Pferde in die Viehsteuer aufnehme.<br />
Da aber dies ein ziemlich wichtiger Gegenstand ist, so hat die Versammlung beschlossen, dass eine<br />
Commission von 2 Mitgliedern nebst dem <strong>Gemeinde</strong>rat gewählt werden soll, welche in dieser Sache handeln<br />
sollen. So wurde darauf als erstes Mitglied zu dieser Commision gewählt Herr Heinrich Keller, Armenpfleger,<br />
zum zweiten Mitglied wurde gewählt Konrad Keller, Tischmacher, welche in künftigen Versammlungen<br />
der Bürgerschaft einen Antrag bringen sollen.“<br />
<strong>Volken</strong>s historische Feuerwehr-Spritze <strong>im</strong> Lager<br />
Mannschafts-Etat 1849 (aus dem Protokoll des <strong>Gemeinde</strong>rates vom 29. Mai 1849)<br />
Verzeichnis der Spritzenmannschaft:<br />
Kommandant Präsident Johann Conrad Keller,<br />
Schlauchführer Heinrich Keller, Friedensrichters und Heinrich Keller, Konraden<br />
Gehülfen Jakob Schuler, Maler und Schlosser Keller<br />
Die Häfen zu stellen Joh. Keller, Küfer und Ulr. Werdmüller<br />
Windlichtträger alt Schulpfleger Erb<br />
20<br />
10. Juni 1854: Diejenigen,<br />
welche die Feuerspritze<br />
reinigen und<br />
die Schläuche trocknen<br />
und besorgen, erhalten<br />
2 Tage Frondienst <strong>im</strong><br />
<strong>Gemeinde</strong>werk geschenkt,<br />
für die Aussenreinigung<br />
des Feuercamions<br />
und des<br />
unteren Feuerwerker je<br />
ein <strong>Gemeinde</strong>werktag.<br />
2.1.1863: Wenn Mannschaft<br />
ausserhalb der<br />
<strong>Gemeinde</strong> eingesetzt<br />
werden: Lohn 35 Rappen,<br />
wenn Übung: ein<br />
Tag <strong>Gemeinde</strong>werk<br />
geschenkt<br />
Arbeiter an der vorderen Waag<br />
1. Heinrich Gisler, Kletten, 2. Ulrich Schuler, Fuhrmann, 3. Johs. Schuler jung, 4. Heinr. Gisler, Krügelis,<br />
5. Jak. Gisler Martins jung, 6. Jak.- Gisler Wielers, 7. Konr. Bucher jung, 8. Jakob Ritzmann, Maler, Gmdrath,<br />
9. Johs Erb Krämer, 10. Jak. Werdmüller<br />
Arbeiter an der hinteren Waag<br />
1. Heinr. Rüegg, 2. Ul. Keller –Armenpflegers, 3. Konrad Schuler Ballis, 4. Martin Keller, 5. Konr. Schuler<br />
Jakoben, 6. Wagner Schuler, 7. <strong>Gemeinde</strong>schreiber Kündig, 8. Musikant Kündig, 9. Heinr. Ritzmann jung<br />
in der Strelgass, 10. Christoph Keller<br />
Mannschaft zu den grossen Haggen oder nötigenfalls zu den Schläuchen<br />
1. Ulr. Frei, 2. Ul . Messmer, 3. Heinr. Schuler, Stofels, 4. Heinr. Keller, Rafzers, 5. Schulpfleger Wegmann,<br />
6. Konrad Gisler Mielers, 7. Ul. Morgen jung.<br />
Ordonnanzläufer: Abr. Morgen u. Ul. Schuler Schuhmacher<br />
Wecker: Gabelmacher Keller u. Heinr. Keller Webers
Strassenbau:<br />
An der <strong>Gemeinde</strong>versammlung von Ende 1839<br />
wurde ein Beschluss gefasst, es solle eine Petition<br />
eingebracht werden, mit welcher die „Anlegung<br />
einer 2. Klass-Strasse von Flaach über<br />
<strong>Volken</strong> nach Dorf, Hünikon, Aesch, Ried und<br />
Rathof bis Wülflingen― verlangt wurde.<br />
Die Strassenfrage wurde für die Volkemer <strong>im</strong>mer<br />
brennender. Am 13.2.1841 wurde mit einer<br />
weiteren Petition an den Regierungsrat nachgedoppelt.<br />
Nur einen Monat später bekam das<br />
„löbliche Strassendepartement― Post von <strong>Volken</strong><br />
mit der Bitte, die Strasse von Dorf durch<br />
<strong>Volken</strong> bis Flaach doch als 2.Klass-Strasse zu<br />
bauen. Auch <strong>im</strong> folgenden Jahr wurden wieder<br />
zwei Petitionen nach Zürich geschickt.<br />
Die Strassenfrage blieb sehr dringend. Am 21.3.1843 wurde eine Petition an den Regierungsrat beschlossen,<br />
es solle doch eine Strasse 3. Klasse bis Aesch und erst von dort eine Strasse 2. Klasse bis Wülflingen<br />
gebaut werden. Wahrscheinlich hoffte man, dass durch diese Reduktion der Strassenbau beförderlich an die<br />
Hand genommen werde. Zur Unterstützung wurden die <strong>Gemeinde</strong>n Flaach, Dorf, Hünikon, Aesch und<br />
Wülflingen eingeladen, dieses Anliegen mitzutragen.<br />
<strong>Gemeinde</strong>versammlung vom 21. Mai 1851: Antrag, die geplante „Worrenbergstrasse― solle beförderlich<br />
ausgebaut und mit den Anstössern wegen der Linienführung verhandelt werden. Am 7. Juni 1851 gab es<br />
einen weiteren Antrag, die neue Worrenbergstrasse solle endlich bekiest werden. Am 5. Juli 1851 wurde<br />
nachgedoppelt, und am 29. November 1851 wurde die Rechnung für die Verlegung dieser Strasse genehmigt.<br />
Aber bereits am 2. Januar 1852 wurde eine Kommission eingesetzt, welche die Kompetenz erhielt,<br />
die Arbeiten zur Überkiesung dieser Problemstrasse erneut zu vergeben, mit einem Kostendach von 35-40<br />
Gulden. Am 18. Mai 1852 wurde nochmals über die Worrenbergstrasse diskutiert und am 11. September<br />
1852 mitgeteilt, die so nötige Bekiesung habe Gesamtkosten von 62 Franken zulasten der <strong>Gemeinde</strong><br />
verursacht. Benötigt wurden 248 Fuhren zu 36 Kübeln Kies.<br />
Protokoll vom 27. April 1854: Vorläufig soll an der Lotzenbachstrasse und der Brücke nichts gemacht, aber<br />
eine Kommission für die Vermessung und Abschätzung des Landes eingesetzt werden. Am 24. Februar<br />
1855 wurde ein Antrag an den Bezirksrat beschlossen, eine Strasse 3. Klasse bis an den Lotzenbach und<br />
Brücke zu bauen. Forderung vom 7. Juli 1855: es solle mit dem <strong>Gemeinde</strong>rat von Buch verhandelt werden,<br />
ob nicht eine Strasse 5. Klasse bis Gräslikon genüge. Und schliesslich solle am 15. März 1856 der <strong>Gemeinde</strong>rat<br />
mit den <strong>Gemeinde</strong>räten von Buch und Berg wegen der Brücke über den Lotzenbach reden. Lotzenbach-<br />
und Glemettenstrasse waren ab 17.5.1856 <strong>im</strong>mer wieder ein Traktandum.<br />
4.1.1873: Flaach möchte bitte Wegweiser „Nach <strong>Volken</strong>― am Weg aufstellen, der von der Strasse in der<br />
Enge des Flaacher Banns einmündet, dessen Einmündung aber kaum mehr sichtbar ist. Er werde von vielen<br />
Leuten vom Ausseramt, Marthalen, Alten etc benutzt.<br />
18.1.1873: Einladung nach Rafz zur Besprechung einer Strasse von Rüdlingen über den Hundsrücken nach<br />
dem Klettgau.<br />
2. Oktober 1874: Auf die Zuschrift des löblichen Bezirksrates Andelfingen betreffend Erstellung einer Brücke<br />
über den Lotzenbach nach Buch wurde die Bürgerschaft ersucht, freiwillige Beiträge an die Erstellung<br />
einer fahrbaren Brücke zu spenden. Nachher soll der <strong>Gemeinde</strong>rat von Buch zu einer Verhandlung über<br />
dieses Projekt eingeladen werden.<br />
Am Sonntag, 6. Dezember 1874, trafen sich die <strong>Gemeinde</strong>räte von Buch und <strong>Volken</strong> <strong>im</strong> Schulhaus und<br />
beschlossen, dass Buch einen „soliden erhabenen Fusswegsteg über den Lotzenbach― sowie auf seiner Seite<br />
einen ordentlichen Fussweg erstellen werde. Da die <strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong> kein Holz dafür zur Verfügung stellen<br />
könne, solle sie ihren Anteil in Raten abzahlen<br />
21
Strassen-Unterhalt:<br />
Protokoll vom 14. Januar 1854: „4. Wurde von der Bürgerschaft<br />
ohne Einwendungen anerkannt, das Gmeinwerk nach<br />
dem Gesetz vom 18. April 1833 eingeführt werden soll und<br />
zwar für alle Strassen und Wege welche am 3. Januar 1855<br />
der <strong>Gemeinde</strong> zur Besorgung übergeben worden sind.<br />
4. Februar 1854: Die Statuten der Gemeindwerksordnung<br />
wurden eingeführt. Inhalt waren die Fronarbeiten, welche für<br />
die Erledigung der Arbeiten nötig waren, für welche die <strong>Gemeinde</strong><br />
verantwortlich war, insbesondere Strassenunterhalt.<br />
Schulverwalter Konrad Ruf wurde zum Gemeindwerksaufseher<br />
gewählt.<br />
2.1.1861:Der <strong>Gemeinde</strong>werksaufseher erhielt als Lohn 15 Rappen<br />
pro Stunde .<br />
<strong>Gemeinde</strong>ratssitzung vom 15. Dezember 1873: das Verzeichnis sämtlicher Strassen und Wege wurde dem<br />
Bezirksrat Andelfingen eingesandt mit folgendem Befund:<br />
1. Strasse 3. Klasse und Fussweg nach Gräslikon, Banngrenze Gräslikon und Berg (sei in gutem Zustand)<br />
2. Strasse 3. Klasse und Fussweg nach Desibach, Banngrenze Dorf (Desibach dürfte stellenweise verbessert<br />
werden)<br />
3. Strasse 3. Klasse und Fussweg zur Mühle <strong>Volken</strong> und Staatskiesgrub (sei in gutem Zustand)<br />
Ferner Fussweg nach Andelfingen und Alten, Banngrenze Flaach (sei ebenfalls gut <strong>im</strong>stand)<br />
Fussweg durch den Müllberg nach Eigenthal und Fussweg nach Buch (Strecke nach Eigenthal dürfte verbessert<br />
werden)<br />
Fussweg nach den Berg und Küffers Reben (nach Buch gut, mit Ausnahme des Lotzenbachsteges)<br />
Alles nach dem Markenbuch, über dem <strong>Gemeinde</strong>bann <strong>Volken</strong> (sämtliche Fusswege <strong>im</strong> Dorf seien gut)<br />
Fusswege über den First nach Andelfingen und den Reben würden nur als Güterwege gebraucht und würden<br />
von Zeit zu Zeit verbessert.<br />
Wasserversorgung<br />
Zementröhren statt der alten Teuchelleitungen zu den Brunnen.<br />
10. Februar 1874: S. Eigenheer, Cementier in Kleinandelfingen, versprach, Zementröhren von 3 // Lichtweite<br />
für eine neue Wasserleitung zu 80 Rappen pro laufenden Fuss „herzurichten―. Er solle diese Offerte vor<br />
einer nächsten <strong>Gemeinde</strong>versammlung vorstellen. Hingegen soll er sofort einen Vertrag erhalten, um in<br />
nächster Zeit eine Wasserleitung zum Glemetten-Brunnen zu legen, Durchmesser 2 // , zu 60 Rappen pro<br />
laufenden Fuss. Er solle sowohl auf diese Wasserleitung wie auf die Brunnensäule eine Garantie abgeben. -<br />
Eigenheer wurde am 12. März 1874 ermahnt, mit den 2 // Röhren nun vorwärts zu machen, da die Volkemer<br />
jetzt Zeit hätten, sie abzuholen und zu verlegen.<br />
Hauswasserversorgung<br />
Beschlüsse vom 31. Dezember 1895 und 4. Januar 1896: da nun die Brunnenleitung erstellt sei, soll auch<br />
eine Hauswasserversorgung erstellt werden. Deshalb sei der nächsten <strong>Gemeinde</strong>versammlung ein Antrag<br />
auf Erstellung einer Wasserversorgung zu unterbreiten.<br />
6. April 1896: Inskünftig soll jedes Mitglied der Wasserbaukommission für unentschuldigtes Fernbleiben<br />
mit 2 Franken gebüsst werden. - Die Fragen der Hauswasserversorgung, der Kostenumlage etc. wurden<br />
unter den Bürgern, <strong>im</strong> <strong>Gemeinde</strong>rat und in den <strong>Gemeinde</strong>versammlungen intensiv diskutiert.<br />
Am 28. Juni 1896 wurde mit 8 gegen 7 St<strong>im</strong>men beschlossen, mit dem Verlegen der Wasserversorgungsanlage<br />
bis zum nächsten Frühjahr zu warten. Dagegen wehrte sich der <strong>Gemeinde</strong>rat und beschloss, die Grabarbeiten<br />
für die Hauptleitung sofort zu vergeben, und zwar <strong>im</strong> Akkord zu 1 Fr. 30 Rappen pro Laufmeter<br />
den jungen Leuten, die sich hiefür angemeldet hätten. Ein entsprechender Vertrag wurde sofort aufgesetzt<br />
und unterzeichnet. Am 17. Juli 1896 meldete der <strong>Gemeinde</strong>rat dem Bezirksrat Andelfingen, dass in gehe<strong>im</strong>er<br />
Abst<strong>im</strong>mung mit 21 gegen 19 St<strong>im</strong>men der Antrag des <strong>Gemeinde</strong>rates auf sofortige Arbeitsaufnahme<br />
gegenüber dem Rekurs auf Verschiebung angenommen worden sei, womit der frühere Beschluss auf Zuwarten<br />
aufgehoben sei.<br />
7.2.1897 wurde der Darlehensvertrag mit der ZKB zur Tilgung der Kosten der Wasserversorgung unterzeichnet.<br />
22
Hebamme<br />
Gesundheitspolitisches<br />
Am 3. Januar 1820 beschloss die <strong>Gemeinde</strong>versammlung, dass die Hebamme ihren<br />
Lohn in Natura erhalten solle, doch am 13.März 1837 wurde dieser in Geld umgewandelt<br />
und auf 28 alte Schweizer Franken angesetzt. Es wurde darauf hingewiesen,<br />
dass der Regierungsrat am 10. März 1829 eine Verordnung erlassen habe, in welcher<br />
festgehalten wird, dass eine Hebamme in armen <strong>Gemeinde</strong>n wenigstens 24 und in<br />
reicheren 40 alte Franken alljährlich erhalten solle. Am 21. Januar 1874 wurde <strong>im</strong> 3.<br />
Wahlgang (!) Jungfrau Maria Keller zur Hebamme gewählt. Ferner wurde beschlossen,<br />
es solle die Ausbildung einer „Spetthebamme― (Anlern- und Hilfshebamme) von<br />
der <strong>Gemeinde</strong> bezahlt werden. Wenn diese aber nicht 12 Jahre in <strong>Volken</strong> tätig bleibe,<br />
müsse sie die Ausbildungskosten zurückzahlen.<br />
Am 22. August 1853 meldete der <strong>Gemeinde</strong>rat, die Kantonale Medizindirektion habe festgestellt, dass dem<br />
Geburtstuhl die nötige Polsterung fehle. Der Bezirksarzt von Flaach, Dr. Sigg, habe deshalb die <strong>Gemeinde</strong><br />
aufgefordert, das Nötige zu veranlassen, zu ersetzen oder auszubessern. Der <strong>Gemeinde</strong>rat ersuchte hierauf<br />
den Bezirksarzt, in ihrem Auftrag für eine zweckmässige Instandstellung besorgt zu sein.<br />
Cholera:<br />
Protokoll vom 22.9.1867; Nach Verlesen des Kreisschreibens des Statthalteramtes vom 5. September wegen<br />
der Cholera wurde beschlossen, dass bei Eintritt eines Todesfalls durch Cholera in <strong>Volken</strong> die Leiche<br />
nicht von Trägern, sondern auf einem dazu passenden Wägelchen in den Totengarten spediert werden solle.<br />
Ein nachfolgendes Kreisschreiben vom 11. September über die Aufnahme von „Cholera-Flüchtlingen―<br />
wurde verlesen, damit jedem bekannt sei, was er in einem solchen Fall zu tun habe.<br />
4. August 1883: Es sei vorläufig zur Unterbringung und Absonderung Cholerakranker das leerstehende<br />
Haus des Präsidenten Ritzmann ausersehen. Ferner sei zu berichten, dass für allfällig nötige Desinfektionsmittel<br />
gesorgt werde. Mobiliar, so insbesondere Nachtstühle, seien in jedem Hause vorhanden, und für<br />
passende Personen zur Behandlung von Kranken sei vorläufig gesorgt.<br />
So sehr die Cholera damals eine grosse Gefahr darstellte, so hatten die Vorsichtsmassnahmen, welche damals<br />
getroffen wurden, eine langfristige und bis heute bleibende positive Auswirkung kulinarischer Natur.<br />
Da die Menschen zur Vermeidung einer hochgefährlichen Ansteckung am besten zuhause blieben, zuhause<br />
assen und tranken, mussten sie ihren Speisezettel aus denjenigen Lebensmitteln zusammenstellen, welche<br />
<strong>im</strong> Bauernhaushalt vorhanden waren. Daraus entwickelte sich speziell <strong>im</strong> Oberwallis eine Spezialität, <strong>im</strong><br />
Hinblick auf ihre Herkunft „Chouera― genannt, eben Cholera auf Walliserdeutsch, eine Art Wähe, Dünne<br />
oder Kuchen mit Kartoffeln, Lauch, Zwiebeln, Birnen, Äpfel und Käse mit einer Teigumhüllung.<br />
German und Marilyn Ruppen-Salzmann backen in Ernen/Goms für Gourmets die traditionelle „Chouera―<br />
nach altem Rezept. Feinschmecker sind auch Konzertfreunde!<br />
23
Verschiedenes<br />
Ablösung der Grundzinsen:<br />
Ab 1847 beschäftigte man sich mit der Ablösung der Grundzinsen, die seit <strong>Jahrhundert</strong>en auf die ehemals<br />
als Lehen erhaltenen Grundstücke bezahlt werden mussten. Verschiedene Kommissionen wurden eingesetzt.<br />
Ein entsprechender Vertrag mit dem Kloster St. Katharinenthal findet sich <strong>im</strong> Anhang. Der Geldwert<br />
der bisher zu bezahlenden Zinsen, die ja vorwiegend mit Naturalien (Weizen, Eiern, Hühnern) zu begleichen<br />
waren, wurde berechnet und kapitalisiert. Allerdings musste <strong>Volken</strong> einige Male Fristerstreckung für<br />
die Ratenzahlungen verlangen, mit denen das Kapital zurückbezahlt werden sollte. Am 15.9.1860 beantragte<br />
die <strong>Gemeinde</strong>versammlung, die Zinsen wieder in Naturalien statt Geld zahlen zu dürfen, da schon die<br />
Bezahlung des Staatsgrundzinses den Bürgern „grosse Ausgaben― verursache. Und am 16. Februar 1878<br />
beschloss der <strong>Gemeinde</strong>rat, bei nächster Gelegenheit be<strong>im</strong> Landschreiber anzufragen, wie die Löschung<br />
anzuordnen sei.<br />
Behörden-Entschädigungen<br />
Die erste <strong>Gemeinde</strong>versammlung, deren Protokoll <strong>im</strong> Wortlaut auf Seite 10 wiedergegeben ist, sah eine<br />
Vergütung von jährlich 6 Gulden für den <strong>Gemeinde</strong>rat vor. Dazu kamen 30 Schilling Tagesentschädigung<br />
für den Präsidenten. An der Versammlung vom 18. Mai 1851 beschlossen die St<strong>im</strong>mbürger mit 39 gegen 3<br />
St<strong>im</strong>men, die Entschädigung für den <strong>Gemeinde</strong>rat von 18 auf 25 Gulden zu erhöhen. Davon sollten der<br />
Präsident 10, der Seckelmeister 9 und das Mitglied 6 Gulden erhalten. Aber ganz ohne Bedingung wurde<br />
diese Lohnerhöhung nicht gewährt: der Rat müsse die Leitung und Führung der erforderlichen Frondienste<br />
ohne separate Bezahlung übernehmen, sodass künftig kein Frondienstaufseher benötigt würde…<br />
Als 1866 die Zahl der <strong>Gemeinde</strong>räte von 3 auf 5 erhöht wurde, musste auch die Gesamtbesoldung angepasst<br />
werden. Es wurde am 4. Juni 1866 entschieden, der <strong>Gemeinde</strong>rat solle insgesamt jährlich 100 Franken<br />
erhalten: der Präsident 26.-, der Seckelmeister 23.-, die übrigen drei Mitglieder je 17 Franken.<br />
Die <strong>Gemeinde</strong>schreiber erhielten folgende jährliche Besoldung:<br />
1851 2 Franken und Befreiung vom Frondienst für das Gemeindwerk<br />
1852 25 Batzen und Befreiung vom Frondienst für das Gemeindwerk<br />
1852-58 1 Franken 46 Rappen, Befreiung vom Frondienst<br />
Aus dem <strong>im</strong> Anhang angeführten Text des Protokolls der <strong>Gemeinde</strong>versammlung vom 10.6.1854 geht hervor,<br />
dass viele Aufgaben gesondert entschädigt wurden, was das „Basissalär― entschieden erhöhte.<br />
7. Juni 1851: Ein Kreisschreiben wurde verlesen, die Eltern sollten die neuartigen Zündhölzer<br />
gut verwahren, speziell vor den Kindern. Es hätte mit diesen bereits mehrere Unglücksfälle<br />
gegeben.<br />
Wahl eines Inhabers der Salzwägerstelle:<br />
28. Januar 1854: Die Stelle des Salzwägers sollte neu geschaffen werden. Dazu wurde eine Kommission<br />
von 3 Mitbürgern gewählt. Dann meldete Abraham Erb, er sei Kandidat und würde, falls gewählt, jährlich<br />
5 Franken ins Schulgut zahlen. Auch Jakob Gisler, Martins, wollte die <strong>Gemeinde</strong> verschönern, falls er zum<br />
Zug käme. Dieses Versprechen wurde abgelehnt und hierauf eine Dreierkommission gewählt. Dagegen<br />
wurde Rekurs erhoben. Eine Kommission zur Rekurs-Beantwortung wurde eingesetzt… - In späteren Jahren<br />
war es dagegen oft mühsam, einen Kandidaten für diese Stelle zu finden.<br />
Und wenn ein Mitbürger nicht arbeiten wollte, sondern lieber herumstrolchte:<br />
Aus dem Protokoll der Versammlung vom 11. Februar 1852: „3) wurde von der Versammlung beschlossen,<br />
dass der Konrad Erb Z<strong>im</strong>mermanns sel. Sohn welcher als Taugenichts und Müssiggänger schon lange Zeit<br />
ohne zu arbeiten herum zieht, sich vor der Bürgerschaft persönlich zeigen soll, damit er zu seiner Schande<br />
vor sämtlicher Bürgerschaft hören müsse, was für ein liederlicher Mensch er sei.<br />
4) da sich aus allem zeigt, das derselbe bis künftige Margaretha [15. Juli nach kirchlichem Kalender] zu<br />
jemand in Dienst treten könne mit der Verpflichtung, dass derselbe Meister ihn in strengster Zucht halten<br />
soll, damit er auch noch arbeiten lerne, so würde ein solcher Meister ihn auch nicht ganz unentgeltlich<br />
haben wollen, so dürfe man noch etwas bezahlen, welches von der <strong>Gemeinde</strong> bezahlt werde, jedoch solle es<br />
nachher der Bürgerschaft vorgelegt werden, ehe ein solcher Traktat geschlossen werden kann.<br />
24
Zuchtochsen<br />
23.9.1856: Konrad Kellers (Tischmacher) Zuchtochse<br />
sei so wild, dass er für Menschen eine Lebensgefahr<br />
darstelle. Auf sein Gesuch hin wurde ihm bewilligt, den<br />
Ochsen totzuschlagen. Beschluss vom 15.10.1856: es<br />
solle eine Kommission von 3 Mitgliedern über die<br />
Haltung von Zuchtochsen befinden. Ihr Wirken war<br />
nicht erfolgreich, denn am 5.9.1857 wurde eine Kommission<br />
von 4 Personen eingesetzt, welche eine Verordnung<br />
über die Haltung von Zuchtochsen vorschlagen<br />
sollte. Diese wurde am 2.1.1858 genehmigt.<br />
Schliesslich wurde am 12.6.1858 mitgeteilt, eine Kom-<br />
mission von 5 Mitgliedern werde für den Kauf ei nes Zuchtochsen eingesetzt. - Die Wahl des Halters des<br />
Zuchtochsen und die Bezahlung waren jährliche Themen an der Neujahrs-<strong>Gemeinde</strong>versammlung.<br />
Die Direktion des Innern schrieb, dass ein zweiter Zuchtstier anzuschaffen oder mit einer anderen <strong>Gemeinde</strong><br />
ein solcher gemeinsam zu halten sei. Am 13. Juni 1897 beschloss der <strong>Gemeinde</strong>rat, die Direktion des<br />
Innern anzufragen, ob es nicht gestattet sei, nur einen Zuchtstier zu halten, da man bisher mit einem ganz<br />
gut gefahren sei und die Zahl der Kühe nicht <strong>im</strong>mer so gross sei wie jetzt und auch letztes Jahr noch viele<br />
Rinder gehalten worden seien. Am 26. August 1897 nahm der <strong>Gemeinde</strong>rat zur Kenntnis, dass die Direktion<br />
des Innern beschieden habe, dass insofern die Zahl der weiblichen Zuchttiere sich nicht reduziere oder<br />
eher noch steigere, bis März 1898 ein zweiter Stier anzuschaffen sei, welcher bis März 1899 zu halten sei,<br />
und dass mit dem jetzigen Zuchtstierhalter zu unterhandeln sei, dass er den Stier noch bis März 1898 halte<br />
oder es sei sofort ein junger Stier anzuschaffen.<br />
Ziegen<br />
Als Ergänzung zum Dauerthema Zuchtochsen wurde auch die Ziegenhaltung thematisiert. Am 2. Januar<br />
1874 wurde beschlossen, eine Ziegen-Assekuranz zu gründen. Die Fortdauer dieser Versicherung wurde<br />
alljährlich bestätigt. Einige Traktanden vorher beschloss die Versammlung, dass „für die Ziegenbesitzer ein<br />
thüchtiger Ziegenbock gehalten werden soll und dass der Ziegenbockhalter als Beitrag jährlich von der<br />
<strong>Gemeinde</strong> 15 Franken zu beziehen habe und zudem von jeder Ziege demselben 40 Rappen bezahlt werden<br />
müsse als Sprunggeld. Derjenige, der den Ziegenbock halten will, muss sich <strong>im</strong> Monat Mai bei dem <strong>Gemeinde</strong>rath<br />
melden.“ Mit Beschluss vom 16. Januar 1892 wurde das Sprunggeld auf 50 Rappen angesetzt.<br />
Bekämpfung von Misteln<br />
Am 2. April 1898 gab der <strong>Gemeinde</strong>rat bekannt, dass zu viele Bäume mit Misteln besetzt seien und deshalb<br />
die Misteln innert 14 Tagen zu entfernen seien, widrigenfalls eine Ordnungsbusse angedroht wurde.<br />
Gewehre für die Traubenwacht<br />
In seiner Sitzung vom 23. September 1899 beschloss der <strong>Gemeinde</strong>rat, das Zeugamt Zürich anzufragen, ob<br />
nicht einige alte Vorderlader-Gewehre zu haben wären, welche für die Traubenwacht verwendet werden<br />
könnten.<br />
Verbindungen mit Humlikon und Henggart:<br />
Am 30.7.1854 wurde beschlossen, eine Petition der <strong>Gemeinde</strong> Humlikon für eine dortige Eisenbahn-<br />
Haltestelle zu unterstützen. 2.1.1863, 15.: Die Strasse von Dorf nach Henggart soll direkt, nicht über Humlikon<br />
geführt werden.<br />
Post und Telegraph<br />
Im Protokoll vom 9. Oktober 1869 steht, es soll eine Kommission eingesetzt werden, um eine Stellungnahme<br />
zum Begehren des Vereins der Flaachtaler Bürger in Zürich und Umgebung vorzubereiten, die eine<br />
Postverbindung zwischen Flaach und Henggart wünschten.<br />
Am 4. November 1871 wurde ergänzt, dass die <strong>Gemeinde</strong>versammlung der Errichtung eines Telegraphen-<br />
Bureaus in Henggart zust<strong>im</strong>me.<br />
Telekommunikation hatte damals keine Priorität. Am 4. Juli 1897 wurde aus Rücksicht auf die vielen<br />
zwingenderen Ausgaben beschlossen, mit der Erstellung einer Telefonstation noch zuzuwarten.<br />
25
Reblaussteuer<br />
Erstmals wurde 1883 nebst der Staatssteuer und der Brandsteuer auch eine Reblaussteuer erhoben.<br />
Reben-Schädlinge<br />
Am 10. Juli 1886 wurde eine Besichtigung sämtlicher Reben angeordnet. Vorher aber sollen alle Besitzer<br />
ihre Reben auf Krankheit oder Verdacht auf Krankheit prüfen und melden.<br />
Im August 1889 wurden die Reben <strong>im</strong> ganzen Rebgebiet <strong>Volken</strong>s genau untersucht. Dabei ergab sich, dass<br />
von der Reblaus (Thiloxera) noch keine Spur vorhanden sei, jedoch der falsche Mehltau an den unbespritzten<br />
Reben schon überhand genommen habe. Auch zu spät gespritzte Reben seien geringer gewachsen als<br />
rechtzeitig oder zwe<strong>im</strong>al gespritzte Reben. Beschluss vom 15. Juli 1894, es müssten bis 25. Juli 1894 alle<br />
Reben bespritzt werden.<br />
Hagelschaden vom 21. Juli 1881<br />
Am Abend des 21. Juli 1881 wurde das Flaachtal durch ein ganz ausserordentlich heftiges Gewitter he<strong>im</strong>gesucht.<br />
Dem Statthalteramt wurde berichtet, dass das Hagelwetter und der Sturm grosse Schäden angerichtet<br />
haben. Am 26. Juli nachmittags wurde eine Sitzung <strong>im</strong> Löwen Andelfingen abgehalten, an welcher<br />
Delegierte aller hagelgeschädigten <strong>Gemeinde</strong>n teilnahmen und über ein einheitliches Verfahren bei der<br />
Schatzung des Schadens berieten. Am 18. August wurde dem Centralhülfscomitee Andelfingen eine Bestellung<br />
von Saatgut und Zucker eingesandt und etwas später wurden die ersten Beiträge ausbezahlt und<br />
das erbetene Saatgut verteilt.<br />
Protokoll vom 13. Dezember 1881: „Wurden die von der hoh. Direktion des Innerns verifizierten Schatzungstabellen<br />
über den Hagelschaden des 21. Juli verlesen und berathen und die Bürger angefragt, ob der<br />
Kollektiveingabe des <strong>Gemeinde</strong>rathes Andelfingen beigest<strong>im</strong>mt werden solle, worauf die bestellte Schatzungskommission<br />
die Schatzungstabellen noch einmal verifizieren und deshalb sich mit den <strong>Gemeinde</strong>räthen<br />
der beschädigten <strong>Gemeinde</strong>n ins Einvernehmen zu setzen habe.<br />
Es erklärten aber alle Bürger, dass sie sich mit der verifizierten Schatzung noch zufrieden geben können,<br />
insofern es nun dabei verbleibe und andere <strong>Gemeinde</strong>n auch nicht mehr verhältnismässig höher taxiert<br />
werden. Sei das letztere der Fall, so solle der <strong>Gemeinde</strong>rat auf Vermögen einschreiten.“<br />
Die ersten Liebesgaben wurden am Ostermontag, 9. April 1882, der grosse Rest Ende September 1882<br />
nach einem sehr komplizierten Schlüssel unter die Geschädigten verteilt. Am 2. Januar 1883, berichtete der<br />
<strong>Gemeinde</strong>rat, dass Bücher und Rechnung des Lokalkomitees über die Verteilung der Liebessteuern für die<br />
Wetterbeschädigten abgeschlossen seien.<br />
Am 9. Juni 1885 kam es erneut zu einem Unwetter. Nationalrat Kramer spendete 50 Franken für die Unwettergeschädigten,<br />
und der <strong>Gemeinde</strong>rat verteilte diese Summe, zusammen mit den übrigen Liebesgaben-<br />
Spenden von 286 Franken 90 Rappen, nach seinen Schadenschätzungen und der Steuerkraft der Geschädigten.<br />
1892 muss sich nochmals ein grosser Hagelschaden ergeben haben. Jedenfalls berichtete der <strong>Gemeinde</strong>rat<br />
am 1.Mai 1892, die Gemeinnützige Gesellschaft des Bezirkes Andelfingen habe für die Hagelgeschädigten<br />
39 Franken 60 Rappen gesandt. Jedoch solle dieser Betrag nicht verteilt werden, da es keinen sinnvollen<br />
Verteilmodus dafür gebe, sondern der Schuljugend bei Anlässen, allenfalls Schulhauseinweihung, zukom-<br />
men.<br />
Auflesen und Entwenden von Früchten und Obst<br />
war gemäss Beschluss des <strong>Gemeinde</strong>rates vom 20. September 1888 bei einer Busse von mindestens 10<br />
Franken verboten. Für Kinder hafteten deren Eltern resp. Pflege-Eltern oder Vormünder.<br />
Diese Verbote hatten Tradition: gemäss Beschluss vom 12.6.1858 war „Erdbeerenpflücken <strong>im</strong> Gemeindholz<br />
Rüti verboten, unter Busse von Fr. 1 für Volkemer und Fr. 2. für Leute von Dorf“. Aber schon am<br />
27.3.1859 wurde die Busse einheitlich auf Fr. 2.- festgesetzt. –<br />
Schiessen und Geniessen<br />
27.2.1859: Schiessen an Hochzeiten war erlaubt, aber nur unter Aufsicht, um Unfälle zu vermeiden.<br />
23. März 1874: Lehrer Berger rekurrierte gegen den <strong>Gemeinde</strong>beschluss, dass das Examenmahl abgeschafft<br />
werden soll. Darüber sollte an der nächsten <strong>Gemeinde</strong>versammlung abgest<strong>im</strong>mt werden.<br />
26
Wahlbureau<br />
Um mit anderen <strong>Gemeinde</strong>n mithalten zu können, wurde am 29. Februar 1868 beschlossen, ein Wahlbureau<br />
einzurichten, bestehend zuerst aus zwei, dann aus drei Personen, normalerweise dem Präsidenten und<br />
<strong>Gemeinde</strong>räten.<br />
Und die Kantonalbank?<br />
Als aber der Landschreiber anfragte, ob für die Gründung<br />
der Zürcher Kantonalbank auch die <strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong> eine<br />
Garantie übernehme, wurde dies am 11.9.1867 unter Hinweis<br />
auf die Armut <strong>Volken</strong>s abgelehnt.<br />
27<br />
<strong>Volken</strong> wünscht eine Nationalbank<br />
Protokoll vom 2.12.1866: Nach Verlesen<br />
der Petition des Landwirtschaftlichen Vereins<br />
Pfäffikon-Hittnau (!) betreffend Gründung<br />
einer Nationalbank wurde einst<strong>im</strong>mig<br />
beschlossen, es solle dieselbe <strong>im</strong> Namen der<br />
Bürgerschaft mitunterzeichnet und dem<br />
genannten Verein zur weiteren Beförderung<br />
eingesandt werden.<br />
Geldmangel<br />
Einige Male wurde die <strong>Gemeinde</strong> angefragt, ob sie nicht Solidaritätsbeiträge leisten würde. Am 2. Januar<br />
1865 beschloss die <strong>Gemeinde</strong>versammlung, sie könne die polnischen Flüchtlinge „bei dem jetzigen Geldmangel―<br />
nicht unterstützen, sprach an der gleichen Versammlung aber einen Beitrag von 40 Franken an die<br />
Fahne des Männerchors, wobei dieser Betrag allenfalls um 10 Franken erhöht werden könne, wenn die<br />
Finanzierung durch Holzverkauf die Kosten dieser Anschaffung nicht ganz decken würde.<br />
Der Krieg von 1870/71 brachte der Schweiz viele Flüchtlinge. Das Protokoll vom 24.September 1870 berichtet<br />
über das Gesuch eines Hülfskomitees um Unterstützung und Aufnahme „der durch den Krieg bedingten<br />
Auswanderer aus Strassburg― durch die <strong>Gemeinde</strong> und Bürgerschaft. Als Alternative könnten sie<br />
sich an dem Liebeswerk beteiligen und solche Bedrängte beherbergen, verpflegen oder Beiträge an Geld<br />
geben. Die Bevölkerung lehnte ab. <strong>Volken</strong> habe selbst viel Bedürftige und „viel zu steuern―.<br />
Die <strong>Gemeinde</strong>versammlung vom 26.5.1866 entschied, nichts an den Bau der Rheinbrücke bei Flaach beizutragen.<br />
Ein ähnlicher Bescheid ging am 8.9.1866 an die gleiche <strong>Gemeinde</strong>, die diesmal um einen Beitrag an<br />
den zu errichtenden Thursteg bat. Allerdings „sei es jedem Bürger freigestellt, einen privaten Beitrag zu<br />
geben.―. Ein gleiches Schicksal, am 13.10.1866, erfuhr ein Antrag der <strong>Gemeinde</strong> Alten, welche ebenfalls<br />
um einen Beitrag an ihren Thursteg ersuchte. Dieser Beschluss wurde an der <strong>Gemeinde</strong>versammlung vom<br />
2.1.1867 erneut bekräftigt.<br />
Dann aber trat ein Sinneswandel ein. Der <strong>Gemeinde</strong> Flaach wurde ein Beitrag von Fr. 50.- an die Erbauung<br />
einer Thurbrücke zugesichert, doch müsse eine Brücke gebaut werden, über die Vieh getrieben und die mit<br />
kleineren Fuhrwerken befahren werden könne. Dazu solle der <strong>Gemeinde</strong>rat ebenfalls noch für Beiträge von<br />
Privaten sorgen.<br />
Feier 600 Jahre Eidgenossenschaft<br />
Der <strong>Gemeinde</strong>rat beschloss am 31. Juli 1891, es sei Samstagnacht, den 1. August 1891, auf dem Worrenberg<br />
ein Feuer anzuzünden, hingegen werde von einer Feier für Erwachsene abgesehen, da die <strong>Gemeinde</strong><br />
jetzt schon genügend Auslagen habe. Die Frage einer Feier für Kinder werde der Schulpflege überlassen.<br />
Mit dem Protokoll der 13. Sitzung vom 9. Dezember 1899 endet das Protokollbuch.
Karten des Dorfes <strong>Volken</strong> von 1660, 1849 und 1896<br />
Ausschnitt der Militärquartierkarte von Gyger, 1660, Verlag Matthieu, Zürich<br />
Deutlich ist zu erkennen, dass 1660 <strong>Volken</strong> noch sehr wenig Häuser aufwies, denn es zählte <strong>im</strong> Jahr 1634<br />
nur gerade 194 Einwohner, wuchs jedoch <strong>im</strong> Jahr 1685 auf 322 Bewohner an.<br />
28
Ausschnitt aus der Wild-Karte 1:25000 1845-49 Verlag Matthieu, Zürich<br />
Ausschnitt aus der Hefti-Karte 1:25'000 1895/96, Verlag Matthieu, Zürich<br />
Die zweite Hälfte des <strong>19.</strong> <strong>Jahrhundert</strong>s brachte <strong>Volken</strong> einen Rückgang der Bevölkerung durch Wegzug.<br />
Die Stagnation ist ablesbar an der unveränderten Zahl der Häuser.<br />
29
Die Erschliessung <strong>Volken</strong>s durch Strassen<br />
Detail des Weinlandes um 1650 9<br />
In der zweiten Hälfte des 17. <strong>Jahrhundert</strong>s sandten die Behörden des benachbarten Flaach eine Bittschrift<br />
an die Gnädigen Herren in Zürich, in welcher sie mit bewegten Worten die äusserst prekären Strassenverhältnisse<br />
des Flaachtals schilderten. <strong>Jahrhundert</strong>elang war es für Fuhrwerke nur über den Schindlenberg,<br />
südlich von Dorf, erreichbar.<br />
Die Einwohner von <strong>Volken</strong> und Flaach verkauften ihre landwirtschaftlichen Produkte, allen voran den<br />
Wein, auf den Märkten von Eglisau, Kaiserstuhl, Schaffhausen und Winterthur. War der Transport schon<br />
mühsam genug, mussten auch noch vielfältige Zölle bezahlt werden, wie bei der Fähre Ziegelhütte sowohl<br />
am Zürcher wie am Schaffhauser Ufer, verschiedenen Brückenzöllen bei der Rheinau und Andelfingen<br />
usw.<br />
Der ursprüngliche Weg nach Winterthur führte über Dorf – Hünikon – Aesch – Neftenbach nach Winterthur.<br />
Er wurde schon um 1640 als „marastisch und beschwerlich und völlig verkarrt― geschildert. 1644<br />
halfen Flaach, <strong>Volken</strong> und Dorf mit, die Strasse instand zu stellen.<br />
9 „Blaeu Atlas―, ins Netz gestellt durch die Charles E. Young Research Library / UCLA Library<br />
30
Detail der Strassenkarte des Kantons Zürich von 1850 10<br />
Das Detailbild der oben abgebildeten Karte von 1850 zeigt noch den Verlauf dieser „verkarrten― Strasse.<br />
Kein Wunder, dass mit der Planung des Baus der Eisenbahnlinie Winterthur-Schaffhausen auch die Erschliessung<br />
der anschliessenden Landschaft in Angriff genommen wurde. 1845 wurde der Ausbau der<br />
Strasse Flaach – <strong>Volken</strong> – Dorf geplant. Es sollte eine Kantonsstrasse 2. Klasse werden.<br />
An den <strong>Gemeinde</strong>versammlungen der Jahre 1839 und folgende waren der Ausbau der für <strong>Volken</strong> wichtigen<br />
Verbindungsstrasse nach Henggart und damit der Anschluss an die Eisenbahn ein <strong>im</strong>mer wichtigeres Traktandum.<br />
Auch für die Postbeförderung war diese Strasse wichtig, denn erst als die Strasse gebaut war,<br />
konnte die Post täglich nach Dorf, <strong>Volken</strong> und Flaach gebracht werden.<br />
60 Jahre später, genau 1904, plante der Kanton den Ausbau der Glemettenstrasse. Von diesen Vorhaben<br />
sind auf den folgenden Seiten die Pläne wiedergegeben, in welchen alle damals bestehenden Häuser und<br />
deren Besitzer aufgeführt sind.<br />
10 StAZH Plan A 17.<br />
31
Ausbauplan von 1845 der Strasse Dorf – <strong>Volken</strong> – Flaach 11<br />
Die Häusernummern mit den Namen der Bewohner des obenstehenden Ausbauplans der Strasse<br />
Flaach-<strong>Volken</strong>-Dorf<br />
103 Ulrich Gysler, Maler 116 Spritzenhaus<br />
104 Jak. Schuler, Brunnenmeister zw.113 und 116 Baumgarten Präsident Erb<br />
105 Jak. Schuler, Maler 117 Heinrich Gysler, Richters<br />
106 Durchgang: Jakob Kündig/Conrad Schuler 118 Heinrich Ritzmann, alt <strong>Gemeinde</strong>rat<br />
107 Conrad Wartmann 119 Heinrich Keller, Georgens<br />
108 Ulrich Morgen 120 Johannes Keller, Weinschenk<br />
109 <strong>Gemeinde</strong>rat Erb 121 Heinrich Keller, Weinschenk<br />
110 Heinrich Keller, alter Tambours 122 <strong>Gemeinde</strong>ammann Wegmann<br />
111 Schullehrer Kündig 123 <strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong>, Schulhaus<br />
112 Heinrich Erb 124 Zehntenscheune<br />
113 Conrad Keller, Unterbeck 125 Johannes Kramer<br />
114 Conrad Keller, Seckelmeister, Rest. Post 126 Heinrich Ritzmann, alt <strong>Gemeinde</strong>rat<br />
115 Abraham Erb 127 Salomon Ruf<br />
128 Conrad Gysler, Kirchenpfleger<br />
11 StAZH S.Plan 376 und 374<br />
32
Die Post in <strong>Volken</strong> 12<br />
1610 errichtete in Zürich der wohlhabende Stadtbürger Caspar Hess die erste kantonale Poststation. 1662<br />
wurde das Postregal dem Kaufmännischen Direktorium übertragen. 1848 wurde die Post eidgenössisch,<br />
und am 1.9.1848 nahmen 11 Kreispostdirektionen ihre Tätigkeit auf. Allerdings verging noch einige Zeit,<br />
bis sich die neue Organisation richtig eingespielt hatte. Erstes „richtiges― Betriebsjahr war 1850.<br />
Der Postverkehr hatte in den vorangegangenen Jahrzehnten nach heutigen Begriffen noch kein grosses<br />
Ausmass. So wurde z.B. die Post von Schaffhausen nach Zürich zwe<strong>im</strong>al pro Woche zu Pferd und zwe<strong>im</strong>al<br />
zu Fuss transportiert, nach St. Gallen je einmal pro Woche über Frauenfeld und Wil, nach Bern und Konstanz<br />
je zwe<strong>im</strong>al wöchentlich.<br />
Von Marthalen aus ging jeden Donnerstag ein Bote zu Fuss nach Zürich. Briefe und Zeitungen wurden in<br />
einer Chrätze auf dem Rücken getragen. Anfang der dreissiger Jahre wurden diese Transporte mit Pferd<br />
und Wagen ausgeführt. Später fuhr ein privater Bote mit einem gedeckten Wagen von Marthalen nach Zürich,<br />
nahm die Briefe von den zu berührenden Ortschaften mit und brachte solche auch wieder zurück. Die<br />
Postsachen wurden zwe<strong>im</strong>al wöchentlich, je Mittwoch und Samstag, von Andelfingen in die Flaachtalgemeinden<br />
gebracht.<br />
Als sich die Errichtung einer Post-Ablage in <strong>Volken</strong> abzeichnete, wurde am 7.10.1842 eine Petition verfasst,<br />
in welcher gebeten wurde, es solle in Abänderung der Posteinrichtung die Lieferung nach Rorbas<br />
ausgelassen, dafür wöchentlich 4 x (Montag, Dienstag, Donnerstag und Samstag) eine Postverbindung mit<br />
Andelfingen eingeführt werden. Adressat dieser Bitte war erstaunlicherweise das Löbliche Oberwaisenamt.<br />
12. August 1842: ein eigens hiefür bestellter Postbote, Jakob Vaterlaus und nach dessen Rücktritt ab 1. Juni<br />
1852 Salomon Fisler, allgemein „Hansuerech― genannt, beförderte die mit dem Konstanzer Eilwagen nach<br />
Winterthur gekommenen Briefe und Postsachen für Flaach, Eigenthal, Berg, <strong>Volken</strong> und Dorf. Der Botenkurs<br />
Flaach – Andelfingen scheint noch einige Jahre bestanden zu haben. Wenigstens fand am 18. Juni<br />
1850 eine Konkurrenzausschreibung statt für diesen täglichen Kurs. Belohnung: 300 Franken. Nach Eröffnung<br />
der Rheinfallbahn (Winterthur-Schaffhausen) am 16. April 1857 musste Fisler den Botengang täglich<br />
ausführen. Sein Weg führte über Goldenberg - Dorf - <strong>Volken</strong> – Flaach – Eigenthal – Berg – Gräslikon.<br />
Auf den 1. November 1873 errichtete die Postverwaltung einen Doppelpostkurs Flaach – Henggart, mit<br />
Anschluss an die Eisenbahn. Die Postbotenkurse von Andelfingen wurden aufgehoben. Die Fahrt kostete<br />
einen Franken.<br />
Kutsche der Zürcher Kantonalpost 13<br />
Die Postbenützer wurden damals in der Regel in der Wohnstube des Ablagehalters, oft auch nur <strong>im</strong> Hausgang,<br />
bedient. Der Stelleninhaber war gleichzeitig auch Briefträger und erhielt anfänglich eine Besoldung<br />
von Fr. 16. — jährlich. Ablagehalter in <strong>Volken</strong> waren Konrad Keller, mit unbekanntem Antrittsdatum,<br />
wahrscheinlich 1842, bis 31. Oktober 1853, hierauf Jakob Kündig, <strong>Gemeinde</strong>schreiber und <strong>Gemeinde</strong>ammann,<br />
vom 1. November 1853 bis 31 Juli 1867. Die Besoldung stieg bei Konrad Keller von Fr. 16. — auf<br />
Fr. 32. —, bei Jakob Kündig von Fr. 32. — auf Fr. 80.--. Jakob Kündig und seine Nachfolger mussten nun<br />
die Postsachen täglich <strong>im</strong> ganzen Dorfkreis austragen.<br />
12<br />
„Die Post in der Schweiz― von Arthur Wyss, Verlag Hallwag 1987 Seiten 99, 212, 215 sowie Poststellenchronik <strong>im</strong><br />
Historischen Archiv und Bibliothek PTT in Bern<br />
13<br />
Geschichte des Kantons Zürich, Band 3, <strong>19.</strong> und 20.<strong>Jahrhundert</strong>, Werd Verlag, S.113<br />
34
Die Kosten<br />
Am 1. März 1845 wurden kantonale Briefmarken eingeführt. Ein Brief <strong>im</strong> Ortskreis kostete 4 Rappen pro<br />
Loth Gewicht, <strong>im</strong> Kantonskreis stieg der Preis auf 6 Rappen. 1 Loth wog ½ Unze oder ungefähr 15<br />
Gramm.<br />
1850 kostete ein Inlandbrief von einem Loth Gewicht über eine Distanz von mehr als 40 Wegstunden (über<br />
192 Kilometer) 30 Rappen. Für diesen Betrag konnte man damals 1 kg Brot oder 4 kg Kartoffeln oder ½ kg<br />
Rindfleisch kaufen.<br />
1865 kostete derselbe Brief 20 Rappen, wofür 2/3 kg Brot oder 3 kg Kartoffeln oder 1/3 kg Rindfleisch<br />
gekauft werden konnten.<br />
Am 1. August 1867 übernahm Johann Conrad Keller die Stelle als Postverwalter, und er übte diese Funktion<br />
aus bis zu seinem Tod am 7. März 1888. Sein Sold belief sich am Anfang auf Fr. 80. jährlich und steigerte<br />
sich auf Fr. 280.<br />
Die Postverwalterstelle muss mit grösseren Vorteilen verbunden gewesen sein, denn sowohl sein Vorgänger<br />
wie auch er, beide frühere <strong>Gemeinde</strong>schreiber, <strong>Gemeinde</strong>ammänner, und <strong>Gemeinde</strong>räte, bewarben sich<br />
darum. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass sich Johann Conrad Keller einen weiteren Vorteil<br />
erhoffte: er betrieb, wie seit Beginn des <strong>Jahrhundert</strong>s sein Vater, eine „Weinschenke―, der er nun den Namen<br />
„Restaurant Post― geben konnte. Zur Zeit der Eröffnung der Poststelle <strong>Volken</strong> waren die Stelleninhaber<br />
noch nicht gehalten, für den Postdienst besondere Räumlichkeiten bereit zu stellen. So dürfte das Angebot<br />
einer Postablage mit einem Restaurant Post kombiniert ein besonderer Trumpf gewesen sein.<br />
Protokoll der <strong>Gemeinde</strong>versammlung vom 26. Mai 1873: „Am 27. Mai der Tit. Kreispostdirektion Zürich<br />
Bericht erstattet, dass die Bürgen für Postablagehalter alt. <strong>Gemeinde</strong>ammann Konrad Keller,<br />
a) Lehrer Berger noch am Leben sei und 6000 fr. versteuere,<br />
b) Jakob Gisler Martins noch am Leben sei und 13000 fr. versteuere―.<br />
Die Generaldirektion PTT verlangte also, dass ihre Beamten Bürgen stellten, um ihren Arbeitgeber <strong>im</strong> Fall<br />
von Schadenersatzansprüchen schadlos zu halten.<br />
35
Das „Postgebäude“ <strong>Volken</strong>s<br />
Das Haus, wie es von 1865 bis 1933 aussah<br />
Diese Bilder, Gebäude und Grundriss der Poststelle <strong>Volken</strong>s<br />
sind <strong>im</strong> Historischen Archiv und Bibliothek PTT der<br />
Schweizer Post, Viktoriastrasse 21 in 3030 Bern dokumentiert.<br />
Da „das Posthaus― 1933 umgebaut und das Postlokal gegen<br />
Flaach hin angebaut wurde, dürfte dieser Plan bis 1933<br />
Gültigkeit gehabt haben.<br />
Welcher Gast, der sich heute in der gemütlichen Ecke<br />
rechts vom Eingang niederlässt, ist sich bewusst, dass er in<br />
der früheren Postablage sitzt, also dort, wo die Post von<br />
Andelfingen abgegeben und vom Posthalter sortiert wurde?<br />
Ein Blick auf den nebenstehenden Grundriss zeigt, dass alle<br />
Postkunden den gleichen Hauseingang wie für das Restaurant benützen mussten. Das war sicherlich keine<br />
schlechte Werbung. Gleichzeitig war so dem späteren Erfordernis der Generaldirektion PTT genüge getan,<br />
dass jeder Poststelleninhaber seinen Kunden einen eigenen Raum zur Verfügung zu stellen hatte.<br />
1887, kurz vor seinem Tod, verkaufte J.C. Keller seine Gebäude und einen Teil seiner Ländereien an Konrad<br />
Erb. Am 1. April 1888 übernahm dieser mit seiner Frau Luise die Postablage. Nach seinem Tod am 21.<br />
Januar 1928 fuhr Sohn Konrad mit seiner Frau Olga am 1. April 1928 mit dem Posthalteramt weiter und<br />
baute 1933 das Posthaus um. Konrad starb am 30. Juni 1946 <strong>im</strong> Amt. Sohn Edwin Erb sprang zusammen<br />
mit seiner Frau Klara in seine Fussstapfen und leitete die Posthalterei bis zu seiner Pensionierung 1987.<br />
Klara Erb führte das Amt weiter bis zur Fertigstellung des Einbaus eines neuen Postlokals <strong>im</strong> nahegelegenen<br />
gemeindeeigenen Hans-Keller-Haus. Nach dem 100-Jahr-Jubiläum wurde die Poststelle auf Beschluss<br />
der Geschäftsleitung der Post geschlossen.<br />
36
37<br />
Oben: „Das Posthaus― 2008<br />
Links: am Anbau ist über dem Fenster neben dem<br />
strassenseitigen Eingang das Schild der Poststelle<br />
zu sehen<br />
Das Innere des Restaurant Post, der Stammtisch. Das in die Mauer eingelassene Fensterkästchen liegt in<br />
einem Kanal, der bei einem Umbau gefunden worden sei, so Richard Erb. Es handelt sich mutmasslich um<br />
einen Kamin.
Die Weinschenken <strong>Volken</strong> 14<br />
Im „Verzeichnis [von 1803]derjenigen Kantonsangehörigen <strong>im</strong> Distrikt Winterthur, 1te Abteilung, welche<br />
vor der Revolution Weinbau beworben und keine Petition eingegeben haben, allein nach dem Gesetz ihren<br />
Gewerb fortzusetzen befugt sind, und nach dem Bericht des Herrn Unterstatthalter Sigg denselben fortführen<br />
wollen“ ist unter Flaach aufgeführt:<br />
Conrad Keller Bek von <strong>Volken</strong>.<br />
Auf Seite 138 steht unter „Antrag zur Bewilligung von Weinschenken“: Konrad Keller Bek von <strong>Volken</strong>:<br />
Antrag: „entsprechen, da seit alter Zeit…“, Bewilligung durch Erkanntnuss.<br />
J. Konrad Keller: „Dass nach dem Bericht des Hr. Statthalters in diesem Dörfchen 2 Weinschenken wohl<br />
existieren können und die Wohnung des Petenten als mitten <strong>im</strong> Dorf liegend einer guten Policey Ordnung<br />
unterworfen ist, auch diese Weinschenke schon während der Revolution ordentlich betrieben worden:<br />
dem Petenten durch ein Patent auf 10 Jahre, um den Betrag von 20 frk in seinem Begehren entsprochen<br />
werde: Bewilligung durch Patent.“<br />
Weiter hinten steht: „Gesetz vom 24. Decembris 1803: unentgeltliche Bestätigung nicht neu zu patentieren,<br />
sondern auf zehn Jahre mit unentgeltlicher Bestätigungs-Acten zu versehende Weinschenken:<br />
Conrad Keller Bek von <strong>Volken</strong><br />
Neubewilligte und sub dato 5ten März 1805 auf 10 Jahre zu patentierende Weinschenken, welche für das<br />
Patent eine Recognition an den Staat zu bezahlen haben:<br />
Hs Conrad Keller von <strong>Volken</strong>, frk. 20.--.<br />
Und am Rande der Seite, auf welcher alle bewilligten Weinschenken zusammenfassend aufgeführt sind,<br />
steht: „alle bezahlt und ihr Patent angefangen.―<br />
Das heisst <strong>im</strong> Klartext, dass schon vor 1798, unter der alten Zürcher Herrschaft, ein Conrad Keller (der<br />
Unterbeck) eine Weinschenke in <strong>Volken</strong> betrieb.<br />
In den nicht unbeträchtlichen Wirren der Helvetik führte Hans Conrad Keller ebenfalls eine Weinschenke,<br />
wobei nicht festzustellen ist, wann er damit begann. Jedenfalls ist die Bemerkung „da nach dem Bericht<br />
des Hr. Statthaltes in diesem Dörfchen..... auch diese Weinschenke schon während der Revolution ordentlich<br />
betrieben worden“ eine klare Aussage, dass Hans Conrad Keller die Turbulenzen der Revolution<br />
nutzte und mangels zuständigen Ämtern ohne formale Bewilligung den Weinausschank betrieb.<br />
<strong>Volken</strong> besass von der Französischen Revolution bis 1832 zwei, hierauf bis 1860 drei regelmässig betriebene<br />
Weinschenken. Dazu kamen Johann Conrad Hatt, Müller, und Johannes Keller, Landwirt, welche ein<br />
Patent beantragten und erhielten, aber nicht einlösten. Johannes Keller, Jonassen, (wahrscheinlich Bruder<br />
beiden Jahren eine Weinschenke. Ob ihm nach seiner Verurteilung durch das Bezirksgericht Andelfingen<br />
am 21.12.1841 wegen Überhockens und „mehrfachen Policei-Übertretungen“ (siehe Seite 41) das Patent<br />
nicht mehr gewährt wurde oder ob er freiwillig darauf verzichtete, ist unbekannt.<br />
Die „Beizendichte― für <strong>Volken</strong> (1809 mit 282 und 1850 mit 385 Einwohnern) mit je einer Weinschenke auf<br />
140 resp. 130 Einwohner entsprach dem damaligen landläufigen Durchschnitt. Zum Vergleich: <strong>im</strong> Jahr<br />
2005 gab es in der Schweiz gemäss dem Branchenverband GastroSuisse ein Restaurant pro 386 Einwohner.<br />
Die Abgaben der beiden dauernd betriebenen Weinschenken an den Kanton schwankten <strong>im</strong> Verlauf des <strong>19.</strong><br />
<strong>Jahrhundert</strong>s. Zuerst waren sie be<strong>im</strong> etablierten Unterbeck grösser, näherten sich aber bald an und blieben<br />
über all die Jahre ziemlich ähnlich.<br />
Konsumiert wurden hauptsächlich eigener Wein und offenbar ab 1844 auch Bier. Wenn gegessen wurde,<br />
dann vorwiegend Eigenprodukte (eigenes Fleisch, eigenes Brot und was der Hof gerade hergab). In den<br />
Bauernwirtschaften des <strong>19.</strong> <strong>Jahrhundert</strong> wurde fast ausschliesslich Kaltes gegessen. Die feine Küche, wie<br />
sie heute von Frau Anna Erb angeboten wird, war damals in Bauerndörfern unbekannt.<br />
14 Wirtschaftsverzeichnis StAZH RR I 56.1 ff, Rubrik Weinschenken, Patentinhaber<br />
38
Verzeichnis der Patentinhaber für den Betrieb von Weinschenken in <strong>Volken</strong>s<br />
1804 bis 1834 unter Flaach, ab 1835 unter <strong>Volken</strong> aufgelistet<br />
1804 Conrad Keller,<br />
Bek zu <strong>Volken</strong><br />
1805 Hans Conrad Keller, zu <strong>Volken</strong> do.<br />
1806 – 1821 do (Hans Conrad Keller starb am 25.6.1821) do<br />
1822 – 1831 Hans Conrad Keller sel. Erben do<br />
1832 – 1835 do do Heinrich Keller,<br />
Jonassen<br />
1836 – 1840 Witwe Keller geb. Gisler do, bis 1838 do<br />
1841 – 1844 Keller Susanna geb. Gisler, 1844 mit Bierpatent - - - do<br />
1845 Johann Conrad Keller, Seckelmeister Schuler Ulrich<br />
mit Bierpatent<br />
do<br />
1846 do do<br />
1847 - 1848 Conrad Keller, Seckelmeister, - - - do<br />
1849 Johann Conrad Keller, <strong>Gemeinde</strong>ratspräsident do<br />
1850 Johann Conrad Keller, Präsident do<br />
1851 Johann Conrad Keller, Präsident do<br />
1852 Johann Conrad Keller do Armenpfleger<br />
1853 Johann Conrad Keller do<br />
1854 Johann Conrad Keller do<br />
1855 Johann Conrad Keller Ruf Jonas,z.Mühle<br />
ab 27.8.1855<br />
1856 Johann Conrad Keller do do<br />
1857 - - - do do<br />
1858 - - - do do A)<br />
1859 - 60 do A) Ruf Joh. Conrad<br />
1861 - 65 Nachtrag 7.6.1865: Johann Conrad Keller Ruf Rudolf ab<br />
1866 – 1882 Johann Conrad, alt <strong>Gemeinde</strong>ammann<br />
24.3.1865<br />
Ruf Salomon und<br />
(gest.7.3.1888)<br />
Rudolf, zur Mühle<br />
1883 - 1888 Ruf Salomon zur<br />
Mühle<br />
A) heisst: Patent nicht eingelöst<br />
Erhalt aber nur kurze Ausübung des Patentes:<br />
Johannes Keller, Jonassen: 1841 und 1842<br />
Johann Conrad Hatt, Müller 1853 A)<br />
Johannes Keller, Landwirt, 1856 A)<br />
Friedrich Anliker zur Mühle 1883<br />
39<br />
do A)<br />
do<br />
--
Diese jährliche Steuer- und Abgaberechnung hat sicherlich keinen Weinschenk gefreut. Alljährlich<br />
wurde der <strong>Gemeinde</strong>rat auch um Abgabe eines Leumundszeugnisses für alle Patentinhaber ersucht.<br />
1844: Der erste Eintrag für die Gewährung auch des Bierpatentes (unten rechts)<br />
40
Was doch so alles passiert, damals wie heute: z.B. Überhocken<br />
Urtheil des Bezirksgerichtes Andelfingen den 20ten December 1841<br />
Gegen<br />
1. Johannes Keller Weinschenk von <strong>Volken</strong><br />
2. Jakob Ritzman Gmdrth Schr. von <strong>Volken</strong><br />
3. Jakob Bretscher Fuhrman von Aesch<br />
4. Ulrich Messmer von <strong>Volken</strong><br />
5. Johannes Messmer Maurer von <strong>Volken</strong><br />
6. Conrad Gisler Küeffer von Flaach<br />
7. Heinrich Keller Heinrichsen von <strong>Volken</strong><br />
8. Ulrich Vogel aus dem Kehlhof Neftenbach<br />
9. Heinrich Steiner Fuhrmann von Neftenbach<br />
betreffend Übertretung des Wirthschafts-Polizeigesetzes<br />
Mit Einmuth gefunden<br />
Weinschenk Keller sei mehrfachen Policei=Übertretungen,<br />
die übrigen Inculpaten einer Policeiübertretung schuldig und<br />
demzufolge ebenfalls mit Einmuth zu Recht erkannt<br />
1. dem Weinschenk Keller wegen Übertretung des Wirtschafts-<br />
policeigesetzes in die doppelte Busse von 16 Franken<br />
verurtheilt, wovon die Hälfte dem Armengut zufällt.<br />
2 sei Keller wegen seinen weiteren Polizeiübertrettungen<br />
in eine Busse von 20 Frkn zu Handen des Staats verurtheilt.<br />
3. seien Bretscher, Steiner, Gisler, Vogel, Keller jeder zu 3<br />
und Ritzmann. Ulrich und Johannes Messmer jeder zu 1 Frkn und<br />
Tragung ihrer Cidationskosten verurtheilt.<br />
4. sollen die über diesen Prozess erlaufenen Kosten bestehend in 8 Frken Staatsgebühr 4 Frkn Kanzleigebühr<br />
4 Frkn 20 Rapp Waibelgebühr, zudem der beiden Umgänger Erb und Keller 2 Frkn ferner 2<br />
Franken dem Herrn Gemeindammann zur Hälfte von Weinschenk Keller und zur Hälfte von Bretscher<br />
Steiner Gisler Vogel und Keller jedoch alle unter solidarischer Haft, getragen werden nebst den<br />
betreffenden Ausfertigungskosten.<br />
Actum Andelfingen den 20 December 1841<br />
Namens des Bez.gerichtes<br />
Der Gerichtschreiber Brunner<br />
41
Von Beizern und Bäckern<br />
Bäcker Beizer<br />
Die Beizer<br />
Bei den in <strong>Volken</strong> ansässigen Keller scheint der Weinausschank seit dem ausgehenden Mittelalter Tradition<br />
zu haben. Bereits 1446, anlässlich der Schlichtung eines Streits zwischen dem Gerichtsherrn von Flaach,<br />
Ulrich III. von Gachnang zu Goldenberg und Hensly Keller, dem Inhaber des Kehlhofes in <strong>Volken</strong>, wurde<br />
festgehalten, „Hensly Keller und alle Nachkommen, die den Kehlhof bewirtschaften, sollen dem Inhaber<br />
der Gerichte .. mit Diensten und Täffri, Gehorsami und anderen Sachen zu tund gepunden sin…― Täffri ist<br />
das mittelalterliche Recht auf Weinausschank, das hier zum ersten Mal erwähnt wird. In der entsprechenden<br />
Urkunde vom 22. Dezember 1446 findet man das Urteil, das nur den Grundsatz festhält, dass Hensli<br />
die obigen Verpflichtungen erfüllen soll, die er übrigens gar nicht bestreitet. Details dazu aber fehlen. Leider<br />
wird auch die Anklage nicht formuliert. Deshalb ist es unsicher, ob Hensli überhaupt keine seiner Verpflichtungen<br />
erfüllte oder ob er zu wenig Abgaben ablieferte. Vielleicht hat er es auch an der geforderten<br />
Demut fehlen lassen. Klar ist aber, dass die Keller des Kelhofes in <strong>Volken</strong> schon 1446 Wein ausschenkten.<br />
Es muss in den Familien der Volkemer Keller zur Tradition geworden sein, sich als Weinschenken zu betätigen.<br />
Die <strong>im</strong> <strong>Gemeinde</strong>archiv <strong>Volken</strong> liegenden Urkunden geben über diesen Punkt leider keine Auskunft.<br />
Weinschenken, Dorfbeizen hatten in den <strong>Jahrhundert</strong>en vor der Verbreitung der Printmedien, des Telefons<br />
und Telegrafs eine wichtige Funktion: Informationsquelle, Orte der Meinungsbildung. Wirte waren oft die<br />
ungekrönten Dorfpolitiker, und mancher Aufstand des „gewöhnlichen Volkes―, heute Basis genannt, wurde<br />
<strong>im</strong> Schweizerland durch einen Dorfwirt angezettelt.<br />
Es fällt auf, dass zu Beginn des <strong>19.</strong> <strong>Jahrhundert</strong>s die Keller unter den Weinschenk-Patentinhabern dominierten.<br />
Von 1805 bis 1844 waren nur Keller Weinschenken, 1841 und 1842 waren sie sogar zu Dritt, als<br />
der auf der vorherigen Seite in der Bussenverfügung erwähnte Johannes Keller ein kurzes Gastspiel als<br />
Weinschenk gab. 1845 wurde die Keller-Phalanx durchbrochen durch Ulrich Schuler, dessen Patentbesitz<br />
sich aber auf lediglich zwei Jahre beschränkte. Dann waren Johann Conrad Keller und Heinrich Keller,<br />
Jonassen, wieder die einzigen, bis 1855 Jonas Ruf zur Mühle ein entsprechendes Patent erhielt. In <strong>Volken</strong><br />
bis heute gehalten hat sich, wie wir wissen, lediglich das Restaurant Post.<br />
Johann Conrad Keller löste, wenn das Verzeichnis der Patentinhaber wirklich fehlerlos ist, von 1857 bis<br />
zum 7. Juni 1865 kein Patent mehr. Das erstaunt, denn 1855 steht <strong>im</strong> Protokoll des <strong>Gemeinde</strong>rates vom <strong>19.</strong><br />
August: „Zufolge Beibehaltung der Wirthschaft hatte laut Gesetz vom 20. Juni 1855 den Austritt von Herrn<br />
<strong>Gemeinde</strong>ammann Keller[als Konsequenz]“. Das heisst, er entschied sich, eher seine Wirtschaft weiterzuführen,<br />
als die Stelle des <strong>Gemeinde</strong>ammanns auszuüben. Was in den „patentfreien Jahren― vor sich ging,<br />
bleibt ein Gehe<strong>im</strong>nis. Er wurde 1863 – 1865 wieder <strong>Gemeinde</strong>ammann und löste anschliessend von 1865<br />
bis 1882 wieder ein Wirtepatent.<br />
1865 wurde die Assekuranz-Summe der Liegenschaft des Restaurant Post von 8800 Franken auf 10’000<br />
Franken erhöht, und 1867 übernahm Johann Conrad Keller die Stelle eines Postverwalters. Es ist wahrscheinlich,<br />
dass die Erhöhung des versicherten Gebäudewertes auf einen Ausbau zurückging, der <strong>im</strong> Hinblick<br />
auf diese neue Charge getätigt wurde. Denn ein Postverwalter musste ja wenn möglich der damaligen<br />
Postkundschaft ein Lokal zur Verfügung halten. Und das <strong>im</strong> Archiv der damaligen PTT liegende Foto, die<br />
das Haus von 1865 bis 1933 zeigt, verleiht dieser Annahme Glaubwürdigkeit.<br />
42
Die Bäcker<br />
Die ersten beiden Patentinhaber als Weinschenken zu Beginn des <strong>19.</strong> <strong>Jahrhundert</strong>s, als nach dem Chaos der<br />
Revolution und der anschliessenden Helvetik Ruhe und eine ordentliche Regierung und Verwaltung einsetzten,<br />
hiessen beide Konrad Keller, eigentlich jeder auf Hans Konrad getauft, und beide wurden als<br />
„Beck― bezeichnet, einer war der Oberbeck und der andere der Unterbeck. Ihre Häuser lagen gegenüber auf<br />
der Strasse nach Flaach. Siehe den Strassen-Ausbauplan von 1845, wo das 113 das Haus des Unterbecks ist<br />
und das Haus des Oberbecks die Nummer 114 trägt. Offensichtlich ergänzten sich diese beiden Tätigkeiten<br />
als Bäcker und Beizer aufs Beste, wobei weder die Bäckerei noch der Weinausschank ein Vollberuf war,<br />
sondern jede ihren Teil zum Lebensunterhalt der jeweiligen Familien beitrug.<br />
Welche wirtschaftliche Bedeutung diese „Becken― für die <strong>Gemeinde</strong> und ihre Einwohner hatte, ist nicht<br />
bekannt. Eigentlich sollte angenommen werden, dass damals wie teilweise heute noch jede Bauernfamilie<br />
für ihren Eigenbedarf selber Brot backte. Darum ist die Bedeutung dieser Tätigkeit heute schwer zu beurteilen.<br />
Im kleinen Dorf <strong>Volken</strong> lebten meistens mehrere Konrad Keller. Vielleicht diente die Angabe als<br />
Unter- und Oberbeck, um zwei Konrad Keller besser auseinander zu halten. Eine reizvolle Überlegung.<br />
Auf alle Fälle waren der Oberbeck und der Unterbeck über vier Generationen miteinander verwandt, wie<br />
aus der obigen Grafik eines Teils ihres Stammbaums ersichtlich ist.<br />
43
Der Schweizer Franken<br />
oder wie sich unsere Vorfahren mit verschiedenen Geldeinheiten zurechtfinden mussten<br />
Im Verlauf des <strong>19.</strong> <strong>Jahrhundert</strong>s mussten unsere Vorfahren von der jahrhundertelang üblichen Währung des<br />
Guldens auf den Schweizer Franken umstellen. Traditionell rechnete man zu Beginn dieses <strong>Jahrhundert</strong>s<br />
mit Gulden rheinischer Währung. Diese war die zuverlässigste Währung, denn ihr Gehalt an Edelmetall<br />
war konstant.<br />
Man rechnete gewöhnlich nach Gulden zu 40 Schillingen à 4 Rappen oder 12 Heller. Gemäss der gesetzlichen<br />
Ausmünzung betrugen 22 hiesige Gulden eine kölnische Mark fein Silber. Deshalb wäre der Wert des<br />
Guldens 2,39 Franken.<br />
Bei Annahme des französischen Louisdor zu 10 Gulden und des Neuthalers zu 2 ½ Gulden als Grundlage,<br />
gingen 22¼ hiesige Gulden auf die kölnische Mark fein Silber. Der Wert des Guldens wäre dann Fr. 2,36.<br />
Um unser Verständnis noch weiter zu strapazieren, sei bemerkt, dass die Mark Silber = 2 ½ Gulden, der<br />
Taler = 108 Kreuzer und das Pfund Heller = ½ Gulden bloss fingierte Münzen waren, die nur als Strafgelder<br />
und bei obrigkeitlichen Rechnungen vorkamen. Bei allen obrigkeitlichen Kassen und auch <strong>im</strong> Handel<br />
bediente man sich sehr häufig der Rechnung in Schweizer Franken à 10 Batzen à 10 Rappen oder der<br />
Schweizer Franken à 100 Rappen. - Schliesslich waren 10 Zürcher Gulden = 16 Schweizer Franken. 15<br />
Die Geschichte des Schweizer Frankens:<br />
Eine ab 1757 in Bern, später auch in Basel, Solothurn und Luzern<br />
geprägte silberne Zehnbatzenmünze nannte man Schweizer Franken.<br />
In der Helvetischen Republik versuchte man, die Währung auf<br />
der Basis des Berner Münzfusses auf das Dez<strong>im</strong>alsystem umzustellen.<br />
Ab 1799 sollte mit dem Schweizer Franken, der 6,6194 Gramm<br />
Feinsilber enthielt und gleichviel wert hatte wie 10 Batzen oder 100<br />
Rappen, das Geld vereinheitlicht werden. Das scheiterte unter<br />
anderem am Edelmetallmangel. Mit der Mediation (1803-1813)<br />
verfügten die Kantone wieder über das Münzregal. Die Tagsatzung<br />
versuchte zwar, einen einheitlichen Münzfuss festzulegen, aber bis<br />
zur Münzreform des Bundesstaates kursierten - neben zahlreichen<br />
anderen Münzen - Franken von unterschiedlichem Gehalt, Gepräge<br />
und Gewicht.<br />
Der Bund übernahm 1848 das Münzregal und legte mit dem Franken, der in 100 Rappen eingeteilt war, die<br />
Silberwährung fest. Sein Gewicht, Feingehalt und Durchmesser entsprachen dem französischen Franc (5 G.<br />
Feingehalt 900/1000, ab 1875 835/1000). 1850 - 51 wurden in Paris Frankenstücke aus Silber mit verschiedenen<br />
Währungen geprägt (Fünf-, Zwei-, Ein- und Halbfrankenstücke); seit 1855 dient die ehemalige Berner<br />
Münzstätte als Eidgenössische Münzstätte. 1851 - 1852 wurde das alte Geld gegen den Franken ausgetauscht.<br />
- Die kriegsbedingte Währungskrise von 1870 verhalf den seit einem halben <strong>Jahrhundert</strong> von verschiedenen<br />
Notenbanken herausgegebenen Banknoten, die zuvor wenig Anklang gefunden hatten, zum<br />
Durchbruch. 1891 übernahm der Bund das Banknotenmonopol, das er aber erst 1910 mit der Schweizerischen<br />
Nationalbank ausüben konnte. 16<br />
Das Vorhandensein von so vielen Geldformen hatte auch in <strong>Volken</strong> seine Tücken. So wurde <strong>im</strong> <strong>Gemeinde</strong>rats-Protokoll<br />
vom 3.12.1849 festgehalten, dass Präsident Keller als Grundzinsbezüger für das Kloster St.<br />
Katharinenthal bei diesem Einzug ungefähr 200 Gulden „grobes Münz― erhalten habe. Dem Kloster abgeliefert<br />
werden musste aber „gute Währung―. Sollte ihm aus dem Umtausch des erhaltenen „groben Münzes―<br />
in gute Währung ein Verlust entstehen, so bewilligten die übrigen <strong>Gemeinde</strong>räte, dass dieser durch die<br />
<strong>Gemeinde</strong>kasse übernommen würde. Der Grundzins bestand traditionellerweise aus viel Naturalien (Getreide,<br />
Hühner etc) und wenig Bargeld. Die Bauern zahlten ihren Bar-Anteil am Zins mit den gerade vorhandenen<br />
Münzen. ,<br />
15 StAZH El 50: E.A. Baumann: Längen, Flächen, Hohlmasse ,Gewichte und Münzen, Seite 205<br />
16 Historisches Lexikon der Schweiz, Band 4 , Seiten 645 und 646<br />
44
Vormundschaften und Konkurse<br />
Alle Fragen mit Bezug auf Vormundschaften und Konkurse wurden vom <strong>Gemeinde</strong>rat behandelt.<br />
Konkurse:<br />
In Geschichtsbüchern kann nachgelesen werden, dass<br />
ab 1863 eine Rezession einsetzte und dass Kapitalknappheit<br />
mit hohen Zinsen vorherrschte. Dieses<br />
wirtschaftliche Ungemach wurde verstärkt durch<br />
Missernten, welche von 1865 bis 1867 die Landwirtschaft<br />
he<strong>im</strong>suchten.<br />
Leider war auch <strong>Volken</strong> voll von dieser negativen<br />
Entwicklung betroffen. Praktisch an jeder Sitzung<br />
des <strong>Gemeinde</strong>rates wurden Fragen von neuen oder<br />
laufenden Konkursen besprochen. Selbst altgediente<br />
Behördenmitglieder waren von einer solchen Entwicklung<br />
betroffen.<br />
Wenn ein Ehemann oder gar Familienvater in Konkurs<br />
geriet, wurde durch den <strong>Gemeinde</strong>rat automatisch<br />
ein Beistand für die Ehefrau und ein Vormund<br />
für die noch minderjährigen Kinder ernannt und dem<br />
„löblichen Oberwaisenamt― gemeldet.<br />
Der <strong>Gemeinde</strong>rat blieb auch als Kontrollbehörde zuständig, wenn ein konkursiter Mann in einer anderen<br />
<strong>Gemeinde</strong> wohnte. Das gab nicht wenig Arbeit.<br />
Vormundschaften<br />
wurden also nicht nur für Witwen und Waisen, sondern auch für Ehefrauen und minderjährige Kinder errichtet,<br />
wenn deren Familienoberhaupt in Konkurs geriet.<br />
Nicht wenige Vormundschaften für Volkemer Bürgerinnen und Bürger betrafen Volkemer mit Wohnsitz<br />
<strong>im</strong> Kanton Zürich. Natürlich musste für jede Massnahme die Wohngemeinde entsprechend benachrichtigt<br />
werden. Offenbar erhöhte sich die Streitfreudigkeit der Mündel mit der Distanz zu <strong>Volken</strong>, denn in den<br />
Protokollen des <strong>Gemeinde</strong>rates nehmen solche Auseinandersetzungen einen bedeutenden Teil ein.<br />
Zu Gewissensfragen konnte es kommen, wenn ein Bevormundeter nach Amerika auswandern wollte und<br />
darum bat, der Vormund möchte ermächtigt werden, ihm das nötige Geld aus seinem eigenen Vermögen<br />
auszuhändigen. Da wurde natürlich zuerst der Leumund geprüft sowie, ob ein Einwanderungsland ihn<br />
überhaupt annehmen würde. Dann wurde <strong>im</strong> Bejahungsfall ein Betrag freigegeben unter der Bedingung,<br />
dass er erst ausbezahlt werde, wenn alle notwendigen Papiere und Bewilligungen vorlägen und es sicher<br />
sei, dass das Mündel das Geld nicht anderweitig verwenden werde. - Das Verlockende für einen <strong>Gemeinde</strong>rat<br />
war natürlich die Aussicht, dass mit der Auswanderung künftige Belastungen der <strong>Gemeinde</strong>kasse vermieden<br />
werden könnten, sodass durchaus ein Grund für Grosszügigkeit bestand, falls Missbrauch wirklich<br />
ausgeschlossen werden konnte.<br />
Generell kann festgestellt werden, dass der <strong>Gemeinde</strong>rat als Vormundschaftsbehörde differenziert auf die<br />
individuelle Situation der von ihm beaufsichtigten Vormundschaften einging und dass er <strong>im</strong> Interesse der<br />
Mündel handelte, wobei er sich <strong>im</strong>mer bewusst war, dass die Finanzen <strong>Volken</strong>s eine zu grosszügige direkte<br />
finanzielle Unterstützung nicht erlaubten.<br />
45
Die Bevölkerungsentwicklung<br />
<strong>Volken</strong> ist bekanntlich die flächenmässig kleinste <strong>Gemeinde</strong> des Kantons Zürich. Dadurch war sie automatisch<br />
kein Ziel für Zuwanderer, denn in benachbarten grösseren <strong>Gemeinde</strong>n war mehr Land als Grundlage<br />
für Neuzuzüger; der Anteil am Bürgernutzen <strong>Volken</strong>s (Ertrag der Allmeinden und des gemeindeeigenen<br />
Waldes) war entsprechend klein. Als ab 1560 die Stadt Zürich wegen „Überfremdung― die Einbürgerung in<br />
die Stadt praktisch verunmöglichte und die Landgemeinden seit dem frühen 16. <strong>Jahrhundert</strong> von der Zürcher<br />
Obrigkeit die Erlaubnis erhielten, „Einzugsbriefe― auszustellen, also für Neuzuzüger prohibitive Einkaufsgelder<br />
zu erheben, da war von <strong>Volken</strong> bis 1707 kein derartiges Begehren bekannt. Erst 1707 baten die<br />
Volkemer um die Genehmigung, für die Zuheirat von fremden Mädchen und Frauen nach <strong>Volken</strong> eine<br />
Steuer erheben zu dürfen. Das zeigt doch deutlich, dass es sich bei allfälligen Zuzügen von aussen hauptsächlich<br />
um Zuheiraten handelte und dass Land- und/oder Hauskäufe durch Fremde kein Problem darstellten,<br />
dem mit obrigkeitlichen Mitteln Einhalt geboten werden musste<br />
Jahr Einwohner<br />
1476 55<br />
1611 110<br />
1612 72<br />
1634 194<br />
1685 322<br />
1727 323<br />
1809 282<br />
1850 385<br />
1900 248<br />
1930 267<br />
1986 205<br />
1993 248<br />
2002 273<br />
2003 282<br />
2007 292<br />
2008 297<br />
Seit dem frühen 16. <strong>Jahrhundert</strong> wurde die Überbevölkerung auf dem Gebiet<br />
des Stadtstaates Zürich zur drückenden Realität. Ab den 1460er Jahren bis<br />
Ende des 16. <strong>Jahrhundert</strong>s verdreifachte sich seine Bevölkerung 17 . Allerdings<br />
starb 1612 in <strong>Volken</strong> 1/3 der Bevölkerung an der Pest. 1727 wurde ein vorläufiger<br />
Höhepunkt der Bevölkerungszahl erreicht. Das Land konnte seine Kinder<br />
kaum mehr ernähren. Viele mussten ihren Lebensunterhalt auswärts verdienen.<br />
So schrieb der Pfarrer von Flaach-<strong>Volken</strong> Ende des 17. <strong>Jahrhundert</strong><br />
<strong>im</strong> Pfarrbuch: „Viele sind in die Pfalz gezogen―. Die Verantwortlichen wollten<br />
den die <strong>Gemeinde</strong> potentiell belastenden Zuzug durch Heirat finanziell<br />
durch einen Einkauf kompensieren. - 1850 übertraf mit 385 Einwohnern alle<br />
Rekorde, doch die Auswanderungs- und Wegzugswelle in der 2. Hälfte des<br />
<strong>19.</strong> <strong>Jahrhundert</strong>s liess die Bevölkerungszahl dramatisch einbrechen. -<br />
An der Versammlung vom 20. Februar 1870 wurde mitgeteilt, dass <strong>im</strong> revidierten<br />
St<strong>im</strong>mregister 80 Kantons- und 1 Schweizerbürger verzeichnet seien.<br />
Am 28. März 1874 berichtete der <strong>Gemeinde</strong>rat, dass in <strong>Volken</strong> 57 Haushaltungen<br />
existierten<br />
Im <strong>19.</strong> <strong>Jahrhundert</strong> setzte eine zunehmende Landflucht ein, bedingt durch Ernteausfälle, Teuerung, politische<br />
und religiöse Umbrüche sowie die beginnende Industrialisierung. Die Städte versprachen bessere Arbeitsbedingungen,<br />
überseeische „Paradiese― wie Nord- und Südamerika, aber auch Russland, warben um<br />
Einwanderer. Die Auswanderung aus der Schweiz erreichte in den Jahren 1882/83 Rekorde, so dass der<br />
Bundesrat am 22. März 1888 das „Bundesgesetz betreffend den Geschäftsbetrieb von Auswanderungsagenturen“<br />
erliess, um die Auswanderung in den Griff zu bekommen. Ärmere <strong>Gemeinde</strong>n, so auch <strong>Volken</strong>,<br />
waren froh, wenn sie potentiell armengenössige Mitbewohner zur Auswanderung bewegen konnten. Ihnen<br />
wurden oft die Kosten einer Auswanderung bezahlt. Heute klingt erstaunlich, welche Gründe Schweizer<br />
Auswanderer nach St. Petersburg in Russland am Anfang des <strong>19.</strong> <strong>Jahrhundert</strong>s für ihre Wegzugsentscheide<br />
angaben: „die <strong>im</strong> Vergleich ruhige politische Lage <strong>im</strong> zaristischen Russland“, denn damals war die Eidgenossenschaft<br />
von heftigen Kämpfen zwischen Liberalen und Konservativen geprägt 18 .<br />
Am 25. März 1875 wollte der <strong>Gemeinde</strong>rat einen jungen Mann nach Australien abschieben. Er gab der<br />
Auswanderungsagentur Wirth und Fischer in Zürich Aussersihl den Auftrag, ihn auf ein Schiff zu bringen,<br />
welches nach Australien fahre. Der junge Mann, 17 Jahre alt, sei gesund und kräftiger Natur und habe<br />
schriftlich in diese Reise eingewilligt. Dann kam die Ernüchterung. Die Auswanderungsagentur berichtete,<br />
er sei in Hamburg kurz vor Abfahrt durchgebrannt, und sie klagte auf Bezahlung der versprochenen Fr.<br />
100.-. Doch der <strong>Gemeinde</strong>rat und die Armenpflege von Flaach-<strong>Volken</strong> erwiderten, dass „sie (die Agentur)<br />
denselben nicht unter guter Aufsicht gehalten habe“, sodass er durchbrennen konnte. Die Armenpflege<br />
fühle sich deshalb nicht verpflichtet, diese Summe zu bezahlen. Die Agentur hätte ja gewusst, dass der<br />
Abzuschiebende „seit einiger Zeit <strong>im</strong> Kanton Thurgau in einer Korrektions- oder Zwangsanstalt gewesen<br />
sei und dass alle Mühe nichts gefruchtet hätte, denselben zu einem besseren Lebenswandel zu bringen“.<br />
Graphisch sieht man diese Bevölkerungsentwicklung in den Kartenausschnitten der Seiten 28 und 29.<br />
17 Otto Sigg: Aus der Festschrift für Peter Stadler, Zürich<br />
18 Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Band 75, Seite 15<br />
46
Das Bürgerrecht von <strong>Volken</strong><br />
Die Weggezogenen<br />
Am 4. August 1883 wurde festgehalten, dass die meisten Auswanderer aus der hiesigen <strong>Gemeinde</strong> wegen<br />
familiären Verhältnissen ausgewandert seien.<br />
Ende Dezember 1886 wurde das Bürgerrechtsregister bereinigt und mit dem Zivilstandsregister verglichen.<br />
Es mussten auf einmal 25 Familien gestrichen werden. Später kamen weitere 20 hinzu. Nicht allen, die auf<br />
ihr Volkemer Bürgerrecht verzichteten, war das gleichgültig. Nationalrat Hans Konrad Kramer, geboren<br />
11. Mai 1834, wünschte am 7. Januar 1893 samt seiner Frau Luise geborene Frei aus dem Bürgerverband<br />
entlassen zu werden, da ihm das Bürgerrecht der Stadt Zürich geschenkt worden sei. Es schenkte seinerseits<br />
zum Abschied der Schulgemeinde Fr. 500, welche dieses zum Kauf von Schulbänken verwenden wollte.<br />
Zuvor schon hatte er <strong>Volken</strong> „zur Erleichterung der Steuern― Fr. 2'500 und für die Unwettergeschädigten<br />
vom 9. Juni 1885 Fr. 50 geschenkt. - Leider gab auch Gustav Keller, Grossvater des Verfassers dieses<br />
Büchleins, am 13. Juni 1897, sein Volkemer Bürgerrecht auf.<br />
Die Neuzuzüger<br />
Noch am 24. März 1864 schrieb der <strong>Gemeinde</strong>rat in einer Stellungnahme zum vorgeschlagenen Gesetz<br />
über das <strong>Gemeinde</strong>wesen, „es kommen selten Einbürgerungen von Kantonsbürgern oder Niederlassung<br />
von Landesfremden vor“. Und am 12.Februar 1873 „wohnten keine kantonsfremden Familien in <strong>Volken</strong>.―<br />
Am 18. Juli 1877 beantragt der <strong>Gemeinde</strong>rat dem Bezirksrat Andelfingen als Antwort auf dessen Kreisschreiben,<br />
dass die Einkaufsgebühr für die Erwerbung des Bürgerrechts der <strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong> auf 100<br />
Franken festgesetzt werde, nämlich<br />
für das Kirchengut 10 Franken<br />
für das Armengut 40 Franken<br />
für das <strong>Gemeinde</strong>gut 30 Franken<br />
für das Schulgut 20 Franken<br />
Ab 1894 wurde <strong>Volken</strong> plötzlich zu einer <strong>Gemeinde</strong>, die erstaunlich oft von Vermittlern oder direkt von<br />
Ausländern angefragt wurde, ob diese das Volkemer Bürgerrecht erwerben könnten. Der Erste war ein<br />
Deutscher, F.D. in Zürich. Nachdem der <strong>Gemeinde</strong>rat aber feststellen musste, dass der Bewerber kein<br />
Vermögen besass und auch aus keiner besonders vermöglichen Familie stammte und damit für <strong>Volken</strong> kein<br />
Nutzen resultierte, wurde das Gesuch an der Sitzung vom 21. Januar 1894 abgelehnt.<br />
Am 25. Oktober 1897 empfahl der <strong>Gemeinde</strong>rat der nächsten <strong>Gemeinde</strong>versammlung vom 6. November<br />
1897 die Aufnahme von Theodor Waldemar Siegel in Danzig ins Bürgerrecht. Ebenso empfahl er die Aufnahme<br />
der Gebrüder Otto und Ludwig Vogelbacher von Wolpadingen, Grossherzogtum Baden, ins Bürgerrecht.<br />
Hingegen solle das Aufnahmegesuch der minderjährigen Brüder Emil und Hermann Vogelbacher<br />
abgewiesen werden. Am 24. November nahm der <strong>Gemeinde</strong>rat formal Kenntnis von der unbenützten Rekursfrist<br />
gegen den Beschluss der <strong>Gemeinde</strong>versammlung, die Gebrüder Otto und Ludwig Vogelbacher aus<br />
Wolpadingen und Waldemar Siegel aus Danzig, Preussen, ins Bürgerrecht aufzunehmen und beschloss, die<br />
entsprechenden <strong>Gemeinde</strong>versammlungsbeschlüsse mit den Akten an das Statthalteramt zur Weiterleitung<br />
an den Regierungsrat zu senden. - Auf ein entsprechendes Gesuch von Edmund Krenn aus Zürich wurde<br />
geantwortet, dass sein Gesuch abgelehnt worden sei, mit der Bemerkung, dass die <strong>Gemeinde</strong> vorderhand<br />
keine neuen Bürger mehr aufnehme.<br />
Ein Herr Th. Konrad Sulz in Bern fragte an, ob die <strong>Gemeinde</strong> nicht noch eine Anzahl Ausländer, welche<br />
das Schweizer Bürgerrecht erworben hätten, als Bürger aufnehmen würde. Ihm wurde am 1.September<br />
1898 der Beschluss vom 29. August 1898 übermittelt, dass jedenfalls von der <strong>Gemeinde</strong>versammlung die<br />
von ihm angegebenen Ausländer nicht angenommen würden, da die St<strong>im</strong>mung der Bürger so sei, dass nur<br />
ganz gut situierte Leute oder solche, die sicheres Auskommen hätten, angenommen würden. - Am 14. Januar<br />
1899 wurde eine ähnliche Anfrage von Herrn Karl Ochsner, Rechtsagent in St. Gallen, <strong>im</strong> gleichen<br />
Sinne beantwortet mit dem vielsagenden Zusatz: „Berücksichtigung finden könnten solche, welche neben<br />
der gewöhnlichen Einkaufsgebühr uns ein Geschenk von mindestens 800 Franken machten.“<br />
Noch zwei Bürgerrechtsgesuche wurden bis 1900 positiv entschieden, für einen Spengler aus Schüpfhe<strong>im</strong><br />
und eine Witwe aus Roveredo. Die übrigen wurden mit Hinweis auf die negative St<strong>im</strong>mung abgelehnt.<br />
47
Eidgenössische Volkszählungen<br />
1.12.1870 11.12.1880 1.12.1888<br />
Anzahl der Wohnhäuser 62<br />
Haushaltungen (1792: 56) 19 66 (1874: 57) 59<br />
Bewohnbare Räumlichkeiten 307<br />
Am Zählungstag anwesende Personen 295 272 267 (1900:248)<br />
männliche 146 145 144<br />
weibliche 149 127 123<br />
zusammenlebende Ehegatten 110<br />
nicht zusammenlebende Ehegatten 3<br />
verwitwete 16<br />
ledige 166<br />
<strong>Gemeinde</strong>bürger 258 227<br />
Bürger aus anderen <strong>Gemeinde</strong>n des Kantons 35<br />
Schweizerbürger 2<br />
In der <strong>Gemeinde</strong> geborene Einwohner 191<br />
Auswärts geborene Einwohner 76<br />
Protestanten 295 256<br />
Katholiken 3<br />
Andere Konfession 8<br />
Deutschsprechende Haushaltungen 66<br />
Fabrikgeschäfte: Mühlen, Säge 2<br />
Pferde kräfte 10<br />
Arbeiter männlich 3<br />
Vorübergehende Anwesende 3<br />
Vorübergehend Abwesende 57<br />
Waren also Ende 1870 noch 295 Personen in <strong>Volken</strong> anwesend, d.h. dass sie dort wohnten, so reduzierte<br />
sich ihre Anzahl in den nächsten 30 Jahren bis 1900, auf 248 Personen, ein Minus von <strong>im</strong>merhin 47 Menschen<br />
oder 16%, ein auch statistisch beachtlicher Rückgang, ganz zu schweigen von seiner menschlichen<br />
politischen und wirtschaftlichen Bedeutung.<br />
Der Druck oder Reiz zum Wegwandern verschonte auch die wohlhabenden und politisch wichtigen Familien<br />
nicht. Dies soll beispielhaft und stellvertretend für andere Geschlechter anhand des Schicksals der Familien<br />
der beiden politisch wichtigsten Brüder nach der Revolution von 1798, Heinrich Keller, erster Friedensrichter,<br />
und Hans Konrad Keller, erster <strong>Gemeinde</strong>ammann, gezeigt werden.<br />
19 Emil Stauber: Geschichte der Kirchgemeinde Andelfingen, 2. Band, Seite 938<br />
48
Die Familie von Heinrich Keller (20.September 1774 - 24.Dezember 1844)<br />
Er blieb hier Friedensrichter bis zu seinem Tod. Sein Sohn gleichen Namens zog 1856 <strong>im</strong> Alter von 52<br />
Jahren mit seiner Familie in die „Schmalzgrueb, Pfarrei Küsnacht―, einen kleinen Weiler auf dem Küsnachter<br />
Berg. Er war Landwirt. Am 31.1.1873 starb er. Seine Frau Anna, geborene Richi aus Flaach, starb ein<br />
gutes Jahr später. Warum er ausgerechnet in diesen kleinen Weiler Küsnachts zog, ist unbekannt.<br />
Seine sechs Kinder wurden alle in <strong>Volken</strong> geboren: Anna, geb. 28.2.1831, heiratete am 9.8.1855 einen<br />
Kaspar Schärer aus Horgen, wohnhaft in Zollikon; Barbara lebte vom 26.9.1833 bis 18.8.1865; Heinrich,<br />
geb. 26.4.1839; Susanna geb. 29.10.1840; Konrad lebte vom 18.11.1843 bis 21.5.1858; Ulrich, geboren<br />
1844, schliesslich Albert, geboren 4.12.1846. Er heiratete am 23.3.1873 Lina Peier, mit welcher er zwei<br />
Kinder hatte, Konrad Albert geboren 23.3.1873 und Sophia, geboren 4.5.1874. Sein neuer Wohnort schien<br />
ihm sehr zu behagen; seine Familie blieb in der Schmalzgrueb und erhielt das Küsnachter Bürgerrecht.<br />
Heinrichs und Annas Tochter Susanna war offenbar recht lebenslustig. Jedenfalls hatte sie, wie einschlägigen<br />
Gerichtsakten entnommen werden kann, am 26.2.1860 „fleischlichen Umgang― mit einem Knecht eines<br />
Bauern auf dem Küsnachter Berg, aus welchem ein Sohn Robert resultierte. Die elterliche Gewalt und<br />
die Standesfolge wurden ihr zugesprochen. Im Februar 1870 zog sie nach Zumikon und heiratete am 7.<br />
November 1870 Konrad Schuler aus <strong>Volken</strong> in der damals neuen und als Heiratskirche populären Kirche<br />
Neumünster in Zürich.<br />
Die Familie Schuler: Sie waren alle Seidenweber von Beruf. Der 45 Jahre alte Hans Ulrich war in erster<br />
Ehe mit Anna Bretscher aus Dorf verheiratet. Er war nicht gerade gern gesehen, war er doch wegen Urkundenfälschung<br />
und Falschmünzerei vorbestraft. Als er 1855 Haus und Äcker verkaufte, zwang ihn der Vater<br />
seiner ersten Frau mittels einer Klage vor Gericht, vom Frauengut 400 Franken für die Kinder separat zu<br />
versichern. Gemäss <strong>Gemeinde</strong>rats-Protokoll soll er aus dem Erlös ein Kleingewerbe in Küsnacht gekauft<br />
haben, möglicherweise auf dem Küsnachter Berg die nur 700 Meter von der Familie Keller entfernte Wolentberen<br />
(heute ein Einzelhaus mit Sägerei). Dorthin zog er mit seinen beiden Kindern Anna und Konrad,<br />
gleichzeitig mit der Familie von Heinrich Keller. Im Protokoll der <strong>Gemeinde</strong>versammlung <strong>Volken</strong>s vom<br />
16. Februar 1861 liest man, dass „Hans Ulrich Schuler, Seidenweber, in Wollentbehren, ein Gesuch um<br />
Unterstützung stellte, wegen seines Brandunglücks“. Die <strong>Volken</strong>er lehnten ab, waren sie doch von seinem<br />
Ruf alles andere als begeistert. Er verstarb am 17. Mai 1867 und hinterliess einen überschuldeten Nachlass.<br />
Der <strong>Gemeinde</strong>rat von <strong>Volken</strong> verzichtete zugunsten der Witwe und der damals noch unmündigen Kinder<br />
auf die Geltendmachung seiner Ansprüche. Die Witwe Schuler zog hierauf zur Familie des Heinrich Keller<br />
in die Schmalzgrueb. Offenbar war noch viel Arbeit zu erledigen, denn ein Hans Jacob Schneider aus Volketswil<br />
stiess am 3. November 1867 zur Witwe Schuler und blieb bis Mitte Mai 1870 bei ihr, also bis kurz<br />
vor der Hochzeit des Sohnes Konrad mit Susanna Keller.<br />
Foto: www seeland.net/museum/<br />
bauern/bau29.htm<br />
Die Tochter Anna arbeitete als Weberin <strong>im</strong> Küsnachter Berg in Einzelhöfen:<br />
bei Jakob Bruppacher <strong>im</strong> Wieserholz, bei Schulthess in der<br />
Wangenwies, bei Fenner in der Wies und bei Heinrich Uster <strong>im</strong> Hesliben,<br />
einem Einzelhof südlich vom Holletsmoos, dem heutigen<br />
Schiessstand.<br />
Der Sohn (Hans) Konrad lernte sein Gewerbe zuerst in Fällanden,<br />
dann als Kostgänger bei Rud. Hardmeyer <strong>im</strong> Heslibach, d.h. er arbeitete<br />
und wohnte bei Hardmeyers. Dann ging er als Weber zu Ulrich<br />
Wettstein und zog schliesslich, am 3. März 1869 zu Heinrich Keller<br />
in die Schmalzgrueb. Dessen Tochter heiratete er bekanntlich am 7.<br />
November 1870. Das junge Paar hatte zuerst unglückliche Zeiten,<br />
denn ihre ersten beiden Kinder Albert und Anna starben kurz nach<br />
ihrer Geburt. Konrad zog mit seiner Familie und seiner Stiefmutter <strong>im</strong><br />
Juli 1871 zur „Wies, Forch―, wo bereits seine Schwester Anna bei<br />
Fenners wohnte. Am 12. Oktober 1875 kam Anna Maria zur Welt,<br />
und einige Monate später übersiedelte die ganze Familie nach Zumikon.<br />
1887 zog die Familie Schuler nach Küsnacht-Itschnach. Dann<br />
verlieren sich ihre Spuren. Die unselige Umsetzung unseres Datenschutzgesetzes<br />
verhindert weitere Nachforschungen.<br />
49
Die Familie von Hans Konrad Keller (28. Februar 1779 – 23. Juni 1821<br />
Als die helvetische Revolution 1798 über die Schweiz hereinbrach, war Hans Konrad Keller gerade 19<br />
Jahre alt. Wie dem Verzeichnis der Patentgesuche für die Führung einer Weinschenke zu entnehmen ist, hat<br />
er um 1798 eine Weinschenke eröffnet, mangels zuständigen Ämtern ohne Bewilligung, sie aber offenbar<br />
klaglos geführt. Seine Eltern verstarben beide 1808. Sie konnten noch erleben, dass Hans Conrad 1805 zum<br />
ersten <strong>Gemeinde</strong>ammann <strong>Volken</strong>s gewählt wurde. Dieses Amt hatte er 9 Jahre inne. 5 Jahre nach dem Tod<br />
seiner Eltern heiratete er Susanna Gisler, mit der er drei Kinder hatte, Johann Conrad, Anna Barbara und<br />
Susanna.<br />
Neben seiner gemeindepolitischen Tätigkeit war er Bäcker (genannt „Oberbeck―) und Bauer und betrieb<br />
eine Weinschenke. Ihm gehörten ein Wohnhaus (mit Weinschenke, dem heutigen Restaurant Post), ein<br />
Waschhaus und eine Trotte <strong>im</strong> Zentrum <strong>Volken</strong>s.<br />
Über seine letzten Jahre ist nichts bekannt. Er verstarb am 23. Juni 1821 <strong>im</strong> Alter von 42 Jahren an „Steckfluss―,<br />
d.h. Bronchitis oder Lungenentzündung, was eine vorangegangene längere Krankheitszeit wahrscheinlich<br />
macht. Das dritte Kind, Susanna, kam zwei Tage vor seinem Tod, am 21 Juni 1821, zur Welt<br />
und verstarb einen Tag nach seinem Tod, am 24. Juni 1821. Beide wurden gemeinsam am Donnerstag, 28.<br />
Juni 1821, beerdigt. Der Pfarrer schrieb als Todesursache des dreitägigen Säuglings: „Schwächling―. Es ist<br />
möglich, dass beider Schwäche dieselbe Ursache hatte und beide am selben Infekt gestorben sind.<br />
Das heisst folgerichtig, dass seine Frau Susanna schon vor und dann auch während ihrer Schwangerschaft<br />
für ihren Mann, seine Arbeit, ihre beiden Kleinkinder sorgen und schliesslich Mann und Neugeborenes<br />
hergeben musste. Sie musste eine ungeheure seelische und körperliche Belastung auf sich nehmen und<br />
durchstehen.<br />
Es ist heute kaum mehr vorstellbar, was sie damals durchmachte: selber von der gewaltigen Arbeit und<br />
Sorge gezeichnet, zwei Kleinkinder, einen Bauernhof, eine Weinschenke (die sie tapfer weiterführte), und<br />
nun nicht mehr die Frau des Alt-<strong>Gemeinde</strong>ammanns und geachteten Bauern, Wirts und Bäckers, sondern<br />
Witwe. Damals hatten Frauen wenig Rechte und Ansehen. Letzteres war stark von der Stellung des Mannes<br />
abhängig. Eine Sozialversicherung gab es ja noch lange nicht. Doch in ihrem Fall spielte die Solidarität <strong>im</strong><br />
Familienverband. Ihr Bruder wurde zu ihrem Beistand ernannt. Heinrich Keller, Bruder des Verstorbenen<br />
und Friedensrichter, wurde Vogt (Vormund) der Kinder. Beide verzichteten jeweils auf die ihnen von Gesetzes<br />
wegen zustehende Funktionsvergütung. Ihr relativer Wohlstand gestattete es ihnen, nicht um Hilfe<br />
von der <strong>Gemeinde</strong> nachsuchen zu müssen.<br />
Gezeichnet von Mariana Fedorova, Zürich<br />
50
Johann Conrad Keller (28. Januar 1817 – 7. März 1888)<br />
Johann Conrad Keller wurde bekanntlich mit knapp 4 ½ Jahren Waise. Seine Geburt fiel in die Zeit einer<br />
allgemeinen Hungerkrise. Die Arbeiten auf dem Feld und <strong>im</strong> Rebberg waren mangels technischer Hilfsmittel<br />
äusserst anstrengend. Seine Mutter Susanna führte den Bauernbetrieb mit Wiesen, Äckern, Wald und<br />
Reben weiter, ebenso die Weinschenke. Man kann füglich annehmen, dass Johann Conrad rasch in Haus<br />
und Hof mithalf.<br />
Dennoch holte er sich eine gute Schulbildung. Die Stellung und Tätigkeit seines früh verstorbenen Vaters<br />
schien ihn zu verpflichten und anzuspornen, sich frühzeitig der Dorfpolitik zuzuwenden. So erschien er, 23<br />
Jahre alt, in der Vormundschaftsrechnung vom 11. August 1840 für die Jahre 1837 bis 1839 als zwar noch<br />
bevormundet, aber doch schon als <strong>Gemeinde</strong>schreiber, der seit mehr als einem Jahr <strong>im</strong> Amt ist(!). Bei dieser<br />
Gelegenheit baten seine Mutter und er angelegentlich um Entlassung aus der Vormundschaft. Dies wurde<br />
ihnen gewährt, „da sowohl der Witwe als auch den Vogtkindern―, d.h. ihm und seiner Schwester Annebärbeli,<br />
„in jeder Hinsicht haushälterisches Betragen nirgends abgeht, sodass für die Zukunft für dieselben<br />
weder in ökonomisch noch in moralischer Hinsicht auf ihre Existenz auch ohne weitere Bevogtetung<br />
gar keine Besorgnis obwalte“. Ein sehr gutes Leumundszeugnis also. Bereits in der vorangegangenen<br />
Vormundschaftsrechnung vom 3. März 1838 (Johann Conrad war knapp 21 Jahre alt) wurde der Familie<br />
attestiert, dass sie fähig sei, ihre Güter ohne weitere Aufsicht und Bewilligungspflicht zu bewirtschaften.<br />
Trotz seines Alters wurde Johann Conrad noch „Vogtknab― genannt.<br />
Am 11. August 1840 genehmigte der <strong>Gemeinde</strong>rat <strong>Volken</strong>s den „angelegentlichen Antrag auf Entlassung<br />
aus der Vormundschaft― von Vormund und Mutter, unter Vorbehalt der Zust<strong>im</strong>mung des loblichen Bezirksrates.<br />
Johann Conrad scheint keine Zeit verloren zu haben. Das Wohnhaus mit Weinschenke wurde<br />
ausgebaut, es wurden eine Scheune und eine Stallung angebaut und deshalb die Gebäudeschatzung des<br />
Hauses 40A von 3200 Gulden auf 4000 Gulden erhöht. Im Wohnhaus der Familie befand sich ja auch die<br />
Weinschenke, der Gastraum des heutigen Restaurants Post. Das Waschhaus Liegenschaft 40B erhielt zusätzlich<br />
einen Schweinestall. Die Trotte Haus Nr. 41 wurde ebenfalls neu geschätzt, sicherlich auch hier<br />
wegen eines Ausbaus. Aus dem Blatt der Kantonalen Gebäudeversicherung geht nicht hervor, ob die nun<br />
detailliert aufgeführten Werkzeuge, die für das Verarbeiten der Trauben benötigt wurden, neu waren oder<br />
lediglich erstmals in allen Einzelheiten aufgeführt wurden.<br />
In der Schluss-Haushalts-Rechnung der Vormundschaft vom 30. März 1842 steht geschrieben, dass er Seckelmeister,<br />
d.h. für die Finanzen zuständiger <strong>Gemeinde</strong>rat der <strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong>, war. Die „bevogteten<br />
Kinder― wurden auf ihr Ersuchen hin aus der Bevormundung entlassen (nochmals!), da sie ihr Mündigkeitsalter<br />
erreicht hätten. Johann Conrad war nun zusammen mit seiner Mutter selbständiger Bauer, Winzer,<br />
Bäcker und Weinschenk. Er spielte in <strong>Volken</strong> zu seinen Lebzeiten eine grosse Rolle in der <strong>Gemeinde</strong>politik.<br />
So war er mit 23 Jahren <strong>Gemeinde</strong>schreiber, kurz darauf <strong>Gemeinde</strong>rat und gleich Seckelmeister,<br />
1847 – 1850 <strong>Gemeinde</strong>präsident, 1853 – 1856 sowie 1863 – 1865 <strong>Gemeinde</strong>ammann. Daneben hatte er das<br />
Amt eines Feuerwehrkommandanten inne und von 1867 bis 1888 das des Posthalters. Während seinem<br />
ganzen Erwachsenenleben war er „Weinschenk― <strong>im</strong> Restaurant Post, das als einziges aller Weinschenken<br />
des <strong>19.</strong> <strong>Jahrhundert</strong>s heute noch existiert und auch unter der Familie Erb wegen seiner hervorragenden<br />
Küche und sauber gekelterten Weinen, aber auch als Informationszentrum <strong>im</strong>mer noch eine wichtige Rolle<br />
spielt.<br />
Mit Ausnahme der ältesten Tochter, die kurze Zeit nach ihrer Heirat in Zollikon wieder zurückkehrte, verliessen,<br />
wie nachstehend beschrieben, sämtliche Kinder <strong>Volken</strong>.<br />
51
Der Wegzug der Nachkommen Johann Conrad Kellers<br />
Der Wandertrieb der Nachkommen von Johann Conrad Keller ist <strong>im</strong> <strong>Gemeinde</strong>archiv von <strong>Volken</strong> gut dokumentiert.<br />
Wer wegziehen wollte, musste einen He<strong>im</strong>atschein beantragen, so wie heute eine Identitätskarte<br />
oder ein Pass nötig ist. Das Ziel des Weggangs wurde unter der Rubrik „Visa― festgehalten. Folgende<br />
Anträge auf Ausfertigung eines He<strong>im</strong>atscheins sind <strong>im</strong> <strong>Gemeinde</strong>archiv <strong>Volken</strong>s verzeichnet:<br />
Anna Keller:<br />
Sie bekam am 13. Mai 1874 He<strong>im</strong>atschein Nr. 95,Visa Schaffhausen, gab ihn rasch wieder ab, kehrte am<br />
23. Mai nach Schaffhausen zurück (wohl zu ihrem Bruder, der in Schaffhausen Grossmetzger war) und<br />
heiratete am 9. Mai 1875 Albert Ernst in Zollikon. Ihre Ehe wurde auf ihre Klage hin am 22.9.1877 vom<br />
Obergericht wegen Unzumutbarkeit geschieden. Sie kehrte nach <strong>Volken</strong> zurück und heiratete am 29. August<br />
1878 den Witwer Conrad Gisler, der seinen Sohn Johann Conrad in die Ehe brachte, den Stammvater<br />
der Blapps.<br />
Susanna Luise Keller:<br />
Ihr wurde am 26. Juni 1865 He<strong>im</strong>atschein Nr. 11 ausgestellt, Visa Winterthur, ledig. Dort heiratete sie am<br />
13. März 1871 Johann Konrad Ammann und blieb in Winterthur.<br />
Johann Conrad Keller:<br />
Er erhielt am 17. Januar 1870 den He<strong>im</strong>atschein Nr. 38,Visa innerhalb dem Kanton und am 23. August<br />
1877 He<strong>im</strong>atschein Nr. 144 Visa Schaffhausen. Allerdings hatte er schon am 16. August 1877 in Schaffhausen<br />
(Rosette) Rosa Schenk von Eggiwil BE geheiratet. Er wurde ein erfolgreicher Grossmetzger in dieser<br />
Stadt. Seine Nachkommen zogen nach Genf, Liestal und nach Kanada.<br />
Johann Hermann Keller:<br />
Er verreiste am 3. Januar 1869 nach Winterthur, kehrte aber <strong>im</strong> Mai 1869 zurück 20 . Ferner erhielt er am 30.<br />
April 1870 den He<strong>im</strong>atschein Nr. 45, Visa ausser Kanton, ledig. Er verdiente sein Geld als Weinhändler in<br />
Genua und nahm nach seiner Rückkehr nach Neuenburg seine Mutter zu sich. Da die Mutter nach dem Tod<br />
ihrer Tochter Anna starb, war niemand mehr in <strong>Volken</strong> oder Flaach, der ihr Grab hätte besorgen können.<br />
Deshalb arrangierte er, dass sie in Neuenburg begraben werde. Ein Legat sorgte für die Bepflanzung während<br />
der ganzen Liegedauer des Grabes. Nachher zog er über La-Tour-de-Peilz nach Siders. Von ihm wird<br />
gesagt, dass er Genf und Lausanne mied, da ihm der Wind zu kalt war. Als er in La-Tour-de-Peilz wohnte<br />
und einmal zur <strong>Gemeinde</strong>verwaltung ging, musste er sich als Deutschschweizer am Schalter „Etrangers―<br />
anstehen. Das ärgerte ihn derart, dass er ins Wallis zog.<br />
Gustav Keller:<br />
Er scheint der wanderfreudigste Nachkomme gewesen zu sein, denn er erhielt am 30. Juni 1875 einen He<strong>im</strong>atschein,<br />
Bemerkung „Bäcker, ledig―, Visa ausserhalb des Kantons, gab ihn wieder zurück und nahm ihn<br />
am 17. August 1879 wieder in Empfang. - Am 29. September 1882 schrieb er der <strong>Gemeinde</strong>kanzlei, er sei<br />
in La-Tour-de-Peilz und hätte seinen He<strong>im</strong>atschein anlässlich eines Truppenzusammenzugs verloren. Kurz<br />
darauf erhielt er den He<strong>im</strong>atschein Nr. 186, Visa Le Fleur, Waadt, gültig für 6 Wochen und am 25. November<br />
1882 bekam er den He<strong>im</strong>atschein Nr. 187, erneut Visa Le Fleur, Waadt. Das Staatsarchiv des Kantons<br />
Waadt stellt auf Anfrage allerdings fest, dass es ein Le Fleur VD weder gibt noch gab und dass für<br />
einen Gustav Keller, Bäcker, in dieser Zeit weder eine Aufenthalts- noch eine Arbeitsbewilligung <strong>im</strong> Kanton<br />
Waadt ausgestellt wurde! Ob er in diesen Jahren wieder auf die Walz nach Deutschland zog, wie seine<br />
Tochter berichtete, bleibt sein Gehe<strong>im</strong>nis.<br />
Dieser He<strong>im</strong>atschein wurde am 12. März 1886 zurückgegeben und gleichentags gegen den He<strong>im</strong>atschein<br />
Nr. 202, Visa Zürich, ausgetauscht. Am 11. März 1886 heiratete Gustav Emma Ehrensperger in Winterthur.<br />
Zehn Jahre später zog er nach Zürich. 21<br />
20 StAZH E III 42 14 (Abwesende in <strong>Volken</strong>)<br />
21 Gemäss Protokoll des Zürcher Stadtrates vom 5. Mai 1897 über die Gewährung des Bürgerrechts<br />
52
Anhang<br />
Das Blatt der Kantonalen Gebäudeversicherung für das Haus Restaurant Post 22<br />
Diese Liste zeigt, wie sich der Assekuranzwert der Liegenschaft in den Jahren 1812 bis 1841 stetig erhöhte<br />
und so den Wertzuwachs des Hauses reflektierte. 1841 wurde nicht nur das Gebäude, sondern neu die angebauten<br />
Scheune und „Bestallung― mitversichert. Angemerkt wurde: „wegen Reparatur in Schatzung<br />
genommen“. Nach der Einführung des Schweizerfrankens wurde mit der ersten darauf folgenden Eintragung,<br />
1853, der Assekuranzwert umgestellt von 4000 Gulden auf 8800 Franken, mit der Bemerkung, die<br />
Liegenschaft sei mit Haus Nr. 41 zusammengebaut, dem Trotthaus mit Trottwerk. Die Trotte gehörte 1812<br />
– 1841 dem <strong>Gemeinde</strong>ammann Hans Conrad Keller resp. seiner Witwe und seinem Bruder Heinrich je<br />
hälftig und ab 1845 ganz ihrem Sohn Johann Conrad Keller. Im Versicherungswert inbegriffen sind ab<br />
diesem Datum Trottgebäude und Trottwerk mit Trottbett, Krebs, Stud, Trottbaum, Mutter und Spillen.<br />
1871 wurde ein unterkellerter Schopf angebaut. Sein Versicherungswert: Fr. 800. –<br />
Am 9. Mai 1887, kurz vor dem Tod von Johann Conrad Keller, wurde die Liegenschaft an Konrad Erb,<br />
Abrahamen sel. Sohn, verkauft. Umschrieben wird sie mit „1 Wohnhaus, 1 Scheune und Stall, 1 Schopfanbau<br />
mit Keller“ sowie 1 Waschhaus mit Schweineställen und 1 Trotthaus mit Trottwerk“. Da 1888, am<br />
Ende der „Grossen Depression des <strong>19.</strong> <strong>Jahrhundert</strong>s―, Krise herrschte und <strong>im</strong> Weinbau die Reblaus und der<br />
falsche Mehltau die Ernten zu zerstören begannen, waren die Land- und Liegenschaftenpreise rückläufig.<br />
Im Handänderungsvertrag wurde denn auch festgehalten, dass die „Assekuranzanschläge zufolge niedrigen<br />
Kaufswerthes eine Reduktion erleiden werden“.<br />
22 StAZH RR I 352a, Blätter der Kantonalen Gebäudeversicherung ab 1808<br />
53
Mitglieder des <strong>Gemeinde</strong>rats<br />
S = Seckelmeister FrR = Friedensrichter<br />
Präsident Seckelmeister Mitglied<br />
1805 Heinrich Schuler Hans Conrad Keller Conrad Gisler<br />
1806 Hans Conrad Keller Conrad Gisler Joh. Keller, Tischmacher<br />
1807 „ „ „<br />
1808 „ „ „<br />
1809 Joh. Jacob Hatt Heinrich Schuler Heinrich Keller Fr.R.<br />
1810 Heinrich Keller FrR Heinrich Ritzmann<br />
1811 Joh. Jacob Hatt „ „<br />
1812 „ „ Jacob Gisler, Schuster<br />
1813 „ Conrad Schuler „<br />
1814 Joh. Jacob Hatt „ „<br />
1815 „ „ Heinrich Wegmann<br />
1816 Joh. Jacob Hatt „ „<br />
1818 „ „ „<br />
1819 „ „ „<br />
1820 „ „ Heinrich Gisler<br />
1821 „ „ „<br />
1822 J.J. Hatt, Oberamtsrichter Heinrich Gisler Heinrich Keller alt<br />
Fr.R.<br />
1823 „ „ „<br />
1824 Heinrich Keller auch S FrR Joh. Schuler, Schneider Conrad Gisler<br />
1825 „ „. „<br />
1826 „ „ „<br />
1827 „ „ „<br />
1828 „ „ Joh. Schuler<br />
1829 „ „ „<br />
1830 „ „ „<br />
1831 Konrad Schuler „ Heinrich Ritzmann<br />
1831 „ „ „<br />
1832 „ „ „<br />
1833 „ Johannes Schuler „<br />
1834 „ „ „<br />
1835 „ „ Conrad Keller, Tischmacher<br />
1836 „ „ „<br />
1837 „ „ „<br />
1838 „ „ „<br />
1839 Heinrich Kramer „ Hans Konrad Erb<br />
1840 Jakob Gisler „ „<br />
1841 „ Johann Conrad Keller „<br />
1842 „ „ „<br />
1843 Johannes Kramer „ Conrad Keller, Tischmacher<br />
1844 „ „ „<br />
1845 „ Johannes Keller, Küfer „<br />
1845 „ „ „<br />
1846 „ „ „<br />
1847 Joh.Con.Keller, auch S „ Salomon Ruf<br />
1848 „ „ Jakob Ritzmann, Weber<br />
1849 „ Konrad Saller „<br />
1850 „ „ Heinrich Erb<br />
54
Präsident Seckelmeister Mitglied<br />
1851 Heinrich Erb „ Johann Schuler<br />
1852 „ „ „<br />
1853 „ Heinrich Ritzmann „<br />
1854 „ „ „<br />
1855 Konrad Ruff Schulverwalter „ Konrad Bucher Vizepräsident<br />
1856 „ „ „<br />
1857 „― Heinrich Keller Conraden „<br />
1858 „ „ „<br />
1859 Konrad Bucher/Martin Keller „ Konrad Ruff Schulverwalter<br />
1860 Martin Keller „ „<br />
1861 „ Hch.Keller/Salom.Ruff<br />
1862 „ Salomon Ruff „<br />
1863 „ „ Heinrich Erb<br />
1864 „ „ „<br />
1865 „ „ „<br />
1866 „ „ „<br />
Am 10 Juni 1866 wurden erstmals 5 <strong>Gemeinde</strong>räte gewählt<br />
Präsident Mitglied Mitglied Mitglied Mitglied<br />
1867 Jakob Ritzmann Konrad Morgen Heinrich Saller Konrad Schuler Heinrich Ritzmann<br />
1868 „ „ „ „ „<br />
1869 „ „ „ „ „<br />
1870 Heinr. Ritzmann „ „ „ Rudolf Ruff<br />
1871 „ „ „ „ „<br />
1872 „ „ „ „ „<br />
1873 „ „ „ „ „<br />
1874 „ „ „ Eduard Saller Heinrich Keller<br />
1875 „ „ „ „ „<br />
1876 „ Konrad Keller Konrad Keller<br />
„ Heinrich Gisler<br />
Weber<br />
Rafzers/Weibel<br />
1877 Jakob Gisler<br />
„ „ „ Jakob GislerSchul-<br />
Schuster<br />
pfleger<br />
1878 „ „ „ „ „<br />
1879 „ „ „ „ „<br />
1880 Ulr. Wegmann „ „ „ Johannes Keller<br />
1881 „ „ „ „ „<br />
1882 „ „ „ „ „<br />
1883 Heinr. Ritzmann Ulr. Wegmann Konrad Erb „ Ulrich Messmer<br />
1884 „ „ „<br />
1885 „ „ „<br />
1886 Albert Keller Jakob Büchi jun „ Johannes Schuler Jakob Gisler<br />
1887 „ „ „ „ „<br />
1888 „ „ „ „ „<br />
1889 „ „ „ Eduard Saller Gottfried Schuler<br />
1890 „ „ „ „ „<br />
1891 „ „ „ „ „<br />
1892 „ „ „ Konrad Gisler „<br />
1893 „ „ „ „ „<br />
1894 „ „ „ „ „<br />
1895 „ Eduard Saller „ „ „<br />
1896 „ „ „ „ „<br />
1897 „ „ „ „ „<br />
1898 „ Konrad Ritzmann Heinrich Saller Jakob Gisler „<br />
1899 „ „ „ „ „<br />
1900 Albert Keller Konrad Ritzmann Heinrich Saller Jakob Gisler Gottfried Schuler<br />
55
<strong>Gemeinde</strong>archiv <strong>Volken</strong>, Signatur I B 17<br />
Grundzins-Loskaufs-Vertrag vom 27.3.1847<br />
Kanton Zürich. Namens sämtlicher Inhaber der St. Katharinenthalischen Erblehen-Güter daselbst hat unterm<br />
1. (A) dies durch die hierfür beauftragten Herren Kantonsrat Hatt Müller und alt Seckelmeister Keller,<br />
Weinschenk in <strong>Volken</strong>, bei der Klosterverwaltung St. Katharinenthal die Erklärung gemacht, die an dieselben<br />
schuldigen Grundzinse in moderiertem Anschlage kapitalisieren und ablösen wollen.<br />
Diesem zufolge hat die besagte Verwaltung auftragsgemäss, unter Ratifikationsvorbehalt, mit derselben<br />
gegenwärtige Übereinkunft getroffen und abgeschlossen.<br />
§1<br />
Die e. <strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong> hat von den daselbst gelegenen St. Katharinenthalischen Erblehen-Gütern laut<br />
Rechnung und Grundzinsbuch fol. 129/130 an das Gotteshaus St. Katharinenthal alljährlich sammthaft zu<br />
entrichten<br />
a) Kernen zwanzig und zwei Mütt, alt Winterthurer Mass<br />
b) Haber neunzehn Mütt, alt Winterthurer Mass<br />
c) Fasnachtshühner drei Stück )<br />
d) Herbsthühner sechs Stück ) oder an Geld fl.3 Kr 52 ½ RW<br />
e) Eier zweihundert und zehn Stück )<br />
f) Heugeld zwei Gulden fl 2 Kr. – R.W. [rheinische Währung].<br />
§2<br />
Diese Grundzinsschuldigkeiten werden hiermit in gütlichem Verständnis kapitalisiert zu<br />
fl 4’500.— mit Worten<br />
Gulden viertausend fünfhundert R.W. [Rheinische Währung]<br />
Diese Summe verpflichtet sich die e. <strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong> anmit dem ehrw. Gotteshaus St. Katharinenthal<br />
nebst betreffendem Zins von Martini 1846 an in fünf gleichen Würfen, als auf Martini 1847, 48, 49, 50 und<br />
1851 jeweils sammethaft und unzertrennt aus einer Hand in groben guten Silberwerten nach der <strong>im</strong> Kanton<br />
Thurgau gesetzlich best<strong>im</strong>mten Währung, ohne allen Abzug, für was <strong>im</strong>mer und frei, vollständig und unklagbar,<br />
abzuzahlen.<br />
§3<br />
Der Zinsfluss wird für den Fall, dass die anbedungenen Zuflüsse von alljährlich richtig und unklagbar auf<br />
die Verfallzeit vollständig entrichtet werden, zu vier vom Hundert bewilligt; sollten die schuldigen Leistungen<br />
jedoch ganz oder theilweises von Martini an über sechs Wochen ausstehen bleiben, so kann der Zins<br />
zu 4 ½% und nach Verfluss von weiteren sechs Wochen aber zu 5% begehrt und eingefordert werden.<br />
§4<br />
Bis zur gänzlichen Abzahlung von Kapital, Zins und Kosten bleiben dem ehrw. Gotteshause St. Katharinenthal<br />
seine bisherigen Rechte ungeschmälert und ohne Eintrag vorbehalten, und so haben demselben die<br />
e. <strong>Gemeinde</strong> sowohl als sämtlich betreffende Einzinse samt den <strong>im</strong> Loskauf begriffenen Grundstücken<br />
solidarisch für alle unbedingt zu haften und einzustehen.<br />
56
§5<br />
Die Klosterverwaltung hat sich für die gegenwärtige Übereinkunft die Ratifikation des tit. Kleinen Rathes<br />
des Kantons Thurgau vorbehalten.<br />
Dessen zur Urkunde ist gegenwärtiger Loskaufs-Vertrag von dem Herrn D. Rogg von Frauenfeld, namens<br />
der ehrw. Klosterverwaltung sowohl, als der e. Vorsteherschaft der e. <strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong> namens derselben<br />
durch eigenhändige Unterzeichnung und Besiegelung bekräftigt worden, so geschehen zu St. Katharinenthal<br />
– <strong>Volken</strong>, den 27. März 1847.<br />
Namens der Klosterverwaltung Namens der e.<strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong><br />
Der Gemeinds-Präsident Joh. Kramer<br />
Der <strong>Gemeinde</strong>raths-Schreiber Kündig<br />
Die Aechtheit der Unterschriften des Herrn Präsidenten Kramer und <strong>Gemeinde</strong>rathsschreiber Kündig<br />
Beglaubigt<br />
Andelfingen, den 9. April 1847<br />
Der Bezirksratschreiber Schenk<br />
Ratification<br />
Der Kleine Rath des Kantons Thurgau hat durch Reg<strong>im</strong>inal und Entschluss dd. 24. April 1847 §1149 dem<br />
gegenwärtigen Vertrag die vorbehaltene Ratification erteilt.<br />
Die Klosterverwaltung setzt hiervon die ehrh. <strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong> unter Zufertigung eines Vertrags-<br />
Duplicats offiziell andurch in Kenntnis, womit der in §5 enthaltene Vorbehalt zurückgezogen und vorstehender<br />
Vertrag als in allen Best<strong>im</strong>mungen allseitig bindend in Rechtskraft erwachsen erklärt ist.<br />
St. Catharinenthal, den 29. April 1847<br />
Für die Klosterverwaltung<br />
Dr. Rogg<br />
57
Auszug aus dem Protokoll der <strong>Gemeinde</strong>versammlung vom 10. Juni 1854<br />
Rekursbeantwortung mit Angaben über die Salärstruktur eines <strong>Gemeinde</strong>schreibers<br />
Nach 7.: An der <strong>Gemeinde</strong>versammlung vom 3. Juli wurde vorstehendes Protokoll ratifiziert mit der Bemerkung,<br />
dass dem Konrad Bucher seine Bemerkung betreffend Ausstand des Armenpfleger Keller während<br />
der Beratung des Rekurses von seinem Sohn <strong>Gemeinde</strong>ratschreiber Keller wörtlich an das Protokoll<br />
fallen solle so wie auch die Beantwortung die Beantwortung des Rekurses welche also lauten.<br />
Bucher äusserte sich vor der Bürgerschaft, dass er glaube, Armenpfleger Keller als Vater des Rekurrenten<br />
gehöre während der Beratung, wie der Rekurs beantwortet werden müsse, in Ausstand, worauf sich Armenpfleger<br />
Keller ohne darüber beschlossen zu haben ebenfalls äusserte, er wolle in Ausstand, bevor wolle<br />
er aber der Bürgerschaft seine Ansicht mitteilen.<br />
Beantwortung des Rekurses gegen den Abschied der <strong>Gemeinde</strong>versammlung vom 16. März 1854:<br />
An den löblichen Bezirksrat Andelfingen<br />
Tit.<br />
Der Rekurs des <strong>Gemeinde</strong>ratschreiber Keller gegen den Abschied der <strong>Gemeinde</strong>gutrechnung vom Jahr<br />
1853 wird hiemit beantwortet wie folgt:<br />
1. Der Rekurrer ist die fixe Besoldung des ehemaligen <strong>Gemeinde</strong>ratschreibers nicht um 42 Batzen zu<br />
hoch gerechnet, von 52 Wochen mit 11 Fr 67 Batzen damals besoldet worden. Die Besoldung beträgt<br />
vom 1st. Januar 1853 bis 11ten Juni 1853 5 Fr. 28 Batzen, mithin wären nur 10 Batzen zuviel,<br />
welche zurückerstattet werden.<br />
2. dass der Rekurent 11 Batzen zu viel vergüten soll, ist nicht der Fall, da seine Amtsdauer lt. Beleg<br />
11 vom 14. Juni 1853 angaht und bis den 31 Dezember 1853 28 Wochen 5 Tage andauerte, und<br />
die jährliche Besoldung wie sich der Rekurent gemeldete 6 fr. 67 Rp beträgt, so sind wirklich 47<br />
Rp zu viel berechnet.<br />
3. das bei speziellen Nota das Wortprotokoll als Form beizufügen nötig sei ist keineswegs der Fall, es<br />
scheint von dem Rekurenten mehr Ehrgeiz zu sein, sonst würde er diese Rüge nicht als Neckerei<br />
betiteln.<br />
4. haben die früheren Schreiber für 1 Wahlprotokoll 10 Schilling oder 60 Batzen zu beziehen gehabt<br />
lt. Beleg 23 das 52 gr Rechnung das Protokollieren müsste für die fixe Besoldung geschehen, der<br />
Rekurent stützt sich auf §45 des Spertelgesetzes, wann er sich aber genau an den § gehalten hätte,<br />
so wäre es dennoch auf 1 Fr. 50 gestiegen. Es wurde daher bloss die Ausgabe für Protokollieren<br />
gerügt. Die Angabe, dass für das Prinzip der Leidenschaft solche Bemerkungen zu machen wird<br />
dem Rekurent als Grobheit angerechnet.<br />
5. Gibt der Rekurent dem wohllöbl. Bezirksrat Unwahrheit an dass ihm für Schreibarbeiten nur 1 Fr.<br />
80 Batzen gutgeheissen seien. Da lt Beilage 16 3 Fr. 60 Rp angerechnet sind, nicht bloss 3 fr 20<br />
Rp, wie <strong>im</strong> Rekurs angegeben ist. Es ist auch Unwahrheit, das für das Jahr 1852 5 Fr. für Schreibmaterialien<br />
als <strong>Gemeinde</strong>schreiber angerechnet seie sondern es sind unter diesen auch die<br />
Schreibmaterialien als <strong>Gemeinde</strong>schreiber inbegriffen lt. Beilage 23 der 52 gr. Rechnung.<br />
6. dass der Rekurent sich auf andre <strong>Gemeinde</strong>n stützt, das die dortigen Schreiber für Führung der<br />
Brandsteuer-Register belohnt werden, kümmert es die <strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong> nicht, was dieselben reichern<br />
<strong>Gemeinde</strong>n aus Gutherzigkeit tun. Bis anhin haben <strong>Gemeinde</strong>ratschreiber dieses für die fixe<br />
Besoldung tun müssen und es ist auch keine solche Angabe in frühere Rechnungen gebracht worden.<br />
Dass der Rekurent um 5 Fr. wohlfeiler diese Schreiberstelle zu versehen gemeldet hat, wird<br />
deswegen die <strong>Gemeinde</strong> keine solche Ausgaben erschleichen lassen, damit er diese 5Frk. wieder<br />
doppelt einbringen könne.<br />
7. stützt sich der Rekurent wieder auf anderwärtige Sektionschefs, dass dieselben für das Anschlagen<br />
militärischer Publikationen belohnt werden, auch das kümmert die <strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong> nicht, denn<br />
der Sektionschef kann sich der Ordnungsläufern bedienen, solche Publikationen den jedem Mililtärpflichtigen<br />
bekannt zu machen, davon für 3 solche sind, welche diese Verpflichtung auf sich<br />
haben weswegen sie von den.übrigen Militärdiensten befreit sind, und übrigens sagt er <strong>im</strong> Rekurs,<br />
dass lt. Gesetz das Anschlagen solcher Publikationen Sache des Gemeideammannamt oder Gemeindrathes<br />
sei.<br />
58
8. sagt der Rekurent dass auf pagina 40. die 40 fr. 84 Rp nicht in Ausgabe gehört, weist auf das Gesetz<br />
Band 5, Seite 113, wusste er dass lt. <strong>Gemeinde</strong>protokoll unterm 3. Januar 1820 der Hebamme<br />
eine fixe Besoldung in Natura beschlossen worden zu geben, und am 13. März 1837 lt. <strong>Gemeinde</strong>beschluss<br />
diese Besoldung in Geld verwandelt und auf 28 alte Schweizerfranken bestellt werden,<br />
welche von da an der Hebamme alljährlich von der <strong>Gemeinde</strong> bezahlt werden müssen, und dass<br />
auch der Verordnung des Regierungsrates vom 10. März 1829 eine Hebamme in armen <strong>Gemeinde</strong>n<br />
wenigstens 24 alte Franken und in reicheren <strong>Gemeinde</strong>n wenigstens 40 fr. als Min<strong>im</strong>um den Hebammen<br />
alljährlich von der <strong>Gemeinde</strong> bezahlt werden müssen, so würde er dieses nicht in Rekurs<br />
aufgenommen haben.<br />
9. dass die Ausgabe auf pagina 16 Beilage 51 für den Justizbeamteten und die Angelegenheit auf pagina<br />
10 Beilage 59 und 60 des <strong>Gemeinde</strong>ammannamts lt. Gesetz nicht in die Rechnung gehöre, ist<br />
bekannt, dass aber für die <strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong> für diese Beamteten nicht so viele Geschäfte vorkommen,<br />
um uns ihren Sproteln dasselbe in ihren Kosten anzuschaffen, so wurde von jeher solches<br />
von der <strong>Gemeinde</strong> bezahlt.<br />
Aus diesen Gründen wurden die 3 letzten Artikel von der Prüfungskommission nicht gerügt, sondern<br />
von dieser und von der Bürgerschaft angenommen.<br />
59