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Spurensuche Leonding<br />

1898 – 1938 – 2008<br />

Zufälligkeiten können für eine Ortschaft nachhaltige<br />

Folgen hervorrufen, die als Belastung empfunden<br />

werden. Einer jener Zufälligkeiten begegnet man in<br />

Leonding, wenn im Jahre 1898 die Familie Alois Hitler<br />

ein Haus kauft und dort einzieht. Weniger zufällig<br />

waren im Jahre 1938 die Ausnahmeregelungen der<br />

Gemeinde, die nicht nur darin bestanden, dass eine<br />

Eingemeindung nach Linz verhindert wurde, sondern<br />

auch dass der Ort zum beliebten Tourismusziel avancierte.<br />

Die Folgen dieser Umstände, aber auch der<br />

Umgang mit dem ungeliebten Erbe, der sich in den<br />

Nachkriegsjahren zwangsläufig ergab, sollen in dieser<br />

Publikation aber auch in der Ausstellung im Turm 9 -<br />

Stadtmuseum Leonding zum Thema gemacht wer-<br />

den. Schwerpunktmäßig konzentriert sich dieser<br />

Beitrag auf die Opfer des Nationalsozialismus, die<br />

Kriegopfer und die touristischen Höhepunkte in den<br />

Jahren von 1936-1945. Um ein möglichst getreues<br />

Bild von Leonding weiterzugeben, wurden auch<br />

Darstellungen zu den wichtigsten Ereignissen um<br />

1900, also jenen Jahren in denen Adolf Hitler hier<br />

seine Jugend verbrachte und die Jahre der<br />

Inanspruchnahme durch die nationalsozialistische<br />

Propaganda 1938-1945 dargestellt. Ergänzt wird<br />

diese Zusammenstellung aber auch um einen Beitrag<br />

zu den künstlerischen Arbeiten von Leonding, insbesondere<br />

vom Hitlerhaus nach 1936.


SPURENSUCHE LEONDING<br />

1898 - 1938 - 2008<br />

3


Impressum<br />

Spurensuche Leonding 1898 – 1938 – 2008<br />

Das Buch zur Ausstellung<br />

Medieninhaber und Herausgeber:<br />

Stadtgemeinde Leonding<br />

© 2008 by<br />

Stadtgemeinde Leonding<br />

www.leonding.at<br />

Verleger:<br />

Stadtgemeinde Leonding<br />

Kultur- und Veranstaltungsmanagement<br />

Stadtplatz 1<br />

4060 Leonding<br />

Verkauf:<br />

Stadtgemeinde Leonding<br />

Bürgerservice Leonding<br />

Tel. +43(0)732/6878 280<br />

Stadtbücherei Leonding<br />

Tel. +43(0)732/6878 200<br />

Stadtplatz 1<br />

4060 Leonding<br />

Turm 9 - Stadtmuseum Leonding<br />

Daffingerstr. 55<br />

4060 Leonding<br />

Tel. +43(0)732/674746<br />

www.leonding.at<br />

Idee, Konzept und Redaktion:<br />

Dr. Thekla Weissengruber<br />

4<br />

Titel:<br />

Idee: Alfred Hofer © 2008<br />

Umsetzung: Mag.art. Horst Scheiböck<br />

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in<br />

irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung<br />

oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet,<br />

vervielfältigt oder verbreitet werden.<br />

Hergestellt im Eigenverlag der Stadtgemeinde<br />

Leonding.<br />

Gedruckt mit Unterstützung des Landes<br />

Oberösterreich<br />

Projekt:<br />

„Spurensuche Leonding 1898-1938-2008“<br />

Projektleitung:<br />

Dr. Thekla Weissengruber<br />

OÖ. Landesmuseen / Turm 9 - Stadtmuseum<br />

Leonding<br />

Kuratorin und Ausstellungsleitung:<br />

Dr. Thekla Weissengruber<br />

OÖ. Landesmuseen / Turm 9 - Stadtmuseum<br />

Leonding<br />

Projektbegleitung:<br />

Dr. Birgit Kirchmayr<br />

Universität Linz, Institut für Zeitgeschichte<br />

Projektteam:<br />

Kons. Josef Andreas Kauer<br />

Dipl. Ing. Gerhard Tolar<br />

Ing. Christian Hauf / Ing. Horst Eigl<br />

Judith Wurst-Varjai, Sabine Peschek<br />

(Turm 9 – Stadtmuseum Leonding)<br />

Thomas Asen (Kultur- und<br />

Veranstaltungsmanagement Stadtgemeinde<br />

Leonding)<br />

Thomas Hinterberger (Kult-Ex)<br />

Ausstellungsgestaltung<br />

Alfred Hofer<br />

Grafische Gestaltung:<br />

Mag.art. Horst Scheiböck<br />

Druck: Gutenberg Druck / Linz


INHALT<br />

VORWORTE<br />

LH Dr. Pühringer................................................................................6<br />

Dr. Mattes...........................................................................................7<br />

BGM Dr. Sperl....................................................................................8<br />

VBGM Mag. Kreinecker.....................................................................9<br />

VORBEMERKUNG<br />

Thekla Weissengruber....................................................................10<br />

1898<br />

Josef Andreas Kauer<br />

Leonding anno 1898..........................................................................12<br />

Gerhard Tolar<br />

Ein Dorf im Erzherzogtume ob der Enns um 1900...........................21<br />

LEONDING 1938 - 1945<br />

Josef Andreas Kauer<br />

Nationalsozialismus in Leonding im Spiegel<br />

dreier Chroniken. Erinnern oder vergessen?....................................25<br />

Gerhard Tolar<br />

Die manipulierte Masse -<br />

Anmerkungen zum Nationalsozialismus............................................40<br />

Gerhard Tolar<br />

NS-Vermögensentzug in Leonding....................................................46<br />

Gerhard Tolar<br />

Gleichschaltung der Vereine..............................................................68<br />

Judith Wurst-Varjai<br />

Wie ein Alltagsgegenstand Bedeutung erlangt!.................................74<br />

Thekla Weissengruber<br />

Früher Tourismus in Leonding...........................................................79<br />

Philipp Lauthner<br />

Der veränderte Blick<br />

Hitler in Leonding als Thema damaliger Kunst.................................90<br />

Josef Andreas Kauer<br />

Kriegsopfer als Folge der Ereignisse nach 1938.............................. 95<br />

Gerhard Tolar<br />

Zivile Opfer totalitärer Regime in Leonding<br />

1933 - 1945 - Vom harten Durchgreifen bis<br />

zum Ausmerzen Unwerter............................................................... 108<br />

DAS ERBE<br />

Thekla Weissengruber<br />

Umgang mit Erbe. Die Gemeinde Leonding und<br />

ihr Umgang mit der NS-Vergangenheit...........................................128<br />

Die Auseinandersetzung mit der Geschichte in Leonding...............137<br />

Das Projekt "Nachklang Widerhall" ................................................137<br />

Das Projekt der HTL Leonding........................................................138<br />

Bildnachweis....................................................................................141<br />

5


6<br />

VORWORTE<br />

Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer GESCHICHTE BELEUCHTEN - ZUKUNFT GESTALTEN<br />

Oberösterreich feiert 2008 viele Gedenktermine. Im<br />

Jubiläum "90 Jahre Oberösterreich 1918-2008" werden<br />

in verschiedensten Projekten und Veranstaltungen<br />

an wichtige Ereignisse erinnert. Als erstes<br />

bedeutendes Datum erinnert 1918 an das Ende des<br />

Ersten Weltkrieges, den Untergang der Habsburger<br />

Monarchie, die Gründung Oberösterreichs aus dem<br />

"Erzherzogtum ob der Enns" und damit an einen<br />

wichtigen Wendepunkt in der Landesgeschichte.<br />

Einen weiteren markiert 1938 mit dem Anschluss<br />

Österreichs an Hitler-Deutschland und den Beginn<br />

der Jahre der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft.<br />

Gerade in diesem 20. Jahrhundert durchlebte<br />

Oberösterreich unterschiedlichste Phasen politischer,<br />

wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Umstrukturierungen.<br />

Der Erfolgsweg zur heutigen Zukunftsregion<br />

begann noch in den Jahren der Besatzung<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg.<br />

Auch das Projekt "Spurensuche Leonding 1898-1938-<br />

2008" lässt sich in dieses Gedenkjahr einreihen. Das<br />

Land Oberösterreich unterstützt gerne jegliche Initiative,<br />

die sich der Erforschung der Geschichte der<br />

eigenen Region und Ortschaft widmet und begrüßt<br />

besonders, dass auch die dunklen Kapitel berücksichtigt<br />

werden. Ziel des Gedenkjahres 2008 kann<br />

dabei nur sein, erinnerte Geschichte in einer ganzheitlichen<br />

Sicht gegenwärtig zu halten als wertvolle<br />

Orientierung für Gegenwart und Zukunft, wobei keine<br />

Kapitel unserer Geschichte ausgeklammert werden<br />

dürfen.<br />

Ihr<br />

Dr. Josef Pühringer


Landeskulturdirektor HR Dr. Reinhard Mattes DIE WAHRHEIT SUCHEN<br />

Das Land Oberösterreich widmet sich heuer in besonderer<br />

Weise der Zeitgeschichte, beleuchtet 90<br />

Jahre nach Gründung der Republik die Zwischenkriegszeit<br />

und die dunklen Jahre der NS Herrschaft<br />

ebenso wie die Zeit des Wiederaufbaues und der<br />

oberösterreichischen Erfolgsgeschichte der letzten<br />

Jahrzehnte.<br />

Bei der Betrachtung der Geschichte darf man sich<br />

nicht nur die „Rosinen“ – die guten Zeiten und Facetten<br />

heraussuchen, im Gegenteil es ist ein möglichst<br />

breiter und umfassender Ansatz erforderlich. Dieses<br />

Bemühen um Fakten und Details zu allen historischen<br />

Perioden und Geschehnissen, dieses klare Aufzeigen<br />

auch unangenehmer und negativ konnotierter Ereignisse,<br />

die wissenschaftliche Forschung ebenso wie die<br />

Einholung und Dokumentation noch vorhandener persönlicher<br />

Erinnerungen gehört zum besonderen „Gedenkjahr“<br />

2008 und zu jeglicher seriösen Beschäftigung<br />

mit Geschichte.<br />

„Spurensuche“ in Leonding hat mit dem Projekt „1898 -<br />

1938-2008“ eine neue, aber auch im Sinn der ursprünglichen<br />

Intention passende Bedeutung erhalten.<br />

War von Anfang an mit dieser Ausstellungsidee des<br />

Museums im Turm 9 ein Kennenlernen der Geschichte<br />

und Identität der Leondinger Ortschaften bzw.<br />

Stadtteile beabsichtigt, so ist mit der Aufarbeitung vor<br />

allem der NS Zeit in Leonding nunmehr ein gerade für<br />

Leonding ganz spezifisches Thema gewählt, dessen<br />

historische Spuren zu suchen und zu sichern sind.<br />

Spurensuche bedeutet gerade aber hier mehr als bloß<br />

suchen und finden – es müssen auch Interpretation,<br />

Bewertung und Gewichtung der Fakten vorgenommen<br />

werden, aus der Fülle persönlicher Erinnerungen von<br />

Zeitzeugen, aus Aufzeichnungen, Chroniken, Akten<br />

und eher zufälligen schriftlichen Spuren muß ein<br />

geordnetes Bild entstehen, eine Zeit und ihre Phänomene<br />

erklärend dargestellt und beleuchtet werden.<br />

Ich begrüße dieses Projekt ganz besonders und freue<br />

mich über diese Spurensuche nach „Wahrheit“ sowie<br />

über die Kooperation mit dem OÖ Landesmuseum und<br />

danke den Initiatoren, Mitarbeitern und Wissenschaftern<br />

für ihre fundierte Arbeit an einem umfassenden<br />

Gesamtbild unserer Stadtgeschichte.<br />

HR Dr. Reinhard Mattes<br />

7


Bürgermeister Dr. Herbert Sperl<br />

8<br />

„ZUKUNFT BRAUCHT HERKUNFT“<br />

Martin Heidegger, Philosoph (1899-1979)<br />

Als wir am Nationalfeiertag des Jahres 1999 das<br />

Stadtmuseum Leonding eröffneten, achteten wir bei<br />

der Darstellung der Geschichte darauf, dass das<br />

Kapitel „Nationalsozialismus in Leonding“ gebührend<br />

Beachtung findet. Dennoch war uns schon damals<br />

bewusst, dass das keinesfalls eine befriedigende<br />

Auseinandersetzung mit dieser Epoche sein kann<br />

und immer noch sehr viele Mythen, Märchen und<br />

Legenden existieren.<br />

Aufgrund der immer geringer werdende Zahl an<br />

Zeitzeugen drängten wir darauf, dass es ehestens zu<br />

einer fundierten Aufarbeitung kommt. So freut es uns,<br />

dass im Gedenkjahr 2008 eine Ausstellung mit einer<br />

begleitenden Publikation zu diesem Thema mit dem<br />

Titel „Spurensuche Leonding 1898-1938-2008“<br />

zustande kommt und auch eine Kooperation mit dem<br />

Oberösterreichischen Landesmuseum und der<br />

Universität Linz aufgebaut werden konnte.<br />

Viele neue Erkenntnisse konnten gewonnen und<br />

Forschungslücken geschlossen werden, sodass hier<br />

ein weiterer Baustein zum Verständnis dieser Zeit<br />

möglich ist. Denn nur wenn man von den Vorkommnissen<br />

und Irrwegen weiß, kann man helfen, in<br />

Zukunft Fehler zu vermeiden.<br />

Dr. Herbert Sperl


VBgm, Kulturreferent Mag. Franz Kreinecker<br />

„WIR WOLLEN GENAU HINSCHAUEN“<br />

Die Ausstellungsserie "Spurensuche" im Stadtmuseum<br />

Leonding erfreut sich großer Beliebtheit in der<br />

Bevölkerung. Dabei haben bisher verschiedene<br />

Leondinger Stadtteile ihre Geschichte und Besonderheiten<br />

aufgearbeitet und fachgerecht in einer Ausstellung<br />

präsentiert.<br />

Heuer, im Gedenkjahr 1938 (Anschluss an Hitler-<br />

Deutschland), haben wir uns vorgenommen unser<br />

genaues Augenmerk darauf zu legen, was Adolf Hitler,<br />

der eine zeitlang in Leonding gelebt hat, für Leonding<br />

bedeutet und wie er Einfluss auf die Entwicklung der<br />

Stadt genommen hat.<br />

Die Entscheidung für diese Ausstellung ist nach heftigen<br />

Diskussionen gefallen. Ich war immer dafür, auch<br />

auf diesen Umstand der Geschichte einen genauen,<br />

objektiven, wissenschaftlich untermauerten Blick zu<br />

werfen. Mit einem profunden Team um die Volkskundlerin<br />

und Historikerin Dr. Thekla Weissengruber<br />

und unseren Chronisten Kons. Josef Kauer ist mir um<br />

die Seriosität der Recherchen nicht bang.<br />

Wichtiges Kriterium dieses Projektes war die Aufzeichnung<br />

der Empfindungen, persönlichen Erlebnisse<br />

und Erfahrungen der letzten Zeitzeugen in Leonding.<br />

Um niemanden auszuschließen werden die Aufnahmen<br />

auch bei laufender Ausstellung fortgeführt.<br />

Die Besucher können mit dieser Ausstellung ihre<br />

Kenntnisse vermehren, da viele den Bezug des ehemaligen<br />

Führers zu Leonding nur vage oder gar nicht<br />

kennen. Sie können sich über die Spurensuche 2008<br />

Einblick und einen sachlichen Überblick über die Zeit<br />

und ihre Auswirkungen auf die Entwicklung unserer<br />

Stadt verschaffen. Wichtig ist mir jedenfalls, dass man<br />

die Möglichkeit hat, genau hinzuschauen. Denn wegschauen<br />

und verschweigen wäre der falsche Ansatz.<br />

So danke ich den fachlichen Mitarbeitern im Team<br />

und den Ausstellungsgestaltern und allen, die den<br />

Beschluss dazu gefällt haben, parallel zur Großausstellung<br />

im Linzer Schlossmuseum auch die<br />

Leondinger Spurensuche auf die Jahre 1898, 1938<br />

und 2008 zu lenken.<br />

Mag. Franz Kreinecker<br />

9


VORBEMERKUNG<br />

Thekla Weissengruber<br />

Für die zweite und dritte Generation „danach“ sind<br />

viele Geschehnisse in Österreich 1938, sowie deren<br />

Vorgeschichte und Nachwirken oftmals nur schwer<br />

verständlich. Die Umorientierung in der politischen<br />

Selbst- und Geschichtsdarstellung Österreichs seit<br />

der „Waldheim-Affäre“, das Eingeständnis einer<br />

gewissen Mittäterschaft und das damit anheim<br />

gehende Umdenken, haben eine Flut von Arbeiten<br />

über den Nationalsozialismus in Österreich ausgelöst.<br />

Gerne werden die Ergebnisse dieser Forschungen an<br />

Gedenktermine gekoppelt. So auch in diesem Projekt<br />

70 Jahre nach der Machtübernahme.<br />

Die Last des Erbes baut auf Zufälligkeiten auf und es<br />

ist wenig zielführend nach dem Wieso und Warum zu<br />

suchen, z.B. weswegen gerade Leonding von Alois<br />

Hitler als Wohnort gewählt wurde. Zufälligkeiten können<br />

für eine Ortschaft nachhaltige Folgen hervorrufen,<br />

die als Belastung empfunden werden. Einer jener<br />

Zufälligkeiten begegnet man in Leonding, wenn im<br />

Jahre 1898 die Familie Alois Hitler ein Haus kauft und<br />

dort einzieht. Weniger zufällig waren im Jahre 1938<br />

die Ausnahmeregelungen für die Gemeinde, die nicht<br />

nur darin bestanden, dass eine Eingemeindung nach<br />

10<br />

„Unser Weg in die Zukunft führt über die Erinnerung. Nur dort, wo die Erinnerung an begangenes<br />

Unrecht der Erinnerung an Erlittenes zur Seite tritt, dort können schlechte historische Kontinuitäten<br />

aufgekündigt werden und dort wird der Weg in die Zukunft frei.“ 1<br />

Erinnerung und Gedächtnis sind wichtige Orientierungsorgane und Grundlage von Gemeinschaft und<br />

Kultur. Wenn wir nicht wissen, woher wir kommen, wissen wir auch nicht wohin wir gehen. Jegliches<br />

Identitätsbewusstsein stützt sich auf die Erinnerung.<br />

Linz verhindert wurde, sondern auch, dass der Ort<br />

zum beliebten Tourismusziel avancierte. Die Folgen<br />

dieser Umstände, aber auch der Umgang mit dem<br />

ungeliebten Erbe sind Thema des Projektes. Daraus<br />

ergab sich als Titel „Spurensuche Leonding<br />

1898–1938-2008“. Da seit einigen Jahren die<br />

„Spurensuche“ als eigenständige Veranstaltungsreihe<br />

zur Aufarbeitung und Präsentation der eigenen<br />

Geschichte in Leonding wirkt, wurde auch dieses<br />

Projekt in diese Serie integriert. Um eine bessere<br />

Einbindung zu gewährleisten ist die Mitwirkung der<br />

ansässigen Bevölkerung mit Unterstützung von wissenschaftlicher<br />

Seite gegeben.<br />

Da gerade für Leonding neben vereinzelten Studien<br />

noch keine eigenständige und umfassende Arbeit<br />

zum Nationalsozialismus gemacht worden war, war<br />

eine umfangreiche Forschungsgrundlage besonders<br />

für dieses Projekt unbedingt von Nöten. Zudem<br />

wurde ein Zeitfaktor bei den Aufnahmen der wohl<br />

letzten Zeitzeugen, bzw. den Erzählungen der zweiten<br />

Generation eine wichtige Säule der Forschung,<br />

die in einem Folgeprojekt noch eine eigene Darstellung<br />

erfahren soll. Unabdingbar ist das Fixieren<br />

von Beobachtungen, Empfindungen und Erfahrungen<br />

von Zeitzeugen, wenngleich nach über 60 Jahren<br />

eine gewisse Transformation, ein veränderter Blickwinkel<br />

und eine Richtung sicherlich zu einer anderen<br />

Wahrnehmung geführt haben, als dies direkt nach<br />

1945 gewesen wäre. Da wir eine offene Diskussion<br />

führen, und alle zum Gespräch einladen wollen, sollen<br />

die Ergebnisse der Zeitzeugeninterviews erst im<br />

Anschluss an die Ausstellung in Buchform präsentiert<br />

werden. Ausschnitte der Zeitzeugeninterviews werden<br />

die Ausstellung bereichern.<br />

Auch bei der Auswahl der Quellen muss hier hervorgehoben<br />

werden, dass den Projektmitarbeitern durchaus<br />

bewusst ist, dass auch hier eine Wertung vorgenommen<br />

und ein Blickwinkel ausgewählt wurde, der<br />

vielleicht in 10-20 Jahren überdenkt werden muss.<br />

Wichtig war die Mischung aus persönlichen Meldungen,<br />

wie wir sie in den Chroniken finden und die<br />

Darstellung von Fakten in Protokollen und Akten, um<br />

ein möglichst genaues Zeitbild zu zeichnen. Leider<br />

waren nicht alle Unterlagen auch für alle Mitarbeiter<br />

zugänglich. Bewusst wurde bei den heiklen Hinweisen<br />

auf Namensnennungen verzichtet, schließlich


wollen wir niemanden verurteilen oder auch denunzieren.<br />

Ein Schwergewicht in diesem Projekt wurde<br />

auf Wunsch des Stadtrates auf die Aufarbeitung der<br />

Opfer des Nationalsozialismus gelegt. Hier konnten<br />

wirklich neue Erkenntnisse und Forschungsergebnisse<br />

gewonnen werden, da ja auch einige Archivunterlagen<br />

erst seit wenigen Jahren zugänglich sind.<br />

Dies war auch ein Forschungsanliegen, das bei der<br />

Eröffnung eines Denkmales für zivile Opfer des<br />

Nationalsozialismus in Leonding 2007, neben der<br />

Zeitzeugenrecherche geäußert wurde. Wenngleich<br />

der Schwerpunkt sicherlich die Darstellung der<br />

Verhältnisse in Leonding in der Zeit des Nationalsozialismus<br />

ist, lag nahe auch den „Umgang mit dem<br />

Erbe“ darzustellen, der in den Jahren nach 1945 vielen<br />

Gemeindepolitikern Kopfzerbrechen bereitet hat.<br />

Erläuternde Sätze zur allgemeinen Zeitgeschichte<br />

wollen keineswegs den großen geschichtlichen<br />

Darstellungen berühmter Historiker Konkurrenz<br />

machen, sondern Wege, Umstände, Vorausbedingungen,<br />

Hintergründe und Folgen auch für die<br />

Gemeinde Leonding erläutern.<br />

Die fünfjährige Sensibilisierung und Orientierung,<br />

sowie die zweijährige Vorbereitung konnte jedoch<br />

nicht alle Lücken schließen und so versteht sich dieser<br />

Beitrag auch als Ansporn zu weiterer Beschäftigung.<br />

Die Ausstellung im Turm 9 – Stadtmuseum Leonding<br />

von 26. September 2008 bis 19. April 2009 wird freilich<br />

diese Geschichte anders darstellen müssen, als<br />

es eine Publikation macht. Um den Blick zu lenken<br />

und Wissen zu vermitteln, müssen andere Wege<br />

beschritten werden, als in einer schriftlichen Darlegung.<br />

Die Skizze unseres Ausstellungsgestalters<br />

Alfred Hofer, der sich sehr intensiv mit der Problematik<br />

in Leonding auseinandergesetzt hat, soll aus die-<br />

sem Grund dieser kleinen Vorbemerkung beigefügt<br />

werden. Die Möglichkeit soll hier genutzt werden, um<br />

ihm für die vielfältige Hilfe zu danken.<br />

Abschließend bleibt mir nur noch zu sagen, dass ich<br />

allen danken möchte, die mich bei meinen Visionen<br />

und Projektideen unterstützt haben. Viele Stunden<br />

Diskussion wurden im Vorfeld geführt und haben<br />

schließlich zu einem Projektteam geführt, das erst am<br />

17. Juli 2007 seine konstituierende Sitzung feiern<br />

konnte. Ein Team, das sich ganz bewusst aus Heimatforschern<br />

und approbierten Wissenschaftern, aus<br />

Ortsansässigen und Fremden zusammensetzt, um<br />

möglichst viele Aspekte auszuschöpfen.<br />

Dankenswerterweise gelang über Univ. Ass. Dr. Birgit<br />

Kirchmayr, die zeitgleich die Ausstellung zum Kunstund<br />

Kulturleben im Nationalsozialismus in Oberdonau<br />

im Schlossmuseum Linz realisiert, auch die Kooperation<br />

mit der Johannes Kepler Universität Linz und<br />

den Oberösterreichischen Landesmuseen. Ihr sei für<br />

die vielen Hinweise und die Unterstützung herzlich<br />

gedankt. Alle weiteren Mitarbeiter sollen hier namentlich<br />

aufgeführt werden: Kons. Josef Andreas Kauer,<br />

der langjährige Heimatforscher der Gemeinde, der<br />

über ein umfangreiches Archiv verfügt; Dipl. Ing.<br />

Gerhard Tolar, der sich mit großem Eifer dieser neuen<br />

Aufgabe gestellt hat und hoffentlich unermüdlich weiterforschen<br />

wird; Judith Wurst-Varjai, die langjährige<br />

Kustodin im Stadtmuseum Leonding, die inzwischen<br />

über ein sehr gutes Netzwerk verfügt; Philipp<br />

Lauthner, der einstige Praktikant und jetziger<br />

Mitarbeiter, der einfach mit engagiert wurde, Ing.<br />

Christian Hauf, eifriger Sammler und langjähriger<br />

Mitarbeiter im Turm 9 und natürlich von Seiten der<br />

Stadtgemeinde Thomas Asen, seine Vorgänger<br />

Andreas Nöhmayer und Bärbel Seidler, Sabine<br />

Peschek, Franz Danninger, Doris Bäck, Klaudia<br />

Hutterer, Uwe Engelhardt. Horst Scheiböck danken<br />

wir für die grafische Umsetzung unserer Beiträge in<br />

Buchform, was sicherlich kein leichtes Unterfangen<br />

war. Leider ist eines unserer Teammitglieder aus<br />

Krankheitsgründen ausgefallen; Herrn Ing. Horst Eigl<br />

sei auf diesem Wege für die Unterstützung ganz<br />

herzlich gedankt. Dafür ist Thomas Hinterberger mit<br />

vollständig unbekanntem privatem Filmmaterial neu<br />

dazu gekommen.<br />

Ebenso sei der Stadtgemeinde Leonding für die allgemeine<br />

Unterstützung bei diesem Projekt, insbesondere<br />

Bürgermeister Dr. Herbert Sperl hiermit herzlich<br />

gedankt, die auch die Drucklegung dieses Buches<br />

erst möglich gemacht hat.<br />

Dem Land Oberösterreich danken wir für den großartigen<br />

Druckkostenzuschuss.<br />

1 Zitiert nach einem Interview von Aleida Assmann mit<br />

Renata Schmidtkunz in Ö 1. Assmann, Aleida:<br />

Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen<br />

Gedächtnisses. München 2006.<br />

11


1898<br />

LEONDING ANNO 1898<br />

Josef Andreas Kauer<br />

„Leonding, eine Stunde von Linz entfernt, liegt in<br />

einer angenehmen, fruchtbaren und gesunden Gegend<br />

am Leondinger Bache, welch letzterer mit dem<br />

kleinen Kirnberger- und dem Staudingerbache zusammenfließt“,<br />

schrieb der damalige Schulleiter Josef<br />

Sixtl d.Ä. um jene Zeit in die Schulchronik 1 . Und weiter<br />

heißt es dort: „Der eine halbe Stunde entfernte<br />

Kirnbergerwald schützt einen Großtheil der Gemeinde<br />

vor den heftigen West-Stürmen; auch sind nahe Gewitter<br />

selten und ein Hagelschlag in der Regel nicht<br />

zu befürchten. Ackerbau und Viehzucht sind eine<br />

nicht zu unterschätzende Einnahmsquelle. Auch<br />

haben die hierortigen Bewohner durch Gemüsebau,<br />

dessen Erzeugnisse in der nahen Stadt verkauft werden<br />

(Marktfahren!), hinreichend Absatz. Man findet<br />

auf allen Bauernhöfen das Strohdach, schöne Stallungen<br />

und nicht selten auch hübsche Wohnungen. In<br />

der bäuerlichen Erbfolge erscheint in der Regel der<br />

jüngste Sohn. (…) Die Gemeinde hat eine Kirche und<br />

zwei Schulhäuser. (…) Als besondere Gebräuche<br />

sind zu erwähnen die sogenannten Todtenzehrungen<br />

bei vermöglichen Personen, auch die Faschings- und<br />

Ausdruschmahle - letztere für die Dienstboten, die<br />

hierorts überhaupt gut gehalten sind.“ - Soweit Josef<br />

12<br />

Sixtl d.Ä. Schon damals bestand die Gemeinde aus<br />

22 Ortschaften. „Die Lage der Ortschaften Aichberg,<br />

Alharting, Berg, Bergham, Doppl, Enzenwinkl, Felling,<br />

Friesenegg, Gaumberg, Graben, Haag, Hart, Holzheim,<br />

Imberg, Jetzing, Landwied, Leonding, Oedt,<br />

Reith, Rufling, Staudach und Untergaumberg im<br />

Westen und Norden galt als „bergig“, jene im Osten<br />

und Süden als eben. Die 1859 gebaute k.k. Elisabeth-Westbahn<br />

teilte die Gemeinde in annähernd<br />

gleiche Hälften. Die etwa in gleicher Richtung laufende<br />

damalige Weingartshofer-Commercialstraße, die in<br />

der Nähe des Fabriksortes Traun in die Reichsstraße<br />

und in die Welser Ebene mündete“, wurde damals als<br />

„großartig befahren bezeichnet 2 . Leonding hatte seit<br />

1868 eine Briefpost und war seit dem Jahre1881 die<br />

„erste Haltestelle der k.k. Elisabeth-Westbahn” ab<br />

Linz. Die drei Steuergemeinden Holzheim, Leonding<br />

und Rufling spielten damals eine gewichtigere Rolle<br />

als heute.<br />

Aus der Gemeindestube<br />

Im Juli 1897 hatten in Leonding Neuwahlen im<br />

Gemeindeausschuß stattgefunden. Der bisherige<br />

Gemeindevorstand, der Bauer Anton Zeller (vulgo<br />

„Loibenböck“ oder „Zeller“ in Holzheim Nr.6/7), der 18<br />

Jahre lang als verdienstvoller Bürgermeister gewirkt<br />

hatte, wollte nicht mehr zur Wahl antreten. 3 Neuer<br />

Gemeindevorstand wurde Josef Mayrhofer, „Bauer in<br />

Ort“ und späterer Vormund Adolf Hitlers, als dessen<br />

Vater verstorben war. Auch die Zusammensetzung<br />

des „Ortsschulraths“ konstituierte sich neu. Weiterhin<br />

blieb „Hochwürdiger Herr Pfarrer Johann Ecker als<br />

Obmann und Ortsschulinspektor“. Erst an 2. Stelle<br />

stand Oberlehrer Kaufmann, gefolgt von den eigentlichen<br />

„Ortsschulräthen“ - lauter Bauern bzw. Wirte. 4<br />

Josef Mayrhofer wurde für die damals 3840 Einwohner<br />

zählende Gemeinde ein guter Bürgermeister,<br />

konnte den Bau einer neuen Volksschule im „Kaiser<br />

Franz Josef-Jubiläumsstil“ (heute Hauptschulgebäude)<br />

durchsetzen, war leutselig, ein begeisterter<br />

Freund der Feuerwehr und tat viel für das Zustandekommen<br />

der „Suppenanstalt“ für ärmere Kinder, die<br />

oft in höchst dürftiger Kleidung im Winter und barfuss<br />

im Sommer einen in vielen Fällen weiten Schulweg<br />

zurücklegen mussten und Vor- und Nachmittagunterricht<br />

hatten. Josef Mayrhofer, auch „Tirolerhof-<br />

Bauer“ genannt, starb 1932. 5 Unter ihm wurde 1898


auch der im Oktober l897 begonnene „Bau des ersten<br />

Stockwerkes auf dem Gemeindehause“ 6 vollendet,<br />

neben dem erst später entstandenen Feuerwehrdepot<br />

„zur Gewinnung von nöthigen Lehrerwohnungen“.<br />

7<br />

Alltagsleben um 1898, Kinderspiele<br />

In diesem „alten Gemeindehaus“, das in der Folgezeit<br />

auch Miethaus, später sogar Parteiheim der NSDAP<br />

und Museumsquartier wurde, lebten 1898 - damals<br />

auf engstem Raum - die Lehrerfamilien Sixtl und<br />

Wunder, die Familie des Gemeindesekretärs Trauner,<br />

die Familien der Gemeindebeamten Winter und Paschinger<br />

und des legendären Gemeindedieners und<br />

späteren Sekretärs Mathias Amesberger. Seine ursprüngliche<br />

Aufgabe war es, alle Leondinger und<br />

fremden Übeltäter einzufangen und „unter Verschluß<br />

zu halten“. Amesberger war mehr als gefürchtet, denn<br />

seine Art, strafbare Handlungen zu ahnden zeigte bei<br />

allen Betroffenen Wirkung. Er nahm die Raufer, die<br />

Diebe und Räuber und was sonst an „Gaunern“ anfiel<br />

recht eindeutig in Empfang, meist unter großem Geschrei<br />

der Delinquenten, denn sie wussten oder hatten<br />

erfahren, was ihnen bevorstand. Und „in der<br />

Kanzlei“ zeigte ihnen Amesberger auf seine Art, was<br />

recht und unrecht war, und seine Sprache war deutlich.<br />

Man erzählte sich damals, man habe nie gehört,<br />

„dass einer von denen rückfällig geworden wäre“.<br />

Kinderkrankheiten, wie Masern, Pocken, Mumps und<br />

auch Diphterie grassierten damals ungehindert und<br />

rafften nicht wenige Kleinkinder hinweg.<br />

Die Schulklassen mussten oft wochenlang gesperrt<br />

bleiben. Auch die Tuberkulose forderte viele Opfer.<br />

Kinderspiele fanden auf den Wiesen und Hängen<br />

nicht weit vom Dorfzentrum statt. Heute längst verbaute<br />

Fluren, wie die „Geign“ des Dallingerbauern,<br />

der Südhang, der Buchberg, aber auch das „Kirabühl“<br />

oder der Steinbruch unterhalb des „Mayr in Imberg“<br />

waren beliebte Spielstätten der Dorfjugend, für die<br />

Buben dann und wann sogar die Gefielde an den<br />

Kürnberg-Hängen. 8<br />

Von Hitlers Zeit in Leonding wird erzählt, es habe<br />

damals zwei Buben-Parteien gegeben - „Gangs“<br />

würde man heute sagen - die einander in „Burenkriegsattacken<br />

bis aufs Messer“ bekämpften: die<br />

Leondinger als die damals bemitleideten und geknechteten<br />

„Buren“ und die Untergaumberger als die<br />

mit ihnen verfeindeten Engländer. Heiße Kämpfe wurden<br />

ausgetragen; bei der Brücke in der Nähe des<br />

Mayr-Steinbruchs einmal sogar ein Schnellzug der<br />

Westbahn mit Steinen beworfen, ein anderesmal das<br />

Salpeter-Depot in Hart beinahe in die Luft gesprengt.<br />

Bei allen „Bravourstücken soll Hitler damals Regie<br />

geführt haben, auch noch, als er schon die Realschule<br />

in Linz besuchte, die Familie aber noch in<br />

Leonding wohnte. 9<br />

Da infolge der Ermordung von Kaiserin Elisabeth im<br />

Herbst 1898 alle geplanten Jubiläumsfeierlichkeiten<br />

unterbleiben mussten, wurde ein von der Gemeindevorstehung<br />

für diese Feierlichkeiten bereits gesammelter<br />

Betrag von 50 Gulden zur Anschaffung von<br />

Schuhen für arme Schüler verwendet. 10<br />

Kirche und Schule<br />

Man muss sich für jene Zeit die Wichtigkeit des jeweiligen<br />

Ortspfarrers vergegenwärtigen. Er war nicht nur<br />

Pfarrherr und eine vielseitige Kontaktperson zu den<br />

kirchlichen-, gemeindeämtlichen- und zu den Bezirksund<br />

Landesstellen, sondern auch Mitglied der Gemeindevorstehung<br />

und Vorsitzender im Ortsschulrat,<br />

da damals ja noch ziemlich viele Schulagenden<br />

(Armenschüler, Religionspädagogik, soziales Engagement,<br />

Vermittlungen) in kirchlicher Hand lagen. 11<br />

Dementsprechend vielfältig und umfangreich war der<br />

Schriftverkehr, der vom Pfarramte ausging. Seit 1876<br />

war hier in Leonding Pfarrer Johann Baptist Ecker<br />

installiert. Von Anfang an war er bekannt als „Wohltäter<br />

der Armen“, so segensreich in seinem Wirken<br />

für Pfarre, Schule und Gemeinwohl, dass er schon<br />

1893 von der Gemeindevorstehung zum Ehrenbürger<br />

ernannt wurde. Nach 35 Jahren starb er am<br />

20.8.1911. Die ersten 20 Jahre hatte er allein in<br />

Leonding gewirkt. Erst 1896 ließ er sich den Kooperator<br />

Mathias Koller beistellen. 12 Von M. Koller wissen<br />

wir, dass er „der Katechet Adolf Hitlers“ war. Unter<br />

den folgenden Kooperatoren bis 1908 war 1904 kurze<br />

Zeit auch Paul Schneiderbauer 13 , der als der Erbauer<br />

des „Familienheims“ (1905) gilt, das 1925 zum<br />

„neuen“ Gemeindehaus wurde und nach 1954 bis<br />

heute als Volksschulgebäude dient.<br />

Aus Pfarrer Eckers Schriftverkehr –<br />

Das Gestionsprotokoll<br />

Johann Baptist Ecker war ein Mann des Ausgleichs,<br />

der stetigen Hilfsbereitschaft und großer Umsicht.<br />

Sein Schriftverkehr mit Behörden und in Privatangelegenheiten<br />

war umfangreich. Für das Jahr 1898<br />

stellte er insgesamt 372 im „Gestionsprotokoll“ 14 vermerkte<br />

Schriftstücke aus, zum Beispiel eine Unzahl<br />

von „Armenzeugnissen“ zum Zwecke des Ansuchens<br />

um öffentliche Unterstützung. Auch zur Befreiung von<br />

der Stempelgebühr bei notwendigen Dokumenten<br />

benötigte man das Armenzeugnis, ebenso zu einem<br />

Ansuchen beim „Gebäramt“ um Befreiung von den<br />

Verpflegskosten in der Landes-Gebäranstalt, desgleichen<br />

in Alimentenfragen oder für die unentgeltliche<br />

Aufnahme eines armen Kindes im Bad Haller Kinderspital<br />

oder in die „Landeswohltäthigkeitsanstalt“.<br />

13


Ecker verfasste ungezählte Berichte, stellte Bescheinigungen,<br />

Taufscheine, Trauscheine und Totenscheine<br />

aus oder auch Familienbögen (Auszüge aus<br />

den Matriken). Er verfasste viele von der Behörde<br />

verlangte Statistiken, Listen und Aufschlüsselungen,<br />

wie Impflisten, Aufstellungen von Stellungspflichtigen,<br />

Sammlerlisten, Nachweislisten über Messstiftungen<br />

für das Ordinariat u.v.a.m. Aus Pfarrer Eckers Schriftverkehr<br />

ist auch zu entnehmen, dass der Kontakt<br />

Leondings zur Pfarre St. Mathias in Linz sehr intensiv<br />

war. Hier ging es vorwiegend um „Verkündanzeigen“<br />

bei Heiraten. Auch kann man aus dem Gestionsprotokoll<br />

im Pfarrarchiv entnehmen, dass enge Beziehungen<br />

zu den Franziskaner-Ordensleuten in<br />

Pupping bei Eferding bestanden. Die Patres hielten<br />

hier in Leonding damals des öfteren die Volksmission<br />

ab. Die Genehmigung dazu musste Pfarrer Ecker<br />

jedoch erst beim Ordinariat in Linz beantragen.<br />

„Sittenzeugnis“<br />

Wollte ein stellungspflichtiger Bauernsohn, der daheim<br />

unabkömmlich war, bei der Militärbehörde um Verkürzung<br />

seiner Dienstzeit („Begünstigung um nur einjährigen<br />

Präsenzdienst“) ansuchen, so benötigte er ein<br />

„Sittenzeugnis“.<br />

Auch Männer, die in den Dienst der k. k. Staatsbahn<br />

Linz eintraten, also sich um eine Heizer-, Zugführeroder<br />

Kondukteurstelle bewarben oder solche, die eine<br />

Prüfung machen wollten, z.B. eine „Güterzugführer-„<br />

oder „Bremser-Prüfung“ mussten ein Sittenzeugnis<br />

vorweisen. Pfarrer Ecker stellte solche Sittenzeugnisse<br />

meist „in bahnbehördlichem Auftrag“ aus. Wollte<br />

man ein Gewerbe oder einen Handel anmelden, war<br />

ebenfalls das Sittenzeugnis erforderlich. So brauchte<br />

z.B. ein Bewerber in Gaumberg ein Sittenzeugnis, um<br />

eine Tabaktrafik eröffnen zu können oder ein anderer<br />

in Haag für die Bewilligung eines Flaschenbierhan-<br />

14<br />

dels. Ja sogar Josef Ranzmeir in Ruefling benötigte<br />

damals eines, als ihm das Zimmermann-Gewerbe verliehen<br />

werden sollte. Besonders wichtig war das<br />

Sittenzeugnis (auch „Leumundszeugnis“) bei beabsichtigter<br />

Eheschließung mit einem Ehepartner aus<br />

einer anderen Pfarre oder einem, der in den<br />

Staatsdienst strebte. 15<br />

Schulraumnot um 1898<br />

Obwohl 1877 wegen der ständig steigenden Klassenschülerzahlen<br />

zusätzlich zum 44er-Haus, das seit<br />

1832 Schulhaus war, ein neues Schulgebäude, die<br />

„Michelischule“ (Leonding Nr. 49) und 1892 auch<br />

noch deren Anbau errichtet worden waren, wurde der<br />

Schulraum immer knapper. Vor allem in Gaumberg<br />

und Untergaumberg, wo unterhalb der Gaumberger<br />

Höfe wegen des steigenden Personalbedarfs der k. k.<br />

Westbahn seit etwa 1870 ein Straßendorf entstanden<br />

war, dessen Schüler damals noch in Leonding zur<br />

Schule gingen, wurden laufend Häuser gebaut, und<br />

die Einwohnerzahlen in den Ortschaften und damit<br />

die Schülerzahlen stiegen von Jahr zu Jahr. Allein<br />

von 1896 bis 1899 war die Gesamtzahl von 308 auf<br />

445 Leondinger Buben und Mädel gestiegen. Die<br />

Einwohnerzahl von Untergaumberg erhöhte sich von<br />

130 bis zum Jahr 1880 auf über 700. Ähnlich war es<br />

in Gaumberg: von 66 auf über 550.<br />

Sogar die Ortschaft Haag wuchs durch die Zerstückelung<br />

des dortigen „Bauerngutes“ ähnlich schnell: von<br />

64 auf fast 10 Bewohner. 16 Schon 1888 war in der<br />

Volksschule Leonding die „Geschlechterteilung“,<br />

getrennter Knaben- bzw. Mädchenunterricht, und fast<br />

zur selben Zeit der „verkürzte Unterricht“ für Schüler<br />

des 8. Schuljahres eingeführt worden. 17 In der<br />

Chronik 18 musste der Leondinger Schulleiter jährlich<br />

Statistiken ausweisen. Die schulbesuchenden Kinder<br />

wurden nach Herkunftsortschaften, nach Schuljahr, in<br />

dem sie waren, nach ihrer Religion und Nationalität,<br />

nach ihrem Verhalten (Sittennoten von I bis IV) und<br />

nach ihrem Schulerfolg (sehr fleißig-fleißig-minderfleißig-nachlässig)<br />

aufgelistet. 1878 war die Schule<br />

noch dreiklassig, im Schuljahr 1890/91 mit 312<br />

„Alltagsschülern“ vierklassig. 19 Im August 1898 wurde<br />

eine 5. Klasse eröffnet, für die aber zunächst kein<br />

Schulraum vorhanden war, ja die sogar noch im<br />

„Abteilungsunterricht“ geführt werden musste und die<br />

man schließlich etwas später im „Stieflerschen<br />

Gasthaus“, dem späteren „Leondingerhof“, unterbrachte.<br />

20 Rasch waren also die Schülerzahlen von<br />

380 auf fast 500 gestiegen. Ein Schulneubau erschien<br />

schon 1898 unerlässlich. Dennoch wurde bis 1901<br />

nicht nur wegen eines Grundkaufs gestritten, sondern<br />

auch weil manche Gemeinderäte glaubten, es werde<br />

mit den Schülerzahlen schon wieder zurückgehen.<br />

Erst im Juni 1902 war der Spatenstich für die „Neue<br />

Volksschule Leonding Nr. 67“ (die heutige Hauptschule).<br />

Baumeister Ertl aus Breitbrunn errichtete sie.<br />

Sie wurde anfangs, im Schuljahr 1903/4, von 481<br />

„Alltagsschülern“ besucht. 21 Erst nach einem Ansuchen<br />

um die Einführung einer Parallelklasse für die<br />

1. Klasse, in der 110 (!) Buben und Mädchen die<br />

Bänke drückten, gab es vom Ortschulrat die Genehmigung<br />

für den Bau. Die Schule stand „auf Mayrhansengrund“,<br />

war 6-klassig, und auch die Schüler<br />

der Klasse „beim Stiefler unten“ kamen hierher.<br />

Einer Tagebuchnotiz vom 24. August 1903 war zu<br />

entnehmen, dass „das Stieflersche Lokal, wo eine<br />

Schulklasse untergebracht war mit heutigem Tage<br />

verlassen und das neue Schulhaus vorläufig<br />

bezogen wurde.“<br />

Aber auch dieses neue Schulgebäude erwies sich<br />

bald als zu klein, denn Gaumberg, Haag und


Untergaumberg wuchsen in einem fort. Erst 1908<br />

bewilligte der Ortschulausschuß, um die Leondinger<br />

Schulraumnot zu beseitigen, die Errichtung einer<br />

Parallelklasse im Getreidekasten des Schleichlgutes<br />

in Landwied, wo fortan die Gaumberger und Untergaumberger<br />

Schüler Platz fanden. 22<br />

Aus dem Lehrerleben vor der Jahrhundertwende<br />

Die damaligen Lehrer begannen nach Absolvierung<br />

der k. k. Lehrerbildungsanstalt als provisorische<br />

Unterlehrer, wurden dann definitive Unterlehrer, dann<br />

provisorische Lehrer bzw. nach vielen Dienstjahren<br />

definitive Lehrer und brachten es - höchst selten -<br />

zum provisorischen, dann zum „systemisierten“<br />

Schulleiter, dem späteren „Oberlehrer“. Nach etwa<br />

1908 unterschied man in den niederen Rängen zwischen<br />

Aushilfslehrer bzw. Lehrer I. und II. Classe.<br />

1896, nach dem plötzlichen Tod von Josef Sixtl d. Ä.,<br />

war der aus Puchenau stammende Lehrer August<br />

Kaufmann hier zum Schulleiter ernannt worden.<br />

Im November 1898 trat „wegen der fortschreitende<br />

Klassenvermehrung“ der aus Schönering kommende<br />

Sohn des „alten Sixtl, Lehrer I. Classe Josef Sixtl d.<br />

J.“, hier seinen Dienst an. Gleichzeitig übernahm er<br />

auch den Chordienst in der Kirche und wurde durch<br />

sein tüchtiges und gerechtes, dennoch strenges<br />

Wirken in der Schule bei Schülern und Eltern sehr<br />

beliebt. Besonders aber gelang es ihm, durch den<br />

Einsatz bester sängerischer Ortskräfte, aber auch mit<br />

Gastsängern und Instrumentalisten „vom Theater in<br />

Linz“ das Niveau der musikalischen Veranstaltungen<br />

in der Kirche Leonding bedeutend zu heben. 1898<br />

waren außer Oberlehrer Kaufmann und Lehrer Sixtl<br />

hier folgende Lehrkräfte anwesend: der Unterlehrer<br />

Hermann Christ, die Unterlehrerin Elise Dressl, der<br />

Unterlehrer Josef Brauneis (von 1899 bis 1904), Anna<br />

Bayer und Johann Danhofer. 23 Er war jahrzehntelang<br />

in Leonding und starb 1903. Hermann Christ verließ<br />

Leonding im Juni 1898, „um eine ihm verliehene<br />

Postamtspraktikantenstelle in Wels anzutreten“. 24<br />

Er war definitiver Lehrer in Leonding gewesen, ein<br />

Privileg, das damals nur noch Danhofer und Sixtl hatten.<br />

Alle übrigen Lehrer waren provisorisch oder nur<br />

vertretungsweise angestellt. Elise Dressl war aus<br />

Waldneukirchen gekommen und eine so tüchtige<br />

Lehrerin, dass sie im September 1908 von Leonding<br />

als Übungsschullehrerin in die Lehrerbildungsanstalt<br />

Linz wechselte. Anna Bayer, „die vorher schon zweimal<br />

an der Volksschule in Leonding in Verwendung<br />

gewesen war“, 25 kam 1898 wegen der Eröffnung<br />

einer neuen Klasse abermals hierher. Sie übernahm<br />

die „3. Classe“, nachdem Oberlehrer Kaufmann vorher<br />

den 2. und den 3. Schuljahrgang in einer Klasse<br />

mit 118 Kindern hatte unterrichten müssen. Sie führte<br />

ihren Jahrgang weiter, verließ die Schule aber schon<br />

im April 1899.<br />

Den Religionsunterricht, dem damals eine zentrale<br />

Bedeutung zugemessen wurde, erteilten „Cooperator<br />

Mathias Koller“ und Pfarrer Johann Ecker in allen<br />

Klassen. Viermal im Jahr wurden die Schüler zur<br />

Beichte geführt. Kommuniziert wurde an einem<br />

Ferialtag, und regelmäßig, jedoch zu unterschiedlichen<br />

Zeiten fanden „Religionsprüfungen“ statt. Etwa<br />

10 bis 20 Schüler von damals über 400 waren<br />

Protestanten und mussten, meist an einem Donnerstag<br />

Nachmittag, zum evangelischen Unterricht nach<br />

Linz, natürlich zu Fuß.<br />

Schullehrer, Wirte, Dienstboten<br />

Die Lehrer jener Zeit galten als streng, geradlinig und<br />

unbestechlich. Eine Lehrertochter erzählt: „Meine<br />

Mutter durfte nichts nehmen, als eines Tages eine<br />

Bäuerin mit „Störibrot“ und einem Stückchen Fleisch<br />

kam. Die Mutter musste diese Leutchen mit ihrer<br />

Dankesgabe wegschicken, obwohl wir alles bitter notwendig<br />

gebraucht hätten, denn es waren sechs<br />

Kinder in unserer Familie, alle unversorgt, und das<br />

Lehrergeld meines jungen Vaters war weniger als<br />

bescheiden. Der Vater hatte „etwas von einem<br />

Offizier, ich hab ihn nie Packerl tragen oder Buckerl<br />

machen gesehen“. (…) Er ging zum „Bürgertag“ beim<br />

Schieferstein-Wirt“, traf dort Pfarrer Ecker und die<br />

wichtigsten Bauern und Gemeindevertreter. Mit ihnen<br />

ging es um Politik und um die wirtschaftliche Lage.<br />

Und da war auch noch die Schieferstein-Wirtin, eine<br />

gute Frau. Ganz verstohlen gab sie uns Kindern von<br />

ihren berühmten Pofesen, eine für uns sonst unerreichbare<br />

Köstlichkeit, besonders für meine Brüder.<br />

Ich hatte eine schwere, dennoch wunderschöne<br />

Kinderzeit“. (…)<br />

Hier herauf zum „Schieferstoa“ ins Wirtshaus kamen<br />

in der Fastenzeit, wenn sie ihren „Beichttag“ hatten,<br />

auch die Knechte und Mägde der Bauern, an einem<br />

Tag die Ledigen, am anderen die jungen Mädchen<br />

und am nächsten Wochentag die Verheirateten. Auch<br />

an Sonntagen „nach dem Segen kamen Hausleute<br />

und Dienstboten zum Schieferstoa, denn die Schnitten<br />

und Pofesen der Wirtin hatten es auch ihnen<br />

angetan. Schließlich gab es auch noch die feierlichen<br />

Zehrungen im gesteckt vollen Saal. Und wir Kinder<br />

standen kaum bemerkt am Fenster oder in der Tür<br />

und gafften.“<br />

Adolf Hitler als Schüler in Leonding.<br />

Laut Schulchronik trat Hitler am 27. Feber 1899 in die<br />

4. Klasse der Volksschule Leonding ein. Als Klassenlehrerin<br />

war damals Fräulein Anna Bayer eingetragen.<br />

Doch schon im April 1899 war Lehrerwechsel:<br />

15


Unterlehrer Josef Brauneis, aus St. Wolfgang kommend,<br />

übernahm die Klasse. 26 Für die fünf Jahre seines<br />

Hierseins wird Brauneis als sehr beliebter Lehrer<br />

geschildert. Es ist nicht gesichert, dass im nächsten<br />

Schuljahr Josef Sixtl jun. die Klasse Hitlers kurzfristig<br />

bis zu seinem Übertritt in die Realschule Linz übernahm.<br />

Dafür allerdings spricht, dass der spätere<br />

„Führer“ 1928 „seinem Lehrer Sixtl“ sein Buch „Mein<br />

Kampf“ mit Widmung übereignete. Auch erkundigte<br />

sich Hitler, als er am 13. März 1941 in Leonding war,<br />

noch einmal nach dem, allerdings schon im August<br />

1932, verstorbenen Sixtl.<br />

Fünf Klassen, zwei Schulhäuser, Lehrerwohnungen<br />

Aus heutiger Sicht müssen damals die Schülerzahlen<br />

eine enorme Belastung dargestellt haben, saßen<br />

doch in den einzelnen Klassen 1898 von 81<br />

(I. Classe) bis zu 120 Kinder (II. Classe). Jedes<br />

Schuljahr bildete eine Abteilung und wurde entweder<br />

im „Abteilungsunterricht“ parallel geführt oder vorbzw.<br />

nachmittags getrennt und vom selben Lehrer<br />

unterrichtet, weil ja schon seit 1882 Geschlechtertrennung<br />

eingeführt worden war. Gemessen an den<br />

Klassenschülerzahlen einiger Jahrzehnte vorher aber<br />

waren bezüglich des Raumproblems schon deutliche<br />

Besserstellungen für die Lehrer eingetreten, denn<br />

noch 1877 z.B., als es in Leonding für alle 8 Schulstufen<br />

nur zwei Klassen gab und die „Michelischule“<br />

noch nicht erbaut war, waren bis zu 150 Schüler in<br />

einem Klassenraum gesessen. Schon im nächsten<br />

Jahr, als diese Schule (Nr. 49) gebaut wurde, erwies<br />

sie sich als zu klein, denn es fehlten Lehrerwohnungen.<br />

Dabei war die Eröffnung einer dritten, höchst<br />

notwendigen Klasse damals noch gar nicht genehmigt.<br />

Als 1892 ein Anbau an die „Micheli-Schule“<br />

erfolgte, wurden zwei Unterlehrerwohnungen im<br />

Parterre eingerichtet. 1898, als eine fünfte Klasse<br />

16<br />

Abb.1: Postkartenmotiv: Vierte Klasse Volksschule mit Adolf Hitler<br />

eröffnet wurde, musste eine Wohnung zugunsten<br />

eines Klassenraums aufgeben werden. Die Schulraumsituation<br />

war damals in folgender Weise gelöst:<br />

I.Classe und ein Unterlehrerzimmer im Erdgeschoß<br />

der Michelischule. Die II.Classe unter J. Danhofer im<br />

1. Stock des Schulhauses Nr. 44 (die übrigen Räume<br />

waren damals Lehrerwohnungen), die III. Classe mit<br />

Elise Dressl „im Stieflerschen Gasthause“, die<br />

IV. Classe mit Oberlehrer Kaufmann im 1. Stock der<br />

Michelischule und deren Paralleklasse (IV. B) mit<br />

Lehrer Brauneis im Anbau der Michelischule. Die V.<br />

Classe mit Josef Sixtl war im 1. Stock der Micheli-<br />

Schule logiert (Altbau). Den „gekürzten Unterricht“<br />

(8. Schulstufe) hielten zeitverschoben in Kleinräumen:<br />

Sixtl für die Knaben und Ernestine Schwarze für die<br />

Mädchen. 27 Zu dieser Zeit gab es bei der Micheli-<br />

schule neben einem „Schulgarten“ und einer kleinen<br />

„Baumschule“ auch einen Turnplatz hinter dem Schulgebäude.<br />

28 Das war ein Fortschritt! Denn vorher<br />

„hatte das Turnen auf dem Wege vor dem 44er-<br />

Schulhause neben dem Gottesacker abgehalten werden<br />

müssen“. Auch wurde damals „die Unterweisung<br />

der Jugend im Obstbau, in der Bienenzucht und in<br />

der Landwirtschaft in Fortbildungskursen vorgenommen“.<br />

Die „Ursachen der Schulversäumnisse, die<br />

Classification in den Sittennoten,“ 29 die erziehlichen<br />

und andere wichtige Punkte des täglichen Unterrichtsgeschehens<br />

wurden in den „Monathsconferenzen“<br />

abgehandelt.<br />

Schuljahr und Ferien<br />

Das Schuljahr begann in der ersten Maiwoche mit


dem Schulgottesdienst und wurde jeweils durch dreiwöchige<br />

Ferien im Juli (Sommer- oder Schnittferien)<br />

und im September (Herbstferien, meist dreiwöchig<br />

vom Michelitag bis zum 19./20. Oktober) unterbrochen.<br />

Daneben gab es die etwas kürzeren Weihnachtsferien<br />

(„vom Tage der Geburt Christi bis zum 2.<br />

Jänner“). Die Osterferien begannen erst „am Mittwoch<br />

in der Charwoche“ und dauerten bis zum Osterdienstag.<br />

Für das erste bis siebente Schuljahr war<br />

normaler Vor- und Nachmittagsunterricht, das<br />

8. Schuljahr hatte den „gekürzten Unterricht“. Der in<br />

früherer Zeit immer exakt am Michaelstag (29. September)<br />

hierorts übliche „Micheli-Kirtag“, wurde erstmals<br />

1882 jeweils auf den ersten Sonntag „nach<br />

Michaeli“ verlegt. Jeweils einige Tage vor dem Weihnachtsfest<br />

wurde „im Lehrzimmer der II. Classe“ eine<br />

„Christbaumfeier abgehalten, bei der meist über hundert<br />

arme Schüler mit Kleidungs- und Wäschestücken<br />

betheilt“ wurden. Aus dieser Gebräuchlichkeit entwickelte<br />

sich die am 9. Dezember 1898 anlässlich<br />

des Regierungsjubiläums Seiner Majestät des Kaisers<br />

gegründete „Suppenanstalt“. 30<br />

Diese war mit Sachspenden und Spendengeldern ins<br />

Leben gerufen worden. An drei Tagen der Woche<br />

wurden „Conservensuppen“ ausgespeist, und für weitere<br />

zwei Schultage der Woche spendete der Leondinger<br />

Fleischhauer Michael Stiefler „ausreichend<br />

Knochen für Rindsuppe“. So wurden im Winter<br />

1898/99 an 52 Schultagen „beyläufig 6500 Portionen<br />

Suppe verabreicht“, die vorher von Lehrersgattinen<br />

zubereitet worden war. Die Oberlehrersehefrau<br />

Hedwig Kaufmann kochte im alten Schulhause<br />

(damals das 44er-Haus) und überwachte die Austeilung<br />

an die Kinder. In der „Michelischule“ war die<br />

Lehrersgattin Leopoldine Danhofer am Werk. Übrigens<br />

machte sich damals das Fleischhauer-Ehepaar<br />

Michael und Elise Stiefler auch sonst für die Suppenanstalt<br />

hoch verdient: In ihrem Gasthause fanden alljährlich<br />

Militärkonzerte der Regimentskapelle „Erzherzog<br />

Rainer Nr. 59“ statt, bei denen hohe, später<br />

vorwiegend für die Suppenanstaltskosten verwendete<br />

Spendenbeträge hereinkamen. Auch weitere ehrgeizige<br />

Spendenveranstaltungen, z.B. eine „Ausstellung<br />

abnorm gestalteter Haustiere“, ein „Bestkegeln“ und<br />

einen Unterhaltungsabend im Rahmen einer<br />

„Offiziersmesse“ sowie mehrere Schultheateraufführungen<br />

wurden im Gasthaus Stiefler organisiert.<br />

Das Kaiserjubiläum, die Ermordung der<br />

Kaiserin, „Hofzug“ durch Leonding<br />

1898 fanden im ganzen Lande Feierlichkeiten zum<br />

50 jährigen Regierungsjubiläum Kaiser Franz Josefs I.<br />

statt. Auch Leonding hatte umfangreiche Vorbereitungen<br />

getroffen. Doch wurde am 10. September<br />

nicht nur das österreichische Kaiserhaus von einem<br />

schweren Schicksalsschlag getroffen, „ auch alle<br />

Völker Österreich-Ungarns“. „Die edelste und beste<br />

der Frauen, die mildthätige Kaiserin Elisabeth wurde<br />

um zwei Uhr nachmittags in Genf von der ruchlosen<br />

Hand eines Anarchisten ermordet.“ 31 . Weiter wird in<br />

der Schulchronik berichtet: „Die während der Ferien<br />

hier anwesenden Lehrkräfte betheiligten sich mit<br />

einem großen Theile der Schüler an dem Spaliere,<br />

welches von dem Militär in Hart, von den Veteranen,<br />

dem Gemeindeausschusse, den Ortsschulrathsmitgliedern,<br />

der Geistlichkeit und der Feuerwehr am<br />

Donnerstag, dem 15. September, anlässlich der<br />

Durchfahrt des Separathofzuges mit dem Leichnam<br />

Ihrer k.u.k. Majestät, der Kaiserin Elisabeth, zwischen<br />

fi und fl 6 Uhr abends bei der Haltestelle der Bahn<br />

gebildet wurde. An dem am 16. September abgehaltenen<br />

Requiem betheiligten sich alle Lehrkräfte.“<br />

Auch in den folgenden Wochen trug Leonding Trauer:<br />

Das vom Lehrkörper anlässlich des 50. Regierungsjubiläums<br />

geplante Festspiel, dessen Erträgnis zur<br />

Errichtung der Suppenanstalt verwendet werden sollte,<br />

wurde verschoben und Ende September sowie an<br />

zwei Terminen im Oktober „in gelungener Inscenierung<br />

und Durchführung“ mit fast 100 Gulden Reingewinn<br />

aufgeführt. 32 Der bei Schulfeierlichkeiten in<br />

Leonding anwesende Schulinspektor und der Bezirkshauptmann<br />

riefen die Lehrer regelmäßig „zur Pflege<br />

der patriotischen Gefühle und der Kaisertreue in den<br />

Herzen der Schuljugend“ auf. Die am Ende der<br />

Feierlichkeiten auf „Seine Majestät den allergnädigsten<br />

Kaiser Franz Josef I. ausgebrachten Toasts und<br />

die Heil-Rufe wurden von der Festgemeinde mit Begeisterung<br />

erwidert.“ 33<br />

Leondings „Kaiserlinde“<br />

Als „Verbeugung im Schmerz wegen des Todes<br />

der Kaiserin“ wurde an ihrem Namenstage, dem 19.<br />

November, sowohl wegen des Regierungsjubiläums<br />

als auch im Andenken an die Kaiserin in Gegenwart<br />

der in Leonding vorhandenen Körperschaften, der<br />

Schüler sämtlicher Classen auf dem Kirchenplatze,<br />

dermalen noch im Friedhofe, eine „Kaiserlinde“<br />

gepflanzt“. Das damalige Bäumchen stand also noch<br />

im alten Friedhofbereich. Die Linde, heute am Kirchenplatz<br />

gegenüber dem 44er-Haus, überstand in<br />

ihrem Leben mehrere Irritationen, z.B. den in unmittelbarer<br />

Umgebung niedergegangenen Bombenabwurf<br />

am 25. Feber 1945 und auch das am 5. Mai<br />

1945 gegen die in Rufling auffahrenden amerikanischen<br />

Panzer gerichtete Flakfeuer der Buchberger<br />

Flak und die haarscharf am Turm und am Baum vorbeizischenden<br />

Panzergranaten der darauf antwortenden<br />

Amerikaner.<br />

17


Zum Zeitpunkt der Pflanzung der „Kaiserlinde“ wurde<br />

übrigens dem Lehrer-Ehepaar Josef und Maria Sixtl<br />

am 24. November 1898 die Tochter Maria geboren.<br />

Sie war später mit Erreichung ihres 102. Lebensjahres<br />

die älteste Leondinger Bürgerin ihrer Zeit. An<br />

ihrem 100. Geburtstag erzählte sie: „Die Straße<br />

neben der „Micheli-Schule“ (früher „Mitterweg“) nannte<br />

man damals schon „Micheli-Straße“. Als geschotterter<br />

Fahrtweg führte sie auf die Anhöhe des Micheli-<br />

Berges und in weiterer Folge nach Linz. Sonntags im<br />

Winter war sie „schwarz voller Kinder - lauter Schlittenfahrer.<br />

Von oben ging es los, dann beim „Schieferstein-Wirt“<br />

in die steile Gstöttn und von dort für viele<br />

in den Zaun des Schulhauses, der nie wirklich längere<br />

Zeit unversehrt blieb. Viele sind hineingerumpelt<br />

und haben sich wehgetan. (…) Wir wurden streng<br />

erzogen. Einmal, da war ich fünfzehn und hab mit<br />

einem im Schulhaus einquartierten Offizier gesprochen<br />

- Ein Krach ist daraus geworden! So sehr hatte<br />

es vorher wohl nie gestaubt in unserer Familie“.<br />

Feuerwehr dazumal<br />

Die Freiwillige Feuerwehr hielt 1898 ihre Chargensitzungen,<br />

„Kneipen“ und Hauptversammlungen abwechselnd<br />

im Bahnhofgasthaus des Hans Zacherl<br />

oder beim „Schieferstoawirt“ (Ferdinand Harrer), seltener<br />

auch beim Wirt in Alharting, ab. Hart und Ruefling<br />

hatten noch keine eigenen Löschzüge. Der 1898<br />

neu ernannte Feuerwehrobmann Josef Burger wurde<br />

vom damaligen Gemeindevorsteher Josef Mayrhofer<br />

(vom „Bauer in Ort-Gut“) in feierlicher Weise per<br />

Handschlag angelobt.<br />

Eine Leondinger Ehrung 1898<br />

Seit 1897 war damals gerade Dr. Franz Hinterberger<br />

verdienstvoller Gemeindearzt. Er war vor allem als<br />

„Eisenbahnarzt“ tätig und wurde später einer der<br />

18<br />

Ehrenbürger von Leonding. 1898 aber stand der<br />

ganze Ort immer noch unter dem Eindruck des hingebungsvollen,<br />

jahrzehntelangen Wirkens von Dr. Josef<br />

Steiner, seinem Vorgänger, dem nicht nur die Gemeindevorstehung<br />

mit Bürgermeister Josef Mayrhofer<br />

die Ehrenbürgerwürde verlieh, sondern den auch die<br />

Vollversammlung der Feuerwehr „zum Zeichen fortdauernder<br />

Hochachtung und Verehrung“ zum Ehrenmitglied<br />

ernannte. 34 Steiners Ernennung wurde zum<br />

großen Lokalereignis: „Nach einer Festansprache zog<br />

eine lange Reihe von Feuerwehrmännern bei einbrechender<br />

Dunkelheit mit Lampions und mit Musikbegleitung<br />

vor das Haus des Dr. Steiner. Dort wurde<br />

die Mannschaft mit den Lampions unter Führung des<br />

Löschmeisters Ecker so aufgestellt, dass die Initialen<br />

„J. St.“ und darüber als Zierung ein Halbbogen gebildet<br />

wurden. Musikvorträge, begeisterte Hochrufe auf<br />

den alten Arzt und dessen liebenswürdige Gemahlin<br />

und ein sehr schönes, vom Obmann der Feuerwehr<br />

Josef Burger vom Holzbergergut abgebranntes Feuerwerk<br />

bildeten die Ehrung, die aus dankbarem Herzen<br />

aller dem Jubilar dargebracht wurde. Hierauf<br />

zogen die Feuerwehr, die Gemeindevertretung, die<br />

Familie Steiner und viele Verehrer des Gefeierten in<br />

das Schieferstein’sche Gasthaus. Der Saal war<br />

prächtig geziert, besonders hervorgehoben sei das<br />

mit roth-weißer Draperie, Kaiserbüste und mit Blattpflanzen<br />

gezierte Photographie-Bild des Gefeierten,<br />

und ein 2. Bild, eine Kreidezeichnung des Herrn Dr.<br />

Steiner mit Transparent-Feuerwehremblem. Nach<br />

Reden von Kommandant Burger und Oberlehrer<br />

Kaufmann fand eine recht gemütliche Abendunterhaltung<br />

statt, bei der noch wiederholt begeisterte<br />

Hochrufe auf Dr. Steiner ausgebracht wurden. Jeder<br />

Teilnehmer hatte den Wunsch, er möge sich der Ehrungen<br />

noch lange in ungetrübter Gesundheit erfreuen.“<br />

Eine Abordnung zum Kaiserjubiläum nach Wien<br />

Am 7. Mai 1898 fand in Wien anlässlich der bereits<br />

50 Jahre dauernden Regierungszeit von Kaiser Franz<br />

Josef I. eine Jubiläumsausstellung und eine damit<br />

verbundene große Huldigungsfeier „Seiner Majestät<br />

des Jubelkaisers“ statt, zu der u.a. auch 10 Repräsentanten<br />

der Feuerwehr Leonding fuhren.<br />

Fronleichnam<br />

An der Fronleichnamsprozession anno 1898 beteiligte<br />

sich die Feuerwehr „nur mit Bluse und Kappe“. Der<br />

bei einer Chargensitzung vorgebrachte Antrag, die<br />

Steigermannschaft und die Chargen mögen doch in<br />

„voller Parade mit Helm und Hacke ausrücken“ fand<br />

keine Mehrheit. Dafür wurde der Antrag, dass die<br />

Feuerwehrkameraden in Hinkunft in allen dienstlichen<br />

Angelegenheiten, aber auch zu den Sitzungen in<br />

Uniform zu erscheinen hatten, angenommen. Zuwiderhandelnde<br />

wurden verdonnert, 20 Kreuzer in die<br />

Gemeinschaftskassa zahlen zu müssen. Auch beschloss<br />

man, dass jeder bei einem Brande beteiligt<br />

gewesene Feuerwehrmann mit drei Glas Bier und<br />

einem kleinen Essen bewirtet werden müsse. Sollte<br />

man aber wegen zu weiter Entfernung des Brandplatzes<br />

und anderer Ursachen wegen nicht zum<br />

Einsatz kommen, so habe niemand Anspruch auf<br />

Bewirtung. 35<br />

Leondinger Brände vor 110 Jahren<br />

Am 12. September 1898 etwa um halb 4 Uhr brannten<br />

„das Ortmairgut in Leonding Nr. 13 und das dem<br />

Schmied Stanek gehörige Nachbarhaus Nr. 10 nieder.<br />

Beim Ortmair brannten viele Fahrnisse und die<br />

gesamte Fechsung. Auch 3 Perde und 15 Schweine<br />

wurden Opfer der Flammen. „Johann Mair erlitt einen<br />

Schaden, der durch die Versicherungssumme weit<br />

nicht gedeckt war. Stanek war hinreichend versichert


Abb.2: Postkarte aus Leonding um 1900<br />

durch die „Kitzmair’sche Bauernassecuranz“. Zu spät<br />

bemerkt, brachten die Feuerwehrleute erst etwa eine<br />

halbe Stunde nach Brandausbruch „das Rindvieh aus<br />

dem lichterloh brennenden Hause heraus. Der glücklicherweise<br />

herrschenden Windstille und dem Neubaue<br />

des Herrn Stiefler, dem späteren Leondingerhof,<br />

ist es zu danken, dass das Feuer nicht weiter um sich<br />

griff. Etwa 1 Stunde später „erschien der Landtrain<br />

der Feuerwehr Linz, und etwas später rückte die<br />

Feuerwehr von Pasching an, und beide Wehren beteiligten<br />

sich wacker an den Löschungsarbeiten.“ Noch<br />

waren die Spuren des 12. September sichtbar, berichtet<br />

das Feuerwehrprotokoll, „als uns am 11. Oktober<br />

1898 um 4 Uhr früh abermals durch das Wimmern<br />

hoch vom Thurm die Schreckenskunde zutheil wurde,<br />

daß im Orte wiederum ein Brand ausgebrochen war,<br />

dem das Mayrhansengut und die Überlände mit dem<br />

Preßhause des Johann Mayrhofer und das Haus des<br />

Bäckermeisters Harrer zum Opfer fielen. Der Brand<br />

soll durch die Fahrlässigkeit eines Stallbuben im<br />

Mayrhansengute beim Anzünden der Tabakspfeife entstanden<br />

sein.“ Bei der Mitte November im Gasthaus<br />

Schieferstein abgehaltenen Feuerwehrhauptversammlung<br />

wurde auf Antrag des Kassiers Trauner, der<br />

im Hauptberuf die Gemeindesekretärstelle innehatte,<br />

„dem Herrn Gemeindevorstande (Bürgermeister<br />

Mayrhofer) ein dreimaliges „Gut Heil!“ dargebracht,<br />

weil er (als Nichtfeuerwehrmitglied) fast jeder Sitzung<br />

anwohnte.“<br />

Der Hornist Bauer meldete, er habe „beim letzten<br />

Brande seine Bluse verbrannt und ersuche um<br />

Entschädigung“. Es wurden ihm daraufhin 3 f (Gulden)<br />

aus der Kassa bewilligt. Der verheerendste Brand im<br />

Jahre 1898 brach am Abend des 28. November im<br />

„Kaindlgut“ in Hart aus, das völlig niederbrannte und<br />

dem sämtliche Fahrnisse, die gesamte Ernte und alle<br />

Haustiere zum Opfer fielen, obwohl sich neben der<br />

Feuerwehr Leonding auch die Wehren von St. Martin,<br />

Traun, Linz, Ebelsberg, Pasching und Hörsching und<br />

„noch andere auswärtige Mannschaften“ beteiligten.<br />

Einem Satz im damaligen Feuerwehrprotokoll verdanken<br />

wir übrigens die Gewissheit, dass es schon vor<br />

dem Jahre 1905 einen Feuerwehrzug Hart gegeben<br />

hat. Es heißt im Protokoll: „Es beteiligte sich auch die<br />

Mannschaft mit der Spritze vom Zeugs Filial Depot in<br />

Hart“. 36<br />

Ende 1898<br />

Das ereignisreiche, wegen des Todes der Kaiserin<br />

auch traurige Jahr 1898 ging seinem Ende entgegen.<br />

Eine bedeutsame Veranstaltung für Leonding ist für<br />

den letzten Monat in der Schulchronik vermerkt:<br />

„Dem allerhöchsten Wunsche entsprechend“ wurde<br />

das Kaiserjubiläum (50 Jahre Franz Josef I.)<br />

nachträglich am 2. Dezember in folgender Weise<br />

begangen: Das Schulhaus war festlich beleuchtet.<br />

Ein feierlicher Gottesdienst in Anwesenheit aller<br />

Schüler und Lehrer fand statt, und daran schloß sich<br />

„eine Schulfeier im Classenzimmer der IV. Classe“ mit<br />

Ansprache des Oberlehrers. „Ein begeistertes Hoch<br />

auf Seine Majestät, das Absingen des Kaiserliedes<br />

und die Verteilung einer von Pfarrer Ecker gespendeten<br />

Festschrift beendeten das Fest.“ 37<br />

19


Anmerkungen:<br />

1 Schulchronik Leonding 1875-1911, verfasst von diversen<br />

Schulleitern. Hier Josef Sixtl d. Ä. S. 80 ff.<br />

2 Schulchronik a.a.O. S. 80. weiterführende Literatur zum<br />

Ortsbild und zur Ortsgeschichte: Gaigg, Emmerich: Linz-<br />

Keferfeld. – Stadtteil Keferfeld 1939-1989. Erinnerungen,<br />

Entwicklungen. Perspektiven. Linz 1989. – Karning, Karl:<br />

Leonding in der Jugendzeit des Führers. Heimatland 1938. H.<br />

4. S. 57-64. - Kauer, J. A.: Lehrer und Schulen in Leonding.<br />

Gemeindebrief Leonding Folge 5 / Juni 1973 - ders. Aus der<br />

Schulgeschichte Leondings. Gemeindebrief Leonding Folge<br />

18 / Juni 1978 – ders. Leondinger Geschehen in Zehnjahresschritten.<br />

Gemeindebrief Leonding Folge 71 / Juni 1988. –<br />

ders. Zur selben Zeit … (Kaiserlinde). Gemeindebrief<br />

Leonding Folge 104 / Dez. 1993. – ders. 120 Jahre<br />

Feuerwehr Leonding. Gemeindebrief Leonding Folge 118 /<br />

Juni 1996. – ders. 125 Jahre „Michaelischule“ – zum Anlass<br />

ihrer Restaurierung 2002. Gemeindebrief Leonding 158 / Nov.<br />

2002. – ders. Alltag in vergangenen Tagen – Zeitzeugen im<br />

Interview. Gemeindebrief Leonding Folge 178 / Juli-August<br />

2005.<br />

3 Schulchronik a.a.O. S. 134.<br />

4 Schulchronik a.a.O. S. 135.<br />

5 Gemeindechronik Band I verfasst von Karl Karning. S. 337<br />

6 Leonding Nr. 48.<br />

7 Schulchronik a.a.O. S. 135<br />

8 Hinweise aus einem Gespräch mit M. Wolfsberger.<br />

9 Hinweise aus den Gesprächen mit M. Wolfsberger und S.<br />

Sixtl. Vgl. auch: Hamann, Brigitte: Hitlers Wien. Lehrjahre<br />

eines Diktators. 8. Aufl. München 2006. S. 19 f. – Jetzinger,<br />

Franz: Hitlers Jugend. Wien 1956. S. 69 u. 92 - Jäckel,<br />

Eberhard; Kuhn, Axel: Hitler: Sämtliche Aufzeichnungen 1905-<br />

1924. Stuttgart 1980. S. 1038. In Brief an Fritz Seidl<br />

16.10.1923. – Adolf Hitler: Mein Kampf, zitiert nach der einbändigen<br />

Volksausgabe. S. 173.<br />

10 Schulchronik a.a.O. S. 130 ff.<br />

11 Aufgaben u.a.: Armenschüler, Religionspädagogik, soziales<br />

20<br />

Engagement, Vermittlungen. Vgl. Schulchronik a.a.O. S. 130 ff.<br />

12 Schulchronik S. 133.<br />

13 Schulchronik a.a.O. S. 191.<br />

14 Pfarrarchiv St. Michael Leonding.<br />

15 Vgl. Gestionsprotokolle Pfarrarchiv. Gestionsprotokoll auf<br />

das Jahr 1898 der Pfarre Leonding.<br />

16 Hinweise aus der Schulchronik S. 125 ff.<br />

17 A.a.O. S. 87.<br />

18 Schulchronik ab 1875 S. 5 ff.<br />

19 Die 12 bis 14jährigen damals etwa 35 Schüler hatten nur<br />

„gekürzten Unterricht“, also einen Tag in der Woche.<br />

20 Schulchronik a.a.O. S. 154.<br />

21 Vgl. Schulchronik S. 182.<br />

22 Schulchronik a.a.O. S. 182 ff.<br />

23 Der Sohn des hier bis 1881 tätigen und am 19.<br />

September 1882 „im Vögerlhause Nr. 2 verstorbenen“<br />

Schulleiters Johann Danhofer sen.<br />

24 Schulchronik a.a.O. S. 139.<br />

25 A.a.O. S. 139.<br />

26 Schulchronik a.a.O. S. 134.<br />

27 Schulchronik a.a.O. S. 140 ff.<br />

28 A.a.O. S. 153 ff.<br />

29 Schon ab 1893. siehe Schulchronik S. 115.<br />

30 Schulchronik S. 142.<br />

31 Schulchronik S. 141 ff.<br />

32 A.a.O. S. 141.<br />

33 Vgl. Schulchronik S. 151.<br />

34 Chronik der Freiwilligen Feuerwehr Leonding<br />

35 Feuerwehrprotokolle 1898.<br />

36 Feuerwehrprotokolle 1898 ff.<br />

37 Schulchronik S. 141.


EIN DORF IM ERZHERZOGTUME OB DER ENNS UM 1900<br />

Gerhard Tolar<br />

Die Familie Alois Hitler hat in der Zeit um 1900 sieben<br />

Jahre in Leonding gelebt. Unter ihnen auch Adolf<br />

Hitler von seinem neunten bis zu seinem sechzehnten<br />

Lebensjahr. Auch die Jahre vorher hatte die Familie<br />

in ähnlichen Strukturen gelebt, in einer Gemeinde<br />

des „Erzherzogtums ob der Enns“, einem der<br />

habsburgischen Erblande. Der Habsburger Kaiser<br />

war der Souverän, der von 1848 bis 1916 an der<br />

Macht war und sich in dieser Zeit wandelte vom<br />

absoluten Monarchen zum Monarchen in einem Verfassungsstaat.<br />

Der Gesamtstaat hat in der Zeit von<br />

1848 bis zum Ende der Monarchie grundlegende<br />

Veränderungen erfahren, Rechtsgrundlage und Charakter<br />

der Gemeinden wurden in den Jahren 1849 bis<br />

1862 geschaffen aber bis zum Ende der Monarchie<br />

nicht wesentlich verändert. 1<br />

Alois Hitler, der Vater Adolf Hitlers, hat von 1837 bis<br />

1903 gelebt und die gewaltigen Umwälzungen dieser<br />

Zeit mitgemacht, Adolf Hitler geboren 1889 ist in den<br />

Strukturen einer Gemeinde um 1900 aufgewachsen.<br />

Die freie Gemeinde<br />

I. Die Grundfeste des Staates ist die freie Gemeinde,<br />

II. Der Wirkungskreis der freien Gemeinde ist a) der<br />

natürliche, b) ein übertragener, stand an der Spitze<br />

des provisorischen Gemeindegesetzes des revolutionären<br />

Grafen Stadion aus dem Jahr 1849. 2 Das<br />

gesamte Staatsgebiet ist in Gemeindebezirke aufzuteilen.<br />

So steht es im Reichsgemeindegesetz 1862. 3<br />

Die einzelnen Kronländer hatten Landesgemeindegesetze<br />

zu erlassen. Erst 1864 folgte die Oberöster-<br />

reichische Gemeindeordnung 4 , gleichzeitig mit der<br />

Oberösterreichischen Gemeindewahlordnung. 5<br />

Aufgaben der Gemeindeselbstverwaltung<br />

Die Gemeindeordnung des Reiches wies den Gemeinden<br />

Aufgaben zu. Wie bei den Grundherrschaften<br />

bestanden die Gemeindeangelegenheiten aus<br />

einem autonomen selbständigen und einem übertragenen<br />

staatlichen Wirkungsbereich. Zum autonomen<br />

Wirkungsbereich zählten Finanzbefugnisse (im Wesentlichen<br />

die Verwaltung des Gemeindevermögens),<br />

ein Besteuerungsrecht (hauptsächlich durch Zuschläge<br />

zu staatlichen Steuern), der Schutz von Personen<br />

und Eigentum (Sicherheits-, Bau-, Feuerpolizei etc.),<br />

Wohlfahrtspflege (Gesundheits- und Bildungswesen)<br />

und Armenwesen. Im übertragenen staatlichen Wirkungsbereich<br />

wurde die Gemeinde als staatliches<br />

Hilfsorgan benutzt z.B. für die Steuerbemessung, die<br />

Einhebung der Steuern und vor allem die Durchführung<br />

des Polizeistrafrechtes. Ausführende Organe<br />

waren der Gemeindeausschuss auch „Gemeinderat“<br />

genannt, und der Gemeindevorstand, bestehend aus<br />

dem Bürgermeister und einigen Gemeinderäten. Der<br />

Bürgermeister war allerdings allein entscheidungsbefugt.<br />

Gemeinden besonderer Art wurden mit besonderen<br />

Statuten ausgestattet und als „Städte mit eigenem<br />

Statut“ eingerichtet. 6<br />

Gemeindevermögen - Gemeindeumlagen<br />

Grundsätzlich waren die Ausgaben der Gemeinden<br />

nach dem Gesetz durch die Erträgnisse aus dem<br />

Gemeindevermögen zu bestreiten. Wenn diese nicht<br />

ausreichten, konnte die Gemeinde Umlagen einheben.<br />

Dazu gehörten: 7<br />

1. Zuschläge zu den directen Steuern oder zur<br />

Verzehrungssteuer;<br />

2. Dienste für Gemeindeerfordernisse;<br />

3. Auflagen und Abgaben, welche in die Kategorie der<br />

Steuerzuschläge nicht gehörten. Zur Einführung<br />

oder Erhöhung der letztgenannten Art von<br />

Gemeindezuschlägen ist ein Landesgesetz<br />

erforderlich.<br />

Nach den Akten des k. k. Finanzministeriums betrug<br />

der durchschnittliche Prozentbetrag der Gemeindeund<br />

Ortsschulzuschläge zu den direkten Steuern für<br />

Oberösterreich in den Jahren 1862 18,0%, im Jahre<br />

1880 34,4%. Über Landeslegislative kam es zur Genehmigung<br />

von zusätzlichen Auflagen in gewissen<br />

Sachgebieten (Hundeauflagen, Gebühren für die<br />

Erteilung des Heimatrechtes, Mietzinssteuer, Auflagen<br />

für den Bier- und Spirituosenkonsum etc.) 8<br />

Die Verzehrungssteuer<br />

Einen wesentlichen Einfluss auf alle Staatsbürger, ja<br />

sogar auf die Orts- und Stadtbilder und auf die Siedlungstätigkeit<br />

der Bürger übte die so genannte „Verzehrungssteuer“<br />

aus, die der Staat einhob. Die Verzehrungssteuer<br />

war eine Verbrauchssteuer, unserer<br />

heutigen Umsatzsteuer entsprechend. Auf dem flachen<br />

Land wurde diese Steuer für Getränke und<br />

21


Schlachtvieh eingehoben, in den Städten wurde an<br />

den Stadtgrenzen eine Steuer auf alle eingeführten<br />

Lebensmittel und Konsumartikel eingehoben, dazu<br />

wurden eigene Ämter, die sogenannten „Linienämter“<br />

geschaffen. Diese Steuer traf besonders ärmere<br />

Bevölkerungsteile und führte dazu, dass viele trachteten,<br />

sich außerhalb der „Linien“ anzusiedeln. 9 Diese<br />

Steuer mag auch ein Teil der Begründung gewesen<br />

sein, dass sich Alois Hitler vor den Toren von Linz in<br />

Leonding niederließ und dass sich Clara Hitler, die<br />

als Witwe 1905 nach Linz gezogen war, mit ihrer<br />

Familie aus Linz nach Urfahr, das außerhalb der<br />

Linien lag, zurückzog.<br />

Die Wahlordnungen<br />

Im Gemeindegesetz im Erzherzogtum Österreich ob<br />

der Enns aus dem Jahr 1864 ist auch die Gemeindewahlordnung<br />

enthalten. Wahlberechtigt waren demnach<br />

alle Gemeindemitglieder, die aus ihren Realbesitze,<br />

Gewerbe oder Einkommen seit wenigstens<br />

einem Jahr in der Gemeinde eine direkte Steuer entrichteten.<br />

Ohne Rücksicht auf ihre Steuerleistung war<br />

die Klasse der „Intelligenzen“ wahlberechtigt, das<br />

waren die in der Ortsseelsorge tätigen, Hof-, Staats-<br />

Landes- und Fondsbeamte, Volksschuloberlehrer etc.<br />

Ausgeschlossen vom Wahlrecht waren Personen, die<br />

eines Verbrechens schuldig erkannt wurden. „Wählbar<br />

waren Wahlberechtigte, die das vierundzwanzigste<br />

Lebensjahr zurückgelegt haben, ausgenommen<br />

die Bediensten der Gemeinde und Personen, die eine<br />

Armenversorgung genießen, in einem Gesindeverbande<br />

stehen oder – wie Taglöhner oder gewerbliche<br />

Gehilfen – einen selbständigen Erwerb nicht haben.“ 10<br />

Diese Gemeindewahlordnung galt mit kleinen Veränderungen<br />

bis zum Untergang der Monarchie.<br />

Zur Vorbereitung der Wahl des Gemeindeausschusses<br />

11 hatte der Gemeindevorsteher ein ge-<br />

22<br />

naues Verzeichnis aller Wahlberechtigen anzufertigen.<br />

Zuoberst die Ehrenbürger, dann die „Intelligenzen“<br />

unter Angabe ihrer Jahresschuldigkeit an<br />

direkten Steuern bzw. ihrer Besoldungen und Ruhegenüsse.<br />

Die Steuerschuldigkeiten und die Bezüge<br />

waren gesondert zu summieren.<br />

„Auf dieser Basis sind die Wahlkörper festzulegen. 12<br />

Es sind drei Wahlkörper zu bilden, wenn die Zahl der<br />

Wahlberechtigten gering ist und der Unterschied der<br />

Steuerschuldigkeiten gering ist auch nur zwei Wahlkörper.<br />

Dazu wird die gesamte Steuerschuldigkeit in<br />

drei bzw. zwei Teile geteilt und entsprechende Grenzen<br />

in der Gesamtliste gezogen. Die Zahl der zu<br />

wählenden Ausschuß- und Ersatzmänner wird auf die<br />

einzelnen Wahlkörper in gleichen Teilen verteilt.“<br />

Dieses Dreiklassenwahlrecht war zu Ende des 19.<br />

Jahrhunderts schon weit hinter der gesellschaftlichen<br />

Entwicklung zurückgeblieben. Das Reichsratswahlrecht<br />

wurde den neuen Verhältnissen durch drei<br />

Wahlreformen mehr oder weniger angepasst; eine<br />

Demokratisierung des Gemeinde-Wahlrechts ist<br />

jedoch in Österreich ausgeblieben. 13<br />

Der Wahlakt selbst war öffentlich. Die Wähler wurden<br />

einfach vor der Wahlkommission in der Reihenfolge,<br />

in der sie auf den Wählerlisten verzeichnet waren,<br />

aufgerufen und aufgefordert, ihre Stimme nach freier<br />

Überzeugung abzugeben. 14<br />

Das Gros der Gemeindebürger war ohne Wahlrecht.<br />

Auch noch 1908 etwa war in einer Stadt wie Schwanenstadt<br />

nur jeder sechste Bürger wahlberechtigt, insgesamt<br />

296 von 1800 Einwohnern. Von diesen Wahlberechtigten<br />

befanden sich 20 im ersten Wahlkörper,<br />

46 im zweiten und 230 im dritten Wahlkörper. 15<br />

Jeder Wahlkörper wählte die gleiche Zahl an<br />

Ausschussmitgliedern und Ersatzleuten.<br />

Das Heimatrecht<br />

Für das Heimatrecht der Bürger einer Gemeinde<br />

sorgte das Gesetz betreffend die „Regelung der<br />

Heimatverhältnisse“ 16 zusammen mit den oben<br />

genannten Gemeindegesetzen: Die auf dem Gebiet<br />

einer Gemeinde weilenden Personen waren nach<br />

dem Gemeindegesetz entweder Auswärtige (die in<br />

der Gemeinde weder heimatberechtigt waren noch<br />

direkte Steuern zahlten) oder Gemeindemitglieder<br />

(Gemeindeglieder). Letztere wurden weiter in<br />

Gemeindeangehörige (sofern sie heimatberechtigt<br />

waren; diesen stand das Recht auf Armenversorgung<br />

und auf ungestörten Aufenthalt in der Gemeinde zu)<br />

und in Gemeindegenossen (die nicht heimatberechtigt<br />

waren, aber in der Gemeinde direkte Steuern<br />

zahlten; diese waren in der Gemeinde wahlberechtigt)<br />

eingeteilt. Diese Regelung führte zu Paradoxien.<br />

Die Auswärtigen bildeten häufig den Großteil der<br />

tatsächlichen Gemeindebewohner. Sie waren aber<br />

von allen Rechten in der Gemeinde ausgeschlossen.<br />

Gemeindemitgliedschaft erhielten oft Personen, die in<br />

der Gemeinde überhaupt nicht wohnten. Dagegen<br />

gab es Gemeindeangehörige, die in der Gemeinde<br />

wohnten, aber da kein Wahlrecht hatten. 17<br />

Die Arbeiter der Industrie, die Gesellen des Gewerbes,<br />

das Gesinde der Bauern zahlten zwar in jenen<br />

Jahren im Durchschnitt keine direkten Steuern und<br />

somit auch keine Gemeindezuschläge, waren daher<br />

nicht wahlberechtigt. Aber sie zahlten sehr wohl die<br />

indirekten Steuern.<br />

Diese Personengruppe hatte es schwer, an einer<br />

Arbeitsstelle Heimatrecht zu erhalten. Sie galten<br />

meist als Auswärtige. Auswärtige konnten in ihre


Heimatgemeinde abgeschoben werden. Dieses<br />

„Schubwesen“ blieb bis zum Ende der Monarchie<br />

eine problemreiche Angelegenheit. Die wirtschaftlichen<br />

Probleme wurden zu politischen und politische<br />

zu wirtschaftlichen. 18 Anzumerken ist noch, dass die<br />

Frauen bis zum Jahr 1919 keinerlei Wahlrecht<br />

besaßen. Selbst die Wahlrechtsreform von 1909, die<br />

die Einführung der allgemeinen Wählerklasse brachte,<br />

schloss die Frauen von der Wahl aus. 19<br />

Die Stellung der Familie Alois Hitler<br />

in der Gemeinde<br />

Die Angaben über die Gemeindeorganisation, Steuern<br />

und Abgaben, Wahl- und Heimatrecht gaben ein Bild<br />

der Stellung eines Individuums innerhalb der Gemeinde,<br />

in der er wohnt oder arbeitet. Insbesondere das<br />

Heimatrecht war schwer durchschaubar und führte zu<br />

seltsamen Verhältnissen. Für Alois Hitler sah die<br />

Situation folgendermaßen aus: Alois Hitler wohnte in<br />

Leonding, hatte dort Hausbesitz und war deshalb<br />

nach dem Gemeindegesetz als Gemeindegenosse<br />

eingestuft. Deshalb findet sich auch ein Eintrag im<br />

entsprechenden Meldebuch von Leonding. Mit der<br />

Übersiedlung von Clara Hitler nach Linz am 1. Juli<br />

1905 und dem Verkauf von Haus und Grund erlosch<br />

auch diese Eintragung (siehe Abbildung 3 u. 4). Zuständig<br />

oder heimatberechtigt war Alois Hitler „nach<br />

Linz“, wie man seiner Eintragung im Totenbuch der<br />

Pfarre Leonding entnehmen kann. Alois Hitler hatte in<br />

seinem Leben zahllose Wohnungs- und Ortswechsel<br />

vorgenommen. Ortswechsel hatten für gewöhnliche<br />

Bürger die Auswirkung, dass sie schwer Heimatrecht<br />

erreichen konnten. Das galt nicht für Beamte, Geistliche<br />

und Lehrer. Sie erlangten nach § 10 des Heimatrechtsgesetzes<br />

1863 mit dem Antritte ihres Amtes das<br />

Heimatrecht in der Gemeinde, in welcher ihnen ihr<br />

ständiger Amtssitz angewiesen wurde.<br />

Abb.3 u. 4: Titelseite und Eintragung der Familie Alois Hitler in der Leondinger „Heimats-Matrik“<br />

Als Beamter war Alois Hitler in der ersten Wählerklasse<br />

wahlberechtigt, unabhängig von seiner Steuerleistung,<br />

die übrigens auch ausgereicht hätte, um ihm<br />

ein Wahlrecht zu verschaffen. Auch seine kurzzeitige<br />

Veränderung in höhere Gesellschaftskreise, als er das<br />

3,8 ha große Rauscher-Gut in Hafeld bei Lambach<br />

kaufte, hat daran nichts geändert. In Leonding begnügte<br />

er sich mit 2223 m≈ Grund und Hausbesitz.<br />

Alois Hitler war also sicher auch aus dieser Einstufung<br />

her ein angesehener Bürger in der Gemeinde<br />

Leonding um 1900.<br />

23


Abb.5: Eintragung von Alois Hitler im Totenbuch der Pfarre Leonding des Jahres 1903<br />

Die Gemeindeselbstverwaltung heute<br />

Die Grundsätze, die im provisorischen Gemeindegesetz<br />

der Habsburgermonarchie von 1849 proklamiert<br />

wurden, sind auch heute noch gültig. Auch die<br />

heutigen Gemeinden arbeiten in einem selbständigen<br />

und einem übertragenen Wirkungsbereich, wie die<br />

Begriffe heute lauten, wenn sich auch die in den<br />

Wirkungsbereichen enthaltenen Aufgaben wesentlich<br />

gewandelt haben.<br />

Auch im aktuellen Diskurs um die Europäische Verfassung<br />

spielt die Gemeindeselbstverwaltung eine<br />

große Rolle. Im Vertrag von Lissabon „zur Änderung<br />

des Vertrages über die Europäische Union und des<br />

Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft“,<br />

unterzeichnet in Lissabon am 13. Dezember<br />

2007 Artikel 3a: „Die Union achtet die Gleichheit der<br />

Mitgliedstaaten vor den Verträgen und ihre jeweilige<br />

nationale Identität, die in ihren grundlegenden politischen<br />

und verfassungsmäßigen Strukturen einschließlich<br />

der regionalen und lokalen Selbstverwaltung<br />

zum Ausdruck kommt“.<br />

24<br />

Anmerkungen<br />

1Brauneder, Wilhelm; Öst. Verfassungsgeschichte; Wien<br />

2005, Seite 154<br />

2 Allgemeines Reichs-Gesetz- und Regierungsblatt für das<br />

Kaiserthum Österreich 1849 Nr. 170, Seiten 203 bis 222<br />

3 Reichs-Gesetz-Blatt für das Kaiserthum Österreich RGBl.<br />

18/1862, vom 5. März 1862, 9. Stück<br />

4 Gemeindeordnung vom 28. April 1864 wirksam für das<br />

Erzherzogthum Österreich ob der Enns mit Ausnahme der<br />

Städte Linz und Steyr, LGB1. Nr. 6, abgeändert d.<br />

Landesgesetz vom 4. Oktober 1868, LGB1. Nr. 16, durch<br />

Landesgesetz vom 12. Oktober 1868, LGB1. Nr. 19, d.<br />

Landesgesetz vom 23. Juni 1893, LGB1. Nr. 19.<br />

5 Gemeindewahlordnung vom 28. April 1864, wirksam für<br />

das Erzherzogthum Österreich ob der Enns mit Ausnahme<br />

der Städte Linz und Steyr, LGB1. Nr. 6/1864. Novelliert d.<br />

Landesgesetz vom 25. Juli 1893, LGB1. Nr. 22, und d.<br />

Landesgesetz vom 13. März 1894, LGB1. Nr. 13.<br />

6 Brauneder , a.a.O. S 150 ff<br />

7 Rauter, David; Österreichisches Staats-Lexikon, Wien<br />

1885, S 94<br />

8 Klabouch, Jiri, Die Gemeindeselbstverwaltung in Österreich,<br />

Wien 1968, Seite 119f<br />

9 Rauter, a.a.O. Seite 95 f<br />

10 Rauter, a.a.O. Seite 95 f<br />

11 Gemeindeverordnung a.a.O. Wahlordnung § 12<br />

12 Gemeindeverordnung a.a.O. Wahlordnung zweiter<br />

Abschnitt<br />

13 Klabouch, a.a.O. Seite 9<br />

14 Ucakar, Karl, Demokratie und Wahlrecht in Österreich,<br />

Wien 1985, Seite 124<br />

15 Slapnicka, Harry, Oberösterreich unter Kaiser Franz<br />

Josef, Linz 1982, Seite 90<br />

16 Reichs-Gesetz-Blatt für das Kaiserthum Österreich 18.<br />

Stk. Nr. 105 vom 2. Dezember 1863<br />

17 Klabouch, a.a.O., Seite 70, Fußnote<br />

18 Slapnicka, a.a.O., Seite 39<br />

19 Floßmann, Ursula, Das Frauenwahlrecht in<br />

Oberösterreich vor 1918, In Helfried Valentinitsch<br />

(Hg.),Festschrift Hermann Baltl zum 70. Geburtstag, Graz<br />

1988, Seite 155 bis 182


LEONDING 1938 - 1945<br />

NATIONALSOZIALISMUS IN LEONDING, IM SPIEGEL<br />

DREIER CHRONIKEN - ERINNERN ODER VERGESSEN?<br />

Josef Andreas Kauer<br />

Stellt man heute auch noch so genaue und objektiv<br />

bewertete historische Untersuchungen über Ereignisse<br />

vergangener Epochen, insbesondere der NS-<br />

Zeit an, so werden diese Recherchen wohl nie als<br />

abgeschlossen gelten, denn immer wieder eröffnen<br />

sich bei Betrachtung der Quellen neue Perspektiven<br />

und Schwerpunkte. Je tiefer man in die Archive<br />

taucht, desto besser erkennt man auch, wie schwer<br />

der Weg zu echter Wahrheitsfindung ist. Eingedenk<br />

der Zwanghaftigkeit, in denen die Menschen vor und<br />

nach 1938 leben mussten, rückt man aber auch ab<br />

von jeder Schuldzuweisung, und es geht nur mehr<br />

darum zu verstehen.<br />

Hat man das Glück, dass die Ereignisse einer<br />

Zeitspanne von mehreren Zeitzeugen, in unserem<br />

Falle von drei Chronisten, jeweils aus verschiedenen<br />

Blickwinkeln in der Gemeinde- , der Pfarr- und der<br />

Gendarmeriechronik niedergeschrieben wurde, dann<br />

wird die Wahrscheinlichkeit größer, der Wahrheit<br />

näher zu kommen. Auch ein Feuerwehrprotokollbuch<br />

und Untersuchungen zu hierortigen Ereignissen im<br />

Jahr 1938 und zu Leondinger Persönlichkeiten, die<br />

damals eine Rolle spielten, standen bei den Nach-<br />

forschungen zu diesem Beitrag zur Verfügung.<br />

Mehrere Zeitzeugenzitate zum Thema 1938 sollen<br />

also helfen, die Geschehnisse in jenen Tagen für den<br />

Raum Leonding-Linz möglichst objektiv und von<br />

Seiten der Erlebnisgeneration her zu sehen;<br />

„Aufarbeitung und Vergangenheitsbewältigung“ also,<br />

die ohne diese Art von Wahrheitsfindung nicht auskommt.<br />

Die Leondinger Chroniken<br />

Bis 1934 war Leonding von dem sozialdemokratischen<br />

Bürgermeister Karl Schrattenholzer geführt<br />

worden. Nach den Februarunruhen 1934 und nach<br />

dem Verbot seiner Partei war Schrattenholzer des<br />

Amtes enthoben und nach dem ständischen<br />

Wahlrecht der allseits beliebte Bauer Franz Bäck,<br />

Mair in Aichberg, zunächst als Regierungskommissär,<br />

dann aber am 1.12.1934 als Bürgermeister installiert<br />

worden. Im März 1938 wurde Bäck durch Josef<br />

Miesenberger abgelöst, 1945 machte Miesenberger<br />

wieder für Bäck Platz.<br />

Die Pfarre führte zu dieser Zeit Pfarrer Johann<br />

Haudum. Seine Pfarrchronik spiegelt die wechsel-<br />

volle Stimmung jener Jahre wohl am deutlichsten<br />

wider. In der Zeit des Ständestaates ist sie voll Sorge<br />

und Klagen wegen der großen Not, wegen der ständigen<br />

Unruhen und der politischen Auseinandersetzungen.<br />

1938 spiegelt sie zuerst große Begeisterung<br />

über den verheißungsvollen Wechsel wider, im<br />

Verlaufe bis 1945 aber Kummer und Sorge wegen<br />

des immer blutiger werdenden Krieges. Karl Karning<br />

d. Ä. hatte schon 1937 von Bürgermeister Bäck den<br />

Auftrag zur Anlage einer Gemeindechronik erhalten.<br />

Die Vorzüge seiner Schreibweise liegen in der Übersichtlichkeit,<br />

in der Gliederung in größere Themenbereiche<br />

und vor allem in der Ausführlichkeit seiner<br />

Schilderungen.<br />

Die Gendarmeriechronik wiederum wirkt in ihren<br />

datumsmäßig gegliederten Kurzberichten streng,<br />

nüchtern und sachlich, wurde jeweils vom diensthabenden<br />

Gendarmeriekommandanten (Anton Lohwasser,<br />

Pesendorfer u.a.) geschrieben und entbehrt<br />

dennoch nicht einer gewissen Ausführlichkeit, so<br />

dass die Nachwelt sehr wohl auch in dieser Aufschreibung<br />

die „damalige Stimmung“ nachvollziehen<br />

kann.<br />

25


Zur Vorgeschichte - 1918 – 1938<br />

Das nach dem Ersten Weltkrieg nach einschneidendem<br />

Schrumpfungsprozess der österreichisch-ungarischen<br />

Monarchie übrig gebliebene und um vieles kleinere<br />

Deutsch-Österreich kämpfte seit Kriegsende<br />

1918 um wirtschaftliches Überleben. Insbesondere<br />

die Landeshauptstädte und ihre Zentralräume waren<br />

lange Jahre voll von Arbeitslosen, Bettlern, Ausgesteuerten,<br />

und die breite Masse der Bevölkerung war<br />

ständig in Angst vor Hunger und Not. Das Nachbarland<br />

Deutschland aber rüstete im Besonderen nach<br />

der Machtergreifung durch Adolf Hitler auf und trug<br />

seine wirtschaftliche Macht und den Aufschwung stolz<br />

zur Schau.<br />

Anfang der 1930er Jahre war die NSDAP in Österreich<br />

politisch nur eine Splittergruppe. Hitlers Machtübernahme<br />

1933 aber brachte hier einen gewaltigen<br />

Zulauf zu dieser Partei aus dem Lager der Deutschnationalen,<br />

wenig später aber auch von sozialdemokratischer<br />

Seite. - Man hatte nämlich nach dem Bürgerkrieg<br />

im Februar 1934 und nach der Niederlage<br />

der Schutzbundtruppen die Sozialdemokratische<br />

Partei als politischen Faktor ausgeschaltet, ihr<br />

Vermögen beschlagnahmt, ihre Mitglieder in die<br />

Illegalität getrieben und sie so sehr entrechtet, dass<br />

viele in auswegloser politischer Lage nach und nach<br />

ihre neue politische Heimat im nationalsozialistischen<br />

Lager suchten, weil das damals die einzige Partei<br />

war, die gegen das ständestaatliche Regime, den<br />

sogenannten Austrofaschismus, kämpfte. 1<br />

In der Leondinger Pfarrchronik wird schon in früher<br />

Zeit zur Frage Nationalsozialismus und Hitler nach<br />

1933 Stellung genommen: „Er ist Österreicher, in<br />

Braunau geboren, in Leonding aufgewachsen und in<br />

die Schule gegangen. Es liegt in der Zeit, nicht nur in<br />

26<br />

der Person des Hitler, mit starker Faust wieder einzugreifen<br />

und die Zügel zu führen. Es ist eine<br />

Gegenrevolution gegen die Umsturzideen von 1918<br />

und 1919. Dr. Dollfuß regiert mit Notverordnungen,<br />

weil sich das Parlament zu Tode regiert hat. Eine<br />

neue Zeit!“ 2 Als Bundeskanzler Dollfuß im Juli 1934<br />

durch NS-Radikale getötet wurde, mussten auch die<br />

Nationalsozialisten in die Illegalität. Not, Elend,<br />

Arbeitslosigkeit und Spannungen aber stiegen weiter<br />

ins Unerträgliche, was der NSDAP in die Hände spielte,<br />

denn ihre Sympathisanten mehrten sich überaus<br />

rasch und 1938 hatte Österreich an die 600.000 illegale<br />

NS-Mitglieder.<br />

Die seit der Verhängung der 1000-Mark-Sperre 1933<br />

und dem Juli-Putsch 1934 erheblich belasteten österreichisch-deutschen<br />

Beziehungen sollten durch das<br />

Juli-Abkommen 1936 zwischen Schuschnigg und<br />

Hitler mit Presseerleichterungen, kulturellen Austauschbeziehungen<br />

und der Amnestie der Nationalsozialisten<br />

entspannt werden. Langfristig aber lösten<br />

sie in Österreich die wirtschaftlich triste Lage nicht.<br />

Der Leondinger Gendarmeriechronist A. Lohwasser<br />

schieb 1938 zu dieser Frage: „Wenn es gelingt, das<br />

Grundübel, die Arbeitslosigkeit, eine Geißel der<br />

Menschheit zu mildern, so wird wieder die so notwendige<br />

Ruhe unter dem Volke sein und die Exekutive<br />

besseren Zeiten entgegengehen mit unserem<br />

österreichisch-deutschen Volke. Gott gebe es!“ 3<br />

Rückschauend auf die Epoche 1934-1938 erscheint<br />

sie als eine Zeit der Entstehung faschistischer, antidemokratischer<br />

Regierungssysteme, insbesondere in<br />

Italien, Spanien, Deutschland und ab Dollfuß auch in<br />

Österreich. Nach Jahren der Not und der politischen<br />

Wirrnisse, die im fehlgeschlagenen Schutzbundaufstand<br />

im Februar 1934 und im Juli-Putsch der<br />

NSDAP ihre Höhepunkte erreicht hatten, waren die<br />

Menschen in Österreich schon vor 1938 zermürbt<br />

worden. „Unser Land war zu klein und zu arm, zu<br />

zerrüttet durch Haß und Parteiwesen, in manchen<br />

führenden Stellen auch durch Korruption angefressen.“<br />

4 Die damalige politische Polarisierung Rot-<br />

Schwarz hat nach 1934 der Ständestaat, der weithin<br />

einen aggressiven Antiparlamentarismus pflegte, nie<br />

überwinden können, er hat die Gegensätze durch<br />

autoritäres Vorgehen seiner paramilitärischen<br />

Organisationen eher verstärkt. 5<br />

Die Leondinger NSDAP in der Illegalität<br />

Erste offen geführte nationalsozialistische Leondinger<br />

Aktivitäten hat es schon 1933 vor dem Verbot der<br />

Partei gegeben. Ende Juli 1934 war es in der Nachbarschaft<br />

Wilhering zu einem „Umbruchversuch“<br />

gekommen. Dort hatte sich in der Ortschaft Ufer ein<br />

Zug heimischer Nationalsozialisten versammelt, unter<br />

denen auch Leondinger waren. Es kam zu einem<br />

bewaffneten Zusammenstoß mit der Exekutive, wobei<br />

ein Gendarm getötet wurde. Anderntags wurden 27<br />

„illegale Leondinger, die der Teilnahme an der Zusammenrottung<br />

überwiesen werden konnten, verhaftet<br />

und dem Landesgericht überstellt werden.“ 6 „Auch<br />

konnten bei dieser Gelegenheit die seit 1933 vorgekommenen<br />

Aktionen der NSDAP geklärt werden,<br />

soweit die verbotene Betätigung dieser Partei den<br />

hiesigen Rayon betraf.“ heißt es in der Gendarmeriechronik.<br />

„Am 20. Juni 1935 wurde nämlich eine<br />

„Leondinger NS-Geheimorganisation“, ausgehend<br />

von Thening, aufgelöst. Sieben Personen wurden<br />

festgenommen und bestraft.“ 7 Dazu wird in der<br />

Pfarrchronik bemerkt: „Immer wieder flammen Nazi-<br />

Nester auf. - Mitte Mai 1935 wurden von der<br />

Sicherheitsdirektion Linz geheime Versammlungen in<br />

Thening aufgedeckt, welche gegen den jetzigen Kurs<br />

in Österreich gerichtet sind.“ 8


Für den Friedhof meldet Pfarrer Haudum frühen<br />

„Zulauf von Hitler-Verehrern aus dem Reich und aus<br />

aller Welt, die zum Elterngrab kommen“, und „am 9.<br />

April [1933] waren amerikanische Journalisten hier.“ 9<br />

Aber auch von Spannungen wird erzählt: „Ein politisches<br />

Gezänke spielte sich heuer wiederholt um das<br />

Hitlergrab ab. - Im Frühjahr lange Prozessionen von<br />

„Wallfahrern!“ 10 „Als Hitler die 1000-Mark-Sperre verhängte,<br />

hörte der Zuzug aus dem Dritten Reich auf,<br />

jedoch setzten die österreichischen Hitlersöhne die<br />

Ehre drein, das Grab ständig zu bewachen. Als die<br />

Partei verboten wurde, hörte der Handel mit Karten<br />

am Grab von selbst auf. Um Allerheiligen mußte wiederholt<br />

die Gendarmerie über amtlichen Auftrag<br />

„Friedhofdienst“ halten.“ 11<br />

Trotz Verbot der „Illegalen“ gab es jedoch besonders<br />

ab 1936 weiterhin NS-Versammlungen, Aufmärsche,<br />

Fahnenhissungen und Flugzettelaktionen. Die Behörden<br />

jedoch gingen gegen diese Aktionen nur halbherzig<br />

vor, denn teils waren die Ämter und Verwaltungsbehörden<br />

längst von „Illegalen“ unterwandert,<br />

teils wollte man Hitler, den „mächtigen Nachbarn“,<br />

nicht reizen und auch keine weiteren wirtschaftlichen<br />

Sanktionen des Deutschen Reiches wie die verhängte<br />

„Tausend Mark-Sperre“ provozieren. Überall aber<br />

war zu spüren, dass die inszenierte Propaganda und<br />

die Unterwanderung wesentlicher Teil der Parteistrategie<br />

der NSDAP waren. 12<br />

Außenpolitisch hatte Österreich Anfang der 1930er<br />

noch auf das befreundete Italien zählen können. 1936<br />

aber schlossen Hitler und Mussolini einen Pakt: Ein<br />

helfendes Eingreifen Italiens zugunsten Österreichs<br />

gegen das Deutsche Reich war fortan undenkbar<br />

geworden. Im Gegenteil: Nach dem Juli-Abkommen<br />

1936 zwischen Dr. Kurt Schuschnigg und Adolf Hitler<br />

wurde der österreichische Bundeskanzler genötigt,<br />

Tausende ehemalige illegale Nationalsozialisten zu<br />

amnestieren. Auch sonst musste Österreich Hitler<br />

gegenüber Konzessionen machen: aufgrund der<br />

wachsenden politischen Kraft der NSDAP im Lande<br />

und wohl auch weil Mussolini außenpolitisch nicht<br />

mehr zugunsten Österreich eingreifen wollte. In dieser<br />

Situation hätte das ständestaatliche Lager daran<br />

denken können, mit den zu jener Zeit immer noch<br />

starken Sozialdemokraten ernsthaft zu verhandeln,<br />

wiewohl eigentlich beide Seiten damals wenig<br />

Einsicht zeigten und daher auch kaum Aussicht auf<br />

Verständigung bestand. 13<br />

Seit der Einführung der allgemeinen Stellungspflicht<br />

und der Liquidierung vieler „Wehrverbände“ 14 , beruhigte<br />

sich die Lage zusehends, die Konfrontationen<br />

illegaler mit staatlichen bewaffneten Einheiten wurden<br />

seltener. Im Oktober 1936 rückten 28 Leondinger<br />

Burschen - die ersten Wehrdienstpflichtigen - in die<br />

Linzer Kasernen ein. 15<br />

Offizieller Besuch der „Passauer“ in Leonding<br />

Das Juli-Abkommen des österreichischen Bundeskanzlers<br />

Dr.Schuschnigg mit Hitler 1936 wurde insofern<br />

auch für Leonding bedeutsam, als im Gefolge<br />

der beschlossenen Reiseerleichterungen zwischen<br />

Deutschland und Österreich am 6. September 1936<br />

im Rahmen einer großen Kdf-Fahrt (Kraft durch<br />

Freude) viele Passauer mit Schiff unter Führung ihres<br />

Bürgermeisters nach Linz kamen und hier festlich<br />

empfangen werden konnten. Geschlossen pilgerten<br />

„die Passauer“ dann auch zum Hitlergrab nach<br />

Leonding und wurden vom Bürgermeister, der Gemeindevertretung<br />

und der Geistlichkeit willkommen<br />

geheißen. 16 Die Leondinger Musikkapelle spielte und<br />

die Feuerwehr stand Spalier. „Die Gäste legten einen<br />

prachtvollen Kranz nieder und begaben sich ins gegenüberliegende<br />

Hitler-Wohnhaus. Auch machten sie<br />

einen Besuch bei Hitlers ehemaligem Vormund, Altbürgermeister<br />

Mayrhofer, „Bauer in Ort“. Hierauf reisten<br />

sie, ohne in eines der Gasthäuser von Leonding<br />

einzukehren, in ihren Autos nach St. Florian weiter.“ 17<br />

Der Chronist Karl Karning bemerkt dazu noch, dass<br />

in der Folgezeit die Hitlergedenkstätten „in besonderer<br />

Weise“ auch das Wanderziel zahlreicher Linzer<br />

gewesen seien, wobei allerdings, so meinte er „nicht<br />

Pietät allein, sondern auch Politik die Triebfeder solcher<br />

Wanderungen gewesen zu sein schienen. Besonders<br />

Burschen und Mädchen umlagerten fast<br />

unausgesetzt das Grab, das zum Treffpunkt der<br />

‚betont Nationalen’ geworden war.“ 18<br />

1937, als Bürgermeister Franz Bäck und der in der<br />

Leondinger Bevölkerung sehr beliebte Arzt Dr. Franz<br />

Hinterberger, nach dem das Haus Leonding Nr. 5<br />

später benannt wurde, vom Gemeindetag zu Ehrenbürgern<br />

ernannt wurden, war politisch gesehen ein<br />

ruhigeres Jahr. Die Agitationen der Nationalsozialisten<br />

aber – nunmehr bereits großzügig geduldet -<br />

gingen weiter. Bei uns mehrten sich, laut Kirchenchronik,<br />

die Besuche beim Hitlergrab von Monat zu<br />

Monat. Besonders gab es am Allerseelensonntag<br />

1937 einen solchen Massenbesuch auf dem Friedhof,<br />

„dass Ortspolizei und Gendarmerie einen Ordnerdienst<br />

einrichten mußten.“ 19<br />

Viel Aufregung gab es im April 1937 wegen einer<br />

„Sondermeldung des Deutschlandsenders“, der<br />

berichtet hatte, es sei jemand verhaftet worden, weil<br />

er beim Hitlergrab einen Kranz niedergelegt habe.<br />

Zwar erwies sich die Sache als Irrtum, doch war es<br />

schon geschehen, denn der „Völkische Beobachter“<br />

hatte sich der Thematik bemächtigt und in seiner<br />

27


Überschrift von einer „Kulturschande im christlichen<br />

Ständestaat“ berichtet. Auf diese Weise war Leonding<br />

kurzfristig „berühmt“ geworden. 20<br />

Das Jahr 1938<br />

Am 29. Jänner ernannte, laut Pfarrchronik, „der<br />

Leondinger Gemeindetag drei Herren zu Ehrenbürgern:<br />

Josef Mayrhofer, Altbürgermeister und einstiger<br />

Vormund des deutschen Reichskanzlers Adolf Hitler,<br />

weiters von sozialdemokratischer Seite den Altbürgermeister<br />

Karl Schrattenholzer und den für die Heimatforschung<br />

verdienten Karl Karning sen. Die Diplomüberreichung<br />

fand allerdings erst in der Festsitzung<br />

am 26. Feber 1938 statt. Mayrhofer nahm dann jedoch<br />

- „in Erwartung des kommenden Geschehens“das<br />

Diplom nicht an. Schrattenholzer, ab 1926<br />

Leondinger Bürgermeister, hatte es bis vor den<br />

Februarunruhen 1934 verstanden, „durch Klugheit<br />

und Sachlichkeit die gegensätzlichen Interessen der<br />

Parteien in Einklang zu bringen.“ 21<br />

Am 12. Feber 1938<br />

...zitierte Hitler Kurt Schuschnigg „zur Aussprache“<br />

auf den Obersalzberg bei Berchtesgaden und drohte<br />

mit dem Einmarsch, sollte Wien nicht Nationalsozialisten<br />

in die Regierung aufnehmen und Hitlers<br />

Bedingungen nicht erfüllt werden. Die Spannung stieg<br />

weiter. Schuschnigg bildete die Regierung um: Seyß-<br />

Inquart wurde Innenminister. In der Gendarmerie-<br />

Chronik mit Datierung vom 24. 2. 1938 heißt es:<br />

„Eintritt der Nationalen in die Regierung. Möge der<br />

ersehnte deutsche Frieden kommen!“<br />

Am 17. Feber 1938<br />

...erschien österreichweit die vom Bundespräsidenten<br />

Miklas verkündete „Amnestieverordnung“, mit der sich<br />

Schuschnigg aus der Umklammerung Hitlers befreien<br />

28<br />

wollte: Etwa drei Wochen vor dem „Anschluss“ galt<br />

nun nationalsozialistische Agitation nicht mehr als illegal.<br />

Polizei und Gendarmerie in Leonding wurden<br />

angewiesen, das Tragen von Hakenkreuzen, das<br />

Singen von NS-Liedern und den Hitlergruß zu tolerieren.<br />

22<br />

Die Reichsidee<br />

Die „unter Hochspannung erwarteten Reden“ Hitlers<br />

am 20. Feber und Schuschniggs am 24. Feber 1938<br />

wurden von der RAVAG übertragen. Tenor: „Das<br />

Bekenntnis zum Deutschtum in Österreich sei auch<br />

als Ablehnung des Bolschewismus zu verstehen.“<br />

Diese Interpretation kam, wie wenig später Kardinal<br />

Innitzers Brief zeigte, auch der Haltung der Kirche<br />

entgegen. Denn schon seit Dollfuß betrachtete die<br />

Amtskirche den Bolschewismus als „die größte<br />

Bedrohung“ der Christen. Die bolschewistische<br />

Ideologie war für die Kirche der „personifizierte<br />

Antichrist.“ 23 Unterschwellig und vom Volk kaum<br />

wahrgenommen, gewann ab nun die von Hitler gelenkte<br />

„Reichsidee“ immer mehr Gestalt. In der Bevölkerung<br />

setzte sich zunehmend das Bewusstsein<br />

durch, dass das Land unter Hitler in besseren Händen<br />

wäre, weil - wie das Beispiel Deutschland zeige –<br />

„dort alles wirtschaftlich und sozial besser funktionierte.“<br />

Wie sehr die Stimmung in Leonding auch bei<br />

Nazigegnern zugunsten des deutschen Reichskanzlers<br />

umgeschlagen hatte, der von vielen als „langersehnter<br />

Hoffnungsträger“ angesehen wurde, zeigen<br />

die Umstände bei der am 20. Feber 1938 in der<br />

„Gastwirtschaft Strasser“ (Bahnhofwirt) abgehaltenen<br />

Versammlung der „Vaterländischen Front“, einer<br />

erklärten Gegnerin der NSDAP: An diesem Tag war<br />

es erstmals offiziell erlaubt, den Sender des Deutschen<br />

Reiches zu hören. In der Gendarmeriechronik<br />

heißt es dazu: „Die Versammlung konnte zunächst<br />

nicht beginnen, weil der später erschienene Redner,<br />

wie er selbst erklärte, sich die Rede des Reichskanzlers<br />

Hitler angehört hatte.“ An dieser Kundgebung<br />

in Leonding hatten etwa 200 Personen teilgenommen,<br />

„die Ansprache des Redners war diesmal in<br />

gemäßigtem Ton gehalten und nicht mehr mit gehässigen<br />

Ausfällen gegen „die braune Pest“, wie die<br />

Redner der Vaterländischen Front die NS-Bewegung<br />

immer nannten.“ 24<br />

In Umbruch - Stimmung<br />

Gegen Ende Feber 1938 wurde in der gesamten späteren<br />

„Ostmark“ eine hier nie gekannte Propagandamaschinerie<br />

in Gang gesetzt: Nationalsozialistische<br />

Aufmärsche in den Landeshauptstädten, vor allem<br />

aber in Wien, mit Propagandareden, lauten Heil-<br />

Hitler-Rufen und begeisterten Menschenmassen fanden<br />

statt. Die große Euphorie in den Märztagen 1938<br />

beschleunigte dann die Durchsetzung der erwähnten<br />

„Reichsidee“. Es folgte Schuschniggs letzter verzweifelter<br />

Befreiungsversuch: „Am Donnerstag, dem 10.<br />

März, brachten die Zeitungen die Mitteilung, dass für<br />

13. März eine Volksbefragung bezüglich „Anschluß<br />

oder nicht“ abgehalten werde unter der Parole „Für<br />

ein einiges, deutsches, unabhängiges und soziales,<br />

für ein christliches und einiges Österreich, für Friede,<br />

Arbeit und die Gleichberechtigung aller, die sich zum<br />

Volk und Vaterland bekennen.“ „Die Nachricht schlug<br />

wie eine Bombe ein.“ Ein „Kopfschütteln allerseits war<br />

die Folge, weil doch die Zeit für die Abwicklung einer<br />

Abstimmung zu kurz war.“ 25<br />

„Nun rollt in ein paar Tagen Weltgeschichte ab“, meinte<br />

Pfarrer Haudum. „Auch wird momentan ein Verrat<br />

Schuschniggs an Berchtesgaden festgestellt“. Man<br />

rätselt darüber, ob sich der Bundeskanzler denn<br />

„nicht im klaren war über die wahre Lage und über


die überaus starke nationalsozialistische Strömung,<br />

ob er vielleicht getäuscht wurde oder ob er die<br />

Tatsachen nicht wahrnehmen wollte.“ 26 Schließlich<br />

wurden Gerüchte laut, Hitler werde die Abstimmung<br />

ohnehin nicht zulassen.<br />

11. März 1938<br />

„Die Stimmung in Österreich war explosiv.“, schreibt<br />

Pfarrer Haudum weiter, „Am 11. März rührten sich in<br />

Wien die Kommunisten, zogen durch die Straßen und<br />

riefen Hoch Stalin! Zusammenstöße mit Nazis drohten.“<br />

Die von Schuschnigg angeordnete Mobilmachung,<br />

musste wieder rückgängig gemacht werden.<br />

Später hieß es, dass im Falle eines bewaffneten<br />

österreichischen Widerstands an der österreichischdeutschen<br />

Grenze eine breite Soldaten- und Offiziersschicht<br />

Schuschnigg die Gefolgschaft verweigert<br />

hätte. 27 Am 11. März um 10 Uhr überbrachte Seyß-<br />

Inquart Schuschnigg das Ultimatum Hitlers. Der<br />

Reichskanzler verlangte darin eine Verschiebung der<br />

Volksbefragung, ansonsten solle Seyß-Inquart eine<br />

provisorische Regierung bilden und deutsche Truppen<br />

anfordern. Auch müsse Schuschnigg mehr NS-<br />

Minister in die Regierung nehmen oder zurücktreten.<br />

Der Bundeskanzler gab nicht gleich nach, woraufhin<br />

grenznahe verstärkte deutsche Truppenbewegungen<br />

bemerkt wurden. 28<br />

Nach einem Treffen im Bundeskanzleramt am<br />

Nachmittag des 11.März und einem weiteren<br />

Ultimatum Deutschlands sagte Schuschnigg am<br />

Abend die Volksbefragung ab, demissionierte und<br />

verabschiedete sich vom österreichischen Volk. Auch<br />

Bundespräsident Miklas gab „unter dem Druck der<br />

Verhältnisse“ und nach anfänglicher Weigerung nach.<br />

Seyß-Inquart, den spätere Historiker als „widerspruchslosen<br />

Befehlsempfänger“ einschätzten, bilde-<br />

te „seine neue Regierung“, die Hitler nach dem<br />

Einmarsch allerdings wieder entmachtete. „Sie war<br />

nur gebraucht worden, um die Türen zu öffnen, denn<br />

der Ablauf des Einmarsches wurde vom Deutschen<br />

Reich vorgegeben.“ 29<br />

In jenen Stunden, als die deutschen Truppen noch<br />

nicht da waren, Schuschnigg aber schon abgedankt<br />

hatte, kam es zu radikalen Übergriffen, von denen die<br />

Masse der Menschen jedoch kaum etwas merkte:<br />

Zeitungszentralen und der RAVAG-Sender auf dem<br />

Freinberg wurden von SA und SS besetzt, „ideologisch<br />

umgedreht“, um die späteren Jubelmeldungen<br />

senden zu können. Vor den Augen und unter dem<br />

Jubel der Volksmenge entrollte man Hakenkreuzfahnen.<br />

„Landauf, landab breiteten sich Zuversicht<br />

und gespannte Erwartung aus. Die vielen Märsche<br />

durch die Stadt und in den Landgemeinden boten<br />

den Eindruck der Disziplin, waren gut organisiert. Für<br />

die Menschen vermittelten die schmissige Musik und<br />

der Tritt der Marschkolonnen Selbstvertrauen.“<br />

Vielfach wurde der Anschluss von den Menschen „als<br />

etwas Unabwendbares“ gesehen. Sie fügten sich in<br />

die Macht der veränderten politischen Gegebenheiten<br />

mit der Hoffnung auf besser werdende wirtschaftliche<br />

Verhältnisse.<br />

Sogleich nach Schuschniggs Abdankung kam es zu<br />

weiteren nationalsozialistischen Kundgebungen. Bei<br />

einem Fackelzug der NSDAP in Linz sprach der spätere<br />

Gauleiter von Oberdonau August Eigruber von<br />

der Machtübernahme.<br />

Die Gemeindechronik vermittelt einen Stimmungsbericht<br />

aus Leonding vom Tag der Linzer Kundgebung<br />

an jenem 11. März: „Gestern, gegen Abend<br />

kamen immer mehr und mehr Fußgänger und Radfahrer,<br />

auch Autos auf allen zur Stadt führenden<br />

Straßen. Die Leute berichteten, dass Linz von<br />

Menschen geradezu überfüllt sei. Die spät und nach<br />

Mitternacht Heimkehrenden brachten dann auch<br />

schon Extraausgaben der „Tagespost“ und auch<br />

sonst nähere Mitteilungen über die Ereignisse.“ 30<br />

In der Gendarmeriechronik (1938) heißt es, dass<br />

diese Kundgebung in Linz bereits „einen überwältigenden<br />

Beweis dafür zeigte, dass das österreichische<br />

Volk nicht mehr für Schuschnigg, sondern für<br />

unseren Retter Adolf Hitler eingestellt war. Auch vom<br />

hiesigen Rayon (Leonding) strömten die Leute in<br />

Massen nach Linz. Die Kremstal- und die Paschingerstraße<br />

glichen einem Lichtermeer von Jetzing bis<br />

Untergaumberg (...) Die nach Linz eilenden Menschen<br />

grüßten bereits alle mit dem deutschen Gruß<br />

Heil Hitler.“ Dieselbe Chronik berichtet aber auch,<br />

dass „gegen Mitternacht ein Kraftwagen mit einem<br />

Gendarmerieoffizier erschien und zwei SS-Männer<br />

den Posten Leonding besetzten. Sie bestimmten,<br />

dass alle weiteren Ferngespräche nur von der neuen<br />

Besatzung abgenommen werden dürften. Der folgende<br />

Vormittag brachte mehrere Hausdurchsuchungen<br />

nach Waffen bei Angehörigen der österreichischen<br />

Frontmiliz und der Heimwehr. Das Ergebnis war<br />

gering.“ 31 “<br />

Ansonsten herrschte überall im Rayon Ruhe und<br />

Ordnung, da ja alle führenden Gegner, selbst die<br />

fanatischesten, ihre Zustimmung zur Heimkehr der<br />

Ostmark und zum Führer durch den Hitlergruß bekundeten.“<br />

12. März 1938<br />

Gegen Mittag des 12. März verkündete der Rundfunk,<br />

Hitler sei bereits in Braunau. „Sogleich setzte eine<br />

rege Tätigkeit im Schmücken der Häuser mit Tannengrün<br />

und Fahnen ein, um den Führer auch in seinem<br />

früheren Heimatorte Leonding festlich zu empfangen“,<br />

erzählt der Chronist der Gendarmerie weiter. 32<br />

29


„Gegen 15 Uhr war der Ort bereits von einer nie dagewesenen<br />

Menschenmenge belagert. Alles wartete<br />

auf den Führer. SA und Gendarmerie hatten große<br />

Mühe, den Weg zum Hitlergrab frei zu halten. Alles<br />

war gespannt, alles abgesperrt. Die Leute verblieben<br />

auf ihren Plätzen, bis gegen 21 Uhr durch den Rundfunk<br />

bekannt wurde, dass der Führer endlich in Linz<br />

war und vom Rathause aus die Heimkehr der Ostmark<br />

verkündete. An den Fenstern waren Lautsprecher<br />

aufgestellt, damit die Leute auf der Straße<br />

seine Rundfunkrede hören konnten. Alles jubelte, als<br />

die ersten Worte des Führers vernommen wurden.“ 33<br />

Einmarsch und „Anschluß“<br />

Noch in der Nacht zum 12. März 1938 war Hitlers<br />

Einmarschbefehl ausgegeben worden. Vorher hatte<br />

man angeblich verlangt, Österreich solle ein Telegramm<br />

mit der Bitte um militärische Hilfe schicken.<br />

Um 2 Uhr 30 betraten die ersten Truppen deutscher<br />

Wehrmachtsverbände österreichischen Boden bei<br />

Braunau. „In der Hoffnung, nun würden alle Unruhen,<br />

die Arbeitslosigkeit und die Not ein Ende haben, stieg<br />

die Begeisterung beim Einmarsch der deutschen<br />

Soldaten immer höher“ 34 , wird berichtet. „Deutsche<br />

Truppen in Feldausrüstung marschierten ein. Am<br />

Samstag Abend wurde der Führer und Reichskanzler<br />

in Linz erwartet. Es folgte die Machtübernahme, und<br />

Österreich wurde zum Land des Deutschen Reiches<br />

erklärt. Damit haben die seit 20 Jahren dauernden<br />

politischen Wirrsale ein Ende, der „Friede“ nach dem<br />

Weltkrieg [gemeint war der 1.Weltkrieg] scheint erst<br />

jetzt abgeschlossen.“ 35<br />

Hier noch Karnings Meinung zum Anschluss von<br />

damals: „Die Vereinigung mit dem Mutterlande Deutschland<br />

ist nun endlich zur Wahrheit geworden.<br />

Schon 1918 in Aussicht gestellt und dann auch in der<br />

30<br />

Nationalversammlung beschlossen, wurde diese Einheit<br />

durch das Friedensdiktat von Versailles gewaltsam<br />

verhindert. Sie wurde dann seit Bundeskanzler<br />

Seipel auch von der eigenen (österreichischen)<br />

Regierung nicht mehr ehrlich erstrebt und dem Volke<br />

zu vergällen gesucht. Als Hauptargument wurden<br />

kriegerische Verwicklungen besonders mit den Nachfolgestaaten<br />

des alten Österreich und mit Italien als<br />

unausbleiblich hingestellt.“ 36 Und weiter unten heißt<br />

es: „Und nun? - Das deutsche Heer zieht ungehindert<br />

ein, von der gesamten Bevölkerung aufs freudigste<br />

erwartet und begrüßt. Italien hat nicht das Geringste<br />

dagegen, und die Nachfolgestaaten rühren sich auch<br />

nicht. Unser Volk aber fühlt sich nun von einem<br />

Alpdruck erlöst. Der Befreier des deutschen und<br />

österreichischen Volkes ist wohl auch für alle Zukunft<br />

unser Führer.“<br />

Karning, der in diesen Stunden auch einige Zeit in<br />

Linz gewesen war, erzählte, der neue Landeshauptmann<br />

Gauleiter August Eigruber habe schon am 12.<br />

März früh die Machtübernahme über Rundfunk<br />

bekannt geben lassen. Die Linzer Polizei versehe<br />

ihren Dienst bereits mit „Hakenkreuzarmbinden“ und<br />

ein uniformierter SS-Doppelposten stehe vor der<br />

Polizeidirektion. „In den Vormittagsstunden kamen<br />

deutsche Bomberstaffeln und Jagdflieger in immer<br />

größerer Zahl heran geflogen. Die Luft erdröhnte so<br />

sehr, dass man vermeinte, der Erdboden zittere mit.<br />

Statt der Bomben aber fielen packweise Flugzettel<br />

aus den Maschinen und flatterten zur Erde. Die<br />

Erwachsenen schauten zu, und unsere liebe Jugend<br />

hatte es eilig, die Zettel von den übersäten Feldern<br />

einzusammeln und sie zu verteilen.“ 37 Die Zettel trugen<br />

Texte wie „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ oder<br />

„Das nationalsozialistische Deutschland grüßt das<br />

nationalsozialistische Österreich in unauslöschlicher<br />

Verbundenheit. Heil Hitler!“ „Die Stimmung ist zuversichtlich<br />

und freudig“, schreibt Karning weiter. „Auch<br />

Leonding war mit Hakenkreuzfahnen geschmückt.<br />

Die Kinder kommen von der Schule mit Hakenkreuzfähnchen,<br />

welche dort verteilt wurden. Überall standen<br />

Menschen auf den Straßen und vor den Häusern,<br />

um die Ereignisse zu besprechen.“ 38<br />

Begeisterungstaumel auch in Linz<br />

„Die erwartete Ankunft Hitlers in der neuen Hauptstadt<br />

von „Oberdonau“ verzögerte sich, doch fuhren<br />

schon am frühen Nachmittag reichsdeutsche Schwerfahrzeuge,<br />

Motorradfahrer, Tanks und Autos mit<br />

Soldaten in Feldausrüstung ein. Der Zustrom der<br />

Menschen in die Stadt war so gewaltig, dass der<br />

Hauptplatz, inzwischen mit geschätzten 60.000<br />

Menschen überfüllt, schon um 14 Uhr gesperrt werden<br />

musste. Reihenweise hatten SS und SA-<br />

Formationen mit ihren Standarten, weiters Militär-,<br />

Polizei-, Gendarmerie-, HJ- und BDM-Großgruppen –<br />

insgesamt etwa 50.000 Uniformierte - ihre Plätze vor<br />

dem Rathaus bezogen. Über allem aber brausten die<br />

Staffeln der deutschen Luftwaffe hinweg.“ 39<br />

Die Machtergreifung<br />

Auf der Fahrt von Braunau nach Linz, in seinem<br />

Dreiachser-Mercedes erlebte Hitler einen Begeisterungssturm,<br />

den er in dieser Form wohl nicht erwartet<br />

hatte. Er soll sich nämlich erst auf dieser Fahrt -<br />

„beeindruckt von dem unbeschreiblichen Jubel und<br />

der Massenzustimmung zu seinem Einmarsch in der<br />

Ostmark - zu einem „vollen Anschluß“ entschieden<br />

haben und nicht wie ursprünglich geplant, Österreich<br />

durch einen gemeinsamen Präsidenten an das Reich<br />

zu binden. Der Weltöffentlichkeit gegenüber wurde<br />

dann übrigens argumentiert, Deutschland habe<br />

Schuschnigg niemals ein Ultimatum gestellt. Erst


gegen Abend erschien Hitler in Linz, doch war auch<br />

hier sein Vorwärtskommen durch die dicht gedrängten<br />

Menschenmassen in den Straßen stark verlangsamt.<br />

Der Ruf „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“<br />

war immer wieder zu hören, schreibt Karning. „Vom<br />

Rathausbalkon verkündete der Führer dann „die neue<br />

Freiheit unterm Hakenkreuz, die Heimkehr der Ostmark<br />

ins Großdeutsche Reich.“<br />

Laut Kirchenchronik waren damals „Weltgeschichte<br />

und Ortsgeschichte eng miteinander verknüpft. Am<br />

12. März abends war der Gauleiter der NSDAP erschienen<br />

und ersuchte, am Friedhof einen Holzstoß<br />

entzünden zu dürfen, wenn der Führer kommt, das<br />

Elterngrab zu besuchen.“ 40<br />

Leonding am 13. März 1938<br />

„Hitler kam dann erst am Sonntag um 12 Uhr 30. Vier<br />

Stunden hatten die SA-Männer gewartet und den<br />

Leondinger Friedhof in weitem Umkreis abgesperrt.<br />

Auf dem Kirchturm war ein Beobachter postiert. Zu<br />

Mittag wurden im Pfarrhof dreißig SA-Leute mit warmer<br />

Suppe verpflegt.“ 41 „Etwa fünf Minuten verweilte<br />

Hitler am Elterngrabe“, heißt es weiter, „mit entblößtem<br />

Haupte, während die Flugzeuggeschwader über<br />

dem Friedhof kreisten. Es war für Leonding eine<br />

geschichtliche Stunde.“<br />

Karl Karning berichtet dazu, dass Hitler an jenem 13.<br />

März vor seinem Elternhaus von dem am 12. März<br />

ernannten neuen Leondinger Bürgermeister Sepp<br />

Miesenberger empfangen wurde. „Er besuchte das<br />

Elterngrab und begrüßte hierauf vor dem Friedhof<br />

seinen einstigen Vormund Josef Mayrhofer, den<br />

Schulkameraden Wilhelm Hagmüller und seinen ehemaligen<br />

Geschichtsprofessor in der Realschule<br />

Huber. Er begab sich dann zum Grabe seiner Eltern,<br />

wo er allein und ungestört einige Minuten in stillem<br />

Gedenken verweilte und auch Blumen hinterlegte“.<br />

„Ein sechsjähriges Mädchen“, so geht es in der<br />

Gendarmeriechronik weiter, „sprach ein kurzes<br />

Gedicht und überreichte ihm einen Blumenstrauß.<br />

Nach 20 Minuten verließ der Führer sehr gerührt wieder<br />

den Ort.“ 42<br />

„Tausende waren aus der Stadt herausgekommen.<br />

Der Raum um Kirche, Friedhof und Elternhaus war<br />

abgesperrt. Die Zufahrtsstraßen und die Wege, auch<br />

die Felder und Böschungen waren dicht mit Menschen<br />

besetzt. Gleichzeitig kreisten Flugzeuge über<br />

Leonding. Um halb eins wurde die Rückfahrt nach<br />

Linz angetreten. Wieder jubelte ihm die tausendköpfige<br />

Menge zu.“ 43<br />

„Noch am selben Tag, dem 13. März, wurde von der<br />

NSDAP-Gemeindevertretung Leonding, der Beschluss<br />

gefasst, den Ortsplatz nunmehr Adolf Hitler-<br />

Platz“ zu benennen. Bürgermeister Miesenberger<br />

machte Hitler, der in diesen Stunden im Hotel<br />

Weinzinger logierte, davon Mitteilung und erwähnte,<br />

dass diese Umbenennung „zum ewigen Gedenken an<br />

den heutigen Besuch unseres Führers“ geschehen<br />

sei.“ 44<br />

Weiteres Geschehen 1938<br />

Noch gab es in der Begeisterung für die neue Lage<br />

kaum Argwohn. Eine einstündige Hausdurchsuchung<br />

im Pfarrhof nach Waffen, durchgeführt von SA und<br />

Gendarmerie, wurde „als eine „Amtshandlung der<br />

politischen Umbruchzeit“ angesehen. Gefunden wurden<br />

etwa sechs alte Theatersäbel. Die Euphorie hatte<br />

also auch den Pfarrhof erfasst.<br />

Der Chronist schwärmt: „Wir erlebten geschichtliche<br />

Tage. Der nationale Aufbruch des deutschen Österreich<br />

ist Tatsache geworden. Und was momentan das<br />

Wertvollste ist: der Umbruch ist ohne jedes Blutver-<br />

gießen vollzogen worden.“ 45 Am 18. März „erschien<br />

Generalfeldmarschall Hermann Göring am Leondinger<br />

Friedhof und wurde von den Behörden,<br />

Schulen und der Bevölkerung empfangen, auch die<br />

Geistlichkeit beteiligte sich“ 46 , „wobei der Ort reichen<br />

Fahnen- und Blumenschmuck angelegt hatte.“ 47<br />

3. April 1938<br />

Dieser Sonntag in Leonding und der Besuch des<br />

Reichsjugendführers Baldur von Schirach beim<br />

Führergrab blieb einigen Alt-Leondingern in besonderer<br />

Erinnerung: „SA-Führer aus allen Gauen des Reiches<br />

mit über 450 Fahnen, etwa 2000 männlichen<br />

Jugendlichen und über 6000 vom BDM“ waren anwesend.<br />

„Der Friedhof sah an diesem Tage etwa 10.000<br />

Menschen. Es war ähnlich wie beim Führerbesuch<br />

am 13. März. An diesem Sonntag flatterte hoch vom<br />

Turm zum ersten Mal die deutsche Hoheitsfahne.“ 48<br />

Haltung der Amtskirche<br />

Um den guten Willen der Kirche zu bekunden, sich<br />

mit der Lage abzufinden und zu dokumentieren, dass<br />

die Katholiken nach Hitlers Machtübernahme im deutschen<br />

Staatenverbande als loyale Bürger mitarbeiten<br />

wollten, sanktionierten bald darauf die Spitzen der<br />

Wiener und der Salzburger Kirchenprovinz, Kardinal<br />

Innitzer und Fürsterzbischof Waitz, den vollzogenen<br />

Anschluss mit der Betonung, dass nun auch der alles<br />

zerstörende Bolschewismus abgewehrt werde und<br />

dass Armut, Not und Arbeitslosigkeit ein Ende haben<br />

sollten. Der Kardinal, der spürte, dass Teile der<br />

Priesterschaft gegen das Hitler-Regime waren, erließ<br />

eine Pastoralanweisung, die noch deutlicher in ihren<br />

Anweisungen war, denn er verlangte, die geistlichen<br />

Herren sollten sich politisch nicht betätigen und nur<br />

„pastoral“ agieren. Nachdem sein erster und einige<br />

folgende Briefe mit „Heil Hitler“ gezeichnet waren,<br />

31


6<br />

13. MÄRZ 1938, LEONDING<br />

Begeisterter Empfang Adolf Hitlers beim Besuch seines Elterngrabes<br />

9 10<br />

32<br />

7 8


11<br />

12 13<br />

33


teils sogar veröffentlicht wurden, rätselten die Kritiker,<br />

wie man Innitzers wohlwollende Haltung dem Reichskanzler<br />

gegenüber deuten sollte. Wollte er Schweigen<br />

verordnen, um Schlimmeres zu verhindern? War<br />

seine Überzeugung, der Bolschewismus könne durch<br />

Hitler bekämpft werden, stärker als seine Sorge vor<br />

der Bedrohung der Kirche durch das NS-Regime?<br />

Oder hatte er wirklich so viel Vertrauen in Hitlers<br />

Beteuerungen, der Kirche werde es gut gehen, wenn<br />

sie die Ideologie mit trage. Später allerdings, im<br />

Oktober 1938, fand Innitzer schon deutlichere Worte<br />

gegenüber den neuen Machthabern.<br />

Erste Wolken am Himmel<br />

Bald gab es erste Anzeichen von Säuberungsaktionen<br />

in Leonding: „Wegen früherer feindlicher<br />

Einstellung zum Nationalsozialismus“ wurden der<br />

Postenkommandant und ein weiterer Gendarmeriebeamter<br />

„enthoben“. 49 Wenig später kam es hier zur<br />

Neubesetzung weiterer Ämter, vor allem einiger<br />

Lehrerposten. Der neue Bürgermeister Josef Miesenberger<br />

war bereits wenige Stunden nach dem Anschluss<br />

ernannt und der bisherige, Franz Bäck, in der<br />

Nacht vom 12. auf den 13. März enthoben worden.<br />

Auch der bisherige Schuldirektor war in Pension<br />

geschickt und durch einen Nationalsozialisten ersetzt<br />

worden. 50 Alle Gebäude der „Waisenkolonie St. Isidor<br />

in Hart“ wurden von der NSV (NS-Volkswohlfahrt)<br />

übernommen, die Kapelle wurde aufgelassen, die<br />

dortige Privatvolksschule geschlossen und der<br />

Katechet nach Peuerbach versetzt. Das Vermögen<br />

fiel der NSV zu. 51 Auch alle anderen Privatschulen<br />

wurden aufgehoben, und in den Pflichtschulen hatten<br />

nach den neuen Richtlinien nunmehr die Eltern zu<br />

entscheiden, ob ihre Kinder den Religionsunterricht<br />

besuchten oder nicht. Der Begeisterung für die neue<br />

politische Lage taten jedoch anfangs alle diese Maß-<br />

34<br />

nahmen keinen Abbruch. In Leonding entschieden<br />

sich exakt 10 % gegen den Religionsunterricht, in der<br />

Schule Landwied-Keferfeld-Gaumberg fast 20 Prozent.<br />

52 Dem fast täglichen riesigen Besucherstrom<br />

Rechnung tragend, wurde der Gasthof Leonding Nr.<br />

11 (damals Mayrbäurl, dann „Leondingerhof“) für die<br />

„neue Tourismuswelle“ umgebaut. Auch die benachbarte<br />

Gaststätte Wiesinger musste modernisiert werden.<br />

Mit 1. August 1938 wurde in Leonding die Ziviltrauung<br />

eingeführt, Scheidungen waren erlaubt, und Leonding<br />

erhielt ein Standesamt. Damit hörte auch die kirchliche<br />

Führung der Trauungsmatriken auf. Ende 1938<br />

kam es dann auch zur Einstellung der pfarramtlichen<br />

Tauf- und Totenbucheintragungen. 53<br />

Aus dem Kalender 1938<br />

„Zu einer Wallfahrt des deutschen Volkes ist das<br />

Elterngrab des Führers geworden, zu einem ewigen<br />

Blumenhügel der Liebe und Ehrfurcht“, steht bei<br />

Arthur Fischer-Colbrie zu lesen. 54<br />

Am 10. April 1938 gab es dann dennoch eine<br />

Volksabstimmung, nunmehr jedoch -„Für oder gegen<br />

das Deutsche Reich.“ Von 3345 Wahlberechtigten<br />

gab es 3342 Ja-Stimmen, eine Nein- und 1 ungültige<br />

Stimme. Auch für den gesamten Gau Oberdonau<br />

wurde damals ein Schnitt von 97,89 % Ja-Stimmen<br />

gemeldet. Die Gemeindechronik berichtet, dass<br />

„wegen des einzigartigen Ausgangs der Wahl“<br />

Reichsminister Goebbels in ganz Deutschland eine<br />

Beflaggung von 11. bis 13. April 1938 anordnete. 55<br />

Auch der Gendarmeriechronist meldete sich bezüglich<br />

des Wahlausgangs zu Wort: „Fast alle hatten mit<br />

Ja gestimmt. Es war in Leonding nur eine Nein-<br />

Stimme. Aus der Handvoll „Nazis“, wie es früher<br />

immer hieß, waren nun 100 Prozent geworden.“ 56<br />

Am 5. Mai ernannte der kommissarische Leondinger<br />

Bürgermeister Sepp Miesenberger elf ehemals illegale<br />

Parteimitglieder zu neuen Mitgliedern der Gemeindevertretung,<br />

darunter den nach dem 1. Weltkrieg<br />

hier im Amt gewesenen sozialdemokratischen Bürgermeister<br />

Franz Lugmayr. Zur Frage der Bürgermeister<br />

muss festgehalten werden, dass ab Montag, dem 14.<br />

März 1938, per Erlass alle oberösterreichischen<br />

Gemeindetage aufgelöst waren und die Gauleitung<br />

amtlich mitteilte, dass ab nun keine Neubestellungen<br />

von Gemeindetagen vorzunehmen sind und dass der<br />

Ortsgruppenleiter der Partei den Bürgermeister als<br />

Alleinbeauftragten einzusetzen hat. Der Bürgermeister<br />

hatte also Alleinentscheidungsrecht, musste<br />

allerdings das Einvernehmen mit den Führern aller<br />

Parteigliederungen pflegen.<br />

Der eher pragmatische, in weiten Kreisen Leondings<br />

beliebte, seit 12.3.1938 bestellte Bürgermeister Josef<br />

Miesenberger musste übrigens am 22. November<br />

1938 dem bisherigen Ortsgruppenleiter Ernst Meyr<br />

Platz machen, der sich in der Folge jedoch so sehr<br />

als „Scharfmacher“ herausstellte, dass einflussreiche<br />

bäuerliche Kreise einige Zeit später seine Enthebung<br />

betrieben und auch erreichten. - 1942 musste Meyr<br />

dann auch „einrücken“. Miesenberger aber war zu<br />

dieser Zeit längst wieder Gemeindevorstand. Er durfte<br />

übrigens nach dem Krieg auf Geheiß der amerikanischen<br />

Militärbehörden noch bis zur Abhaltung von<br />

Wahlen im November 1945 im Amt bleiben. Erst dann<br />

kam er, wie die meisten NS-Bürgermeister, in das<br />

Internierungslager Glasenbach. 57 Anschließend kehrte<br />

er auf seinen Bauernhof zurück, den er allerdings<br />

früh veräußerte und sich anderswo einkaufte.


Vereinsauflösungen, einschneidende<br />

Veränderungen<br />

Am 8. Juni 1938 wurden alle Leondinger Vereine, bis<br />

auf einige rein kirchliche Kongregationen, aufgelöst. 58<br />

Unter anderen waren der Veteranenverein, der Musikverein,<br />

die Turnvereine, der „ Reichsbund“, die Liedertafel,<br />

die Feuerwehr und sogar die Heimatkundliche<br />

Arbeitsgemeinschaft u. v. m. betroffen.<br />

Der seit 1888 bestandene Krieger- und Veteranenverein<br />

Leonding wurde in „NS-Reichskriegerbund“<br />

oder„Kriegerkameradschaft Leonding“ umgewandelt.<br />

Da die „Hahnenschwanzler“ , wie sie allgemein<br />

hießen, fast lauter alte Herren waren, ging das Veteranen-Vereinsleben<br />

jedoch während der gesamten<br />

Kriegszeit weiter: Monatsappelle, Fahnenenthüllungen,<br />

Ausrückungen zu Kriegerbegräbnissen (damals<br />

„Heldenehrungen“ genannt), Empfänge, „Führergeburtstage“,<br />

Parteisitzungen etc. standen am Programm.<br />

Ihr Vereinsheim war beim „Wiesinger Wirt“. 59<br />

Da 1938 alle Mitglieder des 1926 gegründeten<br />

Musikvereins Leonding Parteimitglieder waren,<br />

wurde die Umwandlung in die sogenannte „SA-Musik“<br />

damals kaum als solche empfunden. Viel schlimmer<br />

vermerkte man, dass fast alle Musiker an die Front<br />

mussten. 1941 gab es nur mehr so wenige Musikvereinsmitglieder,<br />

dass um Zusammenschluss mit der<br />

„Kriegerkameradschaft Leonding“ ersucht wurde, der<br />

dann wenig später auch vollzogen wurde. 1938 hielt<br />

die „SA-Musik“, der spätere „Musikzug“, unter Obmann<br />

Franz Burgstaller und Kapellmeister Emil Merth<br />

ihre Proben in „Strassers Bahnhofgaststätte“ ab und<br />

hatte noch eine Reihe von „Ausrückungen“ besonders<br />

zu Partei-Großveranstaltungen, z.B. einmal, „als<br />

die Musik von Leonding bis zur „Krauss-Halle in Linz<br />

marschieren und dort spielen mußte“.<br />

Auch bei Parteiprominentenbesuchen am Hitlergrab<br />

wurde musiziert. 1945 hatte die Leondinger Musik<br />

neun Gefallene zu beklagen. 60<br />

Der „Reichsbund“ der Katholischen Jugend, mitsamt<br />

des Mandolinen-Ochesters“, aus dem sich in den<br />

Dreißigerjahren eine kleine „Salon-Kapelle“ entwickelt<br />

hatte, wurde ebenfalls zunächst umbenannt, in den<br />

Kriegsjahren aber aufgelöst, mit ihm die „Reichsbund-<br />

Turner“. 61<br />

Die Museumsräume der heimatkundlichen<br />

Arbeitsgemeinschaft in der Michaeli-Schule mussten<br />

am 20. September zunächst für Militärquartiere,<br />

ab Herbst 1938 für schulische Zwecke geräumt werden.<br />

Ende Dezember 1938 bekam der unermüdliche<br />

volks- und heimatkundlich tätige Karl Karning d. Ä.<br />

allerdings „im Parteiheim“ im Gebäude Leonding<br />

Nr.48 62 „Platz zur Wiederaufstellung der Sammlung“<br />

und ab 1942 einen zusätzlichen Raum. Leider wurde<br />

Leondings erstes Heimatmuseum im Mai 1945 von<br />

den im ehemaligen NS-Parteiheim „einquartierten<br />

Polen und KZ-lern vollständig geplündert und zerstört.“<br />

63<br />

Bei der 1914 gegründeten Liedertafel blieb der seit<br />

1937 nach Andorf versetzte Lehrer Alois Harrer weiterhin<br />

Chormeister, bis er erst im November 1938<br />

durch Oberlehrer Hess, der aus Appersberg gekommen<br />

war, ersetzt wurde. Noch unter Harrer war die<br />

Liedertafel im Einsatz beim Sängerball in Kleinmünchen,<br />

im April 1938 beim „Kameradschaftsabend<br />

der SA“ und beging am 8. Mai das 24. Gründungsfest.<br />

Schon seit der ersten Sitzung nach dem Anschluss<br />

standen das „deutsche Lied“, dann die von<br />

der Gemeinschaft gesungenen Scharlieder, ja sogar<br />

Marschlieder am Veranstaltungsplan. Daneben wurden<br />

dennoch Volks- und Kunstlieder und Männer-<br />

chöre gepflegt. 64 Beim Gausängerfest in St. Florian<br />

im Juni 1938 trat die Liedertafel noch geschlossen<br />

auf. Ab 1. Juli aber mussten die Frauen „auf höhere<br />

Weisung hin“ austreten. Nach seinem letzten Einsatz<br />

beim NSV-Fest im Oktober 1938 übergab<br />

Chormeister Alois Harrer seine Funktion an Otto<br />

Hess, der dann als letzte Veranstaltungen noch die<br />

Silvesterfeier 1938/39 und den „Begrüßungsabend für<br />

die Hitler-Urlauber“ am 19. Juli 1939 ausrichtete. Zu<br />

dieser Zeit waren viele Sänger bereits eingerückt, der<br />

Krieg stand vor der Tür. 65<br />

Beim Kirchenchor wurde Harrer zunächst durch F.<br />

Vater, dann durch die Lehrerin Fanny Bogner ersetzt.<br />

Die Feuerwehr Leonding war schon im Mai „nach<br />

dem neuen Reichswehrgesetz“ umgebildet worden<br />

und trat „als Körperschaft in das Großdeutsche Reich<br />

ein.“ Sie hieß nunmehr „Feuerpolizei“. 66 Noch für<br />

März 1939 jedoch liegt ein letztes Sitzungsprotokoll<br />

einer Ausschusssitzung nach altem Muster vor. Auch<br />

die Löschzüge der Feuerwehren Hart und Ruefling<br />

waren von der Umbildung betroffen. 67<br />

Weitere Kalendernotizen<br />

Am 11.Juni 1938 waren die „Goiserer“ in Leonding.<br />

Zahlreiche HJ-Jungen und Kinder aus Goisern<br />

besuchten das Hitlergrab. Wenige Tage später, am<br />

15. Juni 1938 wird in der Gemeindechronik berichtet,<br />

dass „massenhaft Deutsche aus dem „Altreich“ zum<br />

Grab und ins Hitlerhaus pilgerten. Viele sind hier nicht<br />

nur auf Besuch, „sondern von sehr vielen wird Österreich<br />

auch als dauernder Aufenthalt gewählt.“ 68<br />

Mit 1. August 1938 wurde die Ziviltrauung gesetzlich<br />

eingeführt und damit die pfarramtlichen Trauungsbucheintragungen<br />

abgeschafft. 69 Ende 1938 wurden<br />

dann auch die Tauf- und Totenmatriken eingestellt.<br />

Dafür kam es durch den vermehrten Bedarf an Matrikelauszügen<br />

für die Beschaffung der „Ariernach-<br />

35


weise“ („Ahnenpaß“) zum stark vermehrten Arbeitsaufwand<br />

für den Pfarrer in seiner Kanzlei. Die Leihbibliothek<br />

im Pfarrhofe wurde 1938 „von der Partei<br />

beschlagnahmt“ und im späteren „Parteiheim“ eingelagert.<br />

Auch sie wurde übrigens bei den Plünderungen<br />

kurz nach dem Krieg zerstört. Allseitiges Befremden<br />

löste am 5. November 1938 die Auflösung<br />

des am 1. 9. 1935 für 12 Pfleglinge eröffnete Leondinger<br />

Fürsorge- oder Altersheimes im Gebäude<br />

Leonding 48 aus, wo nunmehr das „Parteiheim“ eingerichtet<br />

werden sollte. Die alten Insassen und die<br />

sie betreuenden Schwestern wurden nach Gallneukirchen<br />

verlegt. Durch den Wegzug der Schwestern<br />

war es auch mit dem „ersten Leondinger Kindergartenbetrieb“<br />

zu Ende. 70<br />

Am 13. November 1938 gab es, „um Lebensmittel<br />

einzusparen“, in Leonding den ersten „Eintopfsonntag“,<br />

wenig später den zweiten. Auch wurden für<br />

die „Volkswohlfahrt“ (NSV) und für die „Winterhilfe“<br />

Lebensmittel gesammelt und eingelagert. Am 17.<br />

Dezember 1938 wurde im „Parteigasthaus“ beim<br />

„Haltestellenwirt“ eine „Julfeier“ abgehalten.<br />

Und am 28. Dezember 1938 erhielten alle damaligen<br />

Leondinger Ehrenbürger ein Schreiben, in dem sie<br />

ersucht wurden, das Ehrenbürgerrecht zurückzulegen,<br />

da „nur der Führer Ehrenbürger der Gemeinde<br />

sein könne“. Bei einer Sitzung einigte man sich darauf,<br />

dass die Verdienste der bisherigen Ehrenbürger<br />

um die Gemeinde dennoch weiterhin anerkannt werden<br />

sollten.“ 71<br />

Das alte Gesetz zur Erhaltung der kirchlichen Gebäude<br />

und zur Finanzierung des Personalaufwandes<br />

für den Klerus wurde übrigens erst am 28. 4. 1939<br />

außer Kraft gesetzt und hinfort der Kirche erlaubt,<br />

Kirchenbeiträge ab November 1939 einzuheben,<br />

anfangs noch mit einem Zuschuss vom NS-Staat.<br />

36<br />

Abb.14: Mannschaft der SA-Ortsgruppenleitung Leonding 1938<br />

Die Gemeindestruktur nach dem Anschluss<br />

Die Vorbereitungen zum Bürgermeisterwechsel fanden<br />

in der Nacht zum 12. - nach anderer Darstellung<br />

zum 13. März statt. Der bisherige Ortschef Franz<br />

Bäck wurde aus dem Bett geholt, musste die Gemeindekanzlei<br />

aufsperren und SA-Männer besetzten<br />

das Amt. Bäck wurde jedoch nicht misshandelt. Am<br />

nächsten Tag musste er wieder zur Gemeinde und<br />

diesmal seine Amtsgeschäfte an den Besitzer des<br />

Nöbauerngutes Josef Miesenberger übergeben.<br />

Einige Stunden allerdings soll der von 1919 bis 1923<br />

hier als Bürgermeister im Amt gewesene Sozialdemokrat<br />

Franz Lugmayr die Gemeindevorstandsgeschäfte<br />

geführt haben. 72 Linzer Zeitungen bezeichneten<br />

Lugmayr sogar als Vizebürgermeister. Das<br />

aber war eine Funktion, die es damals überhaupt<br />

nicht gab. Während der ersten Umsturztage waren<br />

auch Soldaten der deutschen Wehrmacht in Leonding<br />

einquartiert.<br />

Im November 1938 verlor Sepp Miesenberger das<br />

Bürgermeisteramt, denn es wurde von dem aus<br />

Thurnharting stammenden Lehrer Ernst Meyr, einem<br />

wesentlich „strammeren Parteigenossen“, der vorher<br />

Ortsgruppenleiter gewesen war, besetzt. Wie sich<br />

aus einer Unzahl von 1946 angelegten Entregistrierungsakten<br />

feststellen ließ, war die Gemeindestruktur<br />

ausschließlich von meist ehemals illegalen NSDAP-<br />

Mitgliedern getragen. 73 Die Spitzen-Repräsentanten<br />

der Parteistellen waren gleichzeitig auch jene Personen,<br />

die bei der Besetzung der Bürgermeisterstelle<br />

gehört werden mussten. Folgende Funktionen im<br />

Aufbau des Parteiapparates wurden gleich nach dem<br />

Anschluss besetzt:<br />

Der Posten des Ortsgruppenorganisationsleiters, des<br />

Ortsgruppenpropagandaleiters, die Parteileitung der<br />

NSDAP als Hauptorgan der Ortsgruppe, die Kassenleitung<br />

der NSDAP, mehrere Zellenleiter-, Blockleiterund<br />

viele Nachbarschaftsleiterposten, der SA-Sturm<br />

Leonding mit einem hauptamtlichen SA-Standartenführer,<br />

daneben die Marine-SA, die Motor-SA und der<br />

Reiter-SA-Sturm, dann die Ortsbauernführung, die<br />

Elternräte der Leondinger und der Margarethener<br />

Schule, die NS Frauenschaft, die NSV, die NSKK<br />

Leonding und weitere Unterorgane. NSDAP-Zellenleiter<br />

gab es in Leonding, Haag (Flaksiedlung), Hart,<br />

Rufling und Holzheim. NSDAP-Blockleiter hatte man<br />

in Bergham, Gaumberg, Graben, Haag, Hart,<br />

Holzheim und Rufling installiert.<br />

Die anfangs mit diesen Funktionen betrauten Männer<br />

blieben in vielen Fällen nur etwa zwei Jahre im Amt,<br />

denn die meisten von ihnen wurden nach Kriegsausbruch<br />

bzw. im Laufe des Krieges zu den Waffen gerufen.<br />

In manchen Fällen - besonders bei Block- und<br />

Nachbarschaftsleitern - übernahmen Frauen diese<br />

Funktionen.<br />

Nebenher gab es im Gemeindeamt für die eigentliche<br />

Verwaltungsarbeit weiterhin einen Gemeindesekretär,<br />

ein paar Beamte und Kanzleihilfskräfte.<br />

Im Schlussbericht 1938 der Gendarmeriechronik wird


das Jahr als „eines der bedeutungsvollsten der<br />

Geschichte für die Ostmark“ bezeichnet, „da endlich<br />

der Zusammenschluss aller Deutschen mit Großdeutschland<br />

Wirklichkeit wurde. Auch brachte das<br />

Ereignis eine Neubesetzung in verschiedenen<br />

Ämtern. Hier in Leonding wurde gleichfalls durchgreifend<br />

aufgeräumt.“ 74 1938 wurden 5305 Leondinger<br />

Einwohner gezählt, davon waren 3345 wahlberechtigt.<br />

75<br />

Arbeitsbeschaffung<br />

Die Friedhofbesuche nach dem Anschluss durch prominente<br />

NS-Größen 76 und durch Wohlfahrtsformationen,<br />

aber vor allem durch zahlreiche HJ- und BDM-<br />

Gruppen hatten 1938 den ganzen Sommer und<br />

Herbst über angehalten.<br />

„Aus allen Gauen Großdeutschlands aber auch aus<br />

anderen Ländern setzte schon ab 13. März 38 der<br />

Besucherzustrom in verstärktem Umfang ein. Die<br />

Besucher kamen in kleinen und größeren Kraftfahrzeugen<br />

(Großbussen) zum Grab und zum Hitler-<br />

Wohnhaus. Dies erforderte verkehrstechnische<br />

Maßnahmen auf allen Zufahrtsstraßen.“ Sogleich<br />

begannen - von Untergaumberg und von Berg-<br />

Waldegg ausgehend - umfangreiche Asphaltierungen,<br />

Einrichtung von Parkplätzen u.dgl. Die 1936 begonnenen<br />

Ortsplatzgestaltung wurde zu Ende geführt,<br />

weiters gegen den Hainzenbach zu der 1937 begonnene<br />

Bau eines Güterweges fertiggestellt und damit<br />

eine Verbindung Leondings mit der an der Donau<br />

führenden Straße nach Wilhering geschaffen. Auch<br />

die Füchselbachregulierung wurde weitergeführt. Der<br />

Chronist berichtet, dass von den ehemals 600<br />

Leondinger Arbeitslosen zu dieser Zeit alle in Arbeit<br />

standen.<br />

Überdies kam es in jenen Wochen nach massiven<br />

Linzer Absiedlungen in St. Peter und in der Zizlau<br />

wegen der Errichtung der „Reichswerke Hermann<br />

Göring“ (Spatenstich am 13. Mai 1938) in der damals<br />

noch zu Leonding gehörigen Ortschaft Landwied zu<br />

großzügigen Verbauungen der ehemaligen „Kefer-“,<br />

„Dorn-“ und „Schleichel“-Gründe südlich der<br />

Theresienkirche, dann aber auch von Gründen des<br />

„Waldhauser-„ und des „Nöserlgutes“ in Oedt.<br />

Weitere Besucherströme 1938<br />

Fast täglich waren der Leondinger Friedhof und das<br />

Hitlerhaus belagert. „Als dauerndes Erinnerungszeichen<br />

wurden in den Zimmern dieses Hauses,<br />

Leonding Nr. 61 sogenannte Gastbücher angelegt, in<br />

denen Tausende Besucher ihre Anwesenheit bestätigten.<br />

Bis zum November 1938 wiesen die Bücher<br />

37.976 Unterschriften auf. Einem großen Teil der Besucher<br />

allerdings war es wegen des Andrangs nicht<br />

möglich, sich einzutragen. Schätzungsweise waren<br />

es mindestens doppelt so viele Besucher, darunter<br />

am 28. August auch Reichsminister Frick. “Von den<br />

fünf bis November 1938 erwähnten Büchern wird das<br />

vierte mit folgenden Eingangsvers erwähnt: „Der<br />

größte Deutsche lebte einst in diesem Haus. Er zog<br />

ins Leben, in die Welt hinaus. Es ahnte damals niemand<br />

in der Welt, dass Deutschland ewig nun von<br />

hier erzählt.“ 77<br />

Und weiter unten meint der Chronist: „In den Büchern<br />

scheinen auch Besucher aus England, Frankreich,<br />

Ägypten, Australien und Amerika auf. Bis zum Jahresende<br />

war es notwendig, ein 6. Buch anzulegen.“<br />

Noch 1938 wurde das Hitlerhaus „von der Partei<br />

angekauft und der Besitzerin Maria Meindl ein schönes,<br />

neues Haus dafür erbaut.“ 78<br />

Bauverbot<br />

Für das übrige Leonding jedoch hatte die Reichskanzlei<br />

scheinbar ein Bauverbot ausgesprochen. Der<br />

Gendarmeriechronist vermutete, „weil der Ort offenbar<br />

einen besonderen Umbau erfahren soll.“ In späterer<br />

Folge bewirkte dieses Bauverbot, dass die vielen<br />

Strohdächer und die alte Bausubstanz der Bauernhäuser<br />

bis in die Zeit nach dem Krieg erhalten blieben,<br />

was auch für viele andere Ortschaften im<br />

Umkreis von Linz galt.<br />

In den frühen 1940er Jahren veranlasste übrigens der<br />

Heimatforscher Karl Karning in dankenswerter Weise<br />

aus Dokumentationsgründen die Herstellung einer<br />

Fotoserie von der Mehrzahl der „Leondinger alten<br />

Höfe“ durch den erfahrenen Berufsfotografen H.<br />

Wöhrl aus Linz. Ausgenommen vom Bauverbot war<br />

übrigens die Errichtung der „Flaksiedlung“ („Wohnsiedlung<br />

für Flak-Unteroffiziere des Luftwaffenstützpunktkommandos<br />

Wegscheid“) in Haag.<br />

Leonding sollte zu Linz<br />

Sicherlich hatte Hitler eine „emotionale Bindung“ zu<br />

seinem ehemaligen, aber kurzfristigen Heimatort<br />

Leonding und zu seinem „Heimatgau“, vor allem aber<br />

zu Linz. Laut Emmerich Gaigg war Linz „gleich nach<br />

dem Einmarsch neben Berlin, Hamburg, München<br />

und Nürnberg zur fünften „Führerstadt“ erhoben worden,<br />

was sich in einem ehrgeizigen Planungs- und<br />

Ausbauprogramm niederschlagen sollte.“ 79 Linz sollte<br />

ein Eisenverhüttungsstandort für das ganze Reich<br />

werden. Auch städtebaulich war Linz bereits im April<br />

1938 durch die Wohnungs-AG der Reichswerke<br />

Hermann Göring durchgeplant. Umfangreicher<br />

Schriftverkehr und riesige Projekte bezüglich Bodenbeschaffung<br />

wurden durchgezogen, wozu auch die<br />

Absiedlungen in St. Peter-Zizlau gehörten. Die Einwohner<br />

in St. Peter und in der Zizlau mußten dann<br />

37


mehrheitlich auf ursprünglichen Leondinger Baugrund,<br />

das spätere „Keferfeld“, übersiedeln. Um Linz<br />

zu einer Stadt von – wie damals geplant - 300.000<br />

Einwohnern auszubauen, standen wegen Raummangels<br />

mehrere Eingemeindungen an: Urfahr,<br />

Pöstlingberg, St. Peter und Kleinmünchen gehörten<br />

damals bereits zu Linz. Nun sollten Ebelsberg, St.<br />

Magdalena, Leonding und weitere folgen. Die<br />

Gemeinde Leonding aber machte ihren Einstieg in<br />

Verhandlungen von einer Entscheidung Adolf Hitlers<br />

abhängig, von dem der „Leondinger Beirat“ hoffte,<br />

„dass der Führer durch seine Jugendzeit und das<br />

Grab seiner Eltern enge Beziehungen zu Leonding“<br />

hatte. Am 29. Oktober 1938 drängte der Linzer<br />

Oberbürgermeister und meinte - weil Leonding hinhaltend<br />

reagiert hatte – „die Eingemeindung müsste<br />

wohl zwangsweise geschehen.“ Inzwischen war in<br />

Berlin jedoch schon eine Vorentscheidung gefallen:<br />

„Bis 1. April 1940 dürften keine Gebietsänderungen<br />

mehr vorgenommen werden“, hieß es. 80 Nun wandte<br />

sich Linz an Reichsleiter Martin Bormann, der beschwichtigte,<br />

er habe sich wegen der Eingemeindung<br />

Leondings schon an Hitler gewandt, doch der Führer<br />

wünsche, dass „diese vorläufig zurückgestellt werde“.<br />

Trotz der „allerhöchsten Entscheidung“ ließen die<br />

Linzer nicht locker, immerhin war ja auf dem Keferfeld,<br />

also auf Leondinger Boden, bereits zu bauen<br />

begonnen worden. Das Ende vom Lied war, dass mit<br />

1. Oktober 1939 Landwied mit dem Keferfeld, weiters<br />

Oedt und Teile von Imberg, Haag und Gaumberg zu<br />

Linz kamen.<br />

Hitler hatte mit Linz und dem Gau Oberdonau weitere<br />

große Pläne: Am 13. Mai 1938 ordnete er den Bau<br />

der Nibelungenbrücke an. Am selben Tag war feierlicher<br />

Spatenstich für die „Reichswerke AG Alpine<br />

38<br />

Montanbetriebe Hermann Göring Hütte Linz“, die spätere<br />

VÖEST. Ein „Führermuseum“ sollte entstehen<br />

und Linz sollte „Kulturhauptstadt“ werden. Am 26.<br />

Juni wurde die Linzer Schiffswerft als erster Betrieb<br />

zum Rüstungsunternehmen erklärt und später in den<br />

Verband der „Reichswerke AG für Binnenschiffahrt in<br />

Berlin“ übernommen. Und im Oktober 1938 kamen<br />

die Bezirke Krumau und Kaplitz zum Gau Oberdonau.<br />

„Der Traum von Groß-Linz“ aber war mit der Übernahme<br />

des Keferfeldes, der letzten Linzer Eingemeindung<br />

jener Jahre, vorbei.<br />

Schlusswort<br />

Es muss hier festgestellt werden, dass aus<br />

Platzmangel nur ein kleiner Teil der<br />

Chronikeintragungen verwertet werden konnte, nämlich<br />

jener, der Wesentliches zum Fortschreiten der<br />

Ereignisse im Jahre 1938 vermittelt und der die<br />

Stimmung und den „Systemzwang jener Zeit“ wiedergibt,<br />

in der die Menschen handelten und wohl auch<br />

irrten.<br />

Auch sei bezüglich dieser Quellen erwähnt, dass alle<br />

zitierten damaligen Chronisten sichtlich bemüht<br />

waren, getreu ihrem Verständnis der Geschehnisse<br />

entsprechend wahrheitsgetreu zu schreiben und der<br />

Nachwelt zu erklären, wie sie persönlich die Lawine<br />

der Ereignisse gesehen hatten.<br />

Geschichte beschreibt Vergangenes, wird durch persönlich<br />

Erlebtes verständlicher. Man sollte also diese<br />

schriftlichen Zeugnisse, weil sie authentisch sind,<br />

ungeschminkt und nicht nach heutigen Beurteilungskriterien<br />

gedeutet wiedergeben. Es steht uns nicht zu,<br />

Handlungen von Menschen zu bewerten, die damals<br />

eingebettet waren in die Zwanghaftigkeit ihrer Zeit<br />

und des Systems. Es waren Menschen, deren<br />

Alternativen Dachau, Mauthausen oder gar das<br />

Erschießen waren, wenn sie Widerstand gegen die<br />

Staatsgewalt zeigten.<br />

Vornehmste Aufgabe der Hinterbliebenen-Generation<br />

bleibt die Suche sowohl nach Verstehen als auch<br />

nach der Wahrheit über das Geschehene, auch wenn<br />

Tragisches, Trauriges oder gar Grauenhaftes zutage<br />

tritt.<br />

Anmerkungen<br />

1Vgl. diverse Zeitungsartikel zum Thema 1938. – weitere<br />

Literaturhinweise: Kauer, Josef Andreas: Historische<br />

Einführung. In: Leonding. Dorf-Stadtrand-Stadt. Festschrift<br />

„25 Jahre Stadt Leonding“. Leonding 2. Aufl. 2000. bes. S.<br />

29-30. – Kristöfl, Siegfried; Weidenholzer, Josef: Leonding<br />

und sein zeitgeschichtlicher Strukturwandel. In: Leonding.<br />

Dorf-Stadtrand-Stadt. Festschrift „25 Jahre Stadt Leonding“.<br />

Leonding 2. Aufl. 2000, bes. S. 33-57. – Kauer, Josef<br />

Andreas: Leonding vor 70 Jahren. Zeiten-Blicke in<br />

Leondinger Chroniken. In: Gemeindebrief Leonding. Folge<br />

186. September 2006. S. 28-29. – ders. Der 4. und 5. Mai<br />

1945 – Das Kriegsende in Leonding. In: Gemeindebrief<br />

Leonding. Folge 147. Februar 2001. S. 24-25. – ders.<br />

Leondinger Geschehen Zehnjahresschritten. In:<br />

Gemeindebrief Leonding. Folge 71. Juni 1988. S. 10-16. –<br />

ders. Die Zeit vor 1938 und der Anschluß in Leonding. In:<br />

Gemeindebrief Leonding. Folge 70. April 1988. S. 11-15. –<br />

ders. Leonding in der Zeit von 1945 bis 1965. In:<br />

Gemeindebrief Leonding. Folge 55. August 1985. S. 15-19.<br />

– ders. Über die Februar-Unruhen vor 50 Jahren … In:<br />

Gemeindebrief Leonding. Folge 47. April 1984. S. 12-16. –<br />

ders. Aus der Nachkriegszeit. Gemeindebrief Leonding.<br />

Folge 41. April 1983. S. 10-12. – ders. Die letzten<br />

Kriegsmonate in und um Leonding. In: Gemeindebrief


Leonding. Folge 40. Februar 1983. S. 12-16. – ders. Die im<br />

Jahre 1939 der Stadt Linz einverleibten Leondinger<br />

Ortschaften und Ortschaftsteile. In: Gemeindebrief Leonding<br />

Folge 35. April 1982. S. 12-16.<br />

2 Pfarrchronik S. 77, vgl. Gemeindechronik Bd. I. S. 123.<br />

3 Gendarmeriechronik<br />

4Vgl. Pfarrchronik S. 129.<br />

5 Schmidl, Erwin A.: März 1938. S. 76.<br />

6 Gemeindechronik Band I S. 129.<br />

7 A.a.O. S. 129.<br />

8 Pfarrchronik S. 97.<br />

9 Pfarrchronik S. 79.<br />

10 Pfarrchronik S. 85.<br />

11 Pfarrchronik S. 85.<br />

12 Vgl. diverse Zeitungsartikel.<br />

13 Vgl. Artikel in den Oberösterreichischen<br />

Nachrichten vom 27. 2. 2008.<br />

14 z.B. „Heimatschutz“, „Ostmärkische Sturmscharen“,<br />

„Freiheitsbund“ und die versch. „Wehrzüge“ der Vereine.<br />

15 Vgl. Gemeindechronik S. 318.<br />

16 Pfarrchronik S. 108.<br />

17 Gemeindechronik Band I. S. 321.<br />

18 Gemeindechronik S. 321, 331.<br />

19 Pfarrchronik S. 121.<br />

20 Vgl. Pfarrchronik S. 113.<br />

21 Gemeindechronik S. 267.<br />

22 Gemeindechronik S. 336.<br />

23 Vgl. Pfarrchronik.<br />

24 Gendarmeriechronik vom 20. 2. 1938.<br />

25 Pfarrchronik S. 126.<br />

26 Pfarrchronik S. 126.<br />

27 Vgl. ORF-Zeitzeugen-Beitrag vom 11. 3. 2008.<br />

28 Vgl. Kronenzeitung. Krone Bund vom 11. 3. 2008.<br />

29 Pressemeldung.<br />

30 Gemeindechronik S. 336.<br />

31 Gendarmeriechronik vom 11. 3. 1938.<br />

32 Gendarmeriechronik vom 12. 3. 1938.<br />

33 Gendarmeriechronik vom 12. 3. 1938.<br />

34 Pressemeldung zum 12. März 1938.<br />

35 Pfarrchronik S. 125.<br />

36 Gemeindechronik S. 341.<br />

37 Vgl. Gemeindechronik S. 337.<br />

38 Gemeindechronik S. 337.<br />

39 Gemeindechronik S. 338.<br />

40 Pfarrchronik S. 125.<br />

41 Pfarrchronik S. 126.<br />

42 Gendarmeriechronik vom 12. 3. 1938, vgl. auch<br />

Gemeindechronik S. 339.<br />

43 Karning in der Gemeindechronik S. 339.<br />

44 Gemeindechronik S. 340. Leonding war damals wohl die<br />

erste der vielen oberösterreichischen Gemeinden, die ihre<br />

Ortsplätze in Adolf-Hitler-Plätze umbenannten.<br />

45 Pfarrchronik S. 126.<br />

46 Pfarrchronik S. 127.<br />

47 Gendarmeriechronik vom 25. 3. 1938.<br />

48 Pfarrchronik S. 129.<br />

49 Gendarmeriechronik Eintrag vom 30. 3. 1938.<br />

50 Vgl. Gemeindechronik.<br />

51 Karning. Gemeindechronik S. 198.<br />

52 Lt. Auflistung und Statistik in der Pfarrchronik S. 131.<br />

53 Vgl. Pfarrchronik a.a.O.<br />

54 Arthur Fischer-Colbrie: Jugendland des Führers. In:<br />

Oberdonau, Folge 2.<br />

55 Vgl. Gemeindechronik.<br />

56 Gendarmeriechronik Eintrag vom 10. April 1938.<br />

57 Vgl. Gemeindechronik S. 271.<br />

58 Vgl. Pfarrchronik S. 131, Gemeindechronik S. 347. Zum<br />

Vereinswesen vgl. auch der Artikel von Gerhard Tolar.<br />

59 Karning Gemeindechronik a.a.O.<br />

60 Die Hinweise stammen aus Gesprächsaufzeichnungen<br />

mit ehemaligen Mitgliedern.<br />

61 Gemeindechronik.<br />

62 1. Leondinger Gemeindehaus, neben dem<br />

Feuerwehrdepot.<br />

63 Vgl. Gemeindechronik S. 236.<br />

64 Die Originalprogramme haben sich in der<br />

Heimatkundlichen Sammlung erhalten.<br />

65 Vgl. Chronik der Liedertafel.<br />

66 Gemeindechronik S. 204.<br />

67 Vgl. Feuerwehr-Sitzungsprotokolle von 1938 und 1939.<br />

Die Protokolle liegen in der Heimatkundlichen Sammlung auf<br />

68 Gemeindechronik S. 347.<br />

69 Gemeindechronik S. 347.<br />

70 Gemeindechronik S. 349.<br />

71 Vgl. Gemeindechronik S. 349 und 297.<br />

72 Vgl. Gemeindechronik S. 343.<br />

73 Die Entregistrierungsakten befinden sich sowohl im<br />

Heimatkundlichen Archiv Leonding als auch im<br />

Oberösterreichischen Landesarchiv, Linz.<br />

74 Gendarmeriechronik 1938.<br />

75 Gemeindechronik S. 294.<br />

76 In der Reihenfolge: SA-Stabschef Lutze, Generaloberst<br />

Brauchitsch, Reichsminister Goebbels, Minister Frick u.a.<br />

77 Gendarmeriechronik August 1938.<br />

78 Gendarmeriechronik Jahresbericht 1938. Vgl. auch der<br />

Artikel über den "Frühen Tourismus in Leonding" von Thekla<br />

Weissengruber.<br />

79 Gaigg, Emmerich: Linz-Keferfeld.<br />

80 Gaigg, Emmerich a.a.O. S. 95 ff.<br />

39


MANIPULIERTE MASSE – ANMERKUNGEN ZUM<br />

NATIONALSOZIALISMUS<br />

Gerhard Tolar<br />

Aus dem Studium von Akten der Behörden, der örtlichen<br />

Gendarmerie, der Gerichte, aus der Chronik, die<br />

ein Chronist für die Gemeinde Leonding angelegt hat,<br />

aus Briefen und Äußerungen von Leondingern bekommt<br />

man ein schemenhaftes Bild davon, wie die<br />

Zeit damals in einer Landgemeinde am Rand der<br />

Stadt Linz erlebt wurde.<br />

Heute wissen wir, dass die Propagandamaschine des<br />

NS-Staatsapparates bestens funktionierte und laufend<br />

„gefärbte“, ja gefälschte Bilder in die Welt setzte.<br />

Das macht einen Teil des Schleiers aus, der uns<br />

heute die damaligen Aussagen schemenhaft macht.<br />

Die Unvorstellbarkeit der damaligen sozialen Not<br />

gehört auch dazu. Dazu gehört aber auch die Änderung<br />

der Denkweise, die sich bei uns in Politik,<br />

Wirtschaft, sozialem Denken usw. eingestellt hat und<br />

darauf haben gerade auch die Traumata dieser Zeit<br />

einen wesentlichen Einfluss.<br />

Es mag von Interesse sein, den Versuch zu unternehmen,<br />

ein paar der immer wieder in den genannten<br />

Dokumenten auftauchenden Argumente in dieser<br />

Sicht genauer zu betrachten.<br />

40<br />

Der Vertrag von Versailles und Österreich<br />

Der Begriff „Schandvertrag von Versailles“ taucht in<br />

zahllosen Flugblättern und Propagandaschriften auf,<br />

die in Leonding damals verbreitet wurden. Es ist der<br />

„Friedensvertrag“ mit dem deutschen Kaiserreich, der<br />

den ersten Weltkrieg völkerrechtlich abschließt. Dem<br />

deutschen Kaiserreich und seinen Verbündeten wird<br />

die Kriegsschuld angelastet, Deutschland hat Gebietsabtretungen<br />

hinzunehmen und wird mit großen<br />

Reparationsverpflichtungen belegt. Mit diesem Vertrag<br />

wurde übrigens auch der Völkerbund begründet.<br />

Der Vertrag von Versailles hat auch für Österreich<br />

Bedeutung. In ihm wird die Unantastbarkeit des<br />

neuen Österreich festgelegt. 1 Die Grenzen des neuen<br />

Österreich wurden in einem weiteren der so genannten<br />

Pariser Vororteverträge, dem Vertrag von St.<br />

Germain, festgesetzt.<br />

Diese Verträge wurde von vielen Deutschen und<br />

Österreichern als Schmach empfunden. Über den<br />

Vertrag von Versailles gibt es zahllose Urteile. Er<br />

wäre zu hart gewesen, er wäre wirkungslos gewesen,<br />

Deutschland wurde weder entmachtet noch<br />

integriert. 2 Es gab damals schon kritische Stimmen<br />

auch in den Ländern der Unterzeichner. Argumente<br />

und Gegenargumente füllen Bücher. Es wurde Adolf<br />

Hitler angerechnet, den „Schandvertrag von<br />

Versailles“ ausgehebelt zu haben, aber diese damalige<br />

Sicht stimmt nicht mit der historischen Realität<br />

überein. Die Reparationslast und die militärische<br />

Gleichberechtigung Deutschlands war schon vor<br />

Hitlers Machtübernahme gelöst. „Die Fesseln von<br />

Versailles waren, ehe Hitler die letzten von ihnen mit<br />

verblüffender Mühelosigkeit zerriss, aus Papier. 3<br />

Hitlers Beitrag z.B. die Besetzung des Saarlandes<br />

wurde auch in Leonding heftig akklamiert. Am 3. März<br />

1935 wird in Gaumberg ein Hakenkreuz abgebrannt.<br />

Anlass waren offenbar die Saarübergabefeierlichkeiten,<br />

schreibt das Gendarmeriepostenkommando<br />

Leonding. 4<br />

Der Vertrag von Versailles hat auch eine bedeutsame<br />

Vorgeschichte. Frankreich war im Deutsch-Französischen<br />

Krieg 1870/71 vernichtend geschlagen worden,<br />

und Otto von Bismarck, seit 1871 deutscher<br />

Kanzler des 2. Deutschen Reiches, hatte seine<br />

Absicht, Frankreich zu demütigen, durchgesetzt.<br />

Wilhelm I. von Preußen ließ sich im Nationalheiligtum


der Franzosen, dem Spiegelsaal zu Versailles, zum<br />

Deutschen Kaiser proklamieren. Im „Frankfurter<br />

Frieden“ 1871 wurden den Franzosen Kriegsentschädigungen<br />

von 5 Milliarden Goldfranc auferlegt,<br />

zahlbar innerhalb von 3 Jahren. Sie galten als unbezahlbar.<br />

Die Franzosen brachten das Geld auf und<br />

zahlten. 5 Die Kriegsentschädigungen waren eine<br />

wesentliche Basis des Gründerzeitbooms in Deutschland.<br />

Die Wirtschaft des Deutschen Reichs<br />

wuchs, die französische Wirtschaft wurde in ihrer<br />

Entwicklung behindert. Wie sich die Bilder mit denen<br />

nach dem ersten Weltkrieg gleichen.<br />

Der Tag von Potsdam<br />

Die folgende Geschichte spielt zwischen Jänner und<br />

März 1933. In Deutschland kamen die Nationalsozialisten<br />

an die Macht, in Österreich regierte der so genannte<br />

Austrofaschismus. Die Zeit war in Leonding<br />

von regelmäßigen Aktivitäten von Nationalsozialisten<br />

geprägt. Obwohl die österreichischen Nationalsozialisten<br />

in Teilen einen eigenständigen Weg suchten,<br />

blickte doch alles nach Deutschland. Da spielte sich<br />

Entscheidendes ab.<br />

Reichspräsident Hindenburg, der noch 1932 zitiert<br />

wird mit „Dieser böhmische Gefreite [gemeint war<br />

Hitler] kommt höchstens als Postminister in Frage!“<br />

ernennt am 30. Januar 1933 Hitler zum Reichskanzler.<br />

Das war ein unerwarteter, seither viel diskutierter<br />

und kommentierter Gesinnungswandel. Neben<br />

Hitler gehörte auch Göring der Regierung an.<br />

Vizekanzler war Franz von Papen. Der glaubte die<br />

Macht in Händen zu halten. Von ihm stammen die<br />

Worte: Wir haben ihn [Hitler] engagiert! Aber tatsächlich<br />

stand er auf verlorenem Posten.<br />

Am 27. Februar 1933 brannte der Reichstag. Die<br />

Nationalsozialisten erklärten den Reichstagsbrand zu<br />

einer kommunistischen Verschwörung. Für Hitler war<br />

das ein Anlass, bereits am 28. Februar 1933 eine<br />

Notverordnung 6 zu erlassen, wodurch bis auf weiteres<br />

das Recht der persönlichen Freiheit, der freien<br />

Meinungsäußerung, der Pressefreiheit, des Vereinsund<br />

Versammlungsrechtes aufgehoben und Eingriffe<br />

in das Brief-, Post-, Telgraphen- und Fernsprechgeheimnis<br />

sowie Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmen<br />

und Beschränkungen des Eigentums zulässig<br />

wurden. Hindenburg unterschrieb diese<br />

Verordnung.<br />

Die Reichstagswahlen im März 1933 brachten der<br />

NSDAP die relative Mehrheit, zur absoluten fehlten<br />

50 Stimmen. Hitler setzte zur Eröffnung des neu<br />

gewählten Reichstages am 21. März 1933 eine Feier<br />

in der Potsdamer Garnisonskirche an, in der sich die<br />

Grabstätte Friedrich des Großen befand. Am Gottesdienst<br />

nahm Hitler nicht teil, bei den Feierlichkeiten<br />

vor der Kirche hielt er eine geschickt formulierte<br />

Rede. Er forderte einen Staat der Ehre und Gerechtigkeit,<br />

er bekannte sich zum Frieden Europas<br />

und proklamierte Reichspräsident Hindenburg zum<br />

Schirmherren der nationalen Erhebung. Auf der<br />

Treppe der Garnisonskirche kam es zum historischen<br />

Handschlag zwischen Hitler und dem Reichspräsidenten.<br />

7<br />

Franz von Papen schreibt dazu in seinen Memoiren<br />

1952: „Die Symbolik des Aktes über dem Grabe<br />

Friedrichs des Großen konnte nicht ohne Eindruck<br />

auf alle jene bleiben, deren nationales Empfinden<br />

durch fünfzehn Jahre beleidigt worden war. Heute<br />

wissen wir, dass niemals ein feierliches Gelübde<br />

schmählicher getäuscht wurde.“ 8<br />

Mit dem eindrucksvollen Akt über dem Grabe Friedrichs<br />

des Großen war die Stimmung geschaffen.<br />

Zwei Tage nach Potsdam kam es in der Berliner<br />

Krolloper zur Abstimmung über das so genannte<br />

„Ermächtigungsgesetz“ 9 . Der Inhalt des Gesetzes<br />

liest sich aus heutiger Sicht unglaublich: „Die Reichsregierung<br />

darf Gesetze beschließen, auch wenn sie<br />

von der Verfassung abweichen. Diese Gesetze treten<br />

nach Unterschrift durch den Reichskanzler in Kraft.„<br />

Im Parlament stimmten die Abgeordneten der NSDAP<br />

und der bürgerlichen Parteien (Zentrum, Bayrische<br />

Volkspartei, Staatspartei, Christlich Soziale) für das<br />

Gesetz. Gegen das Gesetz stimmten 94 Abgeordnete<br />

der SPD, die 81 Abgeordneten der KPD und einige<br />

Abgeordnete der SPD waren nicht zur Wahl zugelassen.<br />

Das war die Selbstausschaltung des Reichstages.<br />

Was hinter der Verhinderung der Teilnahme der kommunistischen<br />

Abgeordneten steckte, erfährt man in<br />

einer zynischen Anmerkung des damaligen Reichsinnenministers<br />

Wilhelm Frick: „Wenn am 21. März<br />

der neue Reichstag zusammentritt, werden die<br />

Kommunisten durch dringende und nützlichere Arbeit<br />

verhindert sein, an der Sitzung teilzunehmen. Diese<br />

Herrschaften müssen wieder an fruchtbringendere<br />

Arbeiten gewöhnt werden. Dazu werden wir ihnen in<br />

Konzentrationslagern Gelegenheit geben. Wenn sie<br />

sich dann wieder zu nützlichen Mitgliedern der Nation<br />

erziehen lassen, wollen wir sie als vollwertige Volksgenossen<br />

willkommen heißen, sonst werden wir sie<br />

auf die Dauer unschädlich zu machen wissen“. 10<br />

Auch so kann man sich parlamentarische Mehrheiten<br />

sichern.<br />

41


Durch das Gesetz vom 1. Dezember 1933 11 wird die<br />

NSDAP „Trägerin des deutschen Staatsgedankens“.<br />

Mit diesem und dem Ermächtigungsgesetz war die<br />

Basis für den nationalsozialistischen totalitären Einparteien-<br />

und Führer-Staat gelegt. 12<br />

In der hier betrachteten Zeitspanne von Jänner bis<br />

März 1933 fanden in Deutschland entscheidende<br />

Weichenstellungen statt, aus heutiger Sicht in<br />

Massendeportation, Massenvernichtung und Massensterben<br />

in Schützengräben. Damals stand das Geschehen<br />

im Zeichen der Aussagen Hitlers vor der<br />

Garnisonskirche von Potsdam. Der Staat der Ehre<br />

und Gerechtigkeit, der Frieden in Europa und eine<br />

nationale Erhebung mit Reichspräsident Hindenburg<br />

als Schirmherren lagen in aller Interesse. Alle blickten<br />

nach Jahren einer empfundenen Demütigung in eine<br />

berauschende Zukunft.<br />

Einige haben die sich anbahnende Entwicklung<br />

schon damals gesehen. Als Beispiel sei General<br />

Erich Ludendorff zitiert, neben Hindenburg der<br />

führende deutsche General des ersten Weltkriegs,<br />

1923 Hitlers Gefährte beim fehlgeschlagenen<br />

Putschversuch, von Hitler zugunsten Hindenburgs<br />

später fallen gelassen. Als er von der Ernennung<br />

Hitlers zum Reichskanzler erfuhr, schrieb er<br />

Hindenburg in einem Brief: „Ich prophezeie Ihnen feierlich,<br />

dass dieser unselige Mann unser Reich in den<br />

Abgrund stoßen, unsere Nation in unfassliches Elend<br />

bringen wird. Kommende Geschlechter werden Sie<br />

verfluchen in Ihrem Grabe, dass Sie das getan<br />

haben.“ 13<br />

Der große Ruck<br />

Tatsächlich gelang es den an die Macht gekommenen<br />

Nationalsozialisten, rasch für Aufbruchstimmung zu<br />

sorgen. Alte Strukturen wurden zerbrochen. Es brach<br />

42<br />

eine neue Zeit an, die hauptsächlich von Jungen<br />

getragen wurde. Die neuen Machthaber selbst waren<br />

junge Leute: 1933 war Joseph Goebbels 35 Jahre alt,<br />

Reinhard Heydrich 28, Albert Speer 27, Adolf Eichmann<br />

26, Josef Mengele 21, Heinrich Himmler und<br />

Hans Frank waren 32. Hermann Göring – einer der<br />

Älteren – 40. 14 Der Gauleiter von Oberdonau, August<br />

Eigruber war 31. Junge Studenten ergriffen die<br />

Macht. Sie kamen aus allen sozialen Schichten. Aus<br />

Erfahrung skeptische Alte verspotteten sie als „Friedhofsgemüse“,<br />

lang gediente, prinzipienfeste Beamte<br />

als „Herrschaften, denen der Kalk aus den Hosen rieselt“.<br />

15 Das gefiel den Leuten.<br />

Es kam zu einem Zusammenspiel von Experten,<br />

Politikern und Bevölkerung. Viele geplante und lange<br />

diskutierte Reformen waren in der Republik auf der<br />

Strecke geblieben, die nationalsozialistische Regierung<br />

warf vieles über Bord. Als Beispiel sei hier angeführt,<br />

was zwar erst 1941 passierte, aber als typisch<br />

auch für diese Zeit angesehen werden kann. Hitler<br />

hat per „Schriftbefehl“ die Fraktur 16 und die Sütterlin-<br />

Schreibschrift 17 abgeschafft und die lateinische<br />

Normalschrift vorgeschrieben. Die alte Schrift wurde<br />

im geheim gebliebenen Erlass als Judenschrift<br />

bezeichnet, die veröffentliche Begründung lautete:<br />

„dass die Besetzten unsere Verlautbarungen lesen<br />

können.“<br />

Unmittelbar nach der Machtübernahme in<br />

Deutschland wurde der bis dahin fast unbekannte<br />

Begriff „Urlaub“ eingeführt. Freie Tage gab es schon<br />

früher, aber man erhöhte die Zahl so, dass man<br />

etwas unternehmen konnte. Man begann mit den<br />

Kraft-durch-Freude-Reisen (KdF-Reisen), so etwas<br />

wie Massentourismus zu entwickeln. 18 Spektakuläres<br />

Glanzstück waren die Hochseefahrten, das Gros des<br />

Angebotes machten freilich unspektakuläre Kurz-,<br />

Wander- und Dampferfahrten aus. Ein Einbruch breiter<br />

Massen in bürgerliche Sphären war geplant,<br />

wurde es aber nicht. 19<br />

Arbeitsprogramme waren schon von den konservativen<br />

Kabinetten Brüning, Papen und Schleicher durchgeführt<br />

worden. Auch in Österreich gab es zu dieser<br />

Zeit überregionale und lokale Arbeitsbeschaffungsprogramme.<br />

Unmittelbar nach der NS-Machtübernahme in<br />

Deutschland wurde ein „Gesetz über die Errichtung<br />

eines Unternehmens Reichsautobahnen“ erlassen.<br />

Fritz Todt wurde zum Generalinspektor für das deutsche<br />

Straßenwesen ernannt. Die Finanzierung erfolgte<br />

durch die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und<br />

Arbeitslosenversicherung. Man griff auf vorhandene<br />

Planungen zurück und konnte schnell beginnen. Der<br />

Ausbau eines Autobahnnetzes von 3000 Kilometern<br />

bis Ende 1938 war zweifellos eine große technische<br />

Leistung. Adolf Hitler wurde der Erfolg angerechnet<br />

und in der Propaganda als der Erfinder der Autobahnen<br />

bezeichnet. 20<br />

Aber der Einfluss dieser Maßnahmen auf die Beseitigung<br />

der Arbeitslosigkeit war eher gering – den<br />

immerhin 130.000 im Autobahnbau beschäftigten<br />

standen noch 1936 etwa 1,2 Millionen Arbeitslose<br />

gegenüber. Die Arbeitslosigkeit in Deutschland hatte<br />

1932 sechs Millionen Personen betroffen. Der große<br />

Abbau der Arbeitslosigkeit und der große wirtschaftliche<br />

Ruck wurde durch eine allgemeine Belebung der<br />

Wirtschaft – Belebung der Bauwirtschaft, Einführung<br />

der Handarbeit, Einführung eines Arbeitsdienstes etc.<br />

– und durch Einsatz von Arbeitern in der Rüstungsindustrie<br />

erreicht. Das alles geschah durch eine Verschuldung<br />

der öffentlichen Haushalte, eine Methode,


die die vorhergehenden Regierungen scheuten, die<br />

im deutschen Reich insbesondere vom Reichsbankpräsidenten<br />

Hjalmar von Schacht vertreten wurde 21<br />

und der dazu ein Verfahren der Verschleierung erfunden<br />

hat, die Mittel zunächst mit Wechseln eines fiktiven<br />

privatrechtlichen Unternehmens am Staatshaushalt<br />

vorbei zu führen. 22<br />

Das alles wurde in Österreich und auch in Leonding<br />

beobachtet. Ein Brief eines Leondingers, der sich<br />

1934 nach Deutschland abgesetzt hatte, wurde von<br />

der Briefzensur abgefangen und ist uns deshalb<br />

erhalten. Aus Dachau schreibt Ludwig H. am 18. August<br />

1934 an seine Familie 23 :“ … Haben die Mädels<br />

alle Arbeit? Hier kennt man nämlich keine Arbeitslosigkeit<br />

mehr. … War jetzt sieben Wochen auf<br />

Erholungsurlaub in der Provinz Hannover. Haben<br />

dort gelebt, wie Gott in Frankreich. …“<br />

Der Wohlfühlstaat<br />

Bei den Leondinger Festgenommenen des Juni-<br />

Putsches des Jahres 1934 wurden Hausdurchsuchungen<br />

durchgeführt und NS-Propagandamaterial<br />

gefunden. Diese sind im Strafakt erhalten geblieben.<br />

24 Darin ist die Wochenzeitung „Volksstimme -<br />

Kampfblatt der NSDAP für Oberösterreich“ vom 16.<br />

April 1934 enthalten. Darin kann man nach einer<br />

Schilderung der verbesserten deutschen Wirtschaftsdaten<br />

auf Seite sechs über Sozialmaßnahmen des<br />

jungen NS-Staates folgendes lesen: Durch die<br />

Schaffung der Feierabendorganisation „Kraft durch<br />

Freude“ soll der schaffenden Bevölkerung in ihrer<br />

Freizeit eine völlige Entspannung sowie eine angemessene<br />

Unterhaltung und Bildung ermöglicht werden.<br />

Durch die nationale Notstandsaktion, in der allein<br />

40.000 Zentner Butter und rund 70.000 Zentner<br />

Roggen an Hilfsbedürftige der Notstandsgebiete verteilt<br />

wurden, sowie durch die gewaltigste Hilfsorganisation<br />

der Völkergeschichte, das Winterhilfswerk des<br />

deutschen Volkes 1933/34 wurde bewirkt, dass kein<br />

deutscher Volksgenosse in diesem Winter im Reiche<br />

hungern oder frieren musste.<br />

Durch die Verordnung zur Milderung der Sozialversicherung<br />

und in der Reichsversorgung wurden den<br />

Rentnern verschiedene Begünstigungen gewährt.<br />

Ferner wurden im Februar und November 5,6<br />

Millionen Reichsmark als Sonderzulage für Kleinrentner<br />

verteilt. Durch das Gesetz zum Schutze der<br />

Heimarbeiter und anderer ähnlichen Maßnahmen,<br />

wurde angestrebt, die Härten, die durch die Notverordnungspolitik<br />

des verschwundenen Systems entstanden<br />

sind, zu mildern. Vier Jahre hat sich der<br />

deutsche Kanzler ausbedungen, die Wunden, die von<br />

den früheren Regierungen dem deutschen Volkskörper<br />

zugefügt waren, zu heilen, ihn wieder zu<br />

einem lebensfähigen Organismus zu gestalten. Aber<br />

schon im ersten Jahre ist erreicht worden, was für<br />

zwei Jahre vorgesehen war. Und in Österreich? ... Es<br />

folgt eine Darstellung der Wirtschaftsdaten Österreichs,<br />

die in dieser Zeit deutlich zu Ungunsten Österreichs<br />

ausfielen.<br />

Zu den ersten Gesetzen nach der Machtübernahme<br />

in Deutschland gehörten auch solche, mit denen die<br />

Rechte der Gläubiger zugunsten der Schuldner beschränkt<br />

wurden. Das kam den Armen und auch den<br />

Bauern zugute. Die Erklärung für die Beweggründe<br />

dafür zeigt die Maxime Hitlers: „Deutschland wird<br />

dann am größten sein, wenn seine ärmsten seine<br />

treuesten Bürger sind“. Es folgten weitere Vergünstigungen,<br />

wie die oben angeführte Sozialversicherung<br />

für Rentner, die Sonderzulagen für Rentner<br />

und die Förderung der Heimarbeit, ein wesentliches<br />

Element zur Ankurbelung der Wirtschaft. 25 Alle vor<br />

1938 in Deutschland erlassenen Gesetze des<br />

„Wohlfühlstaates“ wurden übrigens im Zeitraum zwischen<br />

dem Anschluss Österreichs und der Volksabstimmung<br />

dazu in Österreich in Kraft gesetzt. In der<br />

Tagespresse dieser Zeit kann man die Gesetzestexte<br />

und die Erläuterungen dazu nachlesen.<br />

1938 war der Deutsche Staat praktisch pleite. Am<br />

1. September 1938 schrieb Finanzminister Schwerin<br />

von Krosigk an Hitler: „Im Laufe des September<br />

gehen die Kassenbestände zu Ende, und teilte seinem<br />

Führer in unverbrücherlicher Treue mit, dass wir<br />

in eine schwere finanzielle Krise hineinsteuern…“ 26<br />

In diese Zeit fällt die nach der Reichskristallnacht im<br />

November 1938 den Juden auferlegte Judenbuße.<br />

Sie war innerhalb von vier Wochen fällig, betrug<br />

zunächst 20 % des Vermögens und wurde, um die<br />

vorgesehene Summe zu erreichen, auf 25 % erhöht.<br />

Sie schwemmte auf einen Schlag insgesamt 1,2<br />

Milliarde Reichsmark in die Reichskasse, das waren<br />

6 % der laufenden Reichseinnahmen. 27<br />

Aber man setzte weiter auf Wohlfühlmaßnahmen.<br />

Besonders nach dem Kriegseintritt übertünchte man<br />

die Härten des Krieges mit entsprechenden Maßnahmen.<br />

Die Kriegswirtschaftsverordnung beispielsweise<br />

legte einen Kriegszuschlag von 50 % auf die<br />

Lohn- und Einkommensteuer fest. Allerdings wurden<br />

so hohe Freigrenzen festgelegt, dass nur vier Prozent<br />

aller Steuerpflichtigen das zu spüren bekamen. 28<br />

Die Landwirtschaft war den ganzen Krieg über der<br />

einzige Wirtschaftszweig, der durch Steuerpolitik und<br />

Subventionen begünstigt wurde. Schon Ende 1939<br />

klagte ein leitender Finanzbeamter, dass die<br />

Privilegien, die die Landwirte genießen, grotesk seien<br />

43


und Verärgerung bei Teilen der Bevölkerung hervorrufen.<br />

29 Besonders bedacht wurden die Familien, die<br />

einen Soldaten im Felde hatten. Ein Einsatz-Wehrmachtsgebührnisgesetz<br />

30 regelte, dass bei der<br />

Bemessung des Familienunterhaltes die bisherigen<br />

Lebensverhältnisse und das im Frieden bezogene<br />

Einkommen der Angehörigen der Wehrmacht zu<br />

berücksichtigen habe. Auch „branchenüblich Arbeitslose“<br />

genossen diese Vergünstigungen. Die nationalsozialistische<br />

Staatsführung befreit den Soldaten an<br />

der Front von jeder Sorge um den Unterhalt seiner<br />

Familie. Frauen verfügten auf diesem Wege oft über<br />

bis zu 85 % des Normaleinkommens. Rechnete man<br />

Sold und Verpflegung des Eingezogenen dazu, verfügten<br />

einige deutsche Familien im Krieg über mehr<br />

Geld als im Frieden. 31 Schon eine Studie aus dieser<br />

Zeit bestätigt, dass die Maßnahme darauf gerichtet<br />

war, die Stimmung des Volkes, in erster Linie die<br />

Haltung der breiten Masse zu festigen. 32<br />

Die Reichskasse wurde mit solchen und einer Unzahl<br />

weiterer sozialpolitischer Bestechungsversuche an<br />

der Bevölkerung geplündert. Reichswirtschaftsminister<br />

Funk 1943: „Wir haben im Krieg zu opulent gewirtschaftet;<br />

aus dieser Entwicklung ist schwer herauszukommen“.<br />

33<br />

Wer bezahlte das alles?<br />

Die Staatskasse war kontinuierlich leer. Hitler verbot<br />

die Veröffentlichung des Staatshaushaltes. Die NS-<br />

Machthaber waren auf Griffe in fremde Taschen<br />

angewiesen, um den Haushalt halbwegs zu ordnen.<br />

Die angezapften Geldquellen waren: die Volkswirtschaften<br />

sämtlicher besetzter und abhängiger Länder,<br />

die Arbeitskraft von Millionen Zwangsarbeitern, das<br />

arisierte Eigentum der ermordeten Juden und der<br />

Hungertod von Millionen von Menschen, namentlich<br />

in der Sowjetunion. 34<br />

44<br />

Der Führerstaat – der Doppelstaat<br />

Aus den Chroniken Leondings kann man, wenn auch<br />

unter einem Schleier, das zunehmende Entsetzen der<br />

Chronisten vor den Geschehnissen herauslesen.<br />

Vieles war aus den Fugen geraten. Maßnahmen des<br />

Staates, von denen einige der Staat nicht einmal<br />

erfunden hat, haben sich schrittweise zu einem monströsen<br />

Ende entwickelt.<br />

Die im Folgenden zitierte Literatur 35 bietet zwei<br />

Erklärungswege an. Deutschland war einerseits<br />

geprägt von einer charismatischen Führergestalt, die<br />

die Lösung aller Probleme versprach, die damit aber<br />

zum Erfolg verdammt war und sich des Mittels<br />

bediente, sich gegen gesellschaftliche Außenseiter<br />

abzugrenzen und einen Ausnahmezustand ständig<br />

erneuern musste.<br />

Das nationalsozialistische Deutschland war aber<br />

andererseits auch ein kompliziertes Geflecht konkurrierender<br />

Machtapparate. Die in diesem Zusammenhang<br />

meist zitierte Erklärung für diesen Zustand<br />

stammt von Ernst Fraenkel 36 , der von einem Doppelstaat<br />

spricht, ein Nebeneinander von Normenstaat –<br />

alles geschieht nach Recht und Gesetz - und<br />

Maßnahmenstaat – Was Recht und Gesetz ist,<br />

bestimmt die Partei und das gesunde Volksempfinden.<br />

Der Normenstaat und der Maßnahmenstaat<br />

spielten sich die Probleme gegenseitig zu, ebenso die<br />

verschiedenen teilweise konkurrierenden Machtträger.<br />

Die Entwicklung lief nicht nach einem „Fahrplan“,<br />

sondern wies eine seltsame, sprunghafte Ausprägung<br />

auf. Soweit das Erklärungsmodell der zitierten<br />

Literatur.<br />

Das ist ein letztes Gesicht des Nationalsozialismus,<br />

das erklären mag, warum ein Menschenleben in<br />

einem Wohlfühlstaat nichts mehr galt. Festzuhalten<br />

ist noch, dass das, was später eintrat, großteils längst<br />

niedergeschriebenes Programm war, das seine eifrigen<br />

Exekutoren fand.


Anmerkungen<br />

1 Friedensvertrag von Versailles: Teil III - Politische<br />

Bestimmungen über Europa - Abschnitt VI. - Österreich -<br />

Artikel 80<br />

2 z.B. Haffner, Sebastian; Anmerkungen zu Hitler, München<br />

1978, Seite 81ff<br />

3 Haffner, a.a.O. Seite 82<br />

4 OÖLA, Pol. Akte, Sch. 14, Film 7, Akt Nr. 427/33<br />

5 siehe z.B. Brockhaus’ Konversationslexikon, 14. Aufl.<br />

1893–1897, Bd. 5, S. 206<br />

6 Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk<br />

und Staat vom 28. Februar 1933<br />

7 Orr, Thomas; Das war Hitler, Das Ende eines Mythos;<br />

Revue 1953 Nr. 2<br />

8 Papen, Franz von; Der Wahrheit eine Gasse, Innsbruck<br />

1952, S 307 f<br />

9 exakte Bezeichnung: Gesetz zur Behebung der Not von<br />

Volk und Reich vom 24. März 1933<br />

10 Völkischer Beobachter, Münchener Ausgabe, Nr. 70/71<br />

vom 11./12.3.1933, S. 2<br />

11 Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat<br />

vom 1. Dezember 1933<br />

12 siehe z.B. Orr a.a.O., 1953/02 und Franz von Papen<br />

a.a.O., S 352 ff<br />

13 Orr; a.a.O.; 1953/02<br />

14 Aly, Götz; Hitlers Volksstaat, FrankfurtM 2006; Seite 12<br />

15 Aly, a.a.O., S 14<br />

16 Runderlass von Martin Bormann vom 3.1.1941;<br />

Bundesarchiv Koblenz im Bestand NS 6/334; Kopie in<br />

„Österreich in Geschichte und Literatur“ 42 (1998) S. 261.<br />

17 Runderlass von Martin Bormann vom 1.9.1941<br />

18 Dt. Arbeitsfront/NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“,<br />

Gau Berlin, Dein Urlaub 1938<br />

19 Spode, Hasso (Hg.): Zur Sonne, zur Freiheit! Beiträge zur<br />

Tourismusgeschichte, Institut für Tourismus, FU Berlin 1991,<br />

Seite 79ff<br />

20 Benz, Wolfgang (Hg.); Legenden Lügen Vorurteile;<br />

München 2006; Seite 41ff<br />

21 Benz a.a.O.; Seite 27f<br />

22 Aly, a.a.O., S 55<br />

23 Politische Akte, OÖLA, Sch 165, Akt 711<br />

24 OÖLA, Staatsanwaltschaft Linz Akt Nr. 3St3768/34<br />

25 Aly, a.a.O.; S 20ff<br />

26 Schwerin von Krosigk an Hitler , 1.9.1938, IMG, Bd. 36, S<br />

492ff<br />

27 RGBl. I 1938 S. 1579 (Jundenbuße) I 1939 S. 2059<br />

(Erhöhung von 20 auf 25 %); Friedenberger u.a. (Hg.):<br />

Reichsfinanzverwaltung , S 21.<br />

28 Aly, a.a.O.; S 68<br />

29 Aly, a.a.O.; S 71<br />

30 RGBl. I 1939, S. 1531; Familienunterhaltswesen S 99ff<br />

31 Aly, a.a.O.; S 88f<br />

32 Schielin Irma, Der Familienunterhalt, in Jahrbücher für<br />

Nationalökonomie und Statistik 157 (1943) S. 458<br />

33 Aly, a.a.O.; S 90; Funkt über Kriegssteuerzuschläge,<br />

2.2.1943, NAR 175/15, Aufn. 083f.<br />

34 Aly, a.a.O.; Antwort auf die Kritik, S 366<br />

35 Schmuhl, H.W., Sterilisation, „Euthanasie“, „Endlösung“<br />

Seite 295ff; in Frei, Norbert (Hg.) Medizin und<br />

Gesundheitspolitik in der NS-Zeit<br />

36 Fraenkel, Ernst, der Doppelstaat, FrankfurtM 1984<br />

45


NS-VERMÖGENSENTZUG IN LEONDING<br />

Gerhard Tolar<br />

Von 1938 bis 1945 war Österreich Teil des Deutschen<br />

Reiches geworden, in dem seit dem Jahr 1933 die<br />

Nationalsozialisten an der Macht waren. Unmittelbar<br />

nach der Machtergreifung in Österreich kam es zu<br />

einer Vielzahl von Fällen von Entziehung von Vermögen<br />

von Bürgern des Staates. Diese Vermögensentziehungen<br />

stellen einen markanten Teil der totalitären<br />

Staatsführung des NS-Regimes dar. Auch<br />

Leonding war betroffen. Es wurden Einwohnern von<br />

Leonding Vermögen entzogen oder Grund und Boden,<br />

der in Leonding lag, enteignet. Leonding hatte<br />

damals eine größere Ausdehnung als heute – ein Teil<br />

des westlichen Leondinger Gemeindegebietes wurde<br />

1939 nach Linz eingemeindet –, daher sind in manchen<br />

Fällen Liegenschaften betroffen, die heute nicht<br />

mehr auf dem Gemeindegebiet von Leonding liegen.<br />

Nach Zusammenbruch der NS-Herrschaft im Jahr<br />

1945 stellte sich dem wiederhergestellten Staat<br />

Österreich die Aufgabe der geordneten Entschädigung<br />

und Rückstellung. 1<br />

Es wurden in den Akten 17 personenbezogene Fälle<br />

und 4 militärische Anlagen aufgefunden. Hier werden<br />

einige Fälle nur auszugsweise wiedergegeben, die<br />

46<br />

vollständige Erfassung ist in einer gesonderten<br />

Arbeit 2 enthalten. Es werden hier nur die Informationen<br />

aus den Akten der Rückstellungskommissionen<br />

bearbeitet, etwaige zivilrechtliche Folgeverfahren<br />

wurden nicht behandelt.<br />

Die betreffenden Akten liegen im OÖ Landesarchiv<br />

und wurden dort in einer Datenbank in „Arisierungen“,<br />

Rückstellungsanmeldungen und Rückstellungsakten<br />

katalogisiert. 3<br />

Gerichtsakten sind immer einer Quellenkritik z.B. auf<br />

Wahrheit der Behauptungen oder Fehlen von wichtigen<br />

Beweismitteln zu untersuchen. Das war wegen<br />

der lange vergangenen Verfahren nicht möglich.<br />

1. DARSTELLUNG DER FÄLLE<br />

Fall 1 – März 1938: Pfarre Leonding &<br />

Geschwister Mayrhofer<br />

In dieser Fallschilderung sind mehrere Akte zusammengefasst.<br />

4 Betroffen sind Liegenschaften der<br />

Pfarre Leonding und der Geschwister Mayrhofer.<br />

„Sofort nach der Besetzung Österreichs wurde im<br />

März 1938 das Haus von der HJ beschlagnahmt, die<br />

Einrichtung (Tische, Bänke, Sessel und Bühne) teils<br />

verschleppt, teils demontiert. Nach einigen Monaten<br />

übernahm das Haus die NS-Volkswohlfahrt und richtete<br />

den Kindergarten ein. Mit Pfarrer Haudum wurde<br />

ein Mietvertrag auf 5 Jahre zu nur RM 10.- jährlich<br />

abgeschlossen. Die Liegenschaft und das Gebäude<br />

der Pfarre Leonding auf Parzelle 512/6 ‚Lediger<br />

Grund’ EZ 167 KG Leonding, Pfarrheim und<br />

Kindergarten Leonding 35 1529 m≈, nördlich des<br />

Postgebäudes gegenüber dem Mesnerhaus gelegen<br />

wurden gemeinsam mit Parzelle 510/3 EZ 167 KG<br />

Leonding der Geschwister Mayrhofer, Ackergrund am<br />

1. Dezember 1941 enteignet“. So steht es in den<br />

Akten.<br />

1940 forderte die NS-Volkswohlfahrt, das Grundstück<br />

zu kaufen und das Gebäude, einen Riegelbau, zum<br />

Materialwert zu überlassen. Es sollte abgerissen werden<br />

und ein neues errichtet werden. Nach Enteignungsdrohungen<br />

willigten die kirchlichen Stellen in<br />

den Verkauf ein, es kam zum Kaufvertrag vom 1.<br />

Dezember 1941. Kaufpreis waren RM 5.258.-. Das ist<br />

die Formulierung, die im Rückstellungsverfahren enthalten<br />

ist.<br />

In der Chronik der Pfarre Leonding findet sich eben-


falls ein Eintrag zu dieser Sache. 5 Hier wird ergänzt:<br />

„Die NSV beabsichtigt einen neuen Kindergarten darauf<br />

zu erbauen. Zur Erweiterung des Kindergartens<br />

war auch ein Grundstück von Maria und Anna<br />

Mayrhofer notwendig, das von den Geschwistern am<br />

7. August 1941 übergeben wurde.“<br />

Nach Ende der NS-Herrschaft stellten die Parteien<br />

einen Rückstellungsantrag. Der landetete bei der<br />

Finanzlandesdirektion, die damals die ehemals deutschen<br />

Vermögen zu verwalten hatte. Die erstellt am<br />

17.1.1948 einen Bescheid 6 : „Gemäß Verbotsgesetz<br />

vom 8.5.1945 ist diese Liegenschaft als Vermögen<br />

einer verbotenen und aufgelösten nationalsozialistischen<br />

Organisation zugunsten der Republik Österreich<br />

verfallen. Zeugenaussagen belegen, dass<br />

Pfarrer Haudum ohne Vorhandensein eines inneren<br />

Veräußerungswillens unter Androhung einer Enteignung<br />

den Kaufvertrag abgeschlossen hat.<br />

Außerdem steht ohne Zweifel fest, dass diese<br />

Vermögensübertragung ohne die Machtergreifung des<br />

Nationalsozialismus nicht erfolgt wäre. Die Liegenschaft<br />

ist entzogenes Vermögen, das jetzt im Eigentum<br />

der Republik Österreich steht. Der jeweilige<br />

Pfarrer zu Leonding war auf Grund eines Protokolls<br />

aus dem Jahr 1830 Eigentümer der Gründe. Das<br />

Grundstück ist daher an ihn zurückzustellen.“<br />

Pfarrer Haudum muss den erhaltenen Kaufpreis<br />

zurückzahlen. Über die angrenzenden Grundstücke<br />

der Geschwister Mayrhofer wurden analog entschieden.<br />

Fall 2 – April 1938: Der Fall „Weiss“<br />

Die Familie Weiss besaß vor 1938 Grundstücke und<br />

Ziegeleibetriebe in Leonding. Diese sind nur ein kleiner<br />

Teil des gesamten der Familie entzogenen Vermögens,<br />

für Leonding aber bedeutend. Zum vollen<br />

Verständnis erscheint es tunlich, zuerst die Gesamtsituation<br />

der Familie Weiss zu betrachten.<br />

Die Familie Weiss<br />

Die Familie Weiss war eine Linzer Kaufmannsfamilie.<br />

Leo Weiss wurde am 17. Dezember 1867 in Bielitz,<br />

damals Schlesien, heute Polen 7 , in einer großen jüdischen<br />

Familie geboren, zog nach Wien, heiratete dort<br />

die Katholikin Karoline Hufnagel und zog mir ihr nach<br />

Oberösterreich. Sie hatten 3 Söhne, Leopold, Josef<br />

und Richard, die katholisch getauft und erzogen wurden.<br />

Leo Weiss war hoch angesehen, Industrieller und<br />

Funktionär von Sparkassen, Börsen und Kammern.<br />

Die Familie wohnte im Haus Starhembergstraße<br />

Nr. 19 in Linz, das sie 1909 käuflich erworben hatten.<br />

An den Ziegeleien und Grundstücken von über<br />

150.000 m≈ in Leonding waren sie Mitbesitzer. Selbst<br />

die Gegner von Leo Weiss mussten feststellen:<br />

„Richtig sei, dass Leo Weiss ein ungewöhnlich fähiger<br />

und tüchtiger Kaufmann war.“ 8<br />

In der NS-Presse der Jahre 1936/37 wurden die<br />

Mitglieder der Familie zu einem Hassobjekt gemacht.<br />

9 Ein Hetzartikel aus dem Jahr 1938 ist<br />

aufgefunden worden (siehe Abbildung 16).<br />

Der Sohn Josef Weiss war mit seiner Frau Eigentümer<br />

der prot. Firma J. Weiss & Co., Handel mit<br />

Baumaterialen. Der Gewerbeschein zum Betrieb der<br />

Ziegelwerke stammt aus dem Jahr 1927 und lautet<br />

auf das Haus Haag 17. Er war Direktor der Ziegeleien<br />

Gaumberg und Haag und besaß weiters Patentrechte<br />

über die Eterniterzeugung. Das Herzstück des Unternehmens,<br />

die Ziegelei Gaumberg, wurde im Dezember<br />

1944 durch Bombentreffer total zerstört.<br />

Der Sohn Richard Weiss besaß eine eigene Firma,<br />

die Richard Weiss und Co KG. Er war Partner einer<br />

internationalen Getreidehandelsgesellschaft in Wien<br />

und besaß über die Firma Petrolea Schürfrechte im<br />

Burgenland, Oberösterreich und Salzburg. Er wurde<br />

nach dem Tod seines Vaters – Leo Weiss starb 1942<br />

in New York - als Erbe ebenfalls Partei im Leondinger<br />

Verfahren, wie auch seine Brüder Leopold und Josef<br />

und seine Mutter Karoline. 10<br />

Die „Arisierung“<br />

Am 13. März 1938 kam es zum Anschluss Österreichs<br />

an das Deutsche Reich. KR Leo Weiss war,<br />

wie alljährlich, zur Erholung in Meran, die pol. Lage<br />

unterschätzend, wie im Rückstellungsantrag 11 angeführt<br />

wird. Die neuen Machthaber handelten schnell.<br />

„Mit einer Verfügung der Gestapo Linz vom 26. April<br />

1938 (siehe Abbildung 19 u. 20) wurde sämtliches,<br />

auch bis jetzt noch nicht festgestelltes Vermögen der<br />

Juden Leo Weiss (flüchtig), Dr. Leopold Weiss, Wien<br />

und Dr. Richard Weiss (flüchtig) beschlagnahmt und<br />

zu Gunsten des Landes Österreich eingezogen.“ 12<br />

Leo Weiss begab sich in die Schweiz. Die Familie<br />

blieb zunächst noch in Linz. Der Sohn Dr. Leopold<br />

Weiss geriet wegen einer Steuerstrafforderung in<br />

Gestapohaft, ging aber nach vielen Monaten frei, ihm<br />

konnte nichts nachgewiesen werden. 13 Dr. Leopold<br />

Weiss ist 1953 in New York verstorben. Sein Nachlass<br />

wurde seinem Bruder Josef eingeantwortet.<br />

Das Vermögen von Josef A. Weiss war zunächst<br />

nicht von der Beschlagnahme durch die Gestapo<br />

betroffen – sehr wohl betroffen war der Teil an den<br />

Ziegelwerken Leonding, der Leopold und Richard<br />

Weiss gehörte 14 – , sondern über sein Vermögen<br />

wurde nach dem Umbruch das Konkursverfahren<br />

eröffnet. Seine Gegner behaupteten, er wäre hoch<br />

verschuldet gewesen. Josef Weiss wird später<br />

47


Abb.15: Dr Richard Weiss 1938 42<br />

behaupten 15 : „Nach dem Umbruch wurde die Bilanz<br />

passiv gemacht.“<br />

Die Mutter Karoline Weiss kam nach ihrer Flucht über<br />

Italien, Paris und Holland nach England. Von England<br />

wurden die Söhne Richard und Leopold nach<br />

Australien deportiert. Das Ehepaar Leo und Karoline<br />

Weiss gelang es nach New York zu reisen. Karoline<br />

sah ihre Söhne erst 1945 nach ihrer Freilassung wieder.<br />

Sie kehrte mit ihrem Sohn Richard nach Linz<br />

zurück. 16 Karoline Weiss ist am 30. Mai 1953 in Linz<br />

im Spital der Barmherzigen Schwestern verstorben.<br />

Sie wurde in Wien begraben. Auf ihrer Parte scheint<br />

sie als Katholikin auf, versehen mit den heiligen<br />

48<br />

Abb.16: Hetzartikel über Familie Weiss im „Arbeitersturm vom“ 20.3.1938


Sakramenten. Ihr Nachlass wurde zur Gänze ihrem<br />

Sohn Richard eingeantwortet.<br />

Mit 4. Mai 1939 wurde „Herrn Leo Weiss und Ehefrau<br />

Karoline“, Linz, Starhembergg. 19, ein Reichsfluchtsteuerbescheid<br />

17 (siehe Abbildung 17 und 18) ausgestellt.<br />

Das Vermögen wurde mit RM 260.000.- eingesetzt,<br />

die Reichsfluchtsteuer wird auf ein Viertel dieses<br />

Betrages RM 65.000.- festgesetzt. Die Reichsfluchtsteuer<br />

wurde mit 15. Mai 1938 fällig gestellt.<br />

Rückstellungsanträge<br />

Im Jahr 1948 stellten die damaligen vier Erben von<br />

Leo Weiss, Karoline, Leopold, Josef und Richard<br />

Weiss bei der Rückstellungskommission mehrere<br />

Anträge auf Rückstellung von entzogenem Vermögen.<br />

Zwei davon betreffen die Leondinger Gründe<br />

direkt, die anderen die Rückstellung von durch die<br />

Entzieher weiterverkauften. Mit den Rückstellungsgesetzen,<br />

insbesondere dem 3. Rückstellungsgesetz<br />

18 wurden bei den Landesgerichten Rückstellungskommissionen<br />

eingerichtet, bei den Oberlandesgerichten<br />

und dem Obersten Gerichtshof<br />

Oberinstanzen installiert, die es Rückstellungswerbern<br />

ermöglichte, ihre Anliegen vorzubringen.<br />

Die Rückstellungsgegner<br />

Firmen und Firmennamen der Erwerber der entzogenen<br />

Grundstücke haben sich mehrfach geändert. Das<br />

ist hier geschlossen dargestellt.<br />

Die Grundstücke wurden durch die Verfügung der<br />

Gestapo vom 26. April 1938 an das Land Österreich<br />

übertragen, von der Alpine Montan Aktiengesellschaft<br />

„Hermann Göring“ im April 1940 gekauft, per Durchführungsverordnung<br />

zum Landbeschaffungsgesetz<br />

der Wohnungs A.G. der Reichswerke „Hermann<br />

Göring“ in Linz einverleibt. Mit dem Verkaufserlös<br />

wurden die Schulden, die auf den Grundstücken<br />

lagen, bezahlt 19 , Schulden an Familie Weiss wurden<br />

aber nicht berücksichtigt. Ein Teil der Liegenschaft<br />

wurde an die Gemeinnützige Wohnungs- und<br />

Siedlungsgenossenschaft „Wohnstätte“ weiterverkauft.<br />

20 Diese Grundstücke wurden später parzelliert<br />

und neuerlich weiterverkauft. 21<br />

Die seit 1947 öffentlich verwalteten Vermögensmassen<br />

sind mit Staatsvertrag 1955 in das Eigentum<br />

der Republik Österreich übergegangen. Die Republik<br />

Österreich hat die Vermögensmasse in eine neue<br />

Gesellschaft mit dem gleichen Firmenwortlaut als<br />

Sacheinlage eingebracht. 22<br />

Teilerkenntnis der Rückstellungskommission<br />

vom 4.5.1950<br />

Die Rückstellungskommission erließ zwei Jahre nach<br />

der Stellung der Rückstellungsanträge ein Teilerkenntnis,<br />

dass die Vermögensentziehung der Gestapo zu<br />

Gunsten des Landes Österreich nichtig ist, bei dieser<br />

Entziehung sind die Regeln des redlichen Verkehrs<br />

nicht eingehalten worden. „Die Rückstellung einiger<br />

inzwischen wirtschaftlich umgestalteten Einlagezahlen<br />

ist jedoch untunlich.“ 23<br />

Die Antragsgegner stellten in Frage, ob überhaupt ein<br />

Vermögen vorhanden war. „Dieser Rückstellungsantrag<br />

stelle den Versuch dar, sich mit Hilfe der Rückstellungsgesetze<br />

aus nichts, oder gar aus einem Passivum,<br />

arbeitslos ein Millionenvermögen auf Kosten der österr.<br />

Volkswirtschaft zu verschaffen.“ 24<br />

Die Rückstellungskommission reagierte aber entschieden<br />

und stellte dazu fest, dass eine Überschuldung der<br />

Liegenschaften nicht zu einer entschädigungslosen<br />

Einziehung berechtigt, sondern höchstens zu einer<br />

zwangsweisen Veräußerung geführt hätte. 25 Auch die<br />

höheren Instanzen der Rückstellungskommission bis<br />

zum OGH schlossen sich dieser Argumentation an.<br />

Vergleich vor der Rückstellungskommission vom<br />

19.10.1953<br />

Am 19.10.1953, 5 Jahre nach Antrag, kam es vor der<br />

Rückstellungskommission zu einem Vergleich. In diesem<br />

Vergleich hätten die Rückstellungsgegner Ersatzgrundstücke<br />

zu je einem Viertel an die damals<br />

vier Erben übergeben. Zwei Verfahren waren in der<br />

Zwischenzeit zusammengelegt worden.<br />

Dieser Vergleich wurde von den Antragstellern der<br />

Familie Weiss widerrufen und wurde daher nicht<br />

rechtswirksam. Nach Prüfung kann er - schreibt Josef<br />

A. Weiss in einem Schriftsatz 26 - „den Vergleich nicht<br />

annehmen. Der Wert des entzogenen Lehmlagers sei<br />

in keiner Weise kompensiert, die angebotenen<br />

Grundflächen entsprächen nur scheinbar“. Diese<br />

Ablehnung des Vergleiches und die Erweiterung des<br />

Streitwertes durch die Zusammenlegung der Verfahren<br />

und die Abgeltung für das Lehmlager sollten<br />

sich als ungünstige Entwicklung des Verfahrens herausstellen.<br />

Der Durchsetzung einer Abgeltung für das<br />

Lehmlager war schlussendlich kein Erfolg beschieden.<br />

Damit sank der ersiegte Erfolg unter die Hälfte<br />

des Streitwertes und die Weiss kamen nach damaliger<br />

Rechtslage um die Abgeltung ihrer Verfahrensund<br />

Anwaltskosten.<br />

Detailfragen<br />

Es gab zwei Ziegeleien im Besitz der Familie Weiss,<br />

die Ziegelei Haag und die Ziegelei Gaumberg. Die<br />

beschreibt Josef A. Weiss folgendermaßen 27 : „Die<br />

Ziegelei Haag hätte ein wegen der Tiefe unerschöpfliches<br />

Lehmvorkommen. Das brannte aber nicht rot.<br />

Die Ziegel galten in Linz und Umgebung als wenig<br />

marktfähig. Deshalb kaufte er von Franz Obermayer<br />

sen. die gegenständlichen Grundstücke, wo rot brennender<br />

Lehm gefunden worden war.“<br />

49


Soweit die Schilderung von Josef. A. Weiss. 1936<br />

kam der Obermairische Anteil auf Betreiben der Landeshypothekenanstalt<br />

zur Versteigerung und wurde<br />

von Dr. Max Mayer jun., dem langjährigen Rechtsanwalt<br />

von Obermayer sen. erworben. 28<br />

Franz Obermayer jun., der Erbe von Franz Obermayr<br />

sen. wird später angeben, dass die Brüder Weiss diesen<br />

Besitz seinem Vater mehr oder weniger abgejagt<br />

hätten. 29 Josef Weiss gab hingegen als Begründung<br />

die finanziellen Probleme des Franz Obermayer sen.<br />

an 30 .<br />

Schon in den Arisierungsakten der NS-Behörden finden<br />

sich datiert mit 10.5.38 Berichte über den damaligen<br />

Zustand der Ziegelwerke. 31 Dort wird die Ziegelei<br />

Haag als nicht betriebsfertig bezeichnet. Sie sei unter<br />

kommissarische Verwaltung gestellt worden, die ein<br />

Konkursverfahren eingeleitet habe. Eine Wiedererrichtung<br />

der Ziegelei sei wohl in erster Linie von dem<br />

Erfolg der anzustellenden Bohrungen abhängig.<br />

Über das Werk Gaumberg steht hier: „Dieses Werk<br />

wurde nach mehrjährigem vollständigem Stillstand<br />

erstmalig im Herbst des Jahres 1937 wieder in<br />

Betrieb genommen und wurden im Verlaufe von ca. 2<br />

Wochen ca. 340.000 Rohziegel erzeugt. Insgesamt<br />

sind im Werk 42 Arbeitskräfte beschäftigt. Josef A.<br />

Weiss ergänzt 32 , dass die Werksanlage in einer<br />

Umgruppierung war und die Inbetriebnahme der aus<br />

St. Peter-Zizlau übersiedelten Asbestzementerzeugung<br />

erst für 1938 vorgesehen war.“<br />

Das Werk Gaumberg spielte zum Zeitpunkt der<br />

Rückstellungsverhandlungen keine Rolle mehr, es<br />

war bei einem Bombenangriff im Dezember 1944 völlig<br />

zerstört worden. Es ging in den Verhandlungen um<br />

die Beurteilung des Wertes der Grundstücke. Hier<br />

50<br />

kam es zu einer weiteren für das Verfahren ungünstigen<br />

Entwicklung: Die Antragsteller wollten eine<br />

Entschädigung für das Lehmvorkommen, verlangen<br />

später eine Entschädigung für eine landwirtschaftliche<br />

Nutzung durch die Rückstellungsgegner und wollten<br />

die Gründe als Baugründe eingestuft sehen. Für alles<br />

gab es zwar gute Argumente für spätere Möglichkeiten<br />

einer erfolgversprechenden kombinierten<br />

Nutzung. Es gäbe sogar Planungsunterlagen dafür.<br />

Die konnten aber nicht aufgefunden werden. 33 Auch<br />

die von der vom Gemeindeamte Leonding im Jahre<br />

1930 bereits genehmigten Parzellierung verlangten<br />

die Antragsteller Weiss beizuschaffen. 34 Auch dieser<br />

Beweisantrag war nicht von Erfolg gekrönt. Von vorgelegten<br />

Planunterlagen fehlten jene, die die betroffenen<br />

Grundstücke darstellten. Diese Beweisstücke<br />

wurden daher nicht gewürdigt.<br />

Rückstellung der nicht verbauten Grundstücke<br />

Aber am 18.12.1958 kam es zu einem weiteren<br />

Teilerkenntnis der Rückstellungskommission. 35<br />

Antragsteller waren jetzt Richard Weiß, Industrieller in<br />

Wels, und Josef A. Weiß, New York: „Die Antragsgegner<br />

seien schuldig, die ehemals Leo Weiss’sche<br />

Hälfte des aus dem Grundstück … je zur Hälfte sofort<br />

zurückzustellen … Die Feststellung der für die wirtschaftlich<br />

umgestalteten Grundstücke begehrten<br />

Entschädigungen sowie Erträgnisse ist von der<br />

Durchführung eines Sachverständigenbeweises<br />

abhängig und bleibt der Entscheidung des Enderkenntnisses<br />

vorbehalten.“ So erhielten die beiden<br />

verbliebenen Erben 1958 nach 10 Jahren Verfahrensdauer<br />

wenigstens den Hälfteanteil ihrer Grundstücke<br />

zurück, außer die wirtschaftlich umgestalteten. Das<br />

sollte noch bis 1961 dauern.<br />

Das Enderkenntnis vom 3.7.1961<br />

Am 3. März 1961 kam es zu einer Öffentlichen mündlichen<br />

Verhandlung 36 , bei der zahlreiche Zeugen, die<br />

Sachverständigen und der in Linz wohnhafte Richard<br />

Weiss, damals 60 Jahre alt, einvernommen wurden.<br />

Der Verhandlung folgte am 3.7.1961 ein Enderkenntnis<br />

37 der Rückstellungskommission. Die wichtigsten<br />

Punkte daraus sind in der Folge auszugsweise<br />

wiedergegeben:<br />

„Die Wiedereröffnung des geschlossenen Verfahrens<br />

… wird abgewiesen. Damit sind einige Beweisanträge<br />

der Erben Weiss nicht angenommen worden. Die<br />

Antragsgegner zahlen Entschädigungen für die wirtschaftlich<br />

umgestalteten Grundstücke und die Verfahrenskosten.<br />

Mehrbegehren der Erben Weiss werden<br />

abgewiesen.“<br />

In der Urteilsbegründung heißt es: „Der Rückstellwert<br />

wurde als Arithmetische Mittel zwischen zwei Gutachten<br />

festgesetzt. Eine Bewertung als Industriegrundstück<br />

wurde abgelehnt. Ein Zinsbegehren und<br />

die Vergütung von Erträgnissen wurden abgelehnt.<br />

Zur Abgeltung des Lehmvorkommens: Lt. Flächenwidmungsplan<br />

der Stadt Linz, zu der die Grundstücke<br />

zwischenzeitlich gehörten, sei kein Lehmabbau möglich.<br />

Die Stadtplanung stellt keine im typischen Zusammenhang<br />

mit der Machtergreifung des Nationalsozialismus<br />

in Österreich stehende Handlung dar. Die<br />

Antragsteller begehren Entschädigung als Bauland,<br />

das Erkenntnis zuerkennt eine Vergütung als Bauerwartungsland.<br />

Das Begehren auf Ersatzleistung des<br />

Lehmvorkommens steht damit im Widerspruch. Das<br />

gesamte Begehren der Antragsteller ist daher abzuweisen.<br />

Alle Parteien haben Beschwerde eingelegt,<br />

die aber von den höheren Instanzen abgelehnt wurden.“


Abb.17 u. 18: Reichsfluchtsteuerbescheid für Leo und Karoline Weiss, Seite 1 und 2<br />

51


Abb.19 u. 20: Verfügung der Gestapo betreffend Einzug des Vermögens der Familie Weiss und Schriftstück des Zustellungsberechtigten Wolfgang Valentin an Joseph A. Weiss<br />

52


Besonderheiten des Verfahrens<br />

Ein langjähriger Rechtsanwalt von Leo Weiss, RA Dr.<br />

Zauner, ist inzwischen der Anwalt der Antragsgegner.<br />

38 Das ist zwar rechtlich gedeckt gewesen, war<br />

aber sicherlich für die Antragsteller Weiss nachteilig.<br />

Die Verfahrensordnung brachte den Antragstellern<br />

manche Probleme. Als Beispiel sei angeführt: Josef<br />

A. Weiss wurde aufgetragen, „einen am Orte der<br />

Rückstellungskommission wohnhaften Zustellungsbevollmächtigen<br />

namhaft zu machen, widrigenfalls …<br />

fortan ... Schriftstücke mit der Wirkung der erfolgten<br />

Zustellung bei Gericht hinterlegt werden würden.“ 39<br />

Diesem Zustellungsberechtigten wurden alle<br />

Schriftstücke zugestellt, der sie dann an seinen<br />

Klienten weiterzuleiten hatte. Josef A. Weiss lebte<br />

damals in New York, es verging also viel Zeit alleine<br />

für die Übermittlung von Schriftstücken. Bei einem<br />

Krankheitsfall eines Steuerberaters kam es so zu<br />

einer Fristverletzung beim Einbringen einer Beschwerde<br />

(siehe Abbildung 20), was letztlich zur<br />

Ablehnung von weiteren Beweisanträgen beim<br />

Enderkenntnis führte.<br />

Schlussbemerkung<br />

Die Auswahl der Argumente und die Vorgangsweise<br />

der Antragsteller der Familie Weiss im Verfahren<br />

erscheinen, wie im vorstehenden Bericht ausgeführt,<br />

in einigen Fällen von „zuviel wollen“ geprägt. Im<br />

Verfahren gab es manche Besonderheit, die den<br />

Erfolg der Erben Weiss beeinträchtigte. Die Fälle<br />

Obermayr und Mayr wurden jedoch schon 1952/53<br />

mit einem Vergleich abgeschlossen, das ist in etwa<br />

jene Zeit, zu der der Fall Weiss vor einem Vergleich<br />

stand, der aber dann nicht angenommen wurde, weil<br />

die Situation bei den Weiss’schen Grundstücken<br />

schwieriger war. Aber man muss für alle Geschädigten<br />

als Schaden festhalten, dass sie am wirtschaft-<br />

lichen Nutzen, der aus der Umgestaltung der Grundstücke<br />

entstanden ist, nicht teilhaben konnten, weil<br />

ihnen die Grundstücke entzogen worden sind.<br />

Die Rückstellung der Liegenschaften in Leonding war<br />

nur ein kleiner Teil der Vermögensentziehungen, die<br />

der Familie Weiss auferlegt wurden. Viel mehr<br />

Substanz ist bei den anderen Vermögensteilen der<br />

ehemals angesehenen Kaufmannsfamilie Weiss verloren<br />

gegangen, wie im Kapitel „Familie Weiss“ angedeutet.<br />

Der Fall Richard Weiss ist bei Michael John<br />

beschrieben 40 , das Schicksal der Kunstsammlung der<br />

Familie Weiss bei Birgit Kirchmayr. 41<br />

Fall 3 – Juni 1938: Familie Meindl:<br />

Hitlers Wohnhaus<br />

Es handelt sich um das Haus und das zugehörige<br />

Grundstück, in dem zwischen 1898 und 1905 Alois<br />

und Clara Hitler mit ihrem Sohn Adolf und ihrer<br />

Tochter Paula gewohnt haben. 43<br />

Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche<br />

Reich wurden Haus und Grund von Martin Bormann<br />

am 14. Juni 1938 angekauft. Dazu wurde zwischen<br />

Familie Meindl einerseits und dem Reichsleiter Martin<br />

Bormann als Käufer andererseits ein Kaufvertrag<br />

über die Realität abgeschlossen und ein Kaufpreis<br />

von annähernd RM 50.000.- ausbezahlt. Nach Angabe<br />

der Familie Meindl handelte es sich um einen<br />

Verkauf ohne Zwang. Die Angelegenheit sei für sie<br />

als erledigt zu betrachten. Das wurde in einer<br />

Niederschrift vom 10. März 1953 festgehalten. Es<br />

wurde kein Rückstellungsverfahren eingeleitet.<br />

Die Bank für OÖ und Salzburg war gemeinsam mit<br />

der Gemeinde Leonding von den Amerikanischen<br />

Besatzungsbehörden als Verwalter dieser Liegenschaft<br />

eingesetzt worden. Der Antrag wurde offenbar<br />

deshalb von der Bank eingebracht, weil die Rück-<br />

stellungsgesetze Eigner von entzogenen<br />

Grundstücken verpflichtete, diese zu melden.<br />

Fall 4 – Sommer 1938: Sängerrunde Gaumberg<br />

Die Sängerrunde Gaumberg gibt in einer Niederschrift<br />

vor der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 10.<br />

März 1953 44 an, dass von den NS-Behörden ihr<br />

gesamtes Archiv beschlagnahmt wurde. Als Grund<br />

wurde die „politische Haltung“ der meisten Vereinsmitglieder<br />

angegeben. Das Verfahren wurde von der<br />

Rückstellungskommission mit der Begründung ausgeschieden,<br />

dass der Rückstellungsgegner unbekannt<br />

sei. Soweit die Niederschrift. Entzogen wurden folgende<br />

Gegenstände: Gesamtes Archiv, bestehend<br />

aus: Einzelchorwerken, Liederbänden, umfangreicher<br />

Theaterliteratur, Kostümen, Perücken, Theaterbühne<br />

samt bemaltem Vorhang und Kulissen. Entzogen<br />

wurde das o. a. Gut aus dem Gasthaus „Zur Pyhrnbahn“,<br />

Leonding, Gaumberg 10, durch die NSDAP<br />

Ortsgruppe Leonding.<br />

Fall 5 – Herbst 1938:<br />

Eisenbahngleise zu Flak-Hallen<br />

Die Errichtung einer Eisenbahnanlage zu Flak-Hallen<br />

führte zu einer Enteignung. Die Vermögensentziehung<br />

wurde von der Rückstellungskommission als<br />

nichtig erklärt, die Rückstellung aber „untunlich“. Dem<br />

Enteigneten wurde nur eine Entschädigung für entgangene<br />

Nutzung zugesprochen.<br />

Fall 6 – Oktober 1938: Der Fall Elias Pollak<br />

Der Arisierungsakt<br />

Es geht um die Liegenschaft und das Haus Landwied<br />

5. Dafür interessieren sich Franz und Frieda P., Gitterschlosser<br />

aus Linz, verdiente PG (Parteigenossen)<br />

und Dominik F., lt. eigener Auskunft arischer Abstammung<br />

und verlässlich in völkischer Beziehung.<br />

53


Im zugehörigen Arisierungsakt 45 findet sich ein<br />

Aktenvermerk vom 25.10.1938 (siehe Abbildung 21)<br />

mit folgendem Inhalt: „Herr Dominik F. teilt mit, dass<br />

der Jude Elias Pollak, Untergaumberg, sein Geschäft<br />

liquidiert, den Gewerbeschein zurückgelegt und auch<br />

das Haus verkauft hat. Dr. Wintner sagt dazu, dass<br />

seinerzeit die Liquidation in kurzem Wege vom Juden<br />

selbst durchgeführt wurde. Ein Akt wurde nicht angelegt,<br />

da der Gewerbeschein zurückgelegt wurde.“<br />

Anfang November 1938 haben die Eheleute P. mit<br />

Theodor Neustadtl und Julie Sonn einen Kaufvertrag<br />

unterschriftsbereit aufgesetzt. „Die Juden reisten aber<br />

von Linz ab und wurden erst Mitte Februar in Wien<br />

ausfindig gemacht“, geben die P.s an. Die Abreise der<br />

beiden geschah offenbar aufgrund der Mitteilung von<br />

O. Stuf. Eichmann vom 17. November 1938 an den<br />

Amtsdirektor der Israelitischen Kultusgemeine, Josef<br />

Löwenherz 46 , dass die gesamte jüdische Einwohnerschaft<br />

von Linz spätestens in 10 Tagen, sofern sie bis<br />

zu diesem Termin nicht auswandern könne, nach<br />

Wien übersiedeln müsse. Es handelt sich um 200 -<br />

300 Köpfe, für welche Wohngelegenheit in Wien zur<br />

Verfügung gestellt werden müsse. Offenbar waren<br />

auch Julie Sonn und Theodor Neustadtl davon betroffen,<br />

im Akt sind Wiener Adressen enthalten.<br />

Der Kaufpreis RM 20.000.- wurde auf Grund einer<br />

Schätzung des gerichtlich beeideten Bausachverständigen<br />

BM Leopold Lang vereinbart. Im vorliegenden<br />

Kaufvertrag wurde angeführt, dass dieser Betrag<br />

von den Käufern zur Gänze ausbezahlt ist, so dass<br />

die Verkäufer ‚rechtsgiltig’ quittieren. Wie das tatsächlich<br />

gelaufen ist, zeigen die Rückstellungsakten.<br />

Die Verkäufer verpflichten sich im Kaufvertrag weiters,<br />

die verkaufte Liegenschaft bis längstens<br />

1. Dezember 1938 zu räumen. Das war aber wegen<br />

der erzwungenen Abreise nicht möglich.<br />

54<br />

Akt der Rückstellungskommission<br />

Irma Frankl ist eine geborene Neustadtl, nach dem<br />

Krieg in New York wohnhaft. Sie meldet Anspruch auf<br />

den Besitz der Fa. Elias Pollak, Inhaber Theodor<br />

Neustadtl und Julie Sonn an. 47<br />

Es geht um das Grundstück und Gebäude EZ 111,<br />

Landwied 5, KG Leonding, jetzt Waldegg 916, im<br />

Grundbuch als ursprünglich lediges Grundstück, die<br />

Scheiblwiese bezeichnet.<br />

„Theodor Neustadtl und seine Gattin Mathilde sind<br />

1938 nach Wien geflüchtet und im Jahre 1941 von<br />

dort - unbekannt wohin – deportiert worden. Über ihr<br />

Schicksal ist weiter nichts bekannt, … wahrscheinlich<br />

sind sie gestorben.“ So steht es im handschriftlichen<br />

Rückstellungsantrag von Frau Irma Frankl.<br />

Den Käufern wurde von der Verkehrsvermögensstelle<br />

1939 aufgetragen, den Kaufpreis auf ein gesperrtes<br />

Konto mit der Bezeichnung „Entjudungserlös“ zu einzuzahlen.<br />

48 Die Aussage aus dem Arisierungsakt,<br />

dass der Kaufpreis von den Käufern zur Gänze ausbezahlt<br />

ist mag zwar stimmen, aber die Verkäufer<br />

haben über das Geld nicht verfügen können.<br />

Dem Antrag bei der Rückstellungskommission wurde<br />

mit Erkenntnis vom 4. März 1948 entsprochen mit der<br />

Feststellung, dass der Kaufvertrag aus dem Jahr<br />

1938 nichtig und die Liegenschaft samt Zubehör und<br />

Inventar lastfrei zurückzustellen sei.<br />

Die Antragsgegner gaben an, dass Theodor Neustadtl,<br />

damals 70-jährig, im Haus eine Lumpensammlerei<br />

betrieb und von sich aus den Hausstand<br />

auflösen wollte. Franz P. stand schon seit 1926 mit<br />

Theodor Neustadtl in Geschäftsverbindung.<br />

Die Antragsteller bestritten die Absicht der Hausstandauflösung,<br />

Rohproduktenhandel war ja die<br />

Existenz von Theodor Neustadtl und Juliane Sara<br />

Sonn. Nicht Theodor Neustadtl ist aktiv geworden,<br />

sondern Herr P. kam oft in SA-Uniform zu Theodor<br />

Neustadtl und Julie Sonn. Er hat sich vorher – wie<br />

auch aus dem Arisierungsakt ersichtlich ist - beim<br />

Gauwirtschaftsberater Oskar Hinterleitner Rückhalt<br />

gesichert, der ihn und seine Frau als verdiente<br />

Parteigenossen bezeichnet hat.<br />

Die Rückstellung war deshalb schwierig, weil die<br />

neuen Besitzer die Liegenschaft in bedeutendem<br />

Maß umgestaltet hatten. Das Haus wurde teilweise<br />

völlig neu aufgebaut, Licht- und Wasserleitungen<br />

sowie Fußböden erneuert. Es kam daher am 6. November<br />

1959 zu einem Vergleich – 11 Jahre sind seit<br />

dem Rückstellungsantrag im Jahr 1948 vergangen:<br />

Die Liegenschaft blieb im Eigentum der Rückstellungsgegner<br />

Franz und Frieda P., sie zahlten aber<br />

an die Erben Irma Frankl, Max und Oskar Sonn, alle<br />

New York, eine Entschädigungssumme.<br />

Fall 7 – Dezember 1938: OÖ Glutinwerke<br />

Wegscheid<br />

Die OÖ Glutinwerke AG in Wegscheid war ein<br />

Industriebetrieb, der Grundstoff für die Leimindustrie<br />

herstellte. Auch hier wurden Leondinger Grundstücke<br />

entzogen. Vor der Rückstellungskommission kam es<br />

zu einem Vergleich. Der Erwerber verpflichtet sich,<br />

einige der entzogenen Parzellen sofort zurückzustellen,<br />

infolge wirtschaftlicher Umgestaltung sei die<br />

Rückstellung von einigen Parzellen jedoch untunlich<br />

gewesen, weshalb deren Rückstellung finanziell<br />

abgegolten wurde. 49<br />

In den Akten sind jedoch noch weitere Fälle zu finden,<br />

die zwar Liegenschaften der Glutinwerke in<br />

angrenzenden Katastralgemeinden betreffen, aber<br />

wegen allgemeiner Aussagen, wie die „Geschäfte“<br />

gelaufen sind, dennoch interessant sind:


Abb.21: Aktenvermerk aus dem „Arisierungsakt“ E. Pollak, OÖLA Arisierungen 21<br />

Die Anteilsrechte der OÖ Glutinwerke AG lagen in<br />

den Händen von Frau Chane (Anna) Kutscher. Sie<br />

gibt an, dass sie gezwungen wurde, da sie Jüdin war,<br />

ihre Anteile an die WTK zu verkaufen. 50 Der Konkursverwalter<br />

der Käuferfirma gibt später an, wie die<br />

„Arisierung“ des gesamten Paketes abgelaufen ist:<br />

„Am 15.12.1938 ist zunächst mündlich und am<br />

15.3.1939 schriftlich in Form eines Gedächtnisprotokolls<br />

das Aktienpaket der Frau Anna Chane<br />

Kutscher an den OÖ Glutinwerken … im Arisierungswege<br />

verkauft worden. … Kommanditist der<br />

Firma IHG war Oskar Hinterleitner. …“ 51<br />

Oskar Hinterleitner war der Gauwirtschaftsberater für<br />

den Gau Oberdonau. Von Oskar Hinterleitner sind<br />

mehrere ähnliche Verhaltensweisen aktenkundig. 52<br />

Frau Anna Kutscher kam zu ihrem Beinamen<br />

„Chane“, weil ab 1. Jänner 1939 alle Juden, die<br />

„arisch“ klingende Namen hatten, verpflichtet wurden,<br />

zur besseren Unterscheidung von Mitgliedern der<br />

Volksgemeinschaft jüdisch klingende Namen anzunehmen.<br />

Männer erhielten so meist den Beinamen<br />

„Israel“, Frauen den Beinamen „Sara“. Wenn man so<br />

einen Namen bekommen hatte, war es schwer, den<br />

wieder loszuwerden. So traf es manchen „Arier“, der<br />

das Pech hatte, einen jüdisch klingenden Namen zu<br />

haben. Später, ab 1. September 1941 wurde für<br />

Juden der Judenstern verpflichtend. 53<br />

55


Fall 8 – Jänner 1939:<br />

Wohnsiedlung für Flak-Offiziere<br />

Beim Besitzer des Antoni-Gutes 54 erschienen Vertreter<br />

der Luftwaffe mit dem Begehren einen Teil seines<br />

Grundes der Luftwaffe für die Errichtung einer<br />

Siedlung für Offiziere zu überlassen. Johann Wimmer<br />

befürchtete eine Enteignung und entschloss sich zum<br />

Verkauf. Ein Kaufvertrag auf Basis RM 2.- pro m≈<br />

wurde abgeschlossen. Da trat die Preisüberwachungsstelle<br />

auf und reduzierte den Preis auf RM 0,70<br />

pro m≈. Eine Beschwerde wäre erfolglos gewesen,<br />

gibt Johann Wimmer an.<br />

Johann Wimmer forderte im Rückstellungsantrag die<br />

Rückstellung der Grundstücke oder eine Entschädigung<br />

für die Preisminderung. Sein Begehren wurde<br />

in allen Instanzen bis zum Obersten Gerichtshof<br />

schließlich 1954 abgelehnt.<br />

Die Entziehung für Errichtung von Wohnungen und<br />

die Tätigkeit der Preisüberwachungsbehörde sei nicht<br />

charakteristisch für die NS-Zielsetzung gewesen. Im<br />

Zeitpunkt der Veräußerung hätten auch andere Heere<br />

ähnliche Fliegerabwehrabteilungen aufgestellt. Man<br />

hätte die angedrohte Enteignung abwarten sollen,<br />

denn in diesem Verfahren hätte man höhere<br />

Instanzen anrufen können. So argumentieren die<br />

Gerichte und die Höchstgerichte.<br />

Fall 9 – März 1939:<br />

Die Oehn’sche Waisenhaus-Kolonie-Stiftung<br />

Der Fall Oehn’sche Waisenhauskolonie 55 , Wirtschaftsgebäude,<br />

Äcker, Wiesen und Waldgrundstücke des<br />

ehemaligen Gutes Hart, wird gemeinsam mit dem<br />

Kath. Waisenhaus Linz behandelt. Beide Stiftungen<br />

wurden 1939 durch den „Stillhaltekommissar“ aufgelöst<br />

und der NS-Wohlfahrt zugewiesen. Von dieser<br />

erwarb sie die WohnungsAG der Hermann Göring<br />

Werke. Ein Teil davon ging 1940 an eine Familie<br />

56<br />

Frank im Tauschvertrag für entzogene Güter in<br />

Hinterstoder. Ein Vergleich vor der Rückstellungskommission<br />

ergab eine Rückstellung an die r. k.<br />

Kirche durch die WohnungsAG und die Erbengemeinschaft<br />

Frank.<br />

Fall 10 – Oktober 1939:<br />

Flak-Stellungen in Kleinmünchen<br />

Frau Marie Kirchmayr war eine Bäuerin in Hart Nr. 1<br />

und besaß Grundstücke in der KG Kleinmünchen, die<br />

ihr für den geplanten Bau von Flak-Kasernen Wegscheid<br />

durch Kauf entzogen wurden, 56 die Kasernen<br />

wurden aber nie gebaut.<br />

Der Vermögensentzug ist von der Rückstellungskommission<br />

und Oberlandesgericht für nichtig erklärt worden.<br />

Das Oberlandesgericht erklärt dazu, dass die<br />

Anlage in einer Größe errichtet werden sollte, wie<br />

dies in einem unabhängig gebliebenen Österreich nie<br />

geschehen wäre.<br />

Fall 11 – November 1939:<br />

Eisenwerke gegen Obermayer<br />

Franz Steinbruckner-Obermayer – er hatte seinen<br />

Namen auf Franz Obermayer geändert –, der im Falle<br />

der Familie Weiss schon eine große Rolle gespielt<br />

hat, ist auch selbst Opfer eines Vermögensentzuges<br />

geworden. Auf seinen Grundstücken sind rund 50<br />

Siedlungshäuser errichtet worden, durchwegs für<br />

Personen bestimmt, die ihre früheren Siedlungshäuser<br />

infolge der Errichtung der Hermann Göring<br />

Werke verloren hatten. Ein Teil davon waren jene<br />

Grundstücke, deren andere Hälfte Leo Weiss von der<br />

Gestapo im Zuge der „Arisierung“ entzogen worden<br />

waren. 57 Die Enteignung Obermayers erfolgte aber<br />

auf Grund des Gesetzes für Landbeschaffung für die<br />

Zwecke der Wehrmacht.<br />

Die Antragsgegner 58 ergänzen die Darstellung mit<br />

dem Hinweis, dass die Grundstücke Franz Obermayer<br />

total überschuldet waren. Dies machte den<br />

Abschluss eines Kaufvertrages unmöglich und es<br />

kam zu einem Enteignungsverfahren, das unter<br />

Wahrung der gesetzlichen Vorschriften durchgeführt<br />

wurde. Vor der Rückstellungskommission kam es bei<br />

der Verhandlung am 18.11.1953 zu einem Vergleich.<br />

Obermayer jun., der Erbe, erhält zum Ausgleich aller<br />

Forderungen eine Entschädigung.<br />

Fall 12 – Dezember 1939:<br />

Gewerkschaftsgrund<br />

Der Restitutionsfonds der freien Gewerkschaften forderte<br />

die Rückstellung von Grundstücken in der KG<br />

Leonding 59 , die ihm von der Vermögensverwaltung<br />

der Deutschen Arbeitsfront in Berlin-Wilmersdorf mit<br />

Kaufvertrag im Dezember 1939 entzogen worden<br />

war. Diese Grundstücke sind später in das Eigentum<br />

der Wohnungsaktiengesellschaft Linz übergegangen.<br />

In den Akten ist ein Vergleich vom 19. Juni 1952 enthalten.<br />

Die Geschädigten werden durch eine Zahlung<br />

entschädigt. 60 Die Grundstücke waren den Gewerkschaftern<br />

auch schon vor 1938 von den Machthabern<br />

des Ständestaates entzogen worden.<br />

Fall 13 – April 1940:<br />

Eisenwerke gegen Kirche<br />

Dieser Fall ist typisch für die Vermögensentziehungen<br />

in der NS-Zeit, die durch den Bau Hermann Göring<br />

Werke verursacht wurden und bei denen entzogenes<br />

Vermögen durch anderswo entzogenes Vermögen<br />

ersetzt wurde.<br />

Am 3. März 1941 wurden der Elisabeth Umenberger<br />

das Wohn- und Wirtschaftsgebäude des ehemaligen<br />

„Lehnergutes“ in Haag bei Leonding Nr. 2 und 7 eingezogen.<br />

61 Haus und Grund wurden getrennt, das


Haus wurde an Firma Best verkauft, der Grund wurde<br />

für den Ausbau der Käferfeld- und Ödtsiedlung verwendet.<br />

Der „reichsdeutschen“ Firma Best, einem<br />

Abbruchunternehmen, wurde 1941 ein großen Lagerplatz<br />

in der Nähe der Posseltbrücke in Linz entzogen.<br />

Dafür erwarb sie – zu einem angemessenen<br />

Preis – den Wirtschaftstrakt des Lehnergutes und<br />

baute ihn zu einem Bauhof und Unterbringungsmöglichkeiten<br />

für ihre Angestellten um. Elisabeth<br />

Umenberger erhielt als Gegenleistung das<br />

„Zehetnergut“ in Alkoven Nr. 4, das der zur r. k.<br />

Kirche gehörigen Erziehungsanstalt „Zum Guten<br />

Hirten“ entzogen worden war.<br />

Die Hermann Göring Werke haben auf dem Grund<br />

des Lehnergutes keinerlei Siedlungsbauten errichtet,<br />

rechneten die Flächen jedoch zu Ausbauflächen.<br />

Die aufgehobene Anstalt „Zum Guten Hirten“ hatte<br />

keine Rechtspersönlichkeit mehr. Nach dem Krieg forderte<br />

daher die Kirche die Liegenschaften „Zum<br />

Guten Hirten“ von Frau Umenberger zurück und Frau<br />

Umenberger ihr „Lehnergut“ von der Firma Best und<br />

der Wohnungsaktiengesellschaft der Reichswerke<br />

Hermann Göring. Es kam schlussendlich zu einem<br />

Vergleich: Zum Ausgleich für das „Zehetnergut“ in<br />

Alkoven zahlt die Wohnungsaktiengesellschaft Linz<br />

an die Diözese Linz, zum Ausgleich der Erträgnisse<br />

des „Zehetnergutes“ zahlt Frau Umenberger an die<br />

Diözese, Die Diözese verzichtet auf die Rückstellung<br />

des „Zehetnergutes“, Frau Umenberger verzichtet auf<br />

alle Ansprüche gegenüber derFirma Best und der<br />

Wohnungsaktiengesellschaft Linz. In diesem Akt ist<br />

auch eine Anfrage um Genehmigung zur Durchführung<br />

des Verfahrens an die Besatzungsbehörde<br />

enthalten. Die Besatzungsbehörde hat meist genehmigt.<br />

Fall 14 – Feb. 1941:<br />

Eisenwerke gegen Dr. Max Mayr<br />

Dr. Max Mayr jun. hat bei einer Zwangsversteigerung<br />

des Bezirksgerichtes Linz im Jahr 1937 die Hälfte<br />

einer Liegenschaft der KG Leonding meistbietend<br />

erworben. 62 Er war der langjährige Anwalt von Franz<br />

Obermayer, der bei dieser Versteigerung des Hälfteeigentums<br />

verlustig ging. Die andere Hälfte war im<br />

Eigentum des Leo Weiss, dessen Hälfte der „Arisierung“<br />

zum Opfer gefallen war. Die Hälfte des Dr.<br />

Max Mayr jun. wurde ebenfalls enteignet und zwar<br />

nach den Bestimmungen des Landbeschaffungsgesetzes.<br />

Eine Entschädigung habe er nie erhalten,<br />

gibt er an. Die Antragsgegner ergänzen, dass mit Dr.<br />

Max Mayer keine gütliche Einigung zustande kam<br />

und deshalb eine Enteignung durchgeführt wurde.<br />

Außerdem war Dr. Max Mayr jun. als Hauptmann der<br />

Wehrmacht unabkömmlich.<br />

Dr. Max Mayr jun. ist am 12. Jänner 1945 verstorben.<br />

Seine Erben schlossen im Jänner 1952 vor der Rückstellungskommission<br />

einen Vergleich. Zur Befriedigung<br />

aller Ansprüche aus Inanspruchnahme der<br />

Grundstücke und Enteignung zahlten die Antragsgegner<br />

an die Erben eine Entschädigungssumme.<br />

Fall 15 – Nov. 1941:<br />

Eisenwerke vergeben Ziegelei Gaumberg 1<br />

Untersmayr Johanna war Alleineigentümerin des<br />

Erbhofes „Nussbeckengut Nr. 5, 6 und 7“. Auch sie<br />

war von Enteignung zweifach betroffen. Zunächst<br />

wurde ihr auf Grund des Gesetzes über die Landbeschaffung<br />

für die Zwecke der Wehrmacht im November<br />

1941 Grund entzogen und den Hermann Göring<br />

Werken einverleibt worden. Sie erhielt nur eine teilweise<br />

Entschädigung durch Ersatzgrundstücke und die<br />

stammten aus dem „arisierten“ Besitz von Familie<br />

Weiss, Gründe der Ziegelei Gaumberg. Die<br />

Rückstellungskommission stellte fest 63 , dass die<br />

Antragsgegner die Übergabe gleichwertiger Ersatzgrundstücke<br />

noch nicht erfüllt habe, aber die Sachlage<br />

stellt keinen Anspruch auf Rückstellung nach<br />

dem Rückstellungsgesetz her. Der Rückstellungsanspruch<br />

wird daher abgewiesen. Bas Bundesministerium<br />

für Inneres sei zuständig. Dieses Verfahren<br />

wird nicht weiter verfolgt.<br />

Nach 1945 musste Johanna Untersmayr bzw. ihre<br />

Nachkommen das erhaltene Ersatzgrundstück an<br />

Familie Weiss zurückstellen. Damit entstand ein Regressanspruch<br />

an die Wohnungsaktiengesellschaft.<br />

Vor der Rückstellungskommission kam es zu einem<br />

Vergleich 64 : Sohn und Schwiegertochter erhielten<br />

Ersatzgrundstücke in den KG Waldegg und Leonding.<br />

Fall 16 – 1943:<br />

Eisenwerke vergeben Ziegelei Gaumberg 2<br />

Lepschy Theresia sen. und jun. waren ebenfalls zweifach<br />

in NS-Vermögensentziehungen verwickelt. Deshalb<br />

sind ihre Akten auch an zwei Stellen zu finden,<br />

im Akt Lepschy - Weiss 65 und im Akt Lepschy -<br />

VÖEST 66<br />

Theresia Lepschy sen. hat Haus und Grund in St.<br />

Peter besessen. Dieses Grundstück habe sie 1939<br />

an die Reichswerke Hermann Göring verkauft, als<br />

Ersatzgrundstück Haag Nr. 17 erhalten. Das stammte<br />

aus dem „arisierten“ Besitz von Familie Weiss. Auf<br />

das Haus Haag Nr. 17 lautete der Gewerbeschein der<br />

Firma J. Weiss & Co, Handel mit Baumaterialien.<br />

Nach Ende der NS-Herrschaft kam es vor der Rückstellungskommission<br />

zu einem Vergleich 67 , so dass<br />

die Weiss’sche Liegenschaft von Lepschy jun. an die<br />

Erben Weiss zurückzustellen sei. Dadurch entstand<br />

ein Rekursanspruch gegen die Hermann Göring<br />

57


Werke bzw. deren Rechtsnachfolger, die Vereinigten<br />

Österreichischen Eisen- und Stahlwerke, die VÖEST.<br />

Die Rückstellungskommission weist die Anträge von<br />

Frau Lepschy zurück. Frau Lepschy zieht aber später<br />

ihre Beschwerde gegen die Zurückweisung zurück. 68<br />

Es scheint, dass man sich außergerichtlich geeinigt<br />

hat.<br />

Interessant sind die Argumente der Rückweisung:<br />

Zunächst wird angeführt, dass die enteigneten<br />

Liegenschaften in St. Peter kein Erbhof seien, es<br />

habe daher keine Verpflichtung für die Beistellung<br />

von Ersatzgrundstücke bestanden, die nur Erbhöfen<br />

zustand. Weiters sei die Errichtung des Hüttenwerkes<br />

zu rein friedlichen Zwecken erfolgt. Die Planung<br />

wurde vom anlgo-amerikanischen Büro Brassert<br />

durchgeführt, an der Planung waren unter den 100<br />

Ingenieuren 20 Engländer und Amerikaner beteiligt.<br />

Das Werk sei in einem Vierjahresplan enthalten<br />

gewesen, der darauf abzielte, die Devisennot durch<br />

Ausnutzung der deutschen Bodenschätze zu beheben<br />

und die Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Da die<br />

Werke keinen Österreichischen Betrieb verdrängt<br />

haben, muss daraus geschlossen werden, dass ihre<br />

Gründung im Zuge der wirtschaftlichen Erschließung<br />

Österreichs, nicht aber im Zuge der wirtschaftlichen<br />

Durchdringung Österreichs durch das Deutsche<br />

Reich erfolgt ist. Die Errichtung der Hütte Linz gehe<br />

auf eine Planung der Österreichischen Alpine Montan<br />

AG aus dem Jahre 1920 bis 1922 zurück. Planung<br />

und Ausrüstung sei rein friedensmäßig gewesen.<br />

Dazu ist zu bemerken, dass diese Argumentation –<br />

wenn überhaupt - nur auf Hütte- und Stahlwerk bezogen<br />

werden kann. Unabhängig von diesen Werksteilen<br />

wurden die Eisenwerke Oberdonau errichtet,<br />

die ein reines Rüstungswerk waren und der Wehrmacht<br />

unterstanden. Tatsächlich wurden auf dem<br />

58<br />

Gelände der heutigen VÖEST damals mehrere unabhängige<br />

Firmen errichtet. Durch die Zusammenfassung<br />

dieser Firmen ist auch der Name Vereinigte<br />

Österreichische Eisen- und Stahlwerke VÖEST entstanden.<br />

Fall 17 – Februar 1945:<br />

Das Pferd eines Volksdeutschen<br />

Es ging um ein Pferd namens Nonius, Stute, braun,<br />

die im Frühjahr 1945 ungefähr 2 Jahre alt war. Lt.<br />

Rückstellungsansuchen handelte es sich um eine<br />

widerrechtliche Entziehung durch eine Maßnahme<br />

der Kreisbauernschaft. 69<br />

Ludwig Pfaff war Volksdeutscher, der im Herbst 1944<br />

durch die deutsche Wehrmacht aus seiner Heimat<br />

Jugoslawien evakuiert worden war. Er zog mit dem<br />

aus, was auf einen Pferdewagen passte. Im Februar<br />

1945 übergab er Ferdinand Aigner die damals noch<br />

nicht ganz 2 Jahre alte Stute Nonius zur Pflege. Es<br />

war nämlich eine Anordnung ergangen, dass die<br />

Pferde von Volksdeutschen für die Arbeit in der<br />

Landwirtschaft zur Verfügung gestellt werden sollten.<br />

Dazu erklärte er sich bereit, weigerte sich aber, sein<br />

Pferd zu verkaufen.<br />

Als er im Jahr 1949 die Rückgabe seines Pferdes forderte,<br />

behauptete Ferdinand Aigner, die Stute gegen<br />

RM 600.- gekauft zu haben. Auf Anordnung der NS-<br />

Dienststellen wurden sog. „Verkäufe“ unter Zwang<br />

abgeschlossen und hierüber „Schlussscheine“ ausgefertigt.<br />

Bei der zwischenzeitlich liquidierten Volksdeutschen<br />

Mittelstelle wurde tatsächlich ein Betrag<br />

von RM 600.- für die Stute aufgefunden: „Ein<br />

Schlussschein liegt nicht vor, Geld hat er nie gesehen“,<br />

sagt Pfaff. Am 1. Dezember 1950 kam es zu<br />

einem Vergleich. Die Antragsgegner stellen die nun-<br />

mehr 7 Jahre alte Stute Nonius zurück und bezahlen<br />

einen Entschädigungsbetrag.<br />

Fall 18:<br />

Militärische Anlagen<br />

Als militärische Anlagen tauchen in den Rückstellungsakten<br />

die Türme IX und XIII 70 , der Schießplatz<br />

Alharting 71 und das ehemalige Munitionslager Hart<br />

34l 72 auf.<br />

Die Türme und die militärischen Anlagen waren seit<br />

dem Jahr 1929 auf Basis des Staatsvertrages von St.<br />

Germain aus dem Jahr 1919 im Eigentum des Österreichischen<br />

Bundesschatzes, 1942 wurden sie auf<br />

Grund des Ostmarkgesetzes dem Deutschen Reich,<br />

Reichsfiskus (Heer) einverleibt. Nach Ende der NS-<br />

Herrschaft fielen die Liegenschaften am 29. Mai 1945<br />

an die Amerikanische Besatzungsmacht. Im Jahr<br />

1947 wurde die Liegenschaft der Bundesgebäudeverwaltung<br />

einverleibt. 73<br />

In den Sitzungsprotokollen des Gemeindeausschusses<br />

der Gemeinde Leonding taucht noch ein<br />

weiterer Akt von „Arisierung“ auf. Dort kann man<br />

lesen: „Franz E., Kaufmann in Leonding, sollte im<br />

Jahre 1939 auf nicht ganz reine Art (Arisierung) das<br />

Kaufgeschäft … von Leopold Scheiblhofer erworben<br />

haben. Der Gemeindeausschuss kündigt noch weitere<br />

Erhebungen an.“ 74 Wie der Fall ausgegangen ist,<br />

wird nicht weiter verfolgt.<br />

Die wechselvolle Vorgeschichte dazu findet sich in<br />

einem Schreiben der NS-Gauvermittlungsstelle an die<br />

Landesfinanzdirektion Linz vom 1.9.1938. 75<br />

Scheiblhofer besaß neben seinem Gemischtwarengeschäft<br />

eine Tabaktrafik. Die wurde schon vor der<br />

Zeit des Ständestaates entzogen, später aber über<br />

Befürwortung der Vaterländischen Front wieder verlie-


hen. Scheiblhofer war Sozialdemokrat und dann<br />

Christlichsozialer und wird als Günstling des Ständestaates<br />

bezeichnet. „Sein Geschäft sei das einzige im<br />

Orte Leonding neben der Kirche und sei alleiniger<br />

Nutznießer des durch den Umbruch nun einsetzenden<br />

Friedhofbesuches in Leonding geworden. Er<br />

stehe heute noch als einer der wenigen des Ortes der<br />

nationalsozialistischen Gesinnung abseits und schickt<br />

seine Kinder nicht einmal in deren Gliederungen. Es<br />

sei nicht angängig und der Würde des Ortes, als<br />

Wallfahrtsort des deutschen Volkes, entsprechend,<br />

dass Scheibelhofer Johann dort Inhaber der Tabaktrafik<br />

ist. Ich beantrage daher den sofortigen Entzug<br />

der Tabaktrafik.“ Das war also keine „Arisierung“, sondern<br />

der Entzug einer Geschäftslizenz aus politischen<br />

Gründen.<br />

2. BEURTEILUNG AUS DER SICHT<br />

VON RECHT UND GESETZ<br />

In den im ersten Kapitel dargestellten Fällen von Vermögensentziehungen<br />

durch NS-Machthaber in Leonding<br />

traten Vermögensentzieher und Opfer der Vermögensentziehung,<br />

Rückstellungswerber, Rückstellungsgegner,<br />

Ämter, Behörden und Gerichte aus<br />

der Zeit der Vermögensentziehung und der Rückstellungsverhandlungen<br />

auf. Deren Tätigkeit und Verhalten<br />

soll nun im zweiten Kapitel eine Beurteilung<br />

aus der Sicht von heute und von Recht und Gesetz<br />

angeschlossen werden.<br />

Die Vermögensentziehungen<br />

Nach dem „Anschluss“ war in Österreich ein „rechtsund<br />

ordnungsverdünnter Raum“ entstanden, in dem<br />

„wilde Arisierungen“ und massive, rechtlich nicht<br />

gedeckte „Arisierungen“ stattfanden. 76 Die zentralen<br />

Behörden versuchten, die Vorgänge in den Griff zu<br />

bekommen. Der Beweggrund für diese Vorgangsweise<br />

der zentralen Behörden war aber, die entzogenen<br />

Vermögen dem schon 1938 schwer verschuldeten<br />

Reich zukommen zu lassen – und zwar zu einem<br />

möglichst großen Betrag. Diese Aktionen waren nur<br />

zum Teil erfolgreich. Zwar wurden Gesetze und<br />

Vorschriften erlassen, an die sich die Akteure der<br />

Vermögensentziehungen zu halten hatten, aber die<br />

eigenwilligen Aktionen von Einzelbehörden und sogar<br />

Einzelpersonen gingen munter weiter.<br />

Hiier zeigt sich eine Eigenschaft des Reiches, die<br />

auch auf anderen Gebieten zu beobachten ist. Im<br />

„Führerstaat“, als der sich das Deutsche Reich nach<br />

außen gerne zeigte, regierten tatsächlich viele Einzelinteressen,<br />

die oft zueinander in Konkurrenz standen,<br />

sich auszuspielen versuchten, sich die Probleme<br />

zuschanzten, um ihre Macht kämpften, sich gegenseitig<br />

blockierten. Es bildete sich eine „polykratische“<br />

Herrschaftsstruktur. Das Reich war kein monolithischer<br />

Block, keine straffe Hierarchie mit klaren Überund<br />

Unterordnungsverhältnissen zwischen Befehlshabern<br />

und Befehlsempfängern. 77<br />

Beurteilung der Leondinger Vermögensentziehungen<br />

Im Fall Pfarre Leonding (Darstellung der Fälle - Fall 1)<br />

wird eine typische illegale Maßnahme der lokalen Akteure<br />

der neuen Machthaber der ersten Stunde beschrieben.<br />

Die HJ hatte kein Recht, Beschlagnahmen<br />

durchzuführen. Eine vertragliche Regelung durch<br />

Mietvertrag oder Kauf folgte erst Monate bzw. Jahre<br />

später.<br />

Die Sängerrunde Gaumberg wurde von der NSDAP<br />

Ortsgruppe Gaumberg aufgelöst (Darstellung der<br />

Fälle - Fall 4). Auch diese Aktion ist typisch für die<br />

Maßnahmen der ersten Stunde. Gesangsvereine wurden<br />

später von den NS-Behörden im Allgemeinen<br />

nicht aufgelöst. Sie wurden bei der Vereinsauflösung<br />

durch die dafür zuständige Behörde „Stillhaltekommissar“<br />

meist freigestellt und in den Deutschen<br />

Sängerbund eingewiesen. 78 Die in der Niederschrift<br />

angegebene Vermutung der Rückstellungswerber,<br />

dass der Grund für die Beschlagnahme die politische<br />

Haltung der meisten Vereinsmitglieder gewesen wäre,<br />

die sich offenbar in einer Gegnerschaft zum NS-<br />

Regime äußerte, erscheint daher begründet.<br />

„Arisierungen“<br />

Die Wortneubildung „Arisierung“ wurde gleichbedeutend<br />

mit dem Begriff „Entjudung“ gebraucht. Der<br />

Begriff „entjuden“ wurde schon früher im Sinn von<br />

„sich assimilieren“, später „sich vom jüdischen Einfluss<br />

freimachen“ verwendet. Beide Begriffe „Arisierung“<br />

und „Entjudung“ hatten zunächst die Bedeutung<br />

der Verdrängung der Juden aus dem Berufsund<br />

Wirtschaftsleben, Ausschluss der Juden aus<br />

Verbänden, Organisationen, Vereinen. Eine spezielle<br />

Bedeutung erhielten die Begriffe als Überführung jüdischen<br />

Eigentums in „arische“ Hände und Zwangsverkauf<br />

zu Niedrigpreisen oder entschädigungslose<br />

Enteignung jüdischen Eigentums. Alle diese<br />

Bedeutungen der Begriffe sind schrittweise durch<br />

Gesetze oder Maßnahmen des NS-Staates entstanden.<br />

Der Begriff „Entjudung“ hat später durch die<br />

Deportation und Ermordung der Juden eine zusätzliche<br />

Bedeutung erhalten. 79<br />

Unter den Leondinger Fällen sind drei Vermögensentziehungen<br />

enthalten, die man als „Arisierungen“<br />

bezeichnen kann. Im Fall Weiss (Darstellung der<br />

Fälle - Fall 2) wird das Vermögen am 26. April 1938<br />

durch eine Verfügung der Geheimen Staatspolizei<br />

(Gestapo), Staatspolizeistelle Linz entzogen. Obwohl<br />

diese Verfügung von einer Behörde, der Gestapo,<br />

59


erstellt wurde, muss sie zum damaligen Zeitpunkt als<br />

illegal eingestuft werden, da einschlägige Gesetze<br />

nicht existierten. 80<br />

Der Fall bekommt allgemeines Interesse und wurde<br />

von einer Medienkampagne in der NS-orientierten<br />

Presse begleitet. Die angesehene Kaufmannsfamilie<br />

wird zum Hassobjekt gemacht, ihr geschäftlicher<br />

Erfolg – selbst die Rückstellungsgener des späteren<br />

Rückstellungsverfahren müssen die Weiss als tüchtige<br />

Geschäftsleute anerkennen 81 - geneidet. Die NS-<br />

Machthaber sind mit den enteigneten Vermögen auf<br />

Eigennutz bedacht umgegangen. Die Ziegelei Gaumberg<br />

wurde einem Konkursverfahren unterworfen und<br />

stillgelegt. Man behauptete Überschuldung. Im Rückstellungsverfahren<br />

werden die ehemaligen Eigner<br />

behaupten, dass die Bilanz passiv gemacht wurde,<br />

indem die ausstehenden Forderungen nicht richtig<br />

bewertet wurden. Ein weiteres Mittel, Firmenbilanzen<br />

zu verschlechtern, waren die Steuern und Abgaben,<br />

die Juden auferlegt wurden.<br />

Die Entziehung der Anteilsrechte der jüdischen Besitzer<br />

an den OÖ Glutinwerken (Darstellung der<br />

Fälle - Fall 7) im Dezember 1938 erfolgte völlig ungesetzlich<br />

nur mündlich. Im März 1939 erst wurde ein<br />

Gedächtnisprotokoll dieses Gesprächs angefertigt.<br />

Der Gauwirtschaftsbeauftragte Oskar Hinterleitner<br />

befindet sich unter den Nutznießern dieser Aktion. Er<br />

scheint als Kommanditist jener Firma auf, in die die<br />

Anteilsrechte der OÖ Glutinwerke AG übertragen wurden.<br />

Auch in diesem Fall wird eine Liquidation einer<br />

Firma eingeleitet und mit Überschuldung begründet.<br />

Auch hier lässt sich die Methode der NS-Akteure<br />

nachweisen, die Überschuldung im Zuge der Auftragsabwicklung<br />

herbeizuführen.<br />

60<br />

Der Fall Elias Pollak (Darstellung der Fälle - Fall 6)<br />

geht unspektakulär als „stille“ Arisierung über die<br />

Bühne. Die Firmeninhaber hätten das Gewerbe stillgelegt<br />

und die Gründe verkauft, wird behauptet. Es<br />

ist nicht einmal ein richtiger Akt angelegt worden. Nur<br />

ein Aktenvermerk anlässlich der Anfrage eines Dritten<br />

gibt uns Auskunft.<br />

Charakteristisch für alle diese Geschäfte ist auch,<br />

dass die Enteigneten Geld nicht zu Gesicht bekommen<br />

haben. Verkaufserlöse mussten auf gesperrte<br />

Konten mit der Bezeichnung „Entjudungserlös“ eingezahlt<br />

werden Im Fall 6, Elias Pollak, ist diese Vorgangsweise<br />

explizit im Akt angeführt.<br />

Den jüdischen Bürgern wurden besondere Steuern<br />

aufgebürdet. Beim Verlassen des Deutschen Reiches<br />

z. B. war eine sog. Reichsfluchtsteuer fällig. Der<br />

Reichsfluchtsteuerbescheid für Leo und Karoline<br />

Weiss (Darstellung der Fälle - Fall 2) vom 4. Mai<br />

1939 ist in den NS-Akten erhalten. 82 Die Steuer<br />

betrug 25 % des von den Behörden geschätzten<br />

Vermögens. Das war eine Steuer, die schon vor der<br />

NS-Machtergreifung in Deutschland durch die Regierung<br />

Brüning eingeführt worden war, um die Kapitalflucht<br />

der damaligen Zeit einzudämmen. In der<br />

NS-Zeit erhielt diese Steuer eine neue Bedeutung,<br />

als die jüdischen Bürger Deutschland aus verständlichen<br />

Gründen scharenweise verließen. Die Steuer<br />

überlebte das NS-Regime in Deutschland bis 1953. 83<br />

Eine weitere Steuer, die jüdische Bürger belastete,<br />

war die Judenvermögensabgabe (JUVA). Am 12.<br />

November 1938, also unmittelbar nach der so genannten<br />

Reichskristallnacht, wurde vom Beauftragten<br />

für den Vierjahresplan, Hermann Göring, die Verordnung<br />

über eine Sühneleistung der Juden deutscher<br />

Staatsangehörigkeit erlassen. 84 Damit wurde den<br />

Juden deutscher Staatsangehörigkeit in ihrer Gesamtheit<br />

„… die Zahlung der Kontribution von<br />

1000 000 000 Reichsmark an das Deutsche Reich<br />

auferlegt.“ 85<br />

Bei der Abwicklung der Arisierung der OÖ Glutinwerke<br />

(Darstellung der Fälle - Fall 7) wurde eine<br />

Arisierungsabgabe vorgeschrieben, mit dem erklärten<br />

Ziel der Abwickler, dass ein möglichst hoher Abwicklungsverlust<br />

herauskommt.<br />

Die Rechtssprechung der Österreichischen Gerichte<br />

stufte übrigens nach dem Krieg die Fälle, in denen<br />

eine Arisierungsabgabe vorgeschrieben wurde, als<br />

missbräuchliche Bereicherung nach § 6 des Kriegsverbrechergesetztes<br />

ein. 86<br />

Die beiden den jüdischen Bürgern auferlegten Steuern,<br />

Reichsfluchtsteuer und JUVA brachten in der<br />

Ostmark je einen dreistelligen Betrag an Millionen<br />

Reichsmark ein. Allein im Raum Linz wurden vom<br />

dafür zuständigen Oberfinanzpräsidenten Linz RM<br />

900.000.- an JUVA eingehoben. 87<br />

Ein Korrespondent der „New York Times“ berichtet<br />

damals aus Österreich 88 : Eines wird nun klar: „Während<br />

in Deutschland die ersten Opfer der Nazis die<br />

Linksparteien waren – Sozialisten und Kommunisten -,<br />

sind es in Wien die Juden. In 14 Tagen ist es gelungen,<br />

die Juden einem unendlich härteren Regime<br />

zu unterwerfen, als es in Deutschland in einem Jahr<br />

erreicht wurde.“<br />

So bildete Österreich eine Vorreiterrolle, war ein<br />

Modellversuch, ein Experimentierfeld der „Arisierung“.<br />

89 Im Raum Linz brachten der Neubau der<br />

Nibelungenbrücke und der Bau der Hermann-Göring-<br />

Werke die Begründung für besonders aggressives<br />

Vorgehen der „Arisierer“ und Vermögensentzieher. 90<br />

In Oberösterreich wurden bereits vor 1938 konkrete


Maßnahmen zur Verdrängung der Juden aus der<br />

Wirtschaft gesetzt, die über das sonst in Österreich<br />

übliche Maß hinausgingen. Aus einem Gauakt vom<br />

24. Mai 1938 geht z. B. hervor, dass in Oberösterreich<br />

bereits 1936 und 1937 aus amtlichen Karteien<br />

eine fast vollständige „Judenkartei“ erstellt wurde,<br />

was die Vorbereitung zur Volksabstimmung sehr<br />

erleichterte. 91<br />

Vereine – Kirche - Gewerkschaften<br />

Die politischen Gegner, bestehende Vereine und<br />

besonders die kirchlichen Organisationen wurden<br />

auch in Österreich bald einer Behandlung zugeführt.<br />

Das Werkzeug dazu war das Amt des Stillhaltekommissars.<br />

Von den Leondinger Fällen waren die<br />

Oehn’sche Waisenhauskolonie Stiftung (Darstellung<br />

der Fälle - Fall 9) und die Stiftung zur r. k. Kirche<br />

gehörigen Erziehungsanstalt „Zum Guten Hirten“ in<br />

Alkoven (Darstellung der Fälle - Fall 13) sowie der<br />

Grund der Union der Textilarbeiter Österreichs, einer<br />

Gewerkschaftsorganisation, betroffen.<br />

Die katholische Kirche einigte sich mit dem Stillhaltekommissar,<br />

katholische Vereine in einer zentralen<br />

Stelle bei der Diözese selbst aufzulösen. Dafür bürgerte<br />

sich der Begriff „Selbstliquidation“ ein. Der<br />

Bischof von Linz ernannte einen Liquidator. Es war<br />

Franz Vieböck, ein junger Kleriker. Mit dieser Vorgangsweise<br />

erreichte man, dass das Ziel des Stillhaltekommissars,<br />

durch die Auflösung von Vereinen<br />

Mittel zu requirieren, nicht erreicht werden konnte,<br />

wenn sich die katholischen Vereine selbst liquidieren.<br />

Die kirchlichen Zentralstellen werteten die Vereinsauflösungen<br />

als Freigabe von Vorfeldorganisationen,<br />

die die Kirche zwang, sich auf ihren Kern zurückzuführen.<br />

Das bedeute eine Stärkung der Kleriker.<br />

Andere interpretieren die kirchliche Bereitschaft, ihre<br />

wohl organisierten Vorfeldorganisationen aufzugeben<br />

als beispiellose Demutsgeste der Akkomodation, in<br />

Österreich eine positive Wende im Verhältnis von<br />

Kirche und NS-Staatsapparat herbeizuführen. 92<br />

Wenn man die Eintragungen des Pfarrers von<br />

Leonding in seiner Pfarrchronik zu diesem Thema<br />

untersucht, erhält man den Eindruck, dass der<br />

Wunsch der kirchlichen Zentralstellen nach Stärkung<br />

der pastoralen Wirkung kein voller Erfolg beschieden<br />

war. Der Herr Pfarrer beklagt mehrfach den Rückgang<br />

kirchlichen Lebens. Seine Arbeit wird zunächst<br />

beeinträchtigt vom Bearbeiten von Matrikendokumenten<br />

für Arier-Nachweise, später gilt es die Kirchenbeiträge<br />

einzuheben, was aber wieder zu unverhofften<br />

Kontakt mit den Gläubigen führt. 93<br />

NS-Grundbeschaffung<br />

In der Folge trat Grundbedarf für militärische Einrichtungen<br />

auf. Rund um Linz wurden Flak-Stellungen<br />

gebaut. Es waren Geleise zu Flak-Hallen in Wegscheid<br />

(Darstellung der Fälle - Fall 5), Wohnsiedlungen<br />

für Flak-Offiziere in Haag (Darstellung<br />

der Fälle - Fall 8) oder Flak-Stellungen in Kleinmünchen<br />

(Darstellung der Fälle - Fall 10). Besonders<br />

bedeutend für den Raum Leonding wird der<br />

Raumbedarf, der für die Errichtung der Reichswerke<br />

Hermann Göring in den Linzer Ortschaften St. Peter<br />

und Zizlau entsteht. Betroffen sind „arisierter“ Grund<br />

(Darstellung der Fälle - Fall 2) als Tauschobjekt für<br />

dort entzogene Grundstücke und Liegenschaften im<br />

Raum Keferfeld, der damals zu Leonding gehörte, wo<br />

ja für den Großteil der Abgesiedelten neue Siedlungshäuser<br />

errichtet wurden.<br />

Sonst<br />

Eine Anordnung, dass Volksdeutsche ihre Pferde der<br />

Landwirtschaft zur Verfügung zu stellen haben zu-<br />

sammen mit sog. „Käufen“, bei denen der eigentliche<br />

Eigner kein Geld zu Gesicht bekam, brachte Ludwig<br />

Pfaff (Darstellung der Fälle - Fall 17) beinahe um<br />

sein Pferd. Auch dieser Fall wurde von der Rückstellungskommission<br />

behandelt. Dieser Fall, hier<br />

unter „Sonst“ behandelt, verdient noch einen besonderen<br />

Hinweis. Der Betroffene ist ein Volksdeutscher<br />

aus dem Raum Jugoslawien. Der mit allem was er<br />

auf einen Pferdewagen laden konnte umgesiedelt<br />

wurde. So steht es in seinem Rückstellungsantrag. 94<br />

Die deutschen Bewohner dieser Gebiete kamen in<br />

eine Zwangslage zwischen der slawischen Bevölkerung<br />

und den deutschen Besatzern. Im Jahr 1944<br />

kam es zu großen Aussiedlungsaktionen Deutscher<br />

aus dem Raum Jugoslawien. Da dürfte unser Opfer<br />

dabei gewesen sein. Sein Pferd zählte zu dem wenigen,<br />

was er retten konnte und hatte wahrscheinlich<br />

für ihn nach all dem Erlittenen große Bedeutung.<br />

In der Rückstellungssache Leonding Haus Nr. 61<br />

(Darstellung der Fälle - Fall 3) - das ehemalige<br />

Wohnhaus von Alois Hitler - handelte es sich um<br />

einen ordentlichen Verkauf ohne Zwang. Der Rückstellungsantrag<br />

wurde aus Meldepflicht eingebracht,<br />

ein Rückstellungsverfahren wurde nie eingeleitet. 95<br />

Dieser Akt ist übrigens der erste unter den Rückstellungsanmeldungen<br />

und trägt die Nummer 1.<br />

Das „Gesetz über die Erfassung arisierter und anderer<br />

im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen<br />

Machtübernahme entzogenen Vermögenschaften“ 96<br />

verpflichtete alle Inhaber solcher Vermögenschaften,<br />

sie anzumelden. 97 Mit diesem Gesetz vom 10. Mai<br />

1945 setzte Österreich bereits unmittelbar nach Ende<br />

des nationalsozialistischen Regimes eine erste gesetzliche<br />

Maßnahme der Vorbereitung der Rückstellung<br />

entzogenen Vermögens. 98<br />

61


Die Rückstellungsgesetze<br />

Die Republik Österreich unternahm mehrere Einzelschritte,<br />

um das Thema Rückstellung entzogenen<br />

Vermögens auf eine geordnete Grundlage zu stellen.<br />

Das Gesetz, auf dessen Basis die Rückstellungsanträge<br />

der Leondinger Fälle behandelt wurden, das<br />

3. Rückstellungsgesetz 99 , wurde mit 6. Februar 1947<br />

rechtswirksam. Auf Grund dieses Gesetzes wurden<br />

bei den Landesgerichten Rückstellungskommissionen<br />

eingerichtet, bei den Oberlandesgerichten und dem<br />

Obersten Gerichtshof Oberinstanzen installiert. Aber<br />

auch das 3. Rückstellungsgesetz regelte nur einen<br />

Teil der anstehenden Materie und behielt wesentliche<br />

Vermögensstände weiteren Gesetzgebungsakten vor.<br />

Insgesamt gab es sieben solche<br />

Rückstellungsgesetze. 100<br />

Zwischen dem Zusammenbruch des Deutschen<br />

Reichs und der Erlassung aller Rückstellungsgesetze<br />

vergingen vier Jahre. Dieser lange Zeitraum war für<br />

die Rückstellungswerber ungünstig, mit jedem Tag<br />

stieg der Vermögensverlust an und die Beibringung<br />

von Beweisen wurde immer schwieriger. Mit geringerer<br />

Verzögerung erfolgte z. B. die gesetzliche Regelung<br />

der Rückerstattung entzogenen Vermögens in<br />

der BRD. 101<br />

Das 3. Rückstellungsgesetz regelte die Nichtigkeit<br />

von Vermögensentziehungen. Danach lag einerseits<br />

eine Vermögensentziehung vor, wenn der Eigentümer<br />

politischer Verfolgung durch den Nationalsozialismus<br />

und der Erwerber nicht dartat, dass die Vermögensentziehung<br />

auch unabhängig von der Machtergreifung<br />

des Nationalsozialismus erfolgt wäre, andererseits<br />

lag eine Vermögensentziehung nicht vor,<br />

wenn der Eigentümer die Person des Käufers frei<br />

ausgewählt und eine angemessene Gegenleistung<br />

erhalten hatte. 102<br />

62<br />

Im 3. Rückstellungsgesetz wurden drei verschiedene<br />

Teilansprüche erfasst 103 : Der Anspruch auf Herausgabe<br />

der entzogenen Sache, der Anspruch auf<br />

Herausgabe von Erträgnissen sowie unter bestimmten<br />

Voraussetzungen Schadenersatzansprüche.<br />

1948 hatte sich ein Schutzverband der Rückstellungsbetroffenen<br />

gegründet, der vor allem vom<br />

Wahlverband der Unabhängigen, Teilen der ÖVP und<br />

aus Kreisen der Wirtschaft Unterstützung erhielt und<br />

die Rückstellungsgesetze zur Diskussion stellte.<br />

Mehrere Novellierungsversuche der Rückstellungsgesetze<br />

zum Nachteil der Geschädigten scheiterten<br />

jedoch damals am Einspruch der Alliierten sowie am<br />

Widerstand aus Reihen der SPÖ. 104<br />

Es stellt sich die Frage, ob die Rückstellung nicht auf<br />

der Grundlage des ABGB abgewickelt werden hätte<br />

können, ohne eigene Gesetze zu schaffen. Es ist verständlich,<br />

dass auf Grund der Besonderheit und<br />

Komplexität der Materie besondere gesetzliche<br />

Vorschriften notwendig waren. 105 In den Rückstellungsgesetzen<br />

wurden Rückstellungskommissionen<br />

geschaffen. Sie bestanden aus einem Vorsitzenden,<br />

Stellvertretern des Vorsitzenden und den<br />

Beisitzern. 106 Zur allgemeinen Beurteilung der<br />

Rückstellungsverfahren finden sich in der Literatur<br />

folgende Aussagen zu den Hauptmerkmalen der<br />

Verfahren: Die verfahrensrechtliche Ausgestaltung<br />

war grundsätzlich als angemessen anzusehen. Sie<br />

bot hinreichende Garantien dafür, dass den Rückstellungswerbern<br />

im Rahmen des Verfahrens eine<br />

faire Chance zur Geltendmachung ihrer Ansprüche<br />

gewährt wurde. Negativ ins Gewicht fällt, dass die<br />

Rückstellungswerber bei der Geltendmachung ihrer<br />

Ansprüche auf sich allein gestellt waren und insbesondere<br />

keinerlei Unterstützung bzw. Hilfe von staatlicher<br />

Seite erhielten. 107<br />

Allgemein ist zu bemerken, dass die Rückstellungsgesetze<br />

aus der Sicht der Geschädigten zu spät<br />

kamen. Zahlreiche Anträge wurden deshalb zu früh<br />

eingereicht. Viele Anträge mussten zunächst wegen<br />

falscher Einreichung abgewiesen werden. Andererseits<br />

wurde Rückstellungswerbern die Absicht unterstellt,<br />

die Einbringung der Anträge zu verzögern, um<br />

bessere Erledigungsbedingungen zu erreichen. Die<br />

Frage wurde sogar einer eigenen Untersuchung<br />

zugeführt, die allerdings keinen Nachweis für diese<br />

Unterstellung erbrachte. 108<br />

Besonders für Rückstellungswerber, die sich während<br />

des Verfahrens nicht in Österreich aufhielten, brachte<br />

fehlende Unterstützung durch die staatliche Seite<br />

eine wesentliche Erschwernis, verfahrensrelevante<br />

Argumente beizubringen. Darauf wurde bei der<br />

Schilderung des Falles Weiss schon eingegangen.<br />

In den Behörden war ein kleiner Kreis von Personen<br />

mit den Rückstellungen befasst. Die hatten großes<br />

Wissen angehäuft und klagten über Arbeitsüberlastung.<br />

Teilweise waren ehemalige Akteure der<br />

Vermögensentziehungen in die Rückstellungsverfahren<br />

eingeschaltet. Es mangelte auch an der<br />

Bereitstellung von Aktenunterlagen aus verschiedensten<br />

Interessenslagen und politischen Gründen heraus.<br />

Alles das erschwerte die Verfahren. 109 In den<br />

Verfahren der Rückstellungskommission findet sich<br />

bei der Würdigung des Verhaltens bei der Abwicklung<br />

der Entziehung die Formulierung: „Die Regeln des<br />

redlichen Verkehrs wurden nicht eingehalten.“ Der im<br />

3. RStG verwendete Begriff der Redlichkeit war eine<br />

Schöpfung dieses Gesetzes und unterschied sich<br />

markant von dem Begriff der Redlichkeit, wie ihn das<br />

ABGB verwendet. 110 Dort geht’s um redlichen Besitz,<br />

hier geht’s um redliches Verhalten. Es entstand eine<br />

rege Diskussion in manchen Verfahren. Der Begriff


anständig statt redlich wurde ins Spiel gebracht und<br />

teilweise in Beweisanträgen und Erkenntnissen verwendet.<br />

111<br />

Entzogene Grundstücke, die einer wirtschaftlichen<br />

Umgestaltung unterzogen worden waren, wurden<br />

nach dem 3. RStG nicht zurückgestellt, sondern das<br />

Gesetz sah vor, den Eingentümer durch Ausgleichsleistungen<br />

zu befriedigen, meist durch Zahlung eines<br />

Geldbetrages. Diese gesetzliche Festlegung des 3.<br />

RStG ging über die Bestimmungen des bürgerlichen<br />

Rechts hinaus. Hier wurde aus politischen Überlegungen<br />

wirtschaftlichen Gegebenheiten der Vorrang vor<br />

den Interessen der Rückstellungswerber gegeben. 112<br />

Schwierig waren Verfahren, wo Enteignete Ersatzliegenschaften<br />

erhielten oder annahmen. Dabei hatten<br />

sie im Tausch eine Liegenschaft aufgegeben.<br />

Konnten sie diese zurückfordern? Wenn die Tauschverträge<br />

als Vermögensentziehung qualifiziert werden<br />

mussten, war eine Rückstellung möglich. War dies<br />

nicht der Fall, so blieb nur die Erhebung von Regressansprüchen<br />

über. 113<br />

Im Fall 15 handelte es sich beim entzogenen Grund<br />

um Teile eines Erbhofes. Diese waren durch das NS-<br />

Erbhofgesetz besonders geschützt. Daher waren die<br />

NS-Behörden verpflichtet, Ersatzland zu beschaffen.<br />

Rückgabegesetz - Restitutionsfonds<br />

Es gab nicht nur Vermögensentziehungen, die vom<br />

NS-Staat vorgenommen wurden, sondern auch solche<br />

des Ständestaates der Jahre 1933 bis 1938.<br />

Dafür wurde mit 6. Februar 1947 das 1. Rückgabegesetz<br />

geschaffen. 114<br />

Im Leondinger Fall 12 (Gewerkschaftsgrund) erfolgte<br />

der Vermögensentzug zuerst durch den Ständestaat<br />

und dann durch den NS-Staat. Das Rückgabegesetz<br />

regelte nun, dass Rückgabeanspruch vor Rückstellungsanspruch<br />

ging. Das Vermögen war also nicht<br />

dem zurückzustellen, dem es im Sinne der Rückstellungsgesetzgebung<br />

entzogen worden war, sondern<br />

vielmehr dem, der unter das Rückgabegesetz<br />

fiel. Für die Anspruchserhebung wurden besondere<br />

Vermögensträger eingerichtet, die Restitutionsfonds.<br />

Die verbotenen Parteien und Organisationen waren ja<br />

nach der Auflösung meist nicht mehr existent. 115<br />

Beim Vergleich der gesetzlichen Regelungen stellt<br />

man fest, dass das 1. Rückgabegesetz Rückgabewerber<br />

besser stellte als das 3. Rückstellungsgesetz.<br />

Es gab z.B. keine Frist für die Stellung von Anträgen<br />

und auch noch andere gesetzliche Regelungen, die<br />

eine Besserbehandlung der Opfer von Vermögensentziehungen<br />

zwischen 1933 und 1938 im Vergleich<br />

zu jenen Personen, die nach der NS-Okkupation<br />

Opfer von Vermögensentziehungen wurden, darstellten.<br />

116<br />

Der Staatsvertrag<br />

Der „Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung<br />

eines unabhängigen und demokratischen Österreich“<br />

117 , der im Jahr 1955 zwischen den „Alliierten<br />

und Assoziierten Mächten“ einerseits und Österreich<br />

anderseits abgeschlossen wurde, hatte bedeutenden<br />

Einfluss auf die Rückstellungsproblematik. Hier seien<br />

nur zwei Punkte angeführt.<br />

Nach dem Zusammenbruch der NS-Herrschaft in<br />

Österreich stellte das ehemals Deutsche Eigentum im<br />

Staat Österreich ein Problem dar. Die Westalliierten<br />

hatten schon 1946 die ehemaligen Auslandsvermögenswerte<br />

in die Kontrolle der österreichischen<br />

Verwaltung übergeben, nur in der sowjetischen Zone<br />

gab es Probleme. In den Potsdamer Beschlüssen<br />

vom 2. August 1945 hatten die vier Mächte im<br />

Kontrollabkommen vom 8. Juni 1946 das so genann-<br />

te deutsche Vermögen in Österreich in Anspruch<br />

genommen, im Staatsvertrag wurden nun diese<br />

Vermögenswerte auf Österreich übertragen. 118<br />

Im Staatsvertrag sind auch Regelungen über so genanntes<br />

erbloses Vermögen enthalten. Auch diese<br />

ehemals deutschen Vermögenswerte sind Österreich<br />

mit dem Staatsvertrag übergeben worden. Dafür hat<br />

die Österreichische Regierung so genannte Sammelstellen<br />

und Entschädigungsfonds eingerichtet.<br />

Schlussbemerkungen<br />

Die Leondinger Fälle der Vermögensentziehung<br />

durch die NS-Machthaber weisen keine besonderen<br />

Merkmale auf, die sie von denen in anderen Regionen<br />

unterscheiden. Das gibt aber die Gelegenheit, die<br />

Informationen, Argumente und Begründungen aus der<br />

einschlägigen Literatur für die Beurteilung der Leondinger<br />

Fälle heranzuziehen.<br />

Die Leondinger Fälle sind wesentlich von der Nähe<br />

zur Stadt Linz und von der ländlichen Struktur der<br />

damaligen Gemeinde Leonding geprägt. So steht der<br />

Entzug von Grund im Vordergrund insbesondere zusammenhängend<br />

mit dem großen Bedarf an Grund<br />

und an Wohnraum, der in der Stadt Linz durch die<br />

Errichtung der Reichswerke Hermann Göring entstanden<br />

war. Der Anteil an „Arisierungen“ ist relativ gering,<br />

wenn er auch größer ist, als der Anteil der jüdischen<br />

Bevölkerung Leondings. Die „Arisierungsfälle“<br />

Weiss, Ziegelwerke Gaumberg und OÖ Glutinwerke<br />

haben für den Raum Leonding einige Bedeutung,<br />

wenn auch ihr Schwergewicht außerhalb liegt.<br />

Die Verfahren der Rückstellung waren zunächst an<br />

entsprechende Gesetze gebunden. Der Gesetzgeber<br />

ließ sich viel Zeit und schaffte im Lauf der Jahre eine<br />

Vielzahl von Einzelregelungen. Andere Länder lösten<br />

das rascher. Allerdings bekamen die Geschädigten in<br />

63


Österreich schlussendlich grundsätzlich eine faire<br />

Chance, ihre Anliegen vorzubringen.<br />

Bei der Abwicklung der Verfahren standen die Antragsteller<br />

ohne amtliche Hilfe einem klein gehaltenen<br />

Behördenapparat gegenüber. Das brachte die Geschädigten<br />

in eine schwierige Situation, besonders<br />

dann, wenn die Erstgeschädigten oder ihre Erben im<br />

Ausland lebten, wenn sie tot oder getötet waren. Aber<br />

auch für die in Österreich weilenden brachten die<br />

Verfahren einen immensen Aufwand, der oft an den<br />

Wert des rückgestellten Gutes heranreichte.<br />

Bei der Gesamtbeurteilung dieser Situation ist die<br />

schwierige wirtschaftliche und politische Lage in dieser<br />

Zeit zu berücksichtigen – Österreich war von den<br />

Kriegsereignissen schwer getroffen und von den<br />

Alliierten befreit und besetzt. Das brachte die Regierenden<br />

in Österreich in eine schwierige Zwangslage.<br />

Der überwiegende Teil der Leondinger Anträge wurde<br />

mit Rückstellung der entzogenen Güter oder Entschädigung<br />

erledigt. Die meisten Verfahren wurden mit<br />

einem Vergleich abgeschlossen. Hinter den Fällen<br />

der Vermögensentziehungen und Rückstellungsverfahren<br />

stehen neben der Information, die man aus<br />

den Akten erhält, die Empfindungen und Erlebnisse<br />

der Personen, die den jeweiligen Machtapparaten<br />

ausgesetzt waren. Es entzieht sich der Darstellung,<br />

wie die Geschädigten die einzelnen Schritte von<br />

Vermögensentzug, Rückgabeverfahren oder Ablehnung<br />

erlebten. Bei allen hatten die Ereignisse und<br />

gerade die Entziehung ihres Vermögens einen<br />

bedeutenden, oft lebensbedrohlichen Charakter.<br />

Einige Vermögen wurden zurückgegeben, einige wurden<br />

entschädigt. Hat man damit die Sache „wieder<br />

gut“ gemacht? Einige erhielten nichts zurück und wur-<br />

64<br />

den nicht entschädigt. In diesem Sinn sei hier aller<br />

Vertriebener, Geschädigter oder Gedemütigter aller<br />

Regime und Machthaber gedacht.<br />

Anmerkungen<br />

1 Weiterführende Literatur:<br />

- Anderl, Gabriele / Rupnow, Dirk: Die Zentralstelle für jüdische<br />

Auswanderung als Beraubungsinstitution,<br />

Nationalsozialistische Institutionen des Vermögensentzuges<br />

1, Historikerkommission Band 20/1<br />

- Bailer-Galanda, Brigitte, „Die Rückstellungsproblematik in<br />

Österreich“, Referat anlässlich der Tagung „Arisierung und<br />

Restitution. Die Rückerstattung jüdischen Eigentums in<br />

West- und Ostdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg und<br />

nach der Wiedervereinigung“, Albert-Ludwigs-Universität<br />

Freiburg, 14.10.2000.<br />

- Böhmer, Peter (Hg.), Ronald Faber: Die österreichische<br />

Finanzverwaltung und die Restitution entzogener Vermögen<br />

1945 bis 1960. Die Bundesministerien für<br />

Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung und für<br />

Finanzen. Wien 2002, Historikerkommission Band 31<br />

- Botz, Gerhard: Arisierungen in Österreich (1938-1940), in<br />

Dieter Stiefel (Hg.): Die politische Ökonomie des Holokaust.<br />

Zur wirtschaftlichen Logik von Verfolgung und<br />

„Wiedergutmachung“, Wien-München 2001, Seit 29-56<br />

- Botz, Gerhard: Experimentierfeld „Ostmark“,<br />

Pogromantisemitismus und organisatorische Intervention,<br />

Arisierungen in Österreiche (1938-1940), in: Raubzug, Eine<br />

Bestandsaufnahme der wirtschaftlichen Schäden der NS-<br />

Opfer in Österreich im Rahmen einer Enquete der Grünen<br />

im Parlament, Wien 1997, Seite 1-24<br />

- Kirchmayr, Brigitte, Raubkunst im „Heimatgau des<br />

Führers“. Aspekte, Zusammenhänge und Folgen von nationalsozialistischer<br />

Kulturpolitik und Kunstenteignung im<br />

Reichsgau Oberdonau, in: Kirchmayr-Buchmayr-John:<br />

Geraubte Kunst in Oberdonau, 35-190.<br />

- Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes<br />

[DÖW] (Hg.): Widerstand und Verfolgung in Oberösterreich<br />

1934-1945, 2 Bände, Linz 1982<br />

- Ellmauer Daniela / John Michael / Thumser Regina:<br />

„Arisierungen“, beschlagnahmte Vermögen, Rückstellungen<br />

und Entschädigungen in Oberösterreich. In:<br />

Veröffentlichungen der Österreichischen<br />

Historikerkommission Band 17/1.<br />

- Graf, Georg: Die österreichische<br />

Rückstellungsgesetzgebung, Eine juristische Analyse. In:<br />

Veröffentlichungen der Österreichischen<br />

Historikerkommission Band 2.<br />

Gruber Michael / Tüchler Michael: Rechtsfragen der<br />

Entziehung, Bereinigung und Rückstellung von<br />

Wertpapieren; Öst. Historikerkommission Band 31Seite 60ff<br />

- Hänsel/Strahl: Politisches ABC des Neuen Reiches 1933,<br />

Seite 31<br />

- John, Michael: „Der Fall Richard Weihs“, in Linz aktiv 16<br />

(2992), S. 56 bis 63 und „Ein Vergleich – ‚Arisierung’ und<br />

Rückstellung in Oberösterreich, Salzburg und Burgenland“,<br />

Epilog S. 174-184, In: Veröffentlichungen der Österreichischen<br />

Historikerkommission Band 17/1.


- Kristöfl, Siegfried; Die Liquidationsstelle der katholischen<br />

Verbände; Historikerkommission Band 22/3, Oldenbourg<br />

2004<br />

- Schmitz-Berning, Cornelia: Vokabular des<br />

Nationalsozialismus, Berlin/New York 2000<br />

- Schmuhl, Hans-Walter: Sterilisation, „Euthanasie“,<br />

„Endlösung“ S. 301 in: Norbert Frei (Hg.), Medizin und<br />

Gesundheitspolitik in der NS-Zeit, München 1991<br />

- Stiefel, Dieter (Hg.): Die politische Ökonomie des<br />

Holokaust. Zur wirtschaftlichen Logik von Verfolgung und<br />

„Wiedergutmachung“, Wien-München 2001<br />

- Tweraser, Kurt: Die Linzer Wirtschaft im<br />

Nationalsozialismus. Anmerkungen zur strukturellen<br />

Transformation („Modernisierung“) und zum NS-<br />

Krisenmanagement, in: Fritz Mayrhofer, Walter Schuster<br />

(Hg.): Nationalsozialismus in Linz, Linz 2001, Bd. 1. S. 387-<br />

555.<br />

- Pawlowsky, Verena / Leisch-Prost, Edith / Klösch,<br />

Christian: Vereine im Nationalsozialismus, Vermögensentzug<br />

durch den Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen<br />

und Verbände und Aspekte der Restitution in Österreich<br />

nach 1945. Vereine, Stiftungen und Fonds im<br />

Nationalsozialismus 1; Öst. Historikerkommission Band 21-1<br />

- Pfarrchronik Leonding: Handgeschriebene Chronik der<br />

Pfarre St. Miachaeö in Leonding, die in der Pfarre aufliegt.<br />

Wir danken dem Pfarrer von Leonding für die Erlaubnis zur<br />

Einsichtnahme.<br />

2 Gerhard Tolar, NS-Vermögensentzug in Leonding,<br />

Abschlussarbeit des Heimatforscherlehrganges im Rahmen<br />

der Akademie der Volkskultur, Juli 2008<br />

3 Archivunterlagen<br />

- OÖLA Arisierungen: ‚Arisierungsdaten’ des<br />

Oberfinanzpräsidiums Linz (FLD-BV) und der<br />

Gauverwaltung Oberdonau (Arisierung, tw.<br />

Gauselbstverwaltung), ferner Rückstellungsakten der<br />

Finanzlandesdirektion (FLD-VR) und der Finanzabteilung<br />

der Landesregierung (FIRK) in OÖ Landesarchiv Linz<br />

- OÖLA Finanzlandesdirektion: FLD-VR und FIRK-Akte:<br />

siehe OÖLA Arisierungen<br />

- OÖLA Rückstellungsanmeldung: Formulare, die 1947<br />

sowohl von Geschädigten, als auch von Begünstigten der<br />

unter nationalsozialistischem Druck erfolgten<br />

Vermögensaktionen auszufüllen waren. Diese Meldung<br />

ersetzte nicht die Antragstellung nach einem der<br />

Rückstellungsgesetze, in OÖ Landesarchiv Linz<br />

- OÖLA Rückstellungsakten: Akten der<br />

Rückstellungskommission beim Landesgericht Linz Nord, wo<br />

die Rückstellungsverfahren nach dem 3.<br />

Rückstellungsgesetz (Güter in Privatbesitz) abgewickelt wurden,<br />

in OÖ Landesarchiv Linz<br />

4 OÖLA Finanzlandesdirektion 546/48, 24/49, 587/48 und<br />

151/49<br />

5 Pfarrchronik Leonding; Band B, Seite 142<br />

6 OÖLA Finanzlandesdirektion 546/48<br />

7 Archiv der Stadt Linz AStL, Hs 2042,49<br />

8OÖLA: Rückstellungsakt 775/48: Antwort der<br />

Antragsgegner vom 29. April 1950<br />

9 Michael John; a.a.O. Seite 56 bis 63<br />

10 Michael John; a.a.O. Seite 56 bis 63<br />

11 OÖLA: Rückstellungsakten 775/48<br />

12 Abschrift der Verfügung der Gestapo vom 26.4.1938 in<br />

OÖLA: Arisierungen 33<br />

13 OÖLA: Rückstellungsakten 775/48: Schriftsatz der<br />

Antragsteller vom 18.1.1950<br />

14 siehe Schreiben der Landesregierung an den<br />

Bürgermeister von Leonding vom 24. März 1939<br />

15 Schriftsatz Antragsteller vom 18.1.1950 aus OÖLA ,<br />

Rückstellungsakten RK 775/48<br />

16 Michael John; a.a.O. Seite 56 bis 63<br />

17 OÖLA Arisierungen 33<br />

18 Bundesgesetzblatt BGBl 1947, 14. Stk. Seite 371:<br />

Bundesgesetz vom 6. Februar 1947, ausgegeben am 27.<br />

März 1947<br />

19 Schriftsatz Antragsteller: 18.1.1950 aus OÖLA<br />

Rückstellungsakten 782/48<br />

20 sh. Teilerkenntnis vom 4. Mai 1950 aus OÖLA<br />

Rückstellungsakten 782/48<br />

21 Antrag des Klägers 20. Dezember 1948 aus OÖLA<br />

Rückstellungsakten 775/48<br />

22 Öffentliche mündliche Verhandlung am 28.11.1958 aus<br />

OÖLA Rückstellungsakten 782/48<br />

23 Teilerkenntnis zu RK 782/48 im Zuge der Öffentlichen<br />

mündlichen Verhandlung vom 4.5.1950 in OÖLA ;<br />

Rückstellungskakte<br />

24 Äußerung der Antragsgegner vom 12.Februar 1949 aus<br />

OÖLA , Rückstellungsakten RK 775/48<br />

25 Teilerkenntnis vom 4.5.1950 aus OÖLA ,<br />

Rückstellungsakten RK 775/48<br />

26 Widerruf des Vergleiches vom 14. November 1953 aus<br />

OÖLA , Rückstellungsakten RK 782/48<br />

27 Schreiben Josef A. Weiss an OLGR Dr. R. Flandorfer 2.<br />

Dez. 1953 aus OÖLA , Rückstellungsakten RK 782/48<br />

28 Statement Josef A. Weiss vom 5. August 1959 aus OÖLA<br />

, Rückstellungsakten RK 782/48<br />

29 Öffentliche mündliche Verhandlung am 28. August 1953<br />

aus OÖLA , Rückstellungsakten RK 193/49<br />

30 Statement Josef A. Weiss vom 5. August 1959 aus OÖLA<br />

, Rückstellungsakten RK 782/48<br />

31 OÖLA Arisierungsakten 33<br />

32 Schriftsatz Josef A. Weiss vom 12. August 1959 aus<br />

OÖLA Rückstellungsakten 782/48<br />

33 Aussage Dipl. Ing. Gustav Anderle: Übertragung d. kurzschr.<br />

Teils des Verhandlungsprotokolls vom 3.3.1961 aus<br />

OÖLA , Rückstellungsakten RK 782/48<br />

34 Beweisantrag Richard E. Weiss vom 9.9.1959 aus OÖLA ,<br />

Rückstellungsakten RK 782/48<br />

35 OÖLA , Rückstellungsakten RK 782/48<br />

36 Übertragung d. Kurzschr. Teils des Verhandlungsprotokolls<br />

vom 3.3.1961 aus OÖLA Rückstellungsakten<br />

782/48<br />

37 Enderkenntnis vom 3.7.1961 aus OÖLA<br />

65


Rückstellungsakten 782/48<br />

38 Antwort der Antragsgegner 29. April 1950 aus OÖLA<br />

Rückstellungsakten 782/48<br />

39 Tagsatzung 22.11.1955 aus OÖLA Rückstellungsakten<br />

782/48<br />

40 Michael John a.a.O. Seite 56 bis 63<br />

41 Geraubte Kunst in Oberdonau (Birgit Kirchmayr, gemeinsam<br />

mit Friedrich Buchmayr und Michael John; 2007)<br />

42 Aus Michael John; a.a.O.<br />

43 OÖLA Rückstellungsanmeldungen LL Schachtel 7 Fasz 4<br />

AktNr. 1<br />

44 OÖLA Rückstellungsanmeldungen LL Schachtel 7, Fasz.<br />

4, AktNr. 24<br />

45 OÖLA Arisierungen 21<br />

46 Josef Löwenherz war damals als Amtsdirektor der<br />

Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) in Wien eingesetzt. Der<br />

„Löwenherz-Bericht“ wurde nach Ende des NS-Regimes in<br />

der Kultusgemeinde auf Grundlage von Notizen ihres ehemaligen<br />

Amtsdirektors erstellt.<br />

47 OÖLA, Rückstellungsakten 16/48<br />

48 Genehmigung der Vermögensverkehrsstelle vom 15. Juni<br />

1939 im Rückstellungsakt 16/48<br />

49 OÖLA Rückstellungsanmeldungen LL Schachtel 9, Fasz.<br />

1 AktNr. 257 und RK 68/52 Vergleich vom 18.2.1954<br />

50 OÖLA Rückstellungsakten 76/52, Rückstellungsantrag<br />

vom 6. Oktober 1952<br />

51 OÖLA Rückstellungsakten 76/52 Öffentliche mündliche<br />

Verhandlung vom 29.10.1953<br />

52 vgl. Daniela Ellmauer a.a.O.<br />

53 Garscha / Scharf; a.a.O. Seite 39<br />

54 OÖLA Rückstellungsakten 308/49<br />

55 OÖLA Rückstellungsanmeldungen LL Schachtel 8,<br />

Fasz. 1 AktNr. 154 und RK 10/54<br />

56 OÖLA Rückstellungsakten 34/51<br />

57 OÖLA Rückstellungsakten 193/49<br />

58 siehe Kapitel „Antragsgegner“ im Fall 2<br />

59 OÖLA Rückstellungsanmeldungen LL Schachtel 9,<br />

66<br />

Fasz. 1, AktNr. 194; Akt RK 5/51-1952 ist nicht vorhanden<br />

60 OÖLA Rückstellungsanmeldungen LL Schachtel 9,<br />

Faszikel 1, AktNr. 194<br />

61 OÖLA Rückstellungsakten 876/48<br />

62 OÖLA Rückstellungsakten 788/48<br />

63 OÖLA: Rückstellungsakten 345/48<br />

64 OÖLA: Rückstellungsakten 5/57<br />

65 OÖLA Rückstellungsanmeldungen LL Schachtel 8,<br />

Fasz. 1, AktNr. 120<br />

66 OÖLA Rückstellungsakten 197/48<br />

67 Rückstellungskommission 357/48: Vergleich vom<br />

19.10.1953 in OÖLA Rückstellungsanmeldungen Weiss<br />

68 OÖLA Rückstellungsakten 197/48<br />

69 OÖLA: Rückstellungsakten 469/49<br />

70 OÖLA Rückstellungsanmeldungen LL Schachtel 8,<br />

AktNr. 32 & 33<br />

71 OÖLA Rückstellungsanmeldungen LL Schachtel 8,<br />

AktNr. 34<br />

72 OÖLA Rückstellungsanmeldungen LL Schachtel 8,<br />

AktNr. 35<br />

73 Information wurde den in den betreffenden Akten enthaltenen<br />

Grundbuchsauszügen entnommen.<br />

74 Sitzungsprotokolle 1945-1947,<br />

Gemeindeausschusssitzungen, Ratsarchiv Leonding.<br />

75 DÖW a.a.O. Band 2 Seite 259: OÖ Landesregierung,<br />

Opferfürsorgeakten 51, 1-400; DÖW Dok Nr. 14.659<br />

76 Ellmauer, John, Thumser: a.a.O. Seite 78<br />

77 siehe z.B. Hans-Walter Schmuhl, Sterilisation,<br />

„Euthanasie“, „Endlösung“ S. 301 in: Norbert Frei (Hg.),<br />

Medizin und Gesundheitspolitik in der NS-Zeit, München<br />

1991<br />

78 Öst. Historikerkommission, Bd. 21/1, Vereine im<br />

Nationalsozialismus, Seite 217<br />

79 Cornelia Schmitz-Berning, a.a.O.Seiten 62f und 189f<br />

80 Ellmauer/John/Thumser, „Arisierungen“ […] Seite 80<br />

81 OÖLA Rückstellungsakten 775/48, Antwort der<br />

Antragsgegner vom 29. April 1950<br />

82 OÖLA Arisierungen 33 AktNr. 7<br />

83 Gruber / Tüchler; a.a.O.Seite 46ff<br />

84 RGBl I 1938 Seite 1579<br />

85 Gruber / Tüchler; a.a.O. Seite 60ff<br />

86 Graf a.a.O. Seite 186<br />

87 vgl. Böhmer a.a.O.<br />

88 New York Times vom 23. März 1938<br />

89 Vgl. Gerhard Botz: Experimentierfeld „Ostmark“<br />

90 Ellmauer/John/Thumser, „Arisierungen“ […] Seite 209<br />

91 ÖStA AdR, Gaupersonalakt Nr. 266.813 zit. Nach Dostal,<br />

Das „braune“ Netzwerk, Seite 131, nach<br />

Ellmauer/John/Thumser, „Arisierungen“ […] Seite 71<br />

92 vgl. Kristöfl a.a.O.<br />

93 Pfarrchronik Leonding Band 2 diverse Stellen z.B. Seiten<br />

126, 135, 150ff<br />

94 OÖLA: Rückstellungsakten 469/49<br />

95 OÖLA Rückstellungsanmeldungen LL Schachtel 7 Fasz 4<br />

AktNr. 1<br />

96 Staatsgesetzblatt StGBl. Nr. 10/1945<br />

97 Graf; a.a.O. Seite 24<br />

98 Graf, a.a.O. Seite 525<br />

99 3. Rückstellungsgesetz, BG vom 6. Februar 1947 über<br />

die Nichtigkeit von Vermögensentziehungen; BGBl 1947/54<br />

(zuletzt geändert mit BGBl 1954/252).<br />

100 Graf, a.a.O. Seite 525<br />

101 Graf, a.a.O. Seite 526<br />

102 Graf, a.a.O. Seite 61<br />

103 Graf, a.a.O. Seite 139<br />

104 Bailer-Galander, Brigitte: Die Rückstellungsproblematik<br />

in Österreich, Referat an der Universität Freiburg,<br />

14.10.2000.<br />

105 Graf, a.a.O. Seite 526f<br />

106 Graf, a.a.O. Seite 255<br />

107 Graf, a.a.O. Seite 536<br />

108 Böhmer / Faber; a.a.O. Seite 117ff<br />

109 Böhmer / Faber; a.a.O. Seite 126ff<br />

110 Nach der Definition des § 326 ABGB ist derjenige red-


lich, der aus wahrscheinlichen Gründen die Sache, die er<br />

besitzt, für die seinige hält.<br />

111 Z. B. OÖLA Sondergerichte, RK 4/47, Beweisanträge<br />

der Wohnungsaktiengesellschaft vom 4.9.1948<br />

112 Graf, a.a.O. Seite 197<br />

113 Graf, a.a.O. Seite 99<br />

114 Graf, a.a.O. Seite 356f<br />

115 Graf, a.a.O. Seite 357f<br />

116 Graf, a.a.O. Seite 362f<br />

117 BGBl 1955, 39. Stk., Seiten 725 bis 810, Bundesgesetz<br />

Nr. 152, ausgegeben am 30. Juli 1955<br />

118 Graf, a.a.O. Seite 384f<br />

67


GLEICHSCHALTUNG DER VEREINE<br />

Gerhard Tolar<br />

In Österreich hatte das Vereinswesen seit dem Vereinsgesetz,<br />

das die k.k. Monarchie im Jahr 1867 1<br />

erlassen hat, einen wichtigen Platz. Die Gründung<br />

eines Vereines war seit damals Recht eines Staatsbürgers.<br />

Auf diesem Recht aufbauend haben sich<br />

zahlreiche Vereine gebildet. Dieses Vereinsrecht hat<br />

auch die Bildung der politischen Parteien, wie wir sie<br />

heute kennen, entscheidende Schritte vorangebracht.<br />

Die wesentlichen Kennzeichen dieses Vereinsgesetzes<br />

waren: Die Mitglieder schlossen sich freiwillig<br />

zusammen und sie gaben sich die Satzungen und<br />

Statuen selbst unter Wahrung von gesetzlichen<br />

Grenzen. 2 Auch die Republik Österreich nach dem<br />

Ersten Weltkrieg gewährte ihren Staatsbürgern volle<br />

Vereins- und Versammlungsfreiheit mit einem Beschluss<br />

der provisorischen Nationalversammlung. 3<br />

Diese Form freier und schwer kontrollierbarer Meinungsäußerung<br />

passte nicht in das nationalsozialistische<br />

System. Nach der NS-Machtübernahme in<br />

Österreich wurde unmittelbar mit einer Tätigkeit<br />

begonnen, die man später „Gleichschaltung“ der<br />

Vereine nannte.<br />

68<br />

„Politische“ Vereine<br />

Vom 14. April 1938 gibt es einen Erlass der NSDAP<br />

Linz-Land zur kommissarischen Besetzung und Auflösung<br />

der Vereine Oberösterreichs mit einer Auflistung,<br />

in der zwei Leondinger Vereine enthalten sind<br />

(Katholische Arbeiterinnenbund Leonding und Heimatwehr<br />

Leonding). 4<br />

Ein Schreiben 5 mit Datum 18.3.1938 an alle Gendarmeriepostenkommanden<br />

hat den Inhalt: „Es wird<br />

nunmehr verfügt, dass bis einschließlich 18. April<br />

1938 jede Vereins- und Versammlungstätigkeit zu<br />

unterbleiben hat. Ausgenommen von diesem Verbote<br />

sind selbstverständlich Veranstaltungen und Versammlungen<br />

der NSDAP und aller ihrer Gliederungen.“<br />

Das war eine jener Aktionen, die den Ausgang der<br />

Volksabstimmung, die für den 10. April 1938 angesetzt<br />

war, beeinflussen sollte. Dieses Schreiben fußt<br />

auf einer Anordnung des „Reichskommissars für den<br />

Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich“, Josef<br />

Bürckel, auf die später immer wieder als „Stillhalteverfügung“<br />

verwiesen wurde, was offenbar auch die<br />

Namensgebung der später geschaffenen Behörde<br />

„Stillhaltekommissar“ begründete. 6<br />

Dem Schreiben liegt ein Verzeichnis der im Bezirk<br />

Linz-Land aufzulösenden Vereine bei. Angeführt sind<br />

96 Vereine darunter 5 aus Leonding:<br />

Nr. 7.) Frohe Jugend Leonding<br />

Nr. 24.) Katholische Frauenorganisation,<br />

Ortsgruppe Leonding<br />

Nr. 45.) katholische Jungmannschaft „Kürnberg“<br />

in Leonding<br />

Nr. 67.) Katholischer Landesarbeitsbund f. OÖ,<br />

Ortsgruppe Leonding<br />

Nr. 96.) Spar- und Unterstützungsverein<br />

„Gemütlichkeit“ in Leonding<br />

Ende April tritt ein kommissarischer Leiter für sämtliche<br />

katholischen Vereine, Verbände und Organisationen<br />

aus Wien auf und fordert die Anschriften<br />

sämtlicher katholischen Vereine, Verbände und<br />

Organisationen samt Angabe des Obmannes oder<br />

Leiters. 7<br />

Das beigefügte Verzeichnis weist 4 Gruppen von<br />

katholischen Vereinen aus:


In Gruppe III., „wirtschaftliche Vereine“, sind 68<br />

Vereine angeführt, darunter 5 aus Leonding:<br />

15.) Kath. Frauenorganisation Leonding, Obfrau<br />

Maria Karning, Leonding<br />

36.) Kath. Jungmannschaft Kürnberg in Leonding,<br />

Obmann Stefan Löblbauer, Leonding<br />

48.) Kath. Landesarbeitsbund f. OÖ, Ortsgruppe<br />

Leonding, Obmann Leopold Bachbauer,<br />

Leonding 78<br />

49.) Frohe Jugend Leonding, Obmann Josef<br />

Halmdienst, Reichsbahner, Gaumberg, Gde.<br />

Leonding<br />

54.) Landesverband Kath. Mädchenvereine OÖ,<br />

Ortsgruppe Gaumberg, Obfräulein Mizzi<br />

Karning, Gaumberg 26, Gde. Leonding<br />

Vom Kreissportführer D.R.L. [Deutscher Reichsbund<br />

für Leibesübungen], Dr. Oskar Kaltenegger liegt ein<br />

Schreiben von Mitte Mai 1938 vor 8 , das die ungeordnete<br />

Vorgehensweise der ersten Tage nach dem<br />

Anschluss deutlich macht: „Der D.R.L. Gau XVII<br />

(Deutsch-Österreich) hat … mir den Auftrag erteilt,<br />

über alle Fälle von Vereinsauflösungen, einstweiligen<br />

Beschlagnahmen, Einstellung der Tätigkeit usw. Klarheit<br />

zu schaffen. Die Verfügungen sind vielfach von<br />

den verschiedensten Stellen getroffen worden, z.B.<br />

Parteigliederungen, Formationen usw. … Engriffe in<br />

das Leben der Turn- und Sportvereine [sind] nicht<br />

gestattet. … Der Gauführer anerkennt Auflösungen,<br />

Sperrungen, Beschlagnahmen und dergl. seitens der<br />

einzelnen Parteidienststellen oder Formationen nicht.<br />

… Hinsichtlich jener Vereine, die sich in der Hauptsache<br />

aus Mitgliedern aus Arbeiterkreisen zusammensetzen,<br />

ist zu bedenken, dass diese Leute erst<br />

nach und nach für unsere Weltanschauung gewonnen<br />

werden müssen …“ Im Weiteren wird eine<br />

Mitteilung aller so getätigten Vereinsauflösungen<br />

angefordert. Mitte Mai 1938 meldet der Postenkommandant<br />

Leonding unter dem Betreff „Sicherung des<br />

Beschlagnahmten Materials der Vaterländischen<br />

Front und aufgelösten Vereine“, dass folgendes<br />

Barvermögen und Material beschlagnahmt wurde: … 9<br />

„In Punkt 1 bis 15 sind die Vereinsnamen, die Namen<br />

der Obmänner oder Leiter der Vereine und die<br />

Barvermögen angeführt und unter Punkt 16 das<br />

beschlagnahmte Material.“<br />

Mitte Mai 1938 wird vom Reichsstatthalter für Österreich<br />

Seyß-Inquart das „Gesetz über die Überleitung<br />

und Eingliederung von Vereinen, Organisationen und<br />

Verbänden“ 10 beschlossen. Die dem Gesetz angeschlossenen<br />

Verordnung drückt die Aufgaben deutlich<br />

aus: Der Stillhaltekommisssar hat dafür zu sorgen,<br />

dass alle Vereine, Organisationen und Verbände<br />

nationalsozialistisch ausgerichtet und geführt werden.<br />

Er hat das Führungsrecht der NSDAP auf dem Gebiet<br />

der Menschenführung sicherzustellen. Gauleiter Josef<br />

Bürkel, setzt als Leiter des Reichsamts Stillhaltekommissar<br />

Albert Hoffmann aus Bremen ein.<br />

Ende Mai 1938 kommt es zur kommissarischen Besetzung<br />

von Leondinger Vereinen. Der Gendarmeriepostenkommandant<br />

von Leonding teilt der Bezirkshauptmannschaft<br />

mit 11 , dass über Vorschlag des<br />

Herrn Bürgermeisters und Ortsgruppenleiters der<br />

NSDAP für die Vereine „Frohe Jugend Leonding“,<br />

„Kath. Frauenorganisation Leonding“, „Kath. Jungmannschaft<br />

Kürnberg“, „Kath. Landarbeiterbund“ und<br />

„Spar- und Unterstützungsverein Gemütlichkeit in<br />

Leonding“ Herr Emil Gebauer in Leonding Nr. 68 als<br />

kommissarischer Leiter namhaft gemacht wurde.<br />

Ende Mai meldet der Postenkommandant Leonding 12<br />

(siehe Abbildung) an die Bezirkshauptmannschaft<br />

Linz-Land, welche Barvermögen, Spareinlagen oder<br />

Gebrauchsgegenstände bei den katholischen Verbänden<br />

von der NSDAP Leonding beschlagnahmt<br />

wurden. Die aufgestellten Posten wurden von der<br />

NSDAP Leonding SA-Sturm 34/14-Leonding und NS-<br />

Frauenschaft Leonding beschlagnahmt, wobei der<br />

Gendarmerieposten Leonding Assistenz leistete. In<br />

diesem Schreiben sind 5 Vereine angeführt: „Kath.<br />

Frauenorganisation“, „Jugendbund Kürnberg“, „Kath.<br />

Landarbeiterbund“, „Bund der Arbeiterinnen“, „Kath.<br />

Mädchengruppe Leonding“.<br />

Angefügt ist ein „Verzeichnis über beschlagnahmte<br />

Vermögen von Vereinen“ 13 . Darin enthalten sind 6<br />

Vereine oder Organisationen: „Vaterländische Front<br />

Leonding“, „Volksverein Arbeiterbund Mädchengruppe<br />

Leonding“, „Gewerbebund Leonding“, „Arbeiterverein<br />

Leonding“, „Mädchengruppe Gaumberg“, „Jugendbund<br />

Kürnberg“. Im Akt sind zwei unvollständige<br />

Listen 14 enthalten Die erste Liste weist aus, dass für<br />

offenbar aufgelöste Vereine Turngeräte, Tisch und<br />

Sessel bei der Ortsleitung der NSDAP, für die HJ,<br />

oder bei der Ortsgruppe der NSDAP Leonding verwahrt<br />

werden. Die zweite Liste führt eingezogenes<br />

Vermögen von Vereinen und den Namen des Verwahrers<br />

an, darunter auch von folgenden Leondinger<br />

Vereinen:<br />

Vaterländische Front (Jugendbund Kürnberg),<br />

Vaterländische Front (Heimatwehr Leonding),<br />

Vaterländische Front (Gewerbebund Leonding),<br />

Vaterländische Front (Mädchengruppe Leonding),<br />

Arbeitsbund Ortsgruppe Leonding, Reichsbund<br />

Ortsgruppe Leonding, Volksverein Leonding,<br />

Katholische Frauenorganisation Ortsgruppe<br />

Leonding, Bund der Arbeiterinnen Ortsgruppe<br />

Leonding.<br />

69


Anfang Juli ergeht an sämtliche Landeshauptleute<br />

und Bezirkshauptmannschaften ein Schreiben des<br />

Stillhaltekommissars. 15 Er stellt fest, dass ihm bis zu<br />

diesem Zeitpunkt keine Vollzugsmeldung von Vereinsauflösungen<br />

oder Eingliederungen zugekommen<br />

sei. Es wurde in die betroffenen Bevölkerungskreise<br />

eine gewisse politische Unruhe und Unsicherheit<br />

getragen. Es sei daher notwendig, dass ehebaldigst<br />

eine Beruhigung durch möglichst schnelle Abwicklung<br />

der Vorgänge eintritt.<br />

Anfang August 1938 wendet sich der Stillhaltekommissar<br />

wieder an sämtliche Landeshauptmannschaften,<br />

Bezirkshauptmannschaften, Gaubeauftragte<br />

und Kreisbeauftragte 16 . Die wesentlichen Punkte dieses<br />

Schreibens betreffen Vereinsgruppen, die der<br />

Stillhaltekommissar von der Auflösung „freigestellt“<br />

hat und katholische Vereine.<br />

Die von der Auflösung „freigestellten“ Vereinsgruppen<br />

sind dort wie folgt aufgelistet: Sparvereine, Feuerwehrverbände,<br />

Fremdenverkehrs- und Verschönerungsvereine,<br />

rein wirtschaftliche Unternehmungen,<br />

das Rote Kreuz, Kirchenbau- und Kirchenerhaltungsvereine,<br />

Jüdische Kultusgemeinden. Die Gründe für<br />

die „Freistellung“ dieser Vereinsgruppen sind unterschiedlich.<br />

Die meisten dieser Vereinsgruppen werden<br />

durch andere Dienststellen behandelt, die<br />

Jüdischen Kultusgemeinden wurden von den NS-<br />

Machthabern als Instrument zur „Behandlung“ der<br />

Juden benutzt.<br />

Hinsichtlich der katholischen Vereine wurde folgende<br />

Regelung getroffen: „Die katholischen Vereine werden<br />

3 Gruppen zugewiesen. Die Vereine der<br />

1. Gruppe (hier sind 32 Vereine angeführt wie<br />

Missionsvereine, Ordenskongregationen, Kirchenmusikvereine<br />

etc.) bleiben weiter bestehen, die<br />

70<br />

Vereine der 2. Gruppe (hier sind 28 Vereine angeführt<br />

wie Österreichische Jugendkraft, Katholische Frauenorganisation,<br />

Katholischer Männerverein, Sonnenkinder<br />

etc.) werden von der katholischen Kirche selbst<br />

aufgelöst, die Vereine der 3. Gruppe (hier sind 13<br />

Vereine angeführt wie kath. Arbeiter- und Arbeiterinnenverein,<br />

kath. Juristenverein, kath. Lehrerverein<br />

etc.) werden vom Stillhaltekommissar mittels Schlussbericht<br />

abgewickelt, d. h. es blieb für eine weitere<br />

Behandlung offen.“ Zur Stellung der Kirche zu dieser<br />

Situation siehe den Beitrag „NS-Vermögensentzug in<br />

Leonding“.<br />

Im Akt ist kein weiteres Stück zum Thema enthalten,<br />

die Gleichschaltung der als politisch eingestuften<br />

Vereine, für die die zentralen Stellen in Wien zuständig<br />

waren, ist im Wesentlichen erledigt.<br />

Lokale und sonstige Vereine<br />

Zur Erfassung und Behandlung von lokalen Vereinen,<br />

wie Trachten-, Musik-, Krieger-, Gesangsvereine etc.,<br />

wurden vom Reichsamt „Stillhaltekommissar“ Gauund<br />

Kreisbeauftragte eingesetzt. Der gaubeauftragte<br />

Stillhaltekommissar Oberdonau war Willy Schiffer, für<br />

den Kreis Linz-Land war Rudolf Ziegler zuständig. 17<br />

Ziel war die lückenlose Erfassung aller Vereine, die<br />

als wichtiger Baustein zur totalen „Menschenführung“<br />

durch die NSDAP verstanden wurde. 18 Die Vorgehensweise<br />

in Leonding sei an Hand des „Kriegerund<br />

Veteranenvereines“ und der „Liedertafel – Chorgemeinschaft“<br />

dargestellt.<br />

Der „Krieger- und Veteranenverein Leonding“ war<br />

1869 - das war die Zeit der Italienischen Unabhängigkeitskriege<br />

- gegründet worden. Er „überlebte“<br />

den ersten Weltkrieg und das Ende der Monarchie.<br />

Nach der NS-Machtübernahme wurden alle Kameradschafts-<br />

und Soldatenvereine in den „NS Reichs-<br />

kriegerbund Kyffhäuser“ eingegliedert. 19 Der Verein<br />

führte seit dem Jahr 1903 ein Protokollbuch. 20 Das<br />

wird auch nach dem Anschluss vom gleichen Vorstand,<br />

Josef Hagmüller, und dem gleichen Schriftführer,<br />

Franz Triendorfer, weitergeführt. Am 30.<br />

Oktober 1938 findet sich die erste Eintragung nach<br />

dem Anschluss. Was früher Versammlung hieß, wird<br />

jetzt Appell genannt, Der Vorstand führt jetzt den Titel<br />

Kameradschaftsführer, das Tagebuch heißt jetzt<br />

Parolebuch.<br />

Es wird beschlossen, heuer zu Allerheiligen nicht auszurücken<br />

und eine neue Vereinsfahne anzuschaffen.<br />

Am 4. Dezember 1938 findet sich ein Eintrag, dass<br />

das offenbar beschlagnahmte Geld wieder freigegeben<br />

wurde und ein General gibt gute Lehren und<br />

Aufklärungen. Im Juni 1939 fährt man zum Reichskriegertag<br />

nach Kassel.<br />

Im Dezember 1939 findet sich ein Eintrag im Protokollbuch,<br />

der in seiner Art sonst im ganzen Protokollbuch<br />

nicht zu finden ist. Mitten unter eher martialisch<br />

klingenden Einträgen kann man lesen:<br />

„Kamerad Hugo Winkler wird wegen 2 fi Stunden verspäteten<br />

Eintreffens um 1 Doppelliter Biergeld in die<br />

Büchse bestraft. Das Urtheil wurde sofort durchgeführt.“<br />

Ich erhalte das Gefühl, die haben das alles<br />

nicht recht ernst genommen.<br />

Es gibt „lehrreiche“ Vorträge von eigenen Leuten und<br />

von Fremden, es gibt unterhaltsame Abende, die viel<br />

zu schnell vergehen. Der Bau einer Schießstätte wird<br />

angedacht. Das Vereinsleben nimmt in dieser Zeit<br />

einen deutlichen Aufschwung.<br />

Februar 1944 wird auf Anregung von Bürgermeister<br />

Josef Miesenberger ein Musikzug in den Vereine aufgenommen,<br />

der offenbar in finanzielle Schwierigkeiten<br />

geraten war. Der Veteranenverein sorgt sich


auch um die Unterbringung der Musikinstrumente.<br />

Der Name „Hitler“ erscheint das erste Mal im April<br />

1942: „Abends um 8 Uhr findet in Strassers Saal eine<br />

gemeinsame Geburtstagsfeier unseres geliebten<br />

Führers Adolf Hitler statt. Geschlossen und gefertigt -<br />

Heil Hitler.“ Von da an wird öfters mit „Heil Hitler“<br />

geschlossen.<br />

Am 14. Jänner 1945 findet sich der letzte Eintrag<br />

eines Hauptappells im Vereinsheim Gasthof Wiesinger<br />

in Leonding. Es wurde der toten Kameraden<br />

gedacht und der Kassabericht verlesen.<br />

Nach Ende des 2. Weltkrieges wurde der Verein aufgelöst.<br />

Neben den NS-Organisationen selbst waren<br />

die Kameradschaftsvereine, Frontsoldaten- und<br />

Kriegervereine die einzigen, die nach 1945 verboten<br />

wurden. Im Jahr 1946 wurden paramilitärische Organisationen<br />

unter Hinweis auf § 1 Abs. 2 des NS-<br />

Verbotsgesetzes 21 verboten. Erst nach dem Staatsvertrag<br />

1955 wurden Kameradschaftsvereine wieder<br />

zugelassen.<br />

Auch Gesangsvereine wurden nicht aufgelöst sondern<br />

„freigestellt“ und dem Deutschen Sängerbund<br />

zugewiesen. Der Stillhaltekommissar Albert Hoffmann<br />

plante, in der Ostmark einen zentralen Kulturbund<br />

einzurichten. Diese Pläne zerschlugen sich aber wieder,<br />

es kam nicht dazu. 22 Man findet folgende Anmerkungen<br />

zum Wirken des Leondinger Gesangsvereines:<br />

23<br />

„1938: Am 27. Februar sind alle vollzählig beim Sängerball<br />

in Kleinmünchen. - Am 17. April werden Volkslieder<br />

beim Kameradschaftsabend der SA gesungen.<br />

- Am 8. Mai kommen alle zum 24. Gründungskonzert.<br />

- 1. Juli: Auf höhere Weisung müssen Frauen aus<br />

dem Verein austreten. Sie singen aber noch bis zum<br />

Oktober mit. - Die letzte Silvesterfeier vor Kriegs-<br />

Abb.22: Beschlagnahmte Vermögen bei katholischen Vereinen in Leonding 27<br />

71


ausbruch wird von Chormeister Oberlehrer Hess<br />

geleitet.<br />

1939: Die Sänger rücken zum „Singen für den Eintopfsonntag“<br />

aus, sind am 19. Juli beim „Begrüßungsabend<br />

für die Hitler-Urlauber“ (erste Freiwillige), bei<br />

der Männerchöre zu Gehör gebracht werden, und<br />

nehmen am 12. Juli an der letzten registrierten Probe<br />

teil.“ - Viele Sänger sind bereits eingerückt, zum Teil<br />

verzogen, manche anderswo in Arbeit. 1939-1946<br />

kommt es zu einer Unterbrechung der Vereinstätigkeit<br />

durch den Krieg. Etwa Mitte November 1946 finden<br />

wieder einige Sangesbrüder zusammen, um die<br />

Tätigkeit nach fast acht Jahren wieder aufzunehmen.<br />

Schlussbemerkungen<br />

Die NS-Machthaber sind auf eine reduzierte Vereinslandschaft<br />

getroffen. Schon die Machthaber des<br />

österreichischen Ständestaates hatten die Vereinsfreiheit<br />

eingeschränkt. Davon betroffen waren vor<br />

allem Vereine der politischen Gegner und der Gewerkschaften.<br />

In Deutschland, im Altreich, wurden zwar durch die<br />

Notverordnung zum Schutz von Volk und Staat vom<br />

28. Februar 1933 24 jene Bestimmungen der Verfassung,<br />

die die Vereinsfreiheit betreffen, außer Kraft<br />

gesetzt, aber zu massenhaften Vereinsauflösungen<br />

wie in Österreich ist es nicht gekommen. Die für<br />

Österreich erfundene Behörde des „Stillhaltekommissars“<br />

wurde zwar nicht im Altreich, jedoch für andere<br />

besetzte Gebiete wie Sudetenland, Elsass, Lothringen,<br />

Luxemburg und Niederlande verwendet. 25<br />

Die „Behandlung“ der Vereine durch die NS-Machthaber<br />

war aber auch ein gewaltiger Raubzug. In die<br />

Kassen des Staates und der involvierten Behörden<br />

72<br />

flossen große Geldmengen und Sachwerte. Das<br />

Reichsamt „Stillhaltekommissar“ wurde schon im<br />

November 1939 wieder aufgelöst. Es war von Anfang<br />

an nur als Übergangseinrichtung gedacht. Im folgenden<br />

Jänner wurde die sogenannte „Aufbaufonds“-<br />

Vermögensverwaltungs-Gesellschaft gegründet, die<br />

das angehäufte Vermögen zu verwalten hatte. 26<br />

In der Sammlung des Stadtmuseums Leonding sind<br />

geringe Bestände der Bibliotheken der vom Ständestaat<br />

und den Nationalsozialisten aufgelösten Vereine<br />

vorhanden. Sie umfassen Belletristik, Sachbücher<br />

und politische Schriften. Allen Organisationen ist<br />

gemeinsam, dass sie ihre Ansichten unters Volk bringen<br />

wollten, die Menschen mit ihren Ansichten indoktrinieren<br />

wollten. Nichts anderes wollten die totalitären<br />

Regime des Ständestaates und der Nationalsozialisten.<br />

Die Nationalsozialisten brachten es im<br />

Einsatz der Medien zu großer Meisterschaft, aber es<br />

gab eben nur mehr eine Meinung, und es wurde<br />

zunehmend gefährlicher, eine andere Meinung zu<br />

haben.<br />

Anmerkungen<br />

1 Reichs-Gesetz-Blatt für das Kaiserthum Österreich RGBl<br />

134/1857 vom 15. November 1867, Seite 377<br />

2 Historikerkommission Band 21/1, Vereine im<br />

Nationalsozialismus, Seite 13<br />

3 Staatsgesetzblatt für den Staat Deutschösterreich StGBl<br />

3/1918, 1. Stück, Seite 3<br />

4 Bezirkshauptmannschaft Linz-Land BH LL vom 26.4.1938;<br />

OÖLA Pol. Akt;. Sch. 18, Film 9; Zahl 216/18/38, Brief mit 2<br />

Verzeichnissen<br />

5 BH LL vom 18.3.1938; OÖLA Pol. Akt;. Sch. 17, Film 9;<br />

Zahl 28/18/38<br />

6 Historikerkommission Band 21/1, a.a.O., Seite 50<br />

7 Komm. Leiter vom 27.4.1938; OÖLA Pol. Akt;. Sch. 17,<br />

Film 9; Zahl 216/18/38 mit Verzeichnissen<br />

8 Schreiben vom 12. Mai 1938, OÖLA Pol. Akt;. Sch. 17,<br />

Film 9; Zahl 216/18/38<br />

9 Gendarmeriepostenkommando, GendPKdo Leonding vom<br />

14.5.1938; OÖLA Pol. Akt;. Sch. 17, Film 9; Zahl 183/18/38<br />

10 Gesetz vom 17. Mai 1938, OÖLA Pol. Akt;. Sch. 17, Film<br />

9; Zahl 216/18/38<br />

11 GendPKdo vom 21. Mai 1938, OÖLA Pol. Akt;. Sch. 17,<br />

Film 9; Zahl 216/18/38<br />

12 GendPKdo vom 24. Mai 1938, OÖLA Pol. Akt;. Sch. 17,<br />

Film 9; Zahl 216/18/38<br />

13 GendPKdo vom 25. Mai 1938, OÖLA Pol. Akt;. Sch. 17,<br />

Film 9; Zahl 216/18/38<br />

14 2 Listen ohne Datum, OÖLA Pol. Akt;. Sch. 17, Film 9;<br />

Zahl 216/18/38<br />

15 Stillhaltekommissar vom 6. Juli 1938, OÖLA Pol. Akt;.<br />

Sch. 17, Film 9; Zahl 216/18/38<br />

16 Der Stillhaltekommissar vom 5.8.1938; OÖLA Pol. Akt.;<br />

Sch 17, Film 9, Nr. 216/18/38<br />

17 Historikerkommission Band 21/1; a.a.O., Anhang, Seite<br />

560<br />

18 Historikerkommission Band 21/1; a.a.O., Seite 141<br />

19 Historikerkommission Band 21/1; a.a.O., Seite 193


20 Protokollbuch des Krieger- und Veteranenvereins<br />

Leonding, Turm 9 - Stadtmuseum Leonding<br />

21 Staatsgesetzblatt StGBl. Nr. 13, Verbotsgesetz vom 8.<br />

Mai 1945<br />

22 Historikerkommission 21/1, a.a.O.; Seite 217 und 639<br />

23 Leondinger Gemeindebriefe Nr. 77 / Juni 1989: J.A.<br />

Kauer: 75 Jahre Liedertafel – Chorgemeinschaft Leonding:<br />

S. 15ff<br />

24 Deutsches Reichsgesetzblatt, RGBl. I 1933 Nr. 17. vom<br />

28. Februar 1933, Seite 83<br />

25 Historikerkommission 21/1, a.a.O.; Seite 58 und 79<br />

26 Historikerkommission 21/1, a.a.O.; Seite 26f<br />

27 GendPKdo Leonding am 24. Mai 1938; OÖLA Pol. Akt.;<br />

73


WIE EIN ALLTAGSGEGENSTAND<br />

BEDEUTUNG ERLANGT<br />

Judith Wurst-Varjai<br />

Bedeutung entsteht in unserem Kopf und ist deshalb<br />

auch ein höchst subjektiver Vorgang. Bedeutung wird<br />

gemacht, vom einzelnen und noch viel stärker von<br />

einer ganzen Gesellschaft. Deshalb ist die Frage<br />

nach der Bedeutung der Dinge so brisant: Sie kann<br />

uns Antworten liefern, mit denen wir die Menschen<br />

hinter den Objekten hervorholen können. Sie kann<br />

uns die Frage beantworten, warum manche Dinge so<br />

extrem erhaltenswert sind (oder zumindest so<br />

erscheinen!), manches eher nachlässig behandelt<br />

wird und warum vieles sofort zu Abfall wird – um vielleicht<br />

später unter ganz bestimmten Umständen eine<br />

verblüffende Wiederauferstehung als Kulturgut zu<br />

erleben. 1<br />

Eine mächtige Eiche erhebt sich über der Anhöhe<br />

von Oberelchingen. Ein weithin sichtbares Naturdenkmal.<br />

Nähern wir uns, bemerken wir den Hinweis,<br />

dass hier Napoleon Bonaparte am 14. Oktober 1895<br />

gestanden hat, um die Schlacht bei Elchingen, die<br />

große Niederlage der Österreicher zu beobachten.<br />

Andächtige und großmächtige Gefühle machen diesen<br />

geschichtsträchtigen Ort für den Besucher bedeutsam.<br />

Diesen Blick hatte der große Feldherr vor<br />

74<br />

Abb.23: Sofa im Gasthaus Wiesinger, Leonding 1<br />

Augen als so viele Menschen im Kampf ihr Leben<br />

verloren. Diese Schlacht entschied den heutigen<br />

Grenzverlauf zwischen Bayern und Baden-Württemberg<br />

und ist auch Bestandteil der Ausstattung<br />

des „Arc de Triumphe“ in Paris.<br />

Das offene luxuriös ausgestattete Automobil von<br />

Sarajewo, in dem am 28. Juni 1914 der Thronfolger<br />

Erzherzog Franz Ferdinand mit seiner Gattin von ser-


Abb.24: Postkarte mit Gasthaus Wiesinger 1904<br />

bischen Nationalisten ermordet wurde, macht das<br />

Objekt zu einem bedeutungsvollen Symbol einer<br />

Zeitenwende, eines beginnenden Weltkrieges und<br />

einer verlorenen Hoffnung.<br />

Ein gestalterisch unbedeutsames Möbelstück,<br />

großmächtig gearbeitet, neu bezogen, lässt den<br />

Besucher der Gaststätte an der Michaelsbergstraße 1<br />

in Leonding zunächst stutzen, da es so gar nicht in<br />

die Gaststube passt. Erst die Zusatzinformationen,<br />

die wir bereitwillig hierzu bekommen, rückt auch dieses<br />

Objekt aus der „Normalität des Alltags“ heraus<br />

und umgibt es gewollt oder ungewollt mit einer Aura.<br />

Die Eiche, der Wagen und das Sofa sind ganz normale<br />

Alltagsgegenstände, die erst durch die von<br />

außen herangetragene Bedeutung zusätzlich an Wert<br />

gewinnen oder verlieren. Eine Wertigkeit, die von<br />

gesellschaftlichen Leitgedanken abhängig ist und die<br />

auch künstlich überhöht werden kann, um den Tourismus<br />

anzukurbeln, die Gaststättenbesucher zu vermehren<br />

oder die Besucherzahlen des Heeresgeschichtlichen<br />

Museums zu erhöhen. Allen diesen<br />

Objekten gemeinsam ist jedoch die Verknüpfung mit<br />

einem historischen Ereignis. 2<br />

Die Geschichte des Sofas im Gasthaus Wiesinger,<br />

wird von Ing. Manfred Wiesinger, Baumeister und<br />

Besitzer des Gebäudes gerne erzählt und beginnt mit<br />

der Geschichte des Wirtshauses. 3<br />

Hausblatt Leonding Nr. 12<br />

Wirt zu Leonding<br />

Hoftaferne<br />

Das Wirtshaus Leonding war die Taferne des Schlosses<br />

Holzheim und wird auch in älteren Schriften als<br />

„Hoftaferne“ bezeichnet. Im Jahre 1784 war „Leopold<br />

Herz“ Pächter der Hoftaverne. Ursprünglich hatten die<br />

Grundherrschaften, Klöster, Landadelige aber auch<br />

Pfarreien nahezu alle Schankrechte in den Tavernen<br />

und anderen Landgasthäusern inne. Durch Pacht und<br />

erleichtertes Vergabewesen aber kamen manche<br />

Wirte – urkundlich auch „Leutgeb“ und „Gastgeb“<br />

genannt – zu günstigen Konditionen, oder sie wurden<br />

durch die Gunst der Lage so bevorzugt, dass sie<br />

schneller unabhängig wurden. Im Tram der geschnitzten<br />

Holzdecke des Gastzimmers ist die Jahreszahl<br />

1732 angebracht, ob diese das Erbauungsjahr (Neuerrichtung)<br />

angibt oder damals erst der Plafond eingesetzt<br />

wurde, läßt sich nicht genau feststellen. Der<br />

damalige Besitzer Wiesinger (1872 - 1947) ließ im<br />

Jahre 1938 unter dem Eindruck des zu erwartenden,<br />

steigenden Fremdenverkehrs wegen des „Führers“ –<br />

Adolf Hitler – Heimatortes Leonding das Gasthaus<br />

neu gestalten und auch eine Anzahl Fremdenzimmer<br />

einbauen. 4<br />

Er war uneheliches Kind der Maria Wiesinger und des<br />

Michael Stiefler aus Eferding und führte 1903 das<br />

Gasthaus Wiesinger. Laut Notariatsakt vom 27. Juli<br />

1902 verkaufte M. Stiefler um 32.000,- Kronen das<br />

Gasthaus Leonding Nr. 12 an seinen Sohn J.<br />

Wiesinger. Dessen Sohn Johann Wiesinger (1903 -<br />

1992) erbte 1/14 des Gasthauses mitsamt der<br />

Inneneinrichtung, zu dem auch das Sofa gehörte.<br />

Vor der Übernahme des Gasthaus Wiesinger arbeitete<br />

er als Hoteldirektor am Arlberg. Er wurde 1941 eingezogen<br />

und war 1945 – 1950 in Kriegsgefangenschaft<br />

in Sibirienund war der letzte Leondinger, der<br />

aus der Kriegsgefangenschaft zurückkam. Seine<br />

Schwestern, die auch im Gastgewerbe tätig waren,<br />

führten während dieser Zeit das Gasthaus. Das Sofa<br />

stand immer dort am selben Platz und wurde von den<br />

Gästen genutzt. Auch von Alois Hitler, Vater von Adolf<br />

Hitler, der, als k. k. Finanzoberoffizial in Ruhestand<br />

getreten, 1898 im damaligen Dorf Leonding bei Linz<br />

ein Haus erwarb, worin er bis zu seinem Tod im Jahr<br />

1903 wohnte. Er verstarb auf dem ledergepolsterten<br />

Sofa, das bis zum heutigen Tag im Gasthaus<br />

Wiesinger – jetzt Pizzeria Bardolino – steht.<br />

Zu den Folgen<br />

Herr Staybl Karl, seit 1981 Pächter der Pizzeria<br />

Bardolino, über die Folgen, die sich daraus ergaben,<br />

dass Alois Hitler auf dem Sofa verstarb. 5 Den „Nazibuam“<br />

(meist im Alter von 30 – 35 Jahren), die in den<br />

80iger Jahren gelegentlich kamen, wurde von Hrn.<br />

Staybl Lokalverbot erteilt und aus diesem Grund hörten<br />

diese Besuche auf. Das Sofa gehörte traditionell<br />

75


zur Gaststube. Etwa 1985 ließ Hr. Staybl den Überzug<br />

aus Leder um ATS 20.000,- erneuern. Leider gibt<br />

es dazu keinerlei schriftliche Unterlagen mehr. Er<br />

erinnert sich auch nicht mehr, bei wem er die Arbeit<br />

durchführen ließ. „Auf jeden Fall war es damals gar<br />

nicht so einfach, jemanden für diese Arbeit zu finden“.<br />

Erneuert werden musste der Bezug, da sich „einschlägige<br />

Sammler“ Lederteilchen aus dem Bezug<br />

schnitten und daher dieser unansehnlich geworden<br />

war. Beim Neubezug des Sofas, der ca. 6- 8 Wochen<br />

dauerte, fragten viele „alte“ Leondinger nach der<br />

„Sof“. Hr. Staybl selbst sieht das Sofa nicht als „Nazirelikt“.<br />

Einen „Boom“ an Besuchern, die sich auf dem<br />

Sofa fotografieren ließen, gab es nach der Ausstrahlung<br />

des Filmes „Ein junger Mann aus dem<br />

Innviertel – Adolf Hitler“ von Axel Corti. 6 Ende 1980<br />

drehte sogar ein japanisches Filmteam einen Beitrag<br />

über das Sofa. 7<br />

Zur Vorgeschichte<br />

„23. Februar 1899: Die Familie Hitler siedelte nach<br />

Leonding ueber. ....Das neue Heim... ein freundliches,<br />

schlichtes, einstoeckiges Haus, von einem Obstgarten<br />

umgeben und mit grossen Baeumen vor der<br />

Haustuere... ...Vom Fenster aus sah man die Kuppel<br />

der Dorfkirche heruebergruessen und dahinter reckte<br />

der Kirnberg sein Massiv in die Luft, wohl damals das<br />

Hauptbetaetigungsfeld des jungen Adolf in seinen<br />

Freistunden. Hier schlug er — wie sein spaeterer<br />

Vormund, der Bauernhofbesitzer Josef Meierhofer<br />

erzaehlte — mit seinen Schulkameraden noch einmal<br />

die Schlachten des Burenkrieges, die von Ladysmith<br />

und Bleuefontain, die damals die Jugend ganz<br />

Europas in ihren Bann schlugen und zur Nachahmung<br />

(wenn auch nur mit Knueppeln) herausforderten.<br />

In dieser Zeit ist es auch gewesen, dass die<br />

Jungen populaer gehaltene Kriegsgeschichten ueber<br />

76<br />

den Krieg 1870/71 in die Hand fielen, die seine Phantasie<br />

voellig gefangennahmen. Welches Terrain<br />

waere geeigneter gewesen zur Wiedergabe solcher<br />

Schlachten als das wellige, schwer uebersichtliche<br />

Gelaende von Leonding oder die Tannenwaelder des<br />

Kirnbergs. Die Volksschule, die Adolf noch ein Jahr in<br />

Leonding besuchte, war im Erdgeschoss des Pfarrhauses,<br />

das direkt der Kirche gegenueber lag, untergebracht.<br />

Sie duerfte ihm ebensowenig Schwierigkeiten<br />

bereitet haben, wie die in Lambach, denn wer<br />

Adolf Hitler in jener Zeit kannte, erzaehlt, dass er ein<br />

aussergewoehnlich aufgeweckter Junge voll Witz und<br />

grosser Beredsamkeit war, dem es auch nicht darauf<br />

ankam, bei seinen Schulkameraden handgreiflich<br />

seine Ansichten durchzusetzen, und der deshalb zumeist<br />

bei allen Streichen die Anfuehrerrolle spielte.<br />

Wie es sein Schulkamerad Wieser so treffend ausdrueckte:<br />

„a zuenftiger Lausbub,“<br />

Als der Vater Hitlers einem Blutsturz erlag, uebernahm<br />

der Bauernhofbesitzer Josef Meierhofer die<br />

Vormundschaft ueber Adolf Hitler. Der Vater selbst<br />

hatte diese Regelung noch vorgesehen.“ 8<br />

Mitte August 1902 befiel den 65jährigen Mann ein<br />

Blutsturz. Das ist bezeugt durch eine Ansichtskarte,<br />

die er am 28. Dezember seinem früheren Nachbar<br />

Wührer schrieb; nach seiner Ansicht wurde dieser<br />

Blutsturz ausgelöst durch Überanstrengung beim<br />

Abladen der Kohle in den Keller.<br />

„Samstag, den 5. Jänner 1903, als er so wie alltäglich<br />

in das Gasthaus Wiesinger gekommen und den<br />

ersten Schluck aus dem Weinglas getan hatte, sank<br />

er um; man trug ihn in den Nebenraum, wo er verschied,<br />

noch bevor Arzt und Priester zur Stelle sein<br />

konnten.“ Als Todesursache steht in der Sterbematrik:<br />

Lungenblutung.<br />

„Mit seiner Leiche gingen am Montag, dem 5. Jänner,<br />

als Vertreter der Zollbeamten E. Lugert und sein<br />

Freund Wessely, der ein Jahr später, ebenfalls um<br />

zehn Uhr vormittags, in seinem Amtszimmer das gleiche<br />

plötzliche Ende fand.“<br />

Dies ist der wirkliche Sachverhalt beim Ableben<br />

Hitlers, so wie es mir Frau Wiesinger als damals<br />

Anwesende versicherte. In den Schriften über Adolf<br />

wird - kindischerweise - die Tatsache, daß sein Vater<br />

im Wirtshaus starb, teils verschwiegen, teils zu beschönigen<br />

versucht; kein Grund dazu; ein Pensionist<br />

in der materiellen Lage wie Hitler konnte sich wirklich<br />

vormittags ein Glas Wein gönnen, ohne daß man ihm<br />

darob einen Vorwurf machen dürfte.<br />

Die in Oberösterreich meistverbreitete freisinnige<br />

Tageszeitung, die in Linz erscheinende „Tagespost“,<br />

brachte in ihrer Nummer vom 8. Jänner 1903 folgenden<br />

Nachruf:<br />

„Leonding, 5. Jänner. Wir haben einen guten Mann<br />

begraben - dies können wir mit Recht sagen von<br />

Alois Hitler, k. k. Zollamts-Oberoffizial i. P., der heute<br />

hier zur letzten Ruhestätte getragen wurde. Am 5. d.<br />

M. hatte, als er unwohl, wie er sich fühlte, im Gasthaus<br />

Stiefler mit einem Gläschen Wein sich stärken<br />

wollte, ein Schlagfluß seinem Leben ein plötzliches<br />

Ende bereitet. Alois Hitler stand im 65. Lebensjahr<br />

(richtig im 66. ! Anm.- J. W.- V.) und hatte eine freudund<br />

leidbewegte Vergangenheit. Er hatte, nur mit<br />

Volksschulbildung ausgestattet, ursprünglich das<br />

Schuhmacherhandwerk gelernt, sich aber in der<br />

Folge auf autodidaktischem Wege für die Beamtenlaufbahn<br />

vorbereitet und auf diesem Gebiete Ersprießliches<br />

geleistet, außerdem auch als Ökonom<br />

seinen Mann gestellt. Salzburg, Braunau, Simbach,<br />

Linz u. a. waren seine Dienstorte. Alois Hitler war ein<br />

durch und durch fortschrittlich gesinnter Mann und als


solcher ein warmer Freund der freien Schule. In der<br />

Gesellschaft war er stets heiter, ja von geradezu<br />

jugendlichem Frohsinn. Fiel auch ab und zu ein<br />

schroffes Wort aus seinem Munde, unter einer rauhen<br />

Hülle barg sich ein gutes Herz. Für Recht und Rechtlichkeit<br />

trat er jederzeit mit aller Energie ein. In allen<br />

Dingen unterrichtet, konnte er überall ein entscheidendes<br />

Wort mitsprechen. Ein Freund des Gesanges,<br />

fühlte er sich glücklich inmitten sangesfroher Brüder.<br />

Auf dem Gebiete der Bienenzucht war er eine Autorität.<br />

Nicht zum wenigsten zeichneten ihn große Genügsamkeit<br />

und ein sparsamer, haushälterischer Sinn<br />

aus. Alles in allem: Hitlers Heimgang riß eine große<br />

Lücke, nicht nur in seiner Familie - er hinterläßt eine<br />

Witwe und vier, zumeist unversorgte Kinder -, sondern<br />

auch im Kreise seiner Freunde und Bekannten,<br />

die ihm ein gutes Andenken bewahren werden.“ 9<br />

Für die Familie war dies ein ungeheurer Schlag und<br />

Adolf hat damals an der Leiche seines Vaters herzzerreißend<br />

geweint. Seine Mutter verkaufte dann das<br />

Haus im Jahre 1905 und zog nach Linz (Humboldtstraße<br />

Nr. 31, 3. Stock), da Ja nun Adolf die Realschule<br />

besuchte und der tägliche Weg nach Leonding<br />

für ihn zu umständlich gewesen wäre. Sie starb je-<br />

doch in Urfahr (21. Dezember 1907) im Alter von 47<br />

Jahren an den Folgen eines Krebsleidens. Über ihren<br />

und ihrer Kinder Wunsch wurde sie nach Leonding<br />

überführt und an der Seite ihres Mannes begraben.<br />

Diese Weihnachten waren für Adolf unvergesslich,<br />

seine Mutter hatte er ja unendlich lieb und trug auch<br />

später noch (im Felde) ihr Bild an der Brust. 10<br />

Instrumentalisierung des Ortes im<br />

Nationalsozialismus:<br />

Die Bemühungen der NSDAP Ortsgruppe bzw. von<br />

Propagandaspezialisten der Partei, Elterngrab und<br />

ehemaliges Wohnhaus als wesentliches Element des<br />

Führerkultes zu etablieren, wurden von Hitler durchaus<br />

wohlwollend zur Kenntnis genommen. Für die<br />

Gemeinde bedeutete die Existenz der „Kult- und<br />

Weihestätte“, dass der Strom der Besucher in den<br />

nächsten Jahren nicht abriß: Zehntausende besuchten<br />

das Grab von Hitlers Eltern und wollten sehen,<br />

wie der „Führer“ in seinen Jugendjahren gelebt hatte.<br />

Der Kult um das „Grab der Eltern des Führers“ und<br />

um das „Elternhaus des Führers in Leonding“ wurde<br />

von lokalen Vertretern der NSDAP initiiert und betrieben.<br />

[ ] In den folgenden Jahren wurde das Hitler-<br />

Elterngrab und das Haus zum fixen Programmpunkt<br />

aller damals üblichen Prominentenbesuche. Ähnlich<br />

idealisiert wurde und wird zweifelsohne auch das<br />

besagte Sofa. 11<br />

Der Begriff „Sofa“, stammt aus dem arabischen<br />

ßuffa, im Schwedischen entsprechend soffa, eine<br />

Ruhebank, im Plural „Sofas“; alternativ auch Couch<br />

(aus dem englischen) oder Kanapee (von französisch<br />

canapé) oder Diwan (arabisches Wort für „Amtszimmer“,<br />

vom Verb dawwana – „niederschreiben“) in<br />

Österreich teilweise Bettbank genannt, ist ein gepolstertes<br />

Sitz- und Liege-Möbelstück in verschiedenen<br />

Abb.26: Parte Alois Hitlers<br />

Abb.25: Sofa im Gasthaus Wiesinger, Leonding 2 Abb.27: Sofa im Gasthaus Wiesinger, Leonding 3<br />

Designs für den Tag, daher engl. Daybed. So lautet<br />

der Eintrag im Duden, der uns neben den Wortherleitungen<br />

auch die unbedingte Verbindung mit einer<br />

Ruhestätte, mit Polsterungen und Gemütlichkeit vermittelt.<br />

12 Zum 150. Geburtstag Sigmund Freuds<br />

gestattete das Wiener Freud Museum dem Jubilar<br />

eine Sonderausstellung, die sich der symbolhaften<br />

Couch in Kunst und Kultur des 20. Jahrhunderts widmete.<br />

Seit 1886 therapierte Freud seine Patienten auf<br />

seinem Diwan. Die Couch, soll durch ihre Instabilität,<br />

die „keine eindeutige Körperhaltung vorgibt“ in Pa-<br />

77


tienten einen „Hang zum Kontrollverlust“ hervorrufen.<br />

Auf jeden Fall ist die Couch oder das Sofa ein Berufssignet<br />

geworden. „Die Couch ist ein Ort, an dem<br />

Gedanken gedacht werden dürfen, die an keinem<br />

anderen Ort gedacht werden dürfen.“ 13<br />

Das Sofa oder die Couch wird zu einem Kristallisationspunkt<br />

der Assoziation und wird doch auch<br />

immer mit einer gewissen „Privatheit“ verknüpft. Das<br />

eine oder das andere Sofa der Weltgeschichte hat so<br />

durch die Verbindung mit historischen Ereignissen,<br />

als Propagandamittel, Symbol oder durch Assoziationen<br />

Bedeutung und Weltruhm erlangt.<br />

Noch Ende Juni 2008 ließen sich Amerikaner - ein<br />

älteres Ehepaar – stolz mit einem Glas Sekt in der<br />

Hand auf dem „Sofa“ fotografieren. Inzwischen verblasst<br />

sein „Weltruhm“ immer mehr und seine<br />

Bedeutung schwindet. 14<br />

78<br />

Anmerkungen<br />

1 Kornelius Götz, Präsident VDR, 5. Restauratorentag 2007<br />

2 Thekla Weissengruber, Juli 2008<br />

3 Zeitzeugenbefragung am 17. April 2008<br />

4 Ing. Horst Eigl, KG. Leonding, Häuserverzeichnis nach<br />

Ortschaften, Stand nach dem Josephinischen Lagebuch aus<br />

dem Jahre 1785<br />

5 Zeitzeugenbefragung am 16. April 2008<br />

6 DER SPIEGEL 48/1973 vom 26.11.1973, Ein junger Mann<br />

aus dem Innviertel – Adolf Hitler(Corti Axel: 1973:<br />

Bundesrepublik Deutschland; Österreich)<br />

7 Leider konnten hierzu keine Hinweise gefunden werden<br />

8 Chelius, F.H. Aus Adolf Hitlers Jugendland und Jugendzeit.<br />

1933.pp.27,28,29. http://www.nizkor.org im Juni 2008<br />

9 Jetzinger, Franz; Hitlers Jugend; Phantasien, Lügen und<br />

die Wahrheit; Wien 1956; S. 72ff,<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Jetzinger im Juni 2008<br />

10 Karning, Karl, Der Reichskanzler und Leonding; Linzer<br />

Volksblatt Nr. 86 Seite 6, 1933<br />

11 Kepplinger, Brigitte; Das Leondinger „Hitlerhaus“,<br />

Gutachten zu seiner erinnerungspolitischen Bedeutung<br />

12 Die Geschichte des Sofas und seiner Assoziationen,<br />

berühmte Persönlichkeiten und ihre „Sofas“, „Sofas“, die an<br />

der Welt- und Kulturgeschichte beteiligt waren, bis hin zum<br />

Beispiel des „Roten Sofas, das um die Welt reist“, ist eine<br />

eigene Abhandlung wert und kann an anderer Stelle erläutert<br />

werden.<br />

13 Vom Diwan auf die Couch. Freud Museum zeigt<br />

Liegemöbel als Psychotherapeutikum. In: Der Standard<br />

5.5.2006. – Mayer, Norbert: Der abgewetzte Sitz der Seele.<br />

In: Die Presse 5.5.2006. – Von Hempels Sofa auf Freuds<br />

Couch. In: Süddeutsche Zeitung vom 6.5.2006.<br />

14 Bericht Augenzeuge Philipp Lauthner


FRÜHER TOURISMUS IN LEONDING<br />

Thekla Weissengruber<br />

Tourismus und Neugier, die sich zu Lebzeiten um das<br />

private Leben des Diktators Adolf Hitler scharten,<br />

wurden bewusst gefördert und für andere Zwecke<br />

ausgenutzt. Der Werdegang und Lebensweg dieser<br />

Person wurde vorsätzlich verschleiert, idealisiert, die<br />

vorhandenen archivalischen Fakten verschwanden<br />

und somit war die Möglichkeit gegeben, einen Mythos<br />

aufzubauen. Zahlreiche dieser Mythen konnten inzwischen<br />

widerlegt werden, jedoch sind unzählige<br />

Originaldokumente für immer verloren oder (noch)<br />

nicht aufspürbar. Auch in Leonding waren verschiedene<br />

SA-Offiziere bei den verschiedenen Stellen auf<br />

Suche. In der Pfarrchronik, die von Dechant Josef<br />

Haudum geführt wurde, wird an mehreren Stellen von<br />

derartigen Verlusten berichtet. 1<br />

Dennoch muss gerade die Pfarrchronik, die unzählige<br />

Hinweise auch auf den Tourismus in Leonding gibt,<br />

relativiert werden, da die Einträge aus den Jahren<br />

1938 bis 1945 nachträglich gemacht wurden. Pfarrer<br />

Haudum gibt dies auch selbst zu, wenn er schreibt,<br />

dass er „im folgenden versucht eine Darstellung der<br />

wichtigsten Ereignisse der kommenden Wochen,<br />

soweit man sie im Drange der Ereignisse und der<br />

Arbeit (Matrikendokumente für Arier-Nachweise) in<br />

Kürze wiedergeben kann.“ 2<br />

Als weitere Quellenhinweise dienen die politischen<br />

Akte im Oberösterreichischen Landesarchiv und die<br />

vom damaligen Heimatforscher und ehemaligen<br />

Bundesbahnbeamten Karl Karning seit 1935 geführte<br />

Gemeindechronik, die allerdings wiederum nur den<br />

persönlichen Eindruck wiedergibt. Auch konnte man<br />

von den verschiedenen Zeitzeugen persönliche<br />

Eindrücke und Empfindungen erfahren. Zudem gibt<br />

es unzählige Berichte von Prominentenbesuchen in<br />

den hiesigen Tageszeitungen und Broschüren.<br />

Das „Elterngrab des Führers“<br />

Wichtig erscheint es vorab darauf hinzuweisen, dass<br />

erst mit der Verknüpfung von Elterngrab und Hitlerwohnhaus<br />

die Voraussetzungen gegeben waren, hier<br />

eine Erinnerungsstätte, besser gesagt Kult- und<br />

Weihestätte zu errichten. Die NS-Propaganda, insbesondere<br />

unter Mithilfe der lokalen Vertreter der<br />

NSDAP, initiierten diesen Kult ganz bewusst um das<br />

„Grab der Eltern des Führers“. In allen zeitgenössischen<br />

Berichten wird die Grabstätte als zentraler<br />

Anziehungspunkt hervorgehoben und das Wohnhaus<br />

28<br />

gewissermaßen als zweite Möglichkeit, da in unmittelbarer<br />

Nähe des Friedhofs gelegen, quasi mitgenommen.<br />

In allen Kulturen spielen Geburtsstätten und<br />

Sterbeorte immer eine zentrale Rolle im gesellschaftlichen<br />

Gedächtnis. 3 Demgemäß ist auch zunächst<br />

das Elterngrab Ziel zahlreicher Besucher.<br />

Interessanterweise wurde der Fakt, dass Adolf Hitler<br />

persönlich die Pläne zur Errichtung des Grabes seiner<br />

Eltern im Jahre 1907 gezeichnet hat, nicht ausgenutzt.<br />

4<br />

Der Tourismus, um das Leben und die Herkunft Adolf<br />

Hitlers setzte bereits in den frühen 1930er Jahren an<br />

und ist in den Protokollen der Gendarmerie sehr gut<br />

dokumentiert. Einem Eintrag in den Politischen Akten<br />

verdanken wir den Hinweis, dass seit April 1933 Grab<br />

und Wohnhaus der Eltern Hitlers wiederholt fotografiert<br />

und von Reichsdeutschen besucht werden. Da<br />

das Hitlergrab mehrfach geschändet wird, d.h. niedergelegte<br />

Kränze verworfen, bzw. Schleifen beschädigt<br />

werden, wird das Grab seit dieser Zeit von NSDAP-<br />

Leuten in zivil bewacht. 5 Eine amerikanische<br />

Tonfilmgesellschaft filmt Grab und Wohnhaus bereits<br />

im Mai 1933 und befragt verschiedene Bewohner vor<br />

79


29 30 31<br />

32<br />

80<br />

33<br />

34<br />

35


36 37 38<br />

39 40 41<br />

42<br />

43<br />

44<br />

Abbildungen Seite 79 - 81 zu Absätzen „Elterngrab“ und „Hitlerhaus“<br />

28: Ansprache Wilhelm Hagmüller vor demHitlergrab<br />

29 - 31: Postkarten Kasberger (Elterngrab, Leonding, Elternhaus)<br />

32: Hitlergrab geschmückt<br />

33: Postkarte des Elterngrabs<br />

34: SA-Abordnung vor Hitlergrab<br />

35: Ehrengruß am Hitlergrab<br />

36: Hitlers Elternhaus in Leonding<br />

37: Postkarte mit Hitler-Haus-Motiv<br />

38 Postkarte „Leonding die Heimat des Führers“<br />

39 u. 40: Italienische Delegation mit Eigruber am 5.2.1942<br />

41: Hitler beim Besuch des Elternhauses am 13.3.1938<br />

42: Lageplan für Fremdenführer<br />

43: Poststempel: „Leonding Heimatort des Führers“<br />

44: Fremdenführer Leonding<br />

81


laufender Kamera. Im darauf folgenden Monat (13.-<br />

16. 6.1933) wird das Hitlerhaus und der Friedhof mit<br />

der Kirche, sowie das Hitlergrab von einem gewissen<br />

Haydn aus Linz gemalt. „Nach Angabe des Malers<br />

werden von den Gemälden zur gegebenen Zeit<br />

Lichtbilder angefertigt und zwar dann, wenn die<br />

Grenze nach Deutschland wieder ohne Übertrittsgebühr<br />

überschritten werden kann und freundschaftliche<br />

Verhältnisse zwischen beiden Staaten eintreten“.<br />

So der Polizeibericht, obgleich sich gleichzeitig der<br />

Besuch am Friedhof reduzierte. 6 Dennoch gestattete<br />

die Bezirkshauptmannschaft die Kranzniederlegung<br />

am 19. August 1933 von Josef F., Hoteldiener in<br />

Leonding Nr. 11 und Wilhelm P., Leonding Nr. 18,<br />

obgleich die Hakenkreuzschleifen zu entfernen<br />

waren. 7 Im November mehrten sich die Mitteilungen<br />

über Besuche am Elterngrab des deutschen Reichskanzlers.<br />

Kränze unter anderem vom „Reichsdeutschen<br />

Kameradschaftsbund Linz“ wurden niedergelegt.<br />

„Am Grabe standen viele Neugierige, darunter<br />

auch Nationalsozialisten.<br />

Das Hitlergrab war ausnahmsweise schön geschmückt“,<br />

berichtet der Chronist. 8 Auch am 24.12.<br />

wurde das Grab mit Blumen und drei Christbäumen<br />

reich geschmückt. 9 Im April 1934 wurde das Hitlergrab<br />

besonders an Sonntagen sehr viel besucht. Am<br />

18. April erschienen ein Herr und eine Dame in einem<br />

Personenkraftwagen, die auf das Hitlergrab einen<br />

Kranz niederlegten. Der Kranz hatte zwei Bänder mit<br />

der Aufschrift „Der deutschen Mutter – die Frauen<br />

Deutschösterreichs“. Die Bänder wurden vorläufig<br />

abgenommen und am Posten verwahrt, da dies als<br />

gesetzeswidrige Handlung gesehen wurde und wegen<br />

staatsfeindlicher Handlungen angezeigt hätte<br />

werden sollen. 10 Der Posten Leonding wird in der<br />

Folge angehalten, vermehrt Erhebungen zu machen<br />

82<br />

und die nationalsozialistische „Szene“ in Leonding zu<br />

beobachten. Im November 1934 mussten allerdings<br />

zwei Damen aus Suben wegen Nationalsozialistischer<br />

Betätigung angezeigt werden, da sie am<br />

Elterngrab Ehrenwache hielten und offensichtlich<br />

zwei Kränze mit Schleifen niedergelegt hatten. 11<br />

Andere Kränze werden zum Kriegerdenkmal gelegt<br />

oder entfernt. Die Situationsberichte in diesen Protokollen<br />

sind gerade in diesem Hinblick sehr aufschlussreich.<br />

Aufhorchen lässt auch der Besuch<br />

eines Abgesandten von Franz von Papen im August<br />

1934, dem deutschen Gesandten in Wien, der dadurch<br />

auffiel, dass er mittels Kraftwagen ankam und<br />

einen Blumenstrauß niederlegte 12 , ebenso der deutsche<br />

Konsul aus Kopenhagen, der Leonding am 9.<br />

September 1935 um 10 Uhr besuchte 13 , oder der<br />

deutsche Konsul aus Linz, der mit 14 Personen gar in<br />

4 Kraftwagen vorbeischaute. 14 Auch 1934 wird der<br />

Besuch im Herbst reger und verdichtet sich um den<br />

1. und 2. November zu rund 2000 bis 3000 Personen.<br />

15 Die Besuche in Leonding mehrten sich besonders<br />

nach dem Juliabkommen 1936 16 , sodass<br />

Leonding zu einem beliebten Ort für Manifestationen<br />

reichsdeutscher und einheimischer<br />

Nationalsozialisten avancierte.<br />

Am 6. September 1936 wurde mit dem Donauschiff<br />

„Habsburg“ eine Propagandafahrt vom Passauer<br />

Oberbürgermeister Max Moosbauer zusammen mit<br />

über 300 Nationalsozialisten nach Linz und Leonding<br />

organisiert. Die stürmische Begrüßung in Linz unter<br />

anderem von deutschvölkischen Turnvereinen und<br />

der reichsdeutschen Kolonie, endete in einem Empfang<br />

im Linzer Rathaus unter den Jubelrufen der<br />

Menge. Obligatorisch wurden der Besuch des Elterngrabes,<br />

des ehemaligen Wohnhauses in Leonding<br />

und sogar ein Besuch des einstigen Vormundes von<br />

Adolf Hitler diesen Programmpunkten angefügt. Der<br />

Ausflug endete schließlich im Linzer Gasthaus<br />

Ennsthaler, wo sich zahlreiche „illegale“ Nationalsozialisten<br />

versammelt hatten. 17<br />

Besonders um Allerheiligen und Allerseelen versammelten<br />

sich Unzählige an diesem „nationalen“ Wallfahrtsort<br />

der NSDAP. 18 So auch 1936, wo mehrere<br />

hundert reichsdeutsche Nationalsozialisten, Abordnungen<br />

des „Bundes der Reichsdeutschen“ und des<br />

reichsdeutschen Kameradschaftsbundes aus Linz<br />

und Salzburg an das Elterngrab Hitlers pilgerten, um<br />

dort Kränze mit Hakenkreuzschleifen niederzulegen.<br />

„Auch bekannte Linzer Nationalsozialisten und SA-<br />

Funktionäre, eine Gruppe der Linzer HJ, eine Abordnung<br />

des Linzer „Turnvereins Jahn“ und des<br />

„Turnvereins 1862“ sowie nationalsozialistische Honoratioren<br />

ließen sich in diesen Tagen eine solche<br />

Arena der legalen politischen Deklaration nicht entgehen<br />

und marschierten teilweise regelrecht in militärischer<br />

Formation vor dem Grab auf“. Die planmäßige<br />

Organisation eines weiteren Grabbesuches am 8.<br />

November 1936 durch Linzer Nationalsozialisten dürfte<br />

nach übereinstimmenden Vermutungen der Leondinger<br />

Gendarmerie und des Sicherheitsdirektors von<br />

Sepp Wolkerstorfer ausgegangen sein. 19 Der reichsdeutsche<br />

Konsul Kastner sprach seinen Dank für das<br />

entgegenkommende Verhalten der Sicherheitsorgane<br />

aus und ersuchte bei dieser Gelegenheit, den Vertrieb<br />

von Karten mit Bildern des Hitler-Grabes zu<br />

erlauben. 20 Damit wird bezeugt, dass bereits zu dieser<br />

Zeit, die touristische Verwertung des Wohnortes<br />

Hitlers begonnen hatte. Ebenso erklärt es die frühen<br />

zeichnerischen Zeugnisse bekannter oberösterreichischer<br />

Künstler aus dem Jahre 1936. 21


Spätestens aber mit einer Meldung Anfang 1937 im<br />

Reichsdeutschen Rundfunk wurde Leonding über die<br />

Grenzen hinaus als „Hitler-Ort“ berühmt und bekannt.<br />

Die Pressepropaganda intervenierte wegen angeblicher<br />

„ungeheuerlicher Polizeimaßregeln“ am Elterngrab<br />

des „Führers“, bei der das Grab „in einer unglaublichen<br />

Barbarei erniedrigt“ dargestellt wurde.<br />

Angeblich war ein Reichsdeutscher bei der Niederlegung<br />

eines Kranzes am Grabe der Eltern gehindert<br />

worden. Man versuchte einen „Österreichischen<br />

Affront gegen das deutsche Staatsoberhaupt“ und<br />

eine Verletzung des Juliabkommens zu konstruieren.<br />

Die Angelegenheit endete damit, dass sich der österreichische<br />

Bundeskanzler entschuldigen musste,<br />

obgleich sich der Vorfall als Irrtum herausgestellt<br />

hatte. 22 Pfarrer Haudum berichtet über diesen Fall,<br />

dass „zu Allerheiligen ein B[undes]. Bahnbeamter im<br />

Namen der Germeinde Morzg-Salzburg einen Kranz<br />

niedergelegt, was von den Behörden nicht anerkannt<br />

würde. Der Völkische Beobachter brachte in größten<br />

Lettern auf der ersten Seite einen Artikel mit der Aufschrift:<br />

„Kulturschande in christlichem Ständestaat.“ 23<br />

Auch die Gemeindechronik berichtet ausführlich darüber:<br />

„Am 1. November 1936 legte ein Bundesbahnbeamter<br />

i.R. Herr Reinhold Bruckner in Begleitung<br />

seiner Gattin am Elterngrab des Reichskanzlers und<br />

Führers Hitler einen Kranz im Namen der Gemeinde<br />

Morzg bei Salzburg nieder. Da die genannte Gemeinde<br />

keinen derartigen Auftrag erteilt hatte, wurde<br />

die Kranzniederlegung als Demonstration für die verbotene<br />

NSDAP aufgefasst und das Ehepaar zu 250<br />

Schilling Geldstrafe verurteilt. Es mussten zwar nur<br />

50 Schilling bezahlt werden, der Rest wurde von der<br />

Generaldirektion für die Öff. Sicherheit nachgesehen.<br />

Es nahm sich aber der Deutsche Rundfunk und die<br />

gesamte Deutsche Presse dieser Sache an. Es kam<br />

zu Interventionen der deutschen und der österreichischen<br />

Regierung. Am 22. März wurde die Aufhebung<br />

der Geldstrafe verfügt, eine Regelung der Pensionsfrage<br />

in Aussicht gestellt und von Österreich versichert,<br />

dass man keine Verletzung der Gefühle des<br />

Deutschen Staatskanzlers beabsichtigt hätte.“ 24<br />

Auch um den Geburtstag des „Führers“ mehrten sich<br />

die Besuche in Leonding, so z.B. am 18. April 1937,<br />

wo von rund 1000 Personen berichtet werden konnte.<br />

Meist leisteten die vielen Nationalsozialisten in Leonding<br />

stumm den „deutschen Gruß“ und legten Blumen<br />

nieder. Die Kolonie der Reichsdeutschen in Linz<br />

beging Hitlers Geburtstag nach einer Feier ebenfalls<br />

mit einer Kranzniederlegung am Grab der Eltern. 25<br />

Ziel dieser Aktionen war es auf sich aufmerksam zu<br />

machen und den Anschein zu erwecken, als ob ein<br />

Großteil der Bevölkerung die Ideen des Nationalsozialismus<br />

mittragen würde.<br />

Nach dem Anschluss, bereits am 7. Mai 1938 kamen<br />

weitere „KdF-Schiffe“ nach Linz, wobei die Summe<br />

von 15.000 Personen genannt wurde. Ein „Sonderkraftwagen“<br />

fuhr 5.000 Interessierte nach Leonding<br />

zum „Elterngrab des Führers“. Der Linzer Tourismus<br />

intensivierte in der Folge die Werbungen zur „Jugendstadt<br />

des Führers“ oder zur „Heimat des Führers“. 26<br />

Man darf annehmen, dass regelmäßig auch Fahrten<br />

nach Leonding organisiert wurden.<br />

Die nationalsozialistische Gemeinschaft „Kraft durch<br />

Freude“ (KdF) war eine politische Organisation, mit<br />

der Aufgabe, die Freizeit der deutschen Bevölkerung<br />

zu gestalten, zu überwachen, zu steuern und gleichzuschalten.<br />

Sie bestand seit 1933 als Unterorganisation<br />

der Deutschen Arbeitsfront (DAF),<br />

gestaltet nach dem italienischen Vorbild der Opera<br />

Nazionale Dopolavoro. Nachdem die Zahl der<br />

Urlaubstage von durchschnittlich 8-12 Tagen auf 2-3<br />

Wochen im Jahr verlängert wurde, war auch die<br />

Bewachung und Lenkung der Bevölkerung in der<br />

Freizeit für die neuen Machthaber notwendig geworden.<br />

„Das Ziel der Organisation ist die Schaffung der<br />

nationalsozialistischen Volksgemeinschaft und die<br />

Vervollkommnung und Veredelung des deutschen<br />

Menschen.“ 27 Damit sollte die Arbeitsleistung und<br />

Produktivität gesteigert werden, die Volksgesundheit<br />

verbessert und dem Arbeiter nicht lasterhaftes verweichlichendes<br />

„Vergnügen“, sondern gesunde<br />

„Freude“ und „Kraft“ gegeben werden. Die nun für<br />

jedermann leistbaren „Kraft-durch-Freude“-Aktivitäten<br />

wie Theaterbesuche, Sportveranstaltungen, Konzerte,<br />

Vorträge, Urlaube und Rundfahrten waren Teil der<br />

Bemühung den deutschen Staat zur „Wohlfühldiktatur“<br />

zu machen. 28 Neben der Erholung sollte die<br />

Stärkung des Heimatgefühls, des Nationalstolzes und<br />

des Gemeinschaftsgefühls angepeilt werden. Eben<br />

jener kulturelle Aspekt führte zu bestens organisierten<br />

Reisen in den „Heimatgau des Führers“ und zu den<br />

ehemaligen Wohnstätten der Familie Hitler. Neben<br />

den Touristen, Einzel- oder Gruppeninteressenten<br />

waren es vor allem die Jugendorganisationen, allen<br />

voran die HJ und BDM, die regelmäßige Wanderungen,<br />

bzw. Ausflüge nach Leonding veranstalteten.<br />

Das „Hitlerhaus“<br />

Besonders nach dem Anschluss wurde von der Propaganda<br />

versucht, den Standort des Hitlerhauses<br />

neben dem Friedhof großartiger auszubauen.<br />

Leider sind die tatsächlichen Entstehungsdaten des<br />

Hauses Leonding Nr. 61 nicht bekannt. 29 Urkundlich<br />

erwähnt wird es erstmals durch den Kauf von Postmeister<br />

August Breslmayr am 31. Juli 1891, der das<br />

Gebäude wiederum am 14. November 1898 mit<br />

Eigentumsrecht je zur Hälfe an Alois und Clara Hitler<br />

83


verkauft. 30 Bezogen wurde das Haus von der Familie<br />

Hitler am 23. Februar 1899. 31 Nach dem Tod von<br />

Alois Hitler im Jänner 1903 bekam Klara Hitler erst<br />

mit 3. Dezember die Einantwortungsurkunde über die<br />

Realhälfte übertragen. Mit Kaufvertrag vom 21. Juni<br />

1905 ging das Haus in den Besitz von Wözl Wilhelm<br />

und Wözl Cäzilia über, wechselte in der Folge zu<br />

Josef und Maria Meindl mit 10. 8. 1909. 32 Eine Aktennotiz<br />

lässt nun aufhorchen. „Der Posten Leonding<br />

brachte in Erfahrung, dass sich drei Personen zwei<br />

Frauen und ein Herr, angeblich ein Kaufmann aus<br />

Urfahr – um den Ankauf des Elternhauses des<br />

Reichskanzlers Hitler, in Leonding Nr. 61, bemühen,<br />

jedoch keinen Erfolg hatten.“ 33 Das Objekt war nun<br />

also im Zusammenhang mit der siebenjährigen Verweildauer<br />

der Familie Hitler besonders interessant<br />

geworden.<br />

August Schmöller, der Leiter der „Landesstelle für<br />

Raumordnung für den Gau Oberdonau“ erwirkte als<br />

eine der ersten Amtshandlungen unter Zustimmung von<br />

Gauleiter Eigruber, dass alle Bauten in Oberösterreich,<br />

die mit dem Leben Hitlers in Verbindung gebracht werden<br />

konnten, mit Datum vom 23. April 1938 in die Liste<br />

der denkmalwürdigen Gebäude des Gaues eingereiht<br />

wurden. 34 So selbstverständlich auch das Elternhaus in<br />

Leonding Nr. 61. Reichsleiter Martin Bormann erwarb<br />

alle Gebäude und Räumlichkeiten zu respektablen<br />

Preisen – so auch von der Witwe Meindl am 14. Juni<br />

1938, für die einige Häuser weiter in der gleichen<br />

Straße ein neues Gebäude errichtet wurde. 35 Einer<br />

„Amtserinnerung“ vom Juli 1940 in der Akte des<br />

Bundesdenkmalamtes kann man entnehmen, dass<br />

das Gebäude von der Gauleitung der NSDAP erworben<br />

werden sollte. Zeitgleich interessierte sich eine gewisse<br />

Dora Frank aus Linz, Frankstraße für das Haus, um es<br />

dem Führer schenken zu können. 36<br />

84<br />

Der Landeskonservator war in diesem Fall vom Kreisleiter<br />

Linz-Land befragt worden, da die Absicht bestände<br />

aus der „Weihestätte des deutschen Volkes“<br />

ein Hitlerjugendheim zu machen. Kreisleiter Hammerschmid<br />

bittet nun das Gebäude unter Denkmalschutz<br />

zu stellen, was ihm abgewiesen wird, da es sowieso<br />

denkmalwürdig wäre. Damit war aber das Ansinnen<br />

der HJ abgeschmettert worden. 37 „Auf Ihr Schreiben<br />

vom 8. Juli 1940 und die Übersendung des Programmes<br />

zur Umgestaltung des Führerwohnhauses in<br />

Leonding zu einem HJ-Heim teile ich Ihnen mit, dass<br />

der Führer in der letzten Besprechung äusserte, dass<br />

jegliche Planungen zur Umgestaltung dieses Hauses<br />

zunächst zurückgestellt werden müssten.“ 38 Möglichst<br />

unverändert sollte das Gebäude den Besuchern präsentiert<br />

werden. Die Bienenstöcke des Vaters wurden<br />

wieder aufgestellt, die Möbel zurückgekauft und auch<br />

die Fassade wenig verändert. Einzig Girlanden,<br />

Spruchbänder und Hakenkreuzfahnen, sowie eine<br />

schlichte Hinweistafel zierten das Gebäude in diesen<br />

Jahren. Eine wohl für die damalige Zeit weise Entscheidung<br />

war das Auflegen von Besucher- oder<br />

Gastbüchern im Eingangsbereich des Hauses. Viele<br />

tausende Besucher bestätigten hier ihre Anwesenheit,<br />

sodass bereits bis Jahresende 1938 das sechste<br />

Buch begonnen werden musste. Laut Gemeindechronik<br />

schrieben bis Dezember 1941 bereits 34.544<br />

Besucher aus allen Herren Länder stolz ihre Namen<br />

in diese Bücher. 39 Einer Zeitzeugin verdanken wir<br />

den Hinweis, dass sich auch die hiesigen Kinder<br />

mehrmals darin eintrugen und vom Gemeindebeamten<br />

dafür aber gehörig geschimpft wurden. 40<br />

Ein Souvenirartikelvertrieb wurde in der Folge in<br />

Leonding aufgebaut, der sich nicht nur auf den Verkauf<br />

von Postkarten mit Fotografien der „Weihestätten“,<br />

der Bienenstöcke, der Spielplätze und künst-<br />

lerischer Arbeiten von Leonding erstreckte, sondern<br />

auch die ersten Fremdenführer, Stocknägel, Führerbilder<br />

und anderes hervorbrachte. Am Ausgang zum<br />

Friedhof war ein Verkaufsstand eingerichtet worden,<br />

bei dem diese Artikel feilgeboten wurden. 41<br />

Einer der Vertriebskanäle, besonders im Postkartenverkauf<br />

lief über Wilhelm Hagmüller, den Bäcker des<br />

Ortes, ehemaligen Schulkameraden und Kostgänger<br />

bei der Familie Hitler in Linz. Er ließ auch einen eigenen<br />

Stempel mit dem Hinweis auf „Leonding - Heimatort<br />

des Führers“ anfertigen.<br />

Auch die beiden Wirtshäuser in Leonding profitierten<br />

von diesem Besucherstrom. Sowohl das Gasthaus<br />

Wiesinger, das als besonderen Magnet, das Sofa worauf<br />

der Vater Alois Hitler verstorben war und somit<br />

auch eine gewisse Aura, anbieten konnte, sowie der<br />

Gasthof Mayrbäurl (Leonding Nr. 11) mussten ausgebaut<br />

werden. Beide Gaststätten beherbergten nicht<br />

selten „hohe“ Herrschaften, weiß der Pfarrer zu berichten.<br />

42 Am 15. April 1938 „wurde am Turm der<br />

Kirche ein elektrisches Hakenkreuz aufmontiert auf<br />

der Süd- und Westseite mit je 25 Birnen à 25 Watt,<br />

also zusammen 1250 Watt. Es leuchtete in den<br />

Nachthimmel hinein“ und kündet von der bedeutungsvollen<br />

Stätte am Friedhof in Leonding. 43 In den Gemeinderatsprotokollen<br />

findet sich als Tagesordnungspunkt<br />

Nr. 3 der Sitzung vom 27. Februar 1939 der<br />

Hinweis „Leonding und der kommende Fremdenverkehr“<br />

– leider ist die Niederschrift dieser Sitzung<br />

verschollen, aber die Tatsache der Auflistung beweist,<br />

dass die Bedeutung des Tourismus für die Gemeinde<br />

nicht unwesentlich war und die zu erwartenden<br />

Straßenverbesserungsarbeiten und anderes mehr in<br />

Angriff genommen werden mussten. 44 Ein Wegweiser,<br />

bezeichnenderweise in einem Sammelbildchenalbum<br />

über die Heimat des Führers reichs-


weit wohl bekannt, zeigt eine Ortshinweistafel<br />

„Zufahrtstraße zum Elternhaus des Führers. Heil<br />

Hitler! Sieg Heil!<br />

Polit-Prominenz in Leonding<br />

„Ganz klein und primitiv. Man führt mich in das<br />

Zimmer, das sein Reich war. Klein und niedrig. Hier<br />

hat er Pläne geschmiedet und von der Zukunft geträumt.<br />

Weiter die Küche, in der die gute Mutter kochte.<br />

Dahinter der Garten, in dem der kleine Adolf sich<br />

nachts Äpfel und Birnen pflückte … Hier also wurde<br />

ein Genie. Mir wird ganz groß und feierlich zumute.“ 45<br />

So schrieb Joseph Goebbels über seinen ersten<br />

Besuch in der „Ehrenstätte des ganzen deutschen<br />

Volkes“ am 22.7.1938. Eine Notiz, die zu einem weiteren<br />

Spezifikum Leondings hinweist, das in den<br />

Jahren nationalsozialistischer Herrschaft kennzeichnend<br />

wurde.<br />

Obgleich in den Jahren vor dem Anschluss bereits<br />

die diversen Botschafter und Gesandten huldigend<br />

nach Leonding geschickt worden waren, war der<br />

publikumswirksame und durch den Pressefotografen<br />

Heinrich Hoffmann bestens dokumentierte Besuch<br />

Hitlers in Leonding am 13. März 1938 nur der Anfang.<br />

46 In den folgenden Tagen und Wochen ließen<br />

sich fast alle führenden reichsdeutschen Politiker in<br />

Leonding bei der Ehrerweisung am Grab der Eltern<br />

und beim Wohnhaus journalistisch ertappen. Eine<br />

Inszenierung, die bei näherer Betrachtung wohl nur<br />

den Zweck gehabt haben kann, die Volksabstimmung<br />

vom 10. April propagandistisch vorzubereiten. Inhaltlich<br />

konzentrierte sich die Propaganda der Nationalsozialisten<br />

auf einprägsame, gefühlsintensive<br />

Parolen. Hitler selbst hatte das Konstrukt für diese<br />

Form der Propaganda in seinem1924 verfassten<br />

Grundlagenwerk „Mein Kampf“ beschrieben: „Gerade<br />

darin liegt die Kunst der Propaganda, dass sie, die<br />

gefühlsmäßige Vorstellungswelt der großen Masse<br />

begreifend, in psychologischer richtiger Form den<br />

Weg zur Aufmerksamkeit und weiter zum Herzen der<br />

breiten Masse findet.“ 47 Neben den zentralen Themen<br />

wie Rassismus und Antisemitismus, Volksgemeinschaft,<br />

kriegerisches Heldentum und dem<br />

nationalsozialistischen Frauenbild, war der bedingungslose<br />

Führerkult um Adolf Hitler breit angelegt.<br />

Die Vergangenheit des Führers wurde verschleiert<br />

und mystifiziert.<br />

Bestens geeignet erschienen dafür natürlich die<br />

früheren Wohnorte, die eine besondere ideale ländliche<br />

Umwelt zeichneten, die von ihm selbst in seinen<br />

frühen künstlerischen Arbeiten fixiert wurden und in<br />

Auftragsarbeiten ihre Nachfolge fand. 48 Auch der<br />

Umgang mit den Eltern, das Verweilen am Grab, war<br />

bestens inszeniert und wurde medial perfekt ausgenutzt.<br />

„Er kam aber erst Sonntag, d. 13. 12h30 mittags.<br />

4 Stunden warteten die S.A. Männer und sperrten<br />

den Friedhof in weitem Umkreis ab. Am Turm war<br />

ein Beobachter. Zu Mittag verpflegte der Pfarrer zur<br />

Not 30 S.A. Leute mit warmer Suppe und Geselchtem.<br />

Etwa 5 Minuten verweilte der Führer am Elterngrabe<br />

mit entblößtem Haupte, während Flugzeuggeschwader<br />

über dem Friedhof kreisen. Es war für<br />

Leonding eine geschichtliche Stunde.“ So die Pfarrchronik.<br />

49 Adolf Hitler selbst besuchte Leonding nur<br />

noch ein einziges Mal am 13. März 1941 – einem<br />

ebenfalls perfekt ausgesuchten Datum.<br />

Eine Auflistung der Persönlichkeiten mag hier gestattet<br />

sein, um das Ausmaß darzustellen, obgleich die<br />

Gästebücher, die noch eine detailliertere Auflistung<br />

ermöglicht hätten, leider verschollen sind: 18. 3. 1938<br />

Generalfeldmarschall Hermann Göring, 50 am 4. April<br />

1938 Reichsjugendführer Baldur von Schirach mit<br />

Vertretern der Hitlerjugend, 51 SA Führer aus allen<br />

Gauen des Reiches mit 455 Fahnen, etwa 2000<br />

männlicher Jugend und 6000 vom BDM, 52 der japanische<br />

Botschafter Oskima, 53 SA-Stabschef Viktor<br />

Lutze am 3. 4. 1938, Generaloberst Brauchitsch,<br />

Reichsminister Goebbels, Reichsminister Frick und<br />

Hermann Göring am 28. 8. 1938. Gesandtschaften<br />

aus Italien am 5. 2. 1940 und Rumänien wurden fotografiert.<br />

Joseph Goebbels kam mehrmals nach<br />

Leonding, so am 22. 7. 1938, am Jahrestag des<br />

Anschlusses, am 12. 3. 1941 um auch die Schule zu<br />

besuchen und um knapp ein Jahr später am 5. 2.<br />

1942 wiederzukommen. Einer Zeitzeugin verdanken<br />

wir den Hinweis, dass Frau Goebbels am Muttertag<br />

1942 in Leonding weilte, einen Kranz niederlegte und<br />

von einem kleinen Mädchen einen Blumenstrauß entgegennahm.<br />

54<br />

Am 5. Mai 1945 wurde das Hitlerhaus von den<br />

Amerikanern abgesperrt, das Grab verödete und der<br />

Verkaufsstand am Friedhof verschwand. „Heikle“<br />

Verkaufsobjekte waren bereits vorher entfernt worden.<br />

In Leonding wurde es wieder still.<br />

85


45<br />

47<br />

45 u. 46 Die geschmückte Schule am 12.3.1941<br />

47: Schülerspalier 12.3.1941<br />

48: Goebbels Willkommen am 12.3.1941<br />

86<br />

46<br />

48


49<br />

51<br />

50<br />

52<br />

49: A. Hitler in Leonding 13.3.1941<br />

50: Heftchen „Der Führer und seine Heimat“<br />

51: Postkarte vom Mayerhofergut<br />

52: Rumänische Delegation in Leonding


Anmerkungen<br />

1 Der erste Besuch fand bereits am 12. März 1938 statt.<br />

Haudum nennt sogar die Namen der SA Männer: Robert<br />

Wallner, Bergham und den Gendarmen Maderthaner. Hier<br />

wurden aber nur Theaterrequisiten mitgenommen.<br />

Pfarrchronik S. 126. Auf Seite 144 berichtet der Pfarrer:<br />

Über Auftrag von Berlin kamen Ende 1942 die alten<br />

Matrikenbücher von den Linzer-Pfarren und der Peripherie<br />

weg. „Es waren 3 Totenbücher (1 Juden), 4 Trauungsbücher<br />

(2 Judices und 1 Juden im Konzept), 5 Taufbücher und 4<br />

Judices – ebenso die Alte Pfarrchronik u. der Ablassbrief.<br />

Die Bücher wurden in den Pfarrhof Niederwaldkirchen<br />

geschafft.“ [?]<br />

2 Pfarrchronik S. 126.<br />

3 Gutachten erstellt im Auftrag der Stadtgemeinde Leonding<br />

im Jahre 2002 von Brigitte Kepplinger und Josef<br />

Weidenholzer, Universität Linz, Institut für Gesellschaftsund<br />

Sozialpolitik. Das Leondinger „Hitlerhaus“. Gutachten zu<br />

seiner erinnerungspolitischen Bedeutung. Akten des<br />

Bundesdenkmalamtes Oberösterreich. Linz Land. Leonding<br />

Michaelsbergstr. 16. Hochstr. 2. – Dr. Bernd Euler-Rolle sei<br />

an dieser Stelle für die Einsichtnahme in die Akte herzlich<br />

gedankt.<br />

4 Reproduktionen dieser Pläne siehe: Price, Billy F.: Adolf<br />

Hitler als Maler und Zeichner. Ein Werkkatalog der Ölgemälde,<br />

Aquarelle, Zeichnungen und Architekturskizzen.<br />

Zug/Schweiz 1983. S. 105. Die Originale befinden sich in<br />

Privatbesitz in Südwestdeutschland.<br />

5 OÖLA. Politische Akte. Situationsberichte. Sch. 19.<br />

6 OÖLA. Politische Akte. Situationsberichte. Sch. 19.<br />

7 OÖLA. Politische Akte. Situationsberichte. Sch. 19.<br />

8 OÖLA. Politische Akte. Situationsberichte. Sch. 19.<br />

9 OÖLA. Politische Akte. Situationsberichte. Sch. 19.<br />

10 OÖLA. Politische Akte. Situationsberichte Sch. 20. Akt Nr. 5.<br />

11 Die Schleifen mit der Aufschrift „Den Eltern des Führers<br />

und Reichskanzlers – Von seinen österreichischen<br />

Freunden.“ durften laut Sicherheitsdirektion am Grabe belas-<br />

88<br />

sen werden. OÖLA Politische Akte. Situationsberichte. Sch.<br />

20. Akt Nr. 5.<br />

12 OÖLA. Politische Akte. Situationsberichte. Sch. 20. Akt<br />

Nr. 5.<br />

13 OÖLA. Politische Akte. Situationsberichte. Sch. 21. Akt Nr. 10.<br />

14 Besuch an Allerheiligen 1934. OÖLA. Politische Akte.<br />

Situationsberichte. Sch. 20. Akt Nr. 5.<br />

15 OÖLA. Politische Akte. Situationsberichte. Sch. 21. Akt Nr. 10.<br />

16 Im Juliabkommen mit Österreich wurden die freundschaftlichen<br />

Beziehungen wiederhergestellt. Besonders heikel<br />

wurde in Folge die Behandlung der Nationalsozialisten in<br />

Österreich, da diese seit der Ermordung von Dollfuß verboten<br />

waren.<br />

17 Vgl. auch den Beitrag von J.A. Kauer über den<br />

Nationalsozialismus in Leonding. In der Folge wurde in<br />

einem Verwaltungsstrafverfahren wegen verbotener NS-<br />

Aktivitäten ermittelt. Siehe: Dostal, Thomas: Das „braune<br />

Netzwerk“ in Linz. Die illegalen nationalsozialistischen<br />

Aktivitäten zwischen 1933 und 1938. In: Mayrhofer, Fritz;<br />

Schuster, Walter (Hrsg.): Nationalsozialismus in Linz. Band 1.<br />

Linz 2002. S. 118. vgl. auch: OÖLA Politische Akte.<br />

Situationsberichte. Sch. 22. Akt Nr. 1. wo ebenfalls von<br />

ungefähr 300 Personen aus Passau berichtet wird, die das<br />

Hitlergrab besucht haben.<br />

18 Dostal a.a.O. S. 121.<br />

19 Dostal a.a.O. S. 121. In den Politischen Akten.<br />

Situationsberichte. Sch. 22. Akt Nr. 1. OÖLA wird berichtet,<br />

dass der Besuch in Leonding von österreichischen<br />

Nationalsozialisten organisiert wurden, da namentlich am 8.<br />

November – immer eine Gruppe von 20 bis 25 Personen<br />

beim Grabe stand und diese Gruppen regelmäßig abgelöst<br />

wurden.<br />

20 Dostal a.a.O. S. 122.<br />

21 Vgl. den Artikel von Philipp Lauthner.<br />

22 Zitiert nach Dostal a.a.O. S. 122. AdR, BKA, Inneres,<br />

SR/22 OÖ, Karton 5.114, GZI. 311.905/37, ZL. 324.021/GD.<br />

St.B. 1937: Angriffe der reichsdeutschen Presse wegen<br />

Bestrafung des Reinhold Bruckner, Kranzniederlegung am<br />

Grabe der Eltern des deutschen Reichskanzlers. GZI.<br />

368.839/36, Zl. 373.142/36: Besuch des Grabes der Eltern<br />

des deutschen Reichskanzlers in Leonding am 1. November<br />

1936 sowie Neue Freie Presse vom 10. April 1937 und<br />

Tages-Post vom 2. November 1936.<br />

23 Pfarrchronik S. 113 mit dem eingeklebten<br />

Zeitungsausschnitt vom Linzer Volksblatt Nr. 84, worin der<br />

Rückzug Göbbels mitgeteilt wird.<br />

24 Gemeindechronik Band I. S. 329 f.<br />

25 Dostal a.a.O. S. 122-123. – Bericht in den Politischen<br />

Akten. Situationsberichte. Sch. 23. OÖLA: „Am 20. April hat<br />

der Botschafter von Papen und die Reichsdeutsche<br />

Landesgruppe Österreichs der Auslandsorganisation der<br />

NSDAP je einen Kranz mit roten Schleifen und<br />

Hakenkreuzen am Grabe niederlegen lassen.“<br />

26 Thumser, Regina „Der Krieg hat die Künste nicht zum<br />

Schweigen gebracht“. Kulturpolitik im Gau Oberdonau. In:<br />

Reichsgau Oberdonau. Aspekte 1. Oberösterreich in der Zeit<br />

des Nationalsozialismus. Bd. 2. Herausgegeben vom<br />

Oberösterreichischen Landesarchiv. Linz 2004. S. 131.<br />

Zeitungsberichte: Das erste KdF-Schiff kommt. Linzer<br />

Vorbereitungen ohne Schuschnigg-Büttel. In: Völkischer<br />

Beobachter vom 7.5.1938 und vom 10.5.1938. – Der zehntausendste<br />

KdF-Fahrer in Linz. In: Völkischer Beobachter<br />

vom 16.6.1938. Linz zählte nach Angaben der Pressestelle<br />

im Linzer Rathaus in den Monaten Mai bis Juli 53.000<br />

Einzelbesucher; weiters kamen rund 23.000 Besucher mit<br />

KdF-Schiffen und rund 42.000 Omnibussen. Mit einer<br />

Gesamtzahl von 118.000 Gästen habe sich, so diese<br />

Propagandameldung, der Fremdenverkehr nahezu vervierfacht.<br />

Vgl. hierzu In: Völkischer Beobachter vom 11.8.1938<br />

und vom 19.8.1938. – vgl. auch: Rafetseder, Hermann: Der<br />

„Ausländereinsatz“ zur Zeit des NS-Regimes am Beispiel<br />

der Stadt Linz. In: . In: Mayrhofer, Fritz; Schuster, Walter<br />

(Hrsg.): Nationalsozialismus in Linz. Band 1. Linz 2002. S.<br />

1202.


27 DAF. Informationsdienst vom 26. 1. 1934. vgl. Frommann,<br />

Bruno: Reisen im Dienst politischer Zielsetzungen.<br />

Arbeiterreisen und „Kraft durch Freude“-Fahrten. Stuttgart<br />

1992. S. 108.<br />

28 Vgl. hierzu: Aly, Götz: Hitlers Volksstaat: Raub,<br />

Rassenkrieg und nationaler Sozialismus. Frankfurt am Main<br />

2005.<br />

29 Im Bestandsblatt des Grundbuchsauszuges Leonding EZ<br />

261. Blatt A. wird im Jahre 1896 auf eine neue Bauparzelle<br />

237 hingewiesen und das hierauf entstandene Haus Nr. 61 in<br />

Leonding angezeigt wird (ersichtlich laut Planskizze).<br />

Aufgrund dieser Änderung könnte man als Entstehungszeit<br />

1896 annehmen, was jedoch nicht wirklich gesichert ist, da ja<br />

auch schon vorher ein Gebäude gestanden haben könnte.<br />

30 OÖLA Akte Nachlass Jetzinger. Grundbuchs-Auszug.<br />

31 Gemeindechronik Band II. S. 360.<br />

32 Gemeindechronik Band II.S. 360.<br />

33 OÖLA Politische Akte. Eintragung vom Juli 1935.<br />

34 Mayrhofer, Fritz: Die „Patenstadt des Führers“. Träume<br />

und Realität. In: Mayrhofer, Fritz; Schuster, Walter (Hrsg.):<br />

Nationalsozialismus in Linz. Band 1. Linz 2002. S. 368-369.<br />

Dabei ist die Unterscheidung zwischen „denkmalwürdig“ und<br />

„unter Denkmalschutz stehend“ hervorzuheben, die vom<br />

damaligen Landeskonservator betont wurde (vgl. Akten des<br />

Bundesdenkmalamtes Oberösterreich a.a.O.<br />

35 Vgl. auch den Beitrag von Gerhard Tolar über die Opfer<br />

des Nationalsozialismus. Grundbuchauszug.<br />

36 Notiz in einem Brief vom 20. Juli 1940 vom<br />

Landeskonservator Juraschek an Herrn Oberbaurat Zierl.<br />

Akte des Bundesdenkmalamtes Oberösterreich. Linz Land.<br />

Leonding. Michaelsbergstr. 16. Hochstr. 2.<br />

37 Brief vom 15. Juli 1940. Akte des Bundesdenkmalamtes<br />

Oberösterreich a.a.O.<br />

38 Brief vom 25. Juli 1940 an den Landeskonservator mit<br />

Stempel vom Reichsstatthalter der Stadt Linz an der Donau.<br />

Akte des Bundesdenkmalamtes Oberösterreich a.a.O.<br />

39 Gemeindechronik Band I. S. 373. Am 1.7.1942 waren es<br />

bereits 44.219. vgl. auch den Beitrag von J.A. Kauer.<br />

40 Hinweis von Friederike Haderer, die auch zu berichten<br />

wusste, dass die Bücher 1945 von Pfarrer Haudum übernommen<br />

wurden. Leider verliert sich hier die Spur der<br />

Bücher.<br />

41 Pfarrchronik S. 154.<br />

42 Pfarrchronik S. 154.<br />

43 Pfarrchronik S. 129-130.<br />

44 Ratsarchiv Leonding Mappe Sitzungsprotokolle 1940-<br />

1944.<br />

45 Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Im Auftrag des<br />

Instituts für Zeitgeschichte und in Verbindung mit dem<br />

Bundesarchiv hg. V. Elke Fröhlich. Teil I: Sämtliche<br />

Fragmente. 4 Bände, München 1987 ff. Hier Bd. 3. S. 488.<br />

Eintragung vom 22.7.1938.<br />

46 Vgl. Tages-Post vom 14. März 1938. S. 1. und vom 15.<br />

März 1938. S. 6.<br />

47 Hitler, Adolf: Mein Kampf. München 1939. Kapitel<br />

„Kriegspropaganda“.<br />

48 Vgl. auch den Beitrag von Philipp Lauthner.<br />

49 Pfarrchronik S. 125-126. Vgl. auch. „Der Führer am<br />

Grabe seiner Eltern. Leondings großer Freudentag. In:<br />

Tages-Post vom Montag 14. 3. 1938. Bericht von Josef<br />

Miesenberger, dem neuen Bürgermeister.<br />

50 Pfarrchronik S. 127.<br />

51 Pfarrchronik S. 129. vgl. auch Tages-Post vom 4. April<br />

1938. S. 1.<br />

52 Pfarrchronik S. 129.<br />

53 Pfarrchronik S. 154.<br />

54 Hinweis von Friederike Haderer. Gespräch im Dezember<br />

2007.<br />

89


DER VERÄNDERTE BLICK<br />

HITLER IN LEONDING ALS THEMA DAMALIGER KUNST<br />

Philipp Lauthner<br />

Wir beobachten ein altes, kleines, in seinen Proportionen<br />

dennoch wuchtiges, fest gemauertes Haus, so,<br />

als ob wir gerade entlang jenes Feldwegs daran vorbeispazierten,<br />

an dessen Rand sich die Eingangsfront<br />

des Gebäudes schmiegt. Der lose Lattenzaun,<br />

der das Haus von der Straße abgrenzt, gibt gleichwohl<br />

den Blick auf die Eingangstür und die Fenster<br />

im Erdgeschoss frei. An den Flanken verdecken<br />

Sträucher und Bäume die Sicht, sie betten das Haus<br />

in die Natur, als wäre es ganz natürlich mit ihnen<br />

gewachsen. Seitlich vor dem Haus überragt eine<br />

hohe Zeder die roten Ziegel des Daches, die bis zu<br />

jenen zwei kleinen Rauchfängen empor ragen, die<br />

den Abschluss des Firstes bilden. Es ist für diese<br />

Gegend kein untypisches Haus. Die Fenster zum<br />

Dachgeschoß stehen uns offen entgegen, zu jenem<br />

Dachgeschoß, in dem sich Adolf Hitlers Jugendzimmer<br />

befand.<br />

Tatsächlich beobachtet der Betrachter der im Zentrum<br />

dieser Arbeit stehenden Werke das Elternhaus Adolf<br />

Hitlers, in dem er mit seiner Familie von 1898 bis<br />

1904, von seinem neunten bis zu seinem 15. Lebensjahr,<br />

in Leonding wohnhaft war. In unzähligen Ver-<br />

90<br />

sionen wurde dieses Gebäude künstlerisch thematisiert,<br />

gemalt und gezeichnet, und es wird durchgehend<br />

ein ähnliches Bild entworfen: das kleine, idyllische<br />

Häuschen am Wegrand bildet das Zentrum der<br />

Bildaussage. Das Gebäude steht zumeist formatfüllend<br />

im Bildmittelpunkt, das Umfeld und die nähere<br />

Umgebung des Hauses sind nicht abgebildet. Es ist<br />

freilich nachvollziehbar, warum die meisten dieser<br />

Darstellungen im Jahre 1938 und den Folgejahren<br />

datieren. Der Zeitpunkt des Anschlusses Österreichs<br />

an das deutsche Reich und die Machtübernahme<br />

Hitlers machte all jene Orte und Plätze, die in Verbindung<br />

mit der Biografie des Führers standen und<br />

stehen, zu sehenswürdigen Pilgerstätten für Anhänger<br />

des Nationalsozialismus; und natürlich auch<br />

für Künstler, die sich im Rahmen der neuen kulturellen<br />

Bühne Aufträge und Publikationen erhofften. In<br />

der Tat finden sich unter den Erstellern der Hitlerhausbilder<br />

einige Namen, deren Werke auch in der<br />

ab 1941 erscheinenden NS-Kulturzeitschrift „Oberdonau“<br />

veröffentlicht werden. Beispielsweise findet<br />

sich in der ersten „Oberdonau“-Ausgabe das Gemälde<br />

„Aus dem Polenfeldzug“ von Robert Angerhofer,<br />

der in diesem Werk stilistisch ganz der deut-<br />

schen Propagandakunst entspricht, 1 und das zweite<br />

Heft 2 „zeigt ein Aquarell von Franz X. Weidinger, in<br />

dem die organisierte Volksmenge am Linzer Hauptplatz<br />

geschildert wird, die am 12. März 1938 den<br />

Führer erwartet.“ 3<br />

Robert Angerhofer beispielsweise hat für seine künstlerische<br />

Version des Leondinger Hitlerhauses zum<br />

Bleistift gegriffen (Abb. 53) und das Gebäude in einer<br />

detailreich realistischen Zeichnung abgebildet, wobei<br />

hier zu erwähnen ist, dass die Fensteranzahl im<br />

Obergeschoß nicht mehr den ursprünglichen Gegebenheiten<br />

entspricht. Das Werk ist im Jahr 1936 ent-<br />

Abb.53: Zeichnung Robert Angerhofer 1936


Abb.54: Darstellung Hans Wunder 1936<br />

standen und der Künstler entwirft hier ein Bild, wie es<br />

eingangs zu dieser Arbeit bereits ausführlich geschildert<br />

wurde. Idyllisch liegt das umzäunte und von Bäumen<br />

umwucherte Haus am Rande jener Straße, auf<br />

der sich Künstler und Betrachter im festgehaltenen<br />

Augenblick befinden. Die Abbildung des Gebäudes<br />

aus dieser Position scheint die gängigste Ansicht zu<br />

sein, sie findet sich immer wieder auch auf zu Propagandazwecken<br />

veröffentlichten Postkarten, Anhängern<br />

und Plakaten. Diese Darstellung gleicht<br />

dementsprechend jenen von Hans Wunder (Abb. 54)<br />

und Leo Adler (Abb. 55), die das Motiv aus der gleichen<br />

Perspektive ins Bild rücken und dabei eine ganz<br />

Abb.55: Darstellung Leo Adler 1938<br />

ähnliche Atmosphäre einfangen. Das Werk von Hans<br />

Wunder zeigt das Haus allerdings nicht wie die beiden<br />

anderen in der warmen, blühenden Jahreszeit,<br />

sondern im Winter mit kahlen Bäumen und blattlosen<br />

Sträuchern, wodurch einerseits das Gebäude klarer<br />

in Erschienung tritt, und andererseits eine kühlere<br />

und distanziertere Stimmung entsteht. Interessant ist<br />

hierbei, dass diese Darstellung früher als die anderen,<br />

nämlich bereits 1936 entstanden ist. Im Gegensatz<br />

dazu zeigt sich der propagandistische Inhalt des<br />

Motivs in der Darstellung von F. Mernbauer beson-<br />

Abb.56: F. Mernbauer: Hitler Elternhaus 1938<br />

ders plakativ (Abb. 56). Das Werk war „Zur Erinnerung<br />

an den denkwürdigen Tag, an welchen unser<br />

Führer, am 13. März 1938, nach langen Jahren wieder<br />

sein Elternhaus besuchte“ – so der dem Bild ein-<br />

geschriebene Text – entstanden. Besonders farbenfroh<br />

und prächtig präsentiert sich hier das Haus in<br />

der frühlingshaften Umgebung, die Betonung der<br />

Idylle wird hier eindrucksvoll erkennbar. In dem das<br />

Bild umgebenden, schwarzen Rahmen wird noch einmal<br />

eine konkrete Propaganda-Botschaft formuliert:<br />

„Wir danken unsern Führer“, daneben das symbolische<br />

Hakenkreuz. Würde man der Straße noch ein<br />

Stück weit folgen, an Eingangsfront und Gartenzaun<br />

vorbeigehen und nach einigen Metern den Blick zurückwenden,<br />

so hätte man jenen Punkt erreicht, von<br />

dem aus der Künstler F. Höfner das Hitlerhaus gemalt<br />

haben muss (Abb. 57). Höfner konzentriert sich dabei<br />

stark auf die Eingangsfront des Hauses, die dem<br />

Betrachter entgegenstehende Seitenfront ist im Bild<br />

nur angeschnitten. Interessanterweise ist von diesem<br />

Blickwinkel aus die Eingangstür durch den auch in<br />

allen anderen Werken dominanten Nadelbaum verdeckt.<br />

Durch die Kolorierung des Bildes ist hier die<br />

Abb.57: Darstellung Höfner 1938<br />

fahl gelbe Bemalung der Außenwand erkennbar.<br />

Bäume und Sträucher sind auch hier kahl, wodurch<br />

hier der Blick auf die im Hintergrund liegende<br />

Landschaft ermöglicht wird, die sich in einem großen<br />

91


weiten Feld abzeichnet. Die idyllische Einsamkeit und<br />

bäuerliche Naturverbundenheit wird dadurch noch<br />

einmal unterstrichen.<br />

Es sind also durchaus namhafte oberösterreichische<br />

Künstler, die sich mit dem Nationalsozialismus und<br />

dessen Auftreten in Österreich auseinandersetzen,<br />

und die sich dem Elternhaus Hitlers als Objekt künstlerischen<br />

Interesses widmen. Dabei stehen die stilistischen<br />

wie die inhaltlichen Merkmale der Darstellungen<br />

durchaus im Kontext der damaligen „oberösterreichischen“<br />

Kunstlandschaft. Bemerkenswert ist hierbei,<br />

nimmt man den Inhalt der Zeitschrift „Oberdonau“<br />

als für diese Kunstlandschaft stellvertretend an, der<br />

Umgang mit der neuen poltischen Situation und den<br />

damit verbundenen Auswirkungen auf die oberösterreichische<br />

Heimat. So ließe sich die Zielsetzung der<br />

Zeitschrift „Oberdonau“ wie folgt zusammenfassen:<br />

„Das Hauptaugenmerk wird nicht auf eine direkte<br />

Propagierung nationalsozialistischer Inhalte gelegt<br />

(…), sondern auf eine geistige Gemeinsamkeit der<br />

Bevölkerung mit den Planungen der Machthaber.“ 4<br />

Es ist auch bei den Darstellungen des Hitlerhauses<br />

keinerlei plakative Propaganda oder idealisierte<br />

Verherrlichung etwa der Kindheit und Jugend Hitlers<br />

zu erkennen, es gibt überhaupt keine Anzeichen<br />

dafür, dass Hitler hier gelebt haben sollte.<br />

Wüsste der Betrachter also nicht, um welches Gebäude<br />

es sich tatsächlich handelt, so würde er wohl<br />

nichts Auffälliges an Kunstwerk und Gebäude erkennen,<br />

und diese Werke als durchaus typische Darstellungen<br />

heimatlicher Kunst in eine Unzahl „nichtssagender“<br />

Landschafts- und Gebäudemalereien einordnen.<br />

Freilich war dem Betrachter damaliger Tage<br />

wohl bewusst, dass es sich hier um das Elternhaus<br />

des Führers handelte, oder es wurde ihm zumindest<br />

92<br />

bewusst gemacht, wie das oben erwähnte Beispiel<br />

von Mernbauer zeigt. Kunstwerke über Orte und<br />

Plätze der Vergangenheit Adolf Hitlers erhielten ihre<br />

Bedeutung natürlich im Zusammenhang mit der politischen<br />

Situation und im Kontext der Vermittlung nationalsozialistischer<br />

Inhalte.<br />

Es ist an diesem Punkt interessant darauf hinzuweisen,<br />

wie objektiv uninteressante, unbelebte Gebäude,<br />

Plätze und Orte durch historische Vorgänge und deren<br />

Auswirkungen dauerhaft „beseelt“ werden. Unbedeutende,<br />

völlig normale und alltägliche Gebäude<br />

werden plötzlich durch die Berühmtheit eines Bewohners<br />

zu Sehenswürdigkeiten, die eine offene<br />

Projektionsfläche für Interpretationen und Spekulationen<br />

über das Leben eben dieser berühmten<br />

Persönlichkeit bieten. Nicht ohne Stolz prangen<br />

an den Wänden solcher Gebäude oft schriftliche<br />

Hinweise auf die Lebensdaten des berühmten Bewohners.<br />

Es ist der scheinbare Einblick in den Alltag<br />

und Werdegang eines begehrenswerten Lebens, der<br />

die Beobachter über die Zeit hinweg in seinen Bann<br />

zieht. Die Möglichkeit des Betrachters, sich ein Bild<br />

von den Umständen eines prominenten Lebens zu<br />

machen, hat einen überzeitlichen Reiz, wie die heutige<br />

Tageszeitungen und Illustrierte überschwemmende<br />

Promi-Kultur beweist.<br />

Es ist also wenig verwunderlich, dass das Elternhaus<br />

einer die Geschichte so entscheidend prägenden<br />

Person wie Adolf Hitler, obwohl es sich für deren<br />

Werdegang in keiner Weise als entscheidend erwies,<br />

dennoch zu einem Objekt öffentlichen und künstlerischen<br />

Interesses wurde. Wie bereits erwähnt, ist hierbei<br />

die Konzentration auf die dem Haus und der im<br />

Kunstwerk geschilderten Situation innewohnende<br />

Idylle bemerkenswert. Dem jugendlichen Leben Adolf<br />

Hitlers wird so ein idyllisches Umfeld gegeben, eine<br />

natur- und heimatverbundene, bodenständige Herkunft<br />

entworfen, das Bild des sich von durchschnittlichen<br />

Verhältnissen aus entwickelnden, alles überragenden<br />

Führers eines ganzen Volkes nahe gelegt.<br />

Der vermittelte Inhalt ist dennoch nicht inszeniert<br />

oder explizit zur Schau gestellt, Hitler wird als Person<br />

weder idealisiert noch heroisiert, er wird im Bild nicht<br />

einmal erwähnt, vielmehr wird bloß das Gebäude in<br />

dem er lebte einfach und realistisch geschildert. Dem<br />

damaligen Betrachter als Zielgruppe der Nationalsozialisten<br />

mag es aber durchaus gefallen haben,<br />

dass der Führer aus normalen, bürgerlichen Verhältnissen,<br />

also mitten aus dem eigenen Volk entstammte.<br />

Dem heutigen Betrachter bieten diese Darstellungen<br />

aufgrund der historischen Entwicklungen bereits einen<br />

ganz anderen Interpretationshorizont, der sich dennoch<br />

erst in dem Moment öffnet, in dem die Verbindung mit<br />

der Person Adolf Hitler hergestellt werden kann. Hier<br />

mögen der Idylle ob dem Wissen um die grausamen<br />

Folgen des Regimes, die nicht konfliktfreie Kindheit und<br />

das gespannte Verhältnis Hitlers zu seinem Vater<br />

bereits Anzeichen der Dunkelheit und Grausamkeit<br />

innewohnen. Dennoch ist die Idylle der Heimat beliebtes<br />

künstlerisches Thema der damaligen Zeit. Es ist<br />

auch in allen Ausgaben von „Oberdonau“ durchgehendes<br />

Programm, in ausgewählten Landschaftsmalereien,<br />

Fotografien und literarischen Texten auf die idyllische<br />

Schönheit der Heimat hinzuweisen, was dem Zweck<br />

diente, „eine möglichst alle Bevölkerungsschichten<br />

umfassende kulturelle Identität eines Landes, das<br />

früher Oberösterreich hieß, und nunmehr als<br />

Oberdonau bezeichnet wird“ 5 , zu vermitteln. Es ist<br />

durchaus im Sinne der damaligen nationalsozialistisch<br />

geprägten Kulturlandschaft, der Bevölkerung ein


gemeinsames Projektionsbild einer idealen Heimat zu<br />

vermitteln. 6 Was also für kleine Orte und Gebäude gilt,<br />

wird hier für eine ganze Region angewandt, und im selben<br />

Prinzip im Rahmen der nationalsozialistischen<br />

Propaganda auf eine ganze Nation ausgedehnt. Die<br />

Projektion kollektiver Sehnsüchte auf die Ideale des<br />

deutschen Reichs und deutschen Volks selbst wurde<br />

nicht zuletzt durch die Vereinnahmung der bildenden<br />

Künste und der Massenmedien erfolgreich geschürt.<br />

Die Darstellungen des Hitlerhauses spielen hierbei<br />

natürlich nur eine untergeordnete Rolle, ähnlich wie die<br />

Stadt Leonding im Leben Hitlers nur eine untergeordnete<br />

Stellung einnimmt. Es ist wohl letztlich die<br />

Kombination aus dem Elternhaus und dem Elterngrab<br />

Hitlers, das sich unweit des ersteren auf dem<br />

Leondinger Friedhof befindet, und das ebenfalls als<br />

Thema künstlerischer Darstellungen gewählt wurde, die<br />

dem damaligen Ort seine Bedeutung im Rahmen des<br />

nationalsozialistischen Regimes gaben.<br />

Abb.58: Aquarell Franz Glaubacker 1938<br />

Ein Aquarell von Franz Glaubacker, das mit 1938<br />

datiert ist, zeigt beispielsweise das Grab der Eltern<br />

Adolf Hitlers (Abb. 58). Die alte Leondinger Kirche bildet<br />

dabei den Bildhintergrund, vor dem sich der Friedhof<br />

mit all seinen Grabsteinen und Gräbern ausbreitet.<br />

Im Vordergrund links ist das Elterngrab Hitlers<br />

durch einige Kränze und Hakenkreuz-Dekorschleifen<br />

ausgezeichnet. Erstaunlicherweise steht an der Stelle<br />

des Hitlergrabes eine groß gewachsene Zeder, eine<br />

nicht zufällige Parallele zum Wohnhaus Hitlers Eltern,<br />

wuchs eben dieser Nadelbaum doch angeblich neben<br />

jenem Baum, der vor der Eingangsfront des Elternhauses<br />

stehend die Hitlerhausbilder so eigenartig<br />

dominiert. 7 Auch in dieser Darstellung fällt die nicht<br />

zur Schau gestellte NS-Inszenierung auf, vielmehr<br />

wirkt das Bild wiederum wie die einfache Schilderung<br />

gegebener Tatsachen.<br />

Durch jene künstlerischen Darstellungen von Elternhaus<br />

und Elterngrab, sowie durch die Besuche Hitlers<br />

und einiger ranghoher NS -Persönlichkeiten hat Leonding<br />

dennoch eine gewisse Beachtung gefunden und<br />

Bedeutung erlangt. Durch den Verlust des Zweiten<br />

Weltkriegs und den unausweichlichen Untergang des<br />

Regimes haben sich nun in den einstmals gern besuchten<br />

und beworbenen Sehenswürdigkeiten unangenehme<br />

Denkmäler manifestiert. Der Umgang mit<br />

dem Erbe ist für Städte wie Leonding zu einer herausfordernden<br />

Aufgabe geworden, wie man im weitesten<br />

Sinne auch an den Hitlerhausbildern ablesen<br />

kann. Das unter Denkmalschutz stehende Haus mit<br />

der unglücklichen Vergangenheit ist, auch Jahrzehnte<br />

danach noch mit eben den oben erwähnten historischen<br />

Fakten und subjektiven Projektionen belastet,<br />

nach Rücksprache der Stadt Leonding mit dem<br />

Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik nicht als<br />

offizielles Mahnmal ausgezeichnet. Dafür wurde die<br />

inhaltliche Bedeutung des Gebäudes subtil umgewandelt:<br />

im ehemaligen Hitlerhaus ist heute die<br />

Leondinger Bestattung beheimatet. Das Gebäude<br />

selbst gleicht immer noch den gemalten Darstellungen<br />

seines Urzustands, wenn auch einige Bäume<br />

anfälligen Umbaumaßnahmen weichen mussten und<br />

der Feldweg inzwischen zur asphaltierten Straße<br />

erweitert wurde. Im Hintergrund sind heute Wohnhäuser<br />

und ein Kinderspielplatz. Immer noch, und<br />

ganz unabhängig von der Person Adolf Hitler, strahlt<br />

das Gebäude eine gewisse Idylle aus.<br />

Es ist eine überaus interessante Wandlung, die ein<br />

Gebäude wie das Hitlerhaus im Laufe der Geschichte<br />

vollzieht. Vom normalen Bürgerhaus zur Sehenswürdigkeit,<br />

zum Kunstobjekt, zum Pilgerziel, zum<br />

Bestattungsunternehmen. Ebenso erstaunlich ist die<br />

damit verbundene Wandlung des Interpretationshorizonts,<br />

die Veränderung des Blicks des durchschnittlichen<br />

Beobachters von Kunstwerk und Gebäude,<br />

der zunächst Sehnsüchte und Hoffnungen in<br />

selbige projizierte, und den heute die Erinnerung an<br />

die dunklen Auswirkungen menschlicher Grausamkeit<br />

bedrücken. Es sind die Spuren und Taten lebendiger<br />

Geschichte, die in einem einfachen Haus, einem<br />

durch und durch leblosen Objekt offensichtlich werden.<br />

93


Anmerkungen<br />

1 Oberdonau Folge 1, Jg. 1, Februar/März 1941.<br />

2 Oberdonau, Folge 2, Jg. 1, April/Mai 1941.<br />

3 Assmann, Peter: Aus dem Heimatgau des Führers.<br />

„Oberdonau“ und die Kunst und Kultur in Oberösterreich. In:<br />

Tabor, Jan (Hrsg.): Kunst und Diktatur. Bd. 1, Baden 1994.<br />

4 Assmann, Peter a.a.O.<br />

5 Vgl. Assmann, Peter a.a.O.<br />

6 Vgl. Ebd.<br />

7 Einer der beiden Zedern, die ursprünglich links und rechts<br />

der Eingangstür des Hitlerhauses standen, wurde wohl von<br />

Hitlers Mutter nach dem Tod ihres Gatten zu dessen Grab<br />

umgepflanzt. Quelle: J.A. Kauer.<br />

94


KRIEGSOPFER ALS FOLGE DER EREIGNISSE NACH 1938<br />

Josef Andreas Kauer<br />

Kaum jemand ahnte 1938, was den umjubelten Ereignissen<br />

dieses Jahres folgen werde. Schon ein<br />

Jahr später, im September 1939 zog der losgebrochene<br />

2. Weltkrieg auch Leonding in die schicksalhafte<br />

Verwicklung mit dem Deutschen Reich. Hunderte<br />

Tote bis zum Mai 1945 allein in unserer Gemeinde,<br />

Abertausende in der kriegführenden Welt. Und wie<br />

schon 1918 nach dem Ersten Weltkrieg stellte sich<br />

auch 1945 nach schrecklichen Opferbilanzen die<br />

Frage nach der Sinnhaftigkeit von Auseinandersetzungen.<br />

Eine Kugel kam geflogen: gilt sie mir oder gilt sie<br />

dir? Ihn hat es weggerissen, er liegt mir zu den<br />

Füßen, als wär’s ein Stück von mir...<br />

Will mir die Hand noch reichen, derweil ich eben<br />

lad’. „Kann dir die Hand nicht geben, bleib du im<br />

ew’gen Leben mein guter Kamerad!“<br />

Kaum besser können die zweite und dritte Strophe<br />

dieser alten Volksweise nach Worten Ludwig Uhlands,<br />

1809, die Unerbittlichkeit und Grauenhaftigkeit jeglichen<br />

Kriegsgeschehens darstellen. Wir erleben der-<br />

zeit wohl den längsten kriegsfreien Zeitraum seit<br />

Menschengedenken, und es ist schwer geworden,<br />

jungen Menschen zu erklären, dass der Frieden leider<br />

keine Selbstverständlichkeit ist. Ihre Großeltern<br />

mussten einen meist sinnlosen Tod erleiden, oder sie<br />

sind mit tiefen Narben aus den Schlachten des<br />

Zweiten Weltkriegs heimgekommen und haben leidvolle<br />

Erfahrungen mitgebracht. Viele junge Menschen<br />

wollen an den Krieg nicht erinnert werden, ja, schlimmer<br />

noch: nichts von der Problematik, dem Zwang<br />

und der Angst ahnend, mit der so viele Tausende in<br />

den Krieg mussten, machen sie es sich einfach und<br />

stempeln die damaligen Kriegsteilnehmer zu Mittätern,<br />

die den Krieg gewollt hatten und an ihm<br />

schuld sind. Wären sie aber damals in diese Kriegszeit<br />

hineingeboren worden, hätte man auch sie gnadenlos<br />

zum Dienst mit der Waffe gezwungen.<br />

Der Friede ist keine Selbstverständlichkeit.<br />

Er muss immer wieder aufs Neue erworben werden.<br />

Einer überlebenden Generation bleibt nicht nur die<br />

Mahnung hinterlassen, den Gefallenen, den Vermissten,<br />

den Bombentoten und anderen Kriegsopfern<br />

ein ehrendes Andenken zu bewahren, sondern –<br />

59<br />

wenn diese Generation die Zukunft bewältigen will -<br />

muss sie Tag für Tag neu beweisen, wie bedeutsam<br />

ihr der Begriff Frieden ist: mit Bereitschaft für den<br />

Nächsten, mit der Art ihres Zusammenlebens in der<br />

Familie, mit dem Verstehen der Anliegen und<br />

Probleme anderer, mit Liebe und Treue zur Heimat<br />

und der Bereitschaft, Opfer für sie zu bringen, mit der<br />

Achtung der Freiheit und noch einigen anderen zum<br />

Teil schon halb vergessenen Idealen, wie zum Beispiel<br />

auch das Wahren von Tradition. Friedensbilden<br />

ist eine tägliche Herausforderung: in der Familie, in<br />

kleinen Gemeinschaften, in den Betrieben, in der<br />

Gesellschaft. Gott sei Dank haben wir heute keine<br />

unmittelbaren Auswirkungen von Krieg zu verspüren.<br />

Das Vermächtnis der Kriegstoten aber verpflichtet<br />

uns zu größter Wachsamkeit, zum Lernen aus den<br />

Fehlentwicklungen im Weltgeschehen und zur<br />

Förderung friedenssichernder Unternehmungen.<br />

Die Leondinger Opfer<br />

Als es noch die von Fritz Fröhlich ausgestaltete<br />

unterirdische Kriegsopfer-Gedenkstätte auf dem<br />

Leondinger Stadtplatz gab, existierte ein „Gedenkbuch“,<br />

in dem alle Gefallenen, Vermissten und anders<br />

95


Abb.59 u. 60: Soldatengräber in Norwegen<br />

zu Tode Gekommenen aufgelistet waren. Das Buch<br />

war damals nach bestem Wissen und dem Stand um<br />

1960 angelegt worden. Als 2001 das neue Kriegerdenkmal<br />

an der heutigen Friedhofmauer gestaltet<br />

wurde, sind diese Opferzahlen korrigiert und die<br />

Namen einst fehlender Kriegsopfer ergänzt worden.<br />

Doch ist es auch heute noch so, dass laufend neue<br />

Leondinger Opfer des 2. Weltkriegs bekannt werden<br />

und die Auflistungen wohl noch lange Zeit unvollständig<br />

bleiben werden.<br />

Unsere heutige Aufstellung, wieder zusammengetragen<br />

vorbehaltlich weiterer Meldungen, wäre wohl<br />

nach Gemeinsamkeiten der Todesart zu gliedern<br />

gewesen, konnte aber nur grob nach Gefallenen –<br />

Vermissten - In der Heimat nach Kriegsfolgen<br />

96<br />

Verstorbenen - Bombentoten etc. gegliedert werden,<br />

heute jedoch könnte man z.B. allein bei den<br />

Russland-Toten unterscheiden zwischen Gefallenen<br />

oder Vermissten im Zuge von Kampfgeschehen,<br />

Vermissten, die später in russischen<br />

Gefangenenlagern interniert wurden und dort gestorben<br />

sind und Vermissten, von denen überhaupt keine<br />

weiteren Einzelheiten bekannt wurden, wie sie zu<br />

Tode gekommen sind. Aber auch bei allen anderen<br />

Kriegsschauplätzen hat es unzählige Opfer gegeben.<br />

Die geheimen Archive des KGB<br />

Um den Umfang der Gefangenen- und Gefangenensterbeproblematik<br />

in Russland zu erfassen, muss<br />

man sich vergegenwärtigen, dass die „Sowjetische<br />

Hauptverwaltung für Kriegsgefangene“ ein Netz von<br />

über 4000 Lagern umfasste, 1 in denen Abertausende<br />

Wehrmachtsangehörige, darunter über 140.000 registrierte<br />

Österreicher, unter unvorstellbaren Lebensund<br />

Arbeitsbedingungen vegetierten und Ungezählte<br />

von ihnen auch starben: in Bergwerken Zentralrusslands<br />

oder im Ural, am Bau, auf Kolchosen oder in<br />

sibirischen Straflagern.<br />

Dank der Vorliebe der Sowjets für Verwaltung wurde<br />

einst von jedem der Gefangenen ein Personalakt angelegt,<br />

der sogar mit Bemerkungen über den sozialen<br />

Status in der Heimat, über seine Familienverhältnisse,<br />

seinen Lebenslauf und schließlich seine oft umfangreiche<br />

Krankengeschichte und woran, wann, wo und<br />

wie er starb ausgestattet war.<br />

Auch war es den Sowjets fremd, Akten wegzuwerfen<br />

oder zu vernichten, so wurde es dann durch Glasnost<br />

und Perestrojka für die Leute des „Ludwig Boltzmann-<br />

Instituts für Kriegsfolgenforschung“ möglich, in die<br />

Archive der geheimen Moskauer Sonderarchive Einblick<br />

zu nehmen.<br />

Nun entstehen in Graz seit 1991 umfangreiche<br />

Karteien. Ab 1993 wurden fast 15.000 Oberösterreicher<br />

erfasst, die jahrelang in russischen Lagern<br />

lebten bzw. dort starben. In mehreren Folgen veröffentlichten<br />

die OÖ Nachrichten im Juni 2004 die langen<br />

Listen, unter denen sich sogar überlebende Stalingradkämpfer<br />

befanden. Auch einige Leondinger<br />

waren dabei. Leider gibt es keine Vollständigkeit,<br />

denn die Sowjets begannen mit ihren Aufzeichnungen<br />

erst, als die geregelte Verwaltung in Fluss kam. Zu<br />

diesem Zeitpunkt aber waren in den schlimmsten<br />

Nachkriegs-Monaten schon viele Soldaten gestorben.<br />

Auch für die bei Kampfhandlungen Umgekommenen<br />

und für jene, die die Gefangennahme nicht lange<br />

genug überlebt hatten, existiert kein Personalakt.


Für viele Angehörige aber kann es nun nach Kontaktaufnahme<br />

mit dem Boltzmann-Institut endlich Gewissheit<br />

geben über das Schicksal der nunmehr vor fast<br />

65 Jahren Vermissten. Für so manchen Leondinger<br />

aber bleibt es gewiss, dass niemand weiß, wie er<br />

umgekommen ist und wo er verscharrt liegt. In solchen<br />

und in ungezählten anderen Fällen kümmert<br />

sich das Schwarze Kreuz um Nachforschung, Erfassung,<br />

Umbettung oder um Kriegsgräberpflege. Auch<br />

Angehörige von Vermissten kümmern sich oft jahrelang<br />

um das Schicksal ihrer im Krieg gebliebenen<br />

Väter, Söhne oder Brüder.<br />

Da und dort wurden erschütternde Einzelheiten offenbar.<br />

Aber wenigstens finden sie Gewissheit, die ihnen<br />

Erleichterung bringt. Mehr als 60 Jahre sind nun seit<br />

jenem schrecklichen Krieg vorüber, und die Ereignisse<br />

jener Zeit erscheinen vielen als eine längst versunkene<br />

Welt. In Russland sind alle Spuren der einstigen<br />

Gefangenenlager verschwunden. Anstelle der<br />

einstigen Lagerfriedhöfe, wo die sterblichen Überreste<br />

der nach dem Krieg ums Leben gekommenen liegen,<br />

wurden Wohnbauten oder gigantische Fabriken<br />

errichtet. Diese Toten jedoch wurden wenigstens registriert.<br />

Aber die Dunkelziffer, also der Unterschied<br />

zwischen geklärten Schicksalen und solchen, die nirgends<br />

erfasst sind, bleibt weiterhin überaus hoch.<br />

Das gilt für die Opfer „hüben und drüben“, für Freund<br />

und Feind. Unbemerkt und namenlos und von niemandem<br />

gemeldet sind sie gefallen, und irgendwo in<br />

einem Massengrab liegen sie verscharrt. Kilometerweit<br />

verstreut über Äcker und Felder Russlands lagen<br />

die gefallenen Deutschen, Österreicher, Ungarn,<br />

Russen u.v.a.m.. Man denke nur an die Tausenden<br />

Toten in Stalingrads Ruinen, als eine ganze deutsche<br />

Armee hingeopfert wurde.<br />

Symbolisch für sie sind die Gräber der „Unbekannten<br />

Soldaten“ in vielen Ländern Europas errichtet worden.<br />

Heute sind die „Heldendenkmäler“ und die Soldatenfriedhöfe<br />

in den damals kriegführenden Ländern<br />

Zeugen dafür, dass die Nachwelt gewillt ist, sie - wie<br />

es Albert Schweitzer formulierte - als „Prediger des<br />

Friedens“ anzusehen. Denn es ist Gott sei Dank der<br />

sehnlichste Wunsch der Mehrheit der Menschen: „Nie<br />

wieder Krieg!“<br />

Leondinger Gefallene im 2.Weltkrieg<br />

bzw. an Kriegsfolgen (nach Schwerverwundung in<br />

Lazaretten u.ä.) Verstorbene 2<br />

AICHMAYR Albert *18.5.s1924, Rufling 58, gefallen<br />

12.11.1944 „als Marinesoldat auf der<br />

Tirpitz in nordisch. Gewässern“<br />

AICHMAYR Johann *18.6.1925, Rufling 58,<br />

gef.18.7.1944 an der Invasionsfront<br />

ALTMANN Michael *19.9.1904,Alharting 20, gef.<br />

28.2.1945 Liebrose / „im Osten“<br />

ANDERL Josef *7.2.1924, Leonding 40, Tischler,<br />

ermordet 1945 in Prag<br />

ANGERMAIER Josef *9.11.1902, Holzheim 1,<br />

gefallen am 4.7.1942 Russland<br />

ATZINGER Franz *12.3.1903, Haag 32, + 24.11.1944<br />

Losonc / Feldlazarett, Ungarn<br />

AUGL(Lehner)Franz *11.2.1909, Leonding 2<br />

(Gaumberg 58), gef. 1.3.1942<br />

Tschenzowo / Rußland<br />

BACHBAUER Oskar *3.7.1923, Leonding 129, gef.<br />

am 26.10.1942 nördlich Demidoff,<br />

Russland<br />

BACHNER Anton *19.2.1906, gef.am 20.3.1945 „am<br />

Westwall“ / Andilly<br />

BÖ(ä)CK Johann *23.7.1924, Buchberg 1,<br />

gef. 5.8.1944 ostwärts Julianow / Polen<br />

BARB Ignaz *10.8.1916, Haag 4o, + am 30.4.1844 in<br />

Wien, Luftwaffenlazarett<br />

BAUER Alois *7.1.1920, Hart 31, gefallen am<br />

16.1.1942 bei Ojekolovatka / Russland<br />

BAUER August *1897, unbekannt gefallen<br />

BAYER Franz *17.12.1920, Steinkellnersohn,<br />

Bergham, +8.2.1942, Lazarett-Smolensk /<br />

Russland<br />

BEINLICH Heinrich *7.6.1914, Haag 68, gef. am<br />

4.7.1942 Liwenka / Russland,<br />

Tieffliegerangriff<br />

BERGER Johann *7.6.1922 Hart, +28.10.1942 am<br />

Hauptverbandplatz Perewlny / Kaukasus<br />

BERNER Franz *28.8.1910, Schuhmacher,<br />

unbekannt gefallen in Deutschland<br />

BIERMAYR Hermann *10.10.1907, Buchberg 8,<br />

gefallen 23.7.1943 bei Chitrowa-Orel,<br />

Russland<br />

BINDER Karl Werner *2.3.1914, Leonding 125,<br />

gefallen 10.5.1944 in Westflandern<br />

BRANDSTÄTTER Josef, Bergham, unbekannt gefallen<br />

BUSEK Fritz, gefallen am 24.10.1941 bei Borowsk /<br />

Russland<br />

BUTTINGER Johann *25.11.1920, Reith 18,<br />

+22.5.1942 in Smijevka südlich Orel /<br />

Russland<br />

DALLINGER Ferdinand *24.5.1925, Dallingersohn /<br />

Leonding, gef. 18.12.1944 „im Westen“<br />

DEISCHINGER Walter, Leonding 8, unbekannt gefallen<br />

DESL Hermann *ca. 1924, gefallen am 19.1.1943 in<br />

der Ukraine<br />

DIEPLINGER Karl *1921, gefallen 1944 bei Reval /<br />

Estland<br />

97


DUSCHER Anton *Bergham 19, gefallen 17.10.1942<br />

in Wladimirskaje / Russland<br />

DUTZLER Wilhelm *1902, unbekannt gefallen<br />

1943 in Kroatien<br />

EBELSEDER Hubert *31.8.1923, Holzheim 1,<br />

+ am 2.1.1943 in Berlin<br />

EDER Hermann *13.3.1920, Alharting 21, gef. am<br />

28.6.1942 in Russland<br />

EDER Johann *25.11.1910, Hart 45, gef. am 7.3.1943<br />

bei Rylsk, Russland / Feldlazarett<br />

EDLINGER; Vorname unbekannt, Haag-Keferfeld,<br />

unbekannt gefallen 1941<br />

ENZENHOFER Leopold *21.10.1905, Buchberg 1, +<br />

Kriegsgefangenschaft. Buzau /<br />

Karpathenrand<br />

ERLER Julius *10.3.1908, Alharting 3, gef. 26.1.1942<br />

in Skorodowka / Russland<br />

FINSTER Karl *9.4.1923, gef. am 6.10.1942 bei<br />

Leski, östl.Orel / Russland<br />

FREUND Anton Wilhelm*(?), unbekannt gefallen<br />

1941 in Russland<br />

FREYNSCHLAG Karl *11.10.1909, Gaumberg 58,<br />

gef. am 13.2.1943 in Obojan / Russland<br />

FRIESENECKER Alois *28.7.1901, Hart 38, gef. am<br />

16.8.1944 bei Ursoaia-Tighina / Russland<br />

GADERMAYR Vorname unbekannt,<br />

Rufling – unbekannt gefallen<br />

GEBETSBERGER Franz *17.9.1906, Rufling 42,<br />

+6.11.43 Feldlazarett Soanvik /<br />

Norwegen<br />

GENGER Friedrich *24.2.1916, Bergham 18, gef.am<br />

17.9.1943 in Avigliano / Italien<br />

GERLACH Erich *8.10.1909, Rufling 32, gef. am<br />

22.10.1944 bei Ebenrode / Ostpreußen<br />

98<br />

GIGLEITNER Josef *28.6.1914, Gaumberg 21, gef.<br />

am 23.3.1945 in Pillau / Ostpreußen<br />

GLEISS Max *10.8.1921, Alharting 2, gef.am<br />

27.1.1945 Birnbaum / Warthe bei Schwerin<br />

GÖTZENBERGER Karl *6.9.1919,Reith 17, gef. am<br />

1.5.1944 im Raum Bobruisk / Russland<br />

GRAML Ernst *12.2.1925, Leonding 79, gef. am<br />

31.1.1943 in Ukeritz „im Altreich“<br />

GRESSLEHNER Josef *9.2.1914, Graben 2, gef. am<br />

26.7.1941 bei Smolensk / Russland<br />

GRÖMER Franz *10.12.1913, Leonding 24, gef. am<br />

25.7.1942 bei Skotobok / Russland<br />

GRUBER Heinrich *um 1905, Leonding, unbekannt<br />

gefallen<br />

GRUBER Johann *13.12.1914, Untergaumberg 24,<br />

gef. am 11.1.1943 südwestlich Welikije<br />

Luki / Russland<br />

GSTÖTTNER Max *18.2.1914, Graben 11, gef. am<br />

9.8.1942 in Pereskopskoje / Russland<br />

HAAS Berthold *21.6.1908, Alharting 1, gef.<br />

17.3.1944 in Ssjerp / Russland<br />

HAGMÜLLER Johann *9.1.1911, Leonding 112,<br />

+14.10.1943 im Feldlazarett Nikopol /<br />

Russland<br />

HAINDL Johann *6.12.1909, Bergham 28, gefallen<br />

am 12.8.1944 in Warschau<br />

HAINDL Karl *9.4.1924, Bergham 18, + 26.2.1944<br />

Kriegslazarett La Fratta / Italien<br />

HAMETNER Franz *6.3.1915, Untergaumberg 20,<br />

gef. am 8.3.1942 in Russland<br />

HARRER Franz *20.4.1915, Leonding 22, gef.<br />

6.4.1944 in Dolina / Jagielnica / Russland<br />

HARRER Friedrich(Fritz) *7.7.1907, Leonding 32,<br />

unbekannt gefallen Mai 1945 bei Berlin<br />

HARRER Georg *24.3.1911, Rufling 14, gef. am<br />

22.11.1941 in Russland<br />

HARRER Johann *30.10.1907, Enzenwinkl 3, gef. am<br />

28.8.1944 bei Grebki / Ostrow, Russland<br />

HARTL Karl * unbekannt, Knecht in Bergham 6,<br />

unbekannt gefallen<br />

HAUER Mathias *26.2.1911, Haag 42, + 27.11.1944<br />

Feldlazarett Insel Oesel / Windau<br />

HAUSER Johann *15.9.1919, Holzheim 1, gefallen<br />

am 22.August 1942 in Russland<br />

HERZ Fritz *3.2.1922, Bergham 12, + 25.3.1946 in<br />

Kairo / Kriegsgefangenschaft<br />

HESS Otto *31.10.1922, Leonding 67,+ 19.11.1942<br />

Feldlazarett Tyessowo bei Wyassma /<br />

Russland<br />

HIMMELBAUER Josef *1894,<br />

unbekannt gefallen 1944<br />

HINTENBERGER Josef *6.3.1925, Reith 9, gef. am<br />

28.9.1944 bei Jallancourt / im „Westen“<br />

HINTERSTEININGER Rudolf *27.8.1914, Haag 31,<br />

gef. am 22.9.1941 bei Jagotin / Russland<br />

HINTERSTEININGER Otto *1912; Haag 31, gefallen<br />

1944 in Frankreich<br />

HÖBLER Johann *16.11.1908, Leonding 14, gef. am<br />

24.1.1944, bei Nurma / Russland<br />

HOCHGATTERER Johann *15.7.1909, Holzheim 1,<br />

gef. am 5.3.1943 südlich Bryansk /<br />

Russland<br />

HOCHREITER Franz *16.6.1916, Gaumberg 40, gef.<br />

am 1.10.1942 bei Stalingrad<br />

HOFBAUER Franz *22.12.1910, Gaumberg 18, +<br />

2.3.1940, Linz-Lazarett<br />

HOFBAUER FRANZ *1923, Rufling,<br />

unbekannt gefallen in Russland 1945<br />

HOFER Anton *27.5.1910, Doppl 4, gef. am<br />

25.12.1941 in Wjassma / Russland<br />

HOFER Johann *24.6.1911, Doppl 15, gef. am<br />

23.Juni 1941 bei Wyganowo / Russland


HOFMANN Rudolf *10.11.1924, Haag 9, + 20.6.1944<br />

in Heiloo bei Amsterdam / Holland<br />

HOLNDONNER Michael *27.9.1914, Hart 5, gefallen<br />

am 24.1.1942 bei Borilowo / Russland<br />

HOLZINGER Rudolf *26.8.1915, Holzheim 6, gef. am<br />

5.10.1941 bei Gadjatsch / Charkow<br />

HOPFINGER Johann *1914, Leonding unbekannt,<br />

gef. in Russland am 9.9.1943<br />

HÖRHANN Johann *11.1.1910, Graben 1, gef. am<br />

1.2.1945 bei Novo Kasaba / Kroatien<br />

HRABIK Josef *23.9.1911, Haag 8, gefallen am<br />

11.6.1942 bei Womes, Südfrankreich<br />

HUEMER Johann *8.4.1911, Rufling 29, gef. am<br />

21.12.1943 bei Teljatnikowa-Witebsk /<br />

Russland<br />

HUEMER Max *1911, Rufling 29 (Gartenlehnersohn),<br />

+1946 in Odessa / russische<br />

Gefangenschaft<br />

HÜTTL Heinrich *23.7.1906, Graben 42,<br />

gefallen am 1.3.1945 bei Köln<br />

JAKSCH Franz *1918, Doppl, unbekannt gefallen<br />

1941 im Kessel vor Moskau<br />

JUNGREUTHMAYER Ernst *20.10.1921, gefallen am<br />

3.7.1943 bei Catania / Italien<br />

JUSTL Franz *1908, Leonding 14, unbekannt gefallen<br />

1945<br />

KALTENBÖCK Johann *1917,<br />

Leonding,unbekannt gefallen<br />

KAMM Franz *1906/07, Alharting/Berg 14,<br />

unbekannt gefallen<br />

KARLINGER Franz *ca. 1923, Leonding, gefallen am<br />

17.7.1944 in Finnland<br />

KASTNER Heinrich *12.4.1915, Gaumberg 18, gef.<br />

7.3.1942 mittlerer Frontabschnitt / Russland<br />

KAUFMANN Rudolf *1909, Leonding, Priester, gef.am<br />

22.6.1941 bei Grodek / Russland<br />

KEPLINGER Josef *3.1.1916, Leonding,<br />

Priestersoldat, gef. 30.9.1944 bei<br />

Markowola / Polen<br />

KIESL Eduard *3.4.1917, Graben1, gef. am<br />

20.9.1939 in Rezeerow / Polen<br />

KIRCHMAYR Ferdinand *28.1.1908, Reith 6, gefallen<br />

25.2.1945 bei Rheindalen / Köln<br />

KIRCHMAIR Josef *27.1.1916, Hart 1, + 22.6.1940<br />

Reservelazarett / Mannheim<br />

KIRCHMAYR Rudolf *1920, Doppl 1, gefallen am<br />

5.1.1945 an der „Westfront“<br />

KLEEWEIß Franz *13.7.1907, Graben 31, gefallen<br />

am 11.10.1942 bei Malgobeerk / Russland<br />

KNISPL Erich *29.1.1915, Haag 22, gefallen am<br />

10.12.1942 in Russland<br />

KOBLINGER Hermann *1915, unbekannt<br />

gefallen 1940<br />

KOBINGER Johann *1915, unbekannt gefallen<br />

KOCH Vorname unbekannt, Graben 29,<br />

unbekannt gefallen im Jänner 1944<br />

KOLL Johann *20.2.1914, Hart/Rufling 47, gefallen<br />

am 22.5.(8.)1942 in Russland<br />

KÖRNER Hermann *30.12.1905, Haag 22, gef. am<br />

7.10.1944 Elten, deutsch/holländische<br />

Grenze<br />

KREINER Friedrich *28.2.1920, Leonding 14, gef.am<br />

24.7.1942 in Welisch / Russland<br />

KRENNER Franz *unbekannt, Friesenegg, gefallen<br />

am 23.5.1940 bei Calais / Frankreich<br />

KRENNMAYR Heinrich *ca. 1927, Bergham 25,<br />

unbekannt gefallen bei Wien 1945<br />

KRETSCHMER Erich *1920, Leonding,<br />

unbekannt gefallen 1944 in Frankreich<br />

KREUZER Hermann *1.7.1917, Rufling 25, +<br />

14.4.1939 in Schleiz / Thüringen<br />

KREUZER Wilhelm *1905, Leonding, unbekannt<br />

gefallen 1945 in Kroatien<br />

KRITSCH Andreas *21.10.1911, Gaumberg 10, gef.<br />

5.9.1944 Merzieres / Charlesville /<br />

Frankreich<br />

KUSSBERGER Franz *5.10.1919, Alharting 13,<br />

gefallen am 8.7.1943 Szowiza / Russland<br />

LACKINGER Josef *1917, Leonding,<br />

unbekannt gefallen 1944 in Polen<br />

LACKNER Franz *22.2.1894, Gaumberg 34,<br />

+ 23.10.1939 in Linz<br />

LACKNER Hermann *1.4.1913, Hart 4, + 21.1.1944<br />

im Kriegslazarett Borissow / Russland<br />

LEDERHILGER Karl *1.5.1916, Gaumberg 21,<br />

gefallen 10.2.1943 Krassny-Szulin /<br />

Russland<br />

LEHNER Alois *29.5.1910, Alharting 8, am 11.4.1945<br />

hingerichtet in Gispersleben / Thüringen<br />

LEHNER Josef *28.10.1925, Haag 69, gefallen am<br />

4.3.1944 bei Gorodenka / Narwafront<br />

LEHNER Karl *2.12.1913, Gaumberg 43, gefallen am<br />

7.3.1944 südlich Plessowezkaja /<br />

Russland<br />

LEIMBURGER RAIMUND *30.8.1909, Leonding,<br />

unbekannt verstorben in einem russischen<br />

Gefangenenlager<br />

LEITNER Johann *ca. 1912, Hart 24,<br />

unbekannt gefallen<br />

LETTNER Karl *unbekannt, Gaumberg 20, unbekannt<br />

gefallen Ende 1942<br />

LIßBERGER Hans *27.7.1919, Leonding 64,<br />

abgestürzt am 7.4.1944 Hannover /<br />

Wesendorf<br />

LOIDL Anton *2.6.1906, Graben 23, gefallen am<br />

8.9.1944 Bicaz-Pass / Karpathenfront<br />

99


LUDWICZEK Kurt *8.6.1910 „Heldentod zur See“<br />

1944 im Schwarzen Meer / Rumänien<br />

LUGER Josef *unbekannt, gefallen am 15.9.1943<br />

südlich Konotop / Russland<br />

MADERTHANER Anton *unbekannt, Leonding,<br />

Gendarm, unbekannt gefallen 1944<br />

MALZNER Friedrich *19.10.1923, Gaumberg 50, gef.<br />

2.12.1944 bei Bioce / Montenegro<br />

MAURER Josef *20.8.1921, Haag 50, + im Jänner<br />

1945 in Slawiansky / russische<br />

Gefangenschaft<br />

MAYR Franz *3.3.1923, Leonding 45, + 27.12.1945<br />

Kowno / Litauen in Gefangenschaft<br />

MAYR Richard *2.8.1919, Untergaumberg 25,<br />

gefallen am 5.3.1943 in Russland<br />

MAYR Vorname unbekannt, Untergaumberg 15<br />

(Vater Reichsbahner), unbekannt gefallen<br />

1942<br />

MAYRHAUSER Erwin *8.12.1926, Bergham 33,<br />

gefallen am 11.12.1944 bei Esseg /<br />

Jugoslawien<br />

MAYRHAUSER Georg *20.3.1906, Bergham 35,<br />

+23.3.1944 Lazarett Stanislau bei<br />

Lemberg<br />

MAYRHOFER Franz *9.10.1910, Untergaumberg 30,<br />

gefallen am 8.8.1944 in Frankreich<br />

MAYRHOFER Leopold *25.10.1914, Gaumberg 48/<br />

30-Leonding 92, gef. am 8.7.1945<br />

Lauenburg / Gefangenschaft<br />

MEINDL Friedrich *13.4.1911, Doppl 4, gefallen am<br />

25.7.1941 bei Smolensk / Russland<br />

MEINDL Hans *22.7.1925, Berg 19, gefallen am<br />

23.8.1943 bei Achtyrka / Russland<br />

MEINDL Walter *1922, Leonding, unbekannt<br />

gefallen 1942 in Russland<br />

100<br />

MISTLBACHER Konrad *23.3.1909, Haag 29, +<br />

5.9.1944 Hauptverbandplatz bei Tarnow /<br />

Polen<br />

MITTERMEIER Josef *23.12.1918, Untergaumbg,<br />

gef. am 23.12.1944 Frankenstein /<br />

Lazarett<br />

MITMANNSGRUBER August *unbekannt, gefallen<br />

14.6.1942 bei Artemovka im Raum<br />

Charkow<br />

MOSER Peter *29.6.1911, Gaumberg 19, gefallen am<br />

9.6.1940 in Frankreich<br />

MOTTL Leopold *1908, unbekannt gefallen 1944 in<br />

Russland<br />

MÜLLEDER Rudolf *18.4.1919, Leonding 115,<br />

gefallen am 20.3.1942 bei Bjeloy /<br />

Russland<br />

MÜLLER Albert *2.7.1922, Gaumberg 21, gefallen am<br />

1.6.1943 bei Yamny / Russland<br />

MÜLLER Karl *1908, Leonding, unbekannt gefallen<br />

1944<br />

NEIDL Stefan *1914, Gaumberg 13, unbekannt<br />

gefallen 1944 in Russland<br />

NIEDERMAYR Franz *30.10.1923, Hart 38, gefallen<br />

am 11.2.1945 bei Grottau / Oppeln /<br />

Deutschland<br />

NIEDERMAYR Otto *1922, Leonding, unbekannt<br />

gefallen 1945 in Ungarn<br />

NÖBAUER Johann *2.6.1924, Staudach 8, +<br />

13.7.1943 Kriegslazarett Smolensk /<br />

Russland<br />

ÖBERL Josef *15.3.1914, Leonding, gefallen am<br />

24.11.1942 bei Bol-Nabatowsky / Russland<br />

OBERMAYR Josef *16.5.1920, Berg 17, gefallen am<br />

16.7.1941 bei Pustowojty / Russland<br />

OBERMAYR Rupert *24.2.1926, Alharting 13,<br />

gefallen am 5.1.1945 bei Gamsheim /<br />

Elsass<br />

OBERMÜLLER Franz *15.10.1916, Untergaumberg<br />

11/27, gef. 11.8.1941 bei Michalkina /<br />

Russland<br />

ORTNER Johann *21.12.1922, Doppl 14, unbekannt<br />

gefallen am 9.7.1942<br />

OSEPP Josef *21.10.1909, Haag 66, + 11.12.1942 im<br />

Feldlazarett Idzika / Russland<br />

PASCHINGER Rudolf *1910, Leonding, unbekannt<br />

gefallen 1940 in Frankreich<br />

PHILIPP Hans *1910, Alharting 4, unbekannt gefallen<br />

PHILIPP Karl *20.1.1914, Alharting 4, + 5.6.1942 im<br />

Kriegslazarett Wyassma<br />

PIBL Franz *1919, Leonding, unbekannt gefallen<br />

1941 in Russland<br />

PICHLER Gottfried *8.11.1913, Gaumberg 20,<br />

gefallen am 9.6.1940 Evergnicourt /<br />

Frankreich<br />

PICHLER Karl *1914, Untergaumberg 27, gefallen am<br />

3.12.1941 bei Stagalowka / Russland<br />

PICHLER Robert *20.5.1921, Untergaumberg 27,<br />

gefallen am 27.8.1944 bei Kobylany /<br />

Russland<br />

PIRKLBAUER Josef *28.2.1920, Leonding, gefallen<br />

19.2.1945 bei Königsberg / Ostpreußen<br />

PIRKLBAUER Roman *26.7.1915, Untergaumberg<br />

23, gefallen am 16.7.1943 ostwestlich Orel<br />

/ Russland<br />

PLAKOLM Josef *ca. 1921, Bergham 4, unbekannt<br />

gefallen „früh“ [Mitteilung Alois Kreinecker]<br />

PLATZER Wilhelm *5.7.1916, Holzheim 3, gefallen<br />

am 15.10.1942 in Stalingrad<br />

PLÖDERL August *16.5.1920, Gaumberg 45, gef. am<br />

14.6.1942 Raum Charkow / Tschugujev


PLOHBERGER Felix *27.9.1915, Alharting 5, gefallen<br />

am 19.10.1943 bei Kolpen / Lojew /<br />

Russland<br />

POSCH August *8.12.1900, Gaumberg 15, unbekannt<br />

gefallen 1944 in Ungarn<br />

POSCH Rudolf *8.10.1904, Gaumberg 15, gefallen<br />

am 10.3.1945 in Russand<br />

POUZAR Hans *29.8.1921, Untergaumberg 25, gef.<br />

8.5.1942 Poliso / Kirillowatschina,<br />

Russland<br />

PRIESCHL Josef *21.2.1911, Hart 38, gefallen am<br />

31.1.1943 in Bosnien<br />

PÜHRINGER Alois *10.6.1894, Friesenegg 6, +<br />

1.3.1940 Leonding<br />

PÜHRINGER Fritz *11.4.1925, Friesenegg 6, +<br />

1.2.1944 Lazarett Sesta bei Florenz<br />

PÜHRINGER Max *18.9.1916, Friesenegg 6, gef.am<br />

6.3.1944 bei Plessowitschi / Russland<br />

RADNER Ernst *13.9.1913, Alharting 15, gefallen am<br />

31.1.1942 in Russland<br />

RADNER Josef *19.6.1921, Alharting 15, gefallen am<br />

3.3.1942 bei Tolotschwo / Russland<br />

RAINER Franz *7.2.1905, Graben 43, gefallen am<br />

20.7.1941 bei Wytjebskaja / Russland<br />

RAINHART August *15.4.1919, Graben 34, gefallen<br />

am 31.5.1943 in Russland<br />

RAK Georg *22.12.1900, Rufling 16, gefallen am<br />

28.12.1943 nahe Kositschewa / Russland<br />

RAMMEL August *2.8.1909, Berghm 24, gef. am<br />

7.2.1943 Kriegslazarett, Bobruisk,<br />

Russland<br />

RANZMEIR Friedrich *15.9.1916, Rufling 12, gefallen<br />

am 20.5.1942 in Russland<br />

RANZMEIR Heinrich *1914, Rufling 12, + Mai 1943 in<br />

Beketowka / Stalingrad, Gefangenschaft<br />

RATH Anton *7.6.1910, Haag 75, gefallen am<br />

14.6.1942 bei Gorki / Russland<br />

RATH Vinzenz *6.1.1910, Rufling 45, unbekannt<br />

gefallen am 5.1.1942 Russland<br />

REINGRUBER Vorname unbekannt, Leonding,<br />

unbekannt gefallen 1940 in Neufchatel /<br />

Frankreich<br />

REINING Wilhelm *1914, Doppl, unbekannt gefallen<br />

1943 in Russland<br />

REININGER Karl *10.1.1920, Leonding 92, gefallen<br />

am 15.8.1944 bei Ohli / Modon, Russland<br />

REITER Franz *18.9.1915, Haag 61, gefallen am<br />

4.12.1943 bei Shlobin / Russland<br />

REITINGER Hermann *5.12.1921, Felling 1, gef. am<br />

20.9.1941 Kiew / Drabroff, Russland<br />

RIENER Rudolf *31.8.1910, Leonding 101, unbekannt<br />

gef. in Russland am 20.4.1942<br />

RICHTER Fritz *25.3.1913, Haag 48, gefallen am<br />

21.9.1943 bei Demidoff / Russland<br />

RIES Anton *1.7.1918, Leonding 115, gefallen am<br />

5.10.1944 bei Savignano / Italien<br />

RIESENEDER Friedrich *2.8.1911, Holzheim 14, +<br />

am 30.11.1939 in Jaroslaw / Polen<br />

RITTENSCHOBER Franz *1913, Doppl(?), unbekannt<br />

gefallen 1945 bei Waidhofen / Ybbs<br />

RITZBERGER Ferdinand *1913, Leonding,<br />

unbekannt gefallen 1945 in Italien<br />

ROSER Franz *1.12.1924, Leonding 27, +<br />

25.12.1943 Hauptverbandplatz Bibiki /<br />

Mosyr, Russland<br />

SALZNER Franz *15.4.1920, Reith 1, gefallen am<br />

31.1.1943 bei Kutusowo / Russland<br />

SCHACHERBAUER Karl *1905, Leonding, unbekannt<br />

gefallen 1945 in Frankreich<br />

SCHACHL Leopold *29.10.1912, Felling 1, gef. am<br />

14.7.1944 bei Nevesinje / Kroatien<br />

SCHALMEINER Anton *1903, Leonding, unbekannt<br />

gefallen am 30.11.1942 in Russland<br />

SCHARTNER Fritz *7.10.1923, Gaumberg 10, gef.<br />

am 5.6.1944 bei Jassy / Russland<br />

SCHÄTZLEIN Friedrich *2.9.1913, Rufling 44,<br />

gefallen am 3.10.1944 bei Rchew /<br />

Ostfront<br />

SCHEPPL Johann *1910, Bergham, in einem<br />

sowjetischen Lager verstorben<br />

SCHAUER Franz *unbekannt, Leonding, unbekannt<br />

gefallen in Italien am 18.2.1944<br />

SCHILLER Ignaz *1907, Leonding, unbekannt<br />

gefallen 1944 in Ungarn<br />

SCHMID Stephan *30.6.1921, Alharting 15,<br />

gefallen am 4.11.1944 in Paderborn<br />

SCHMIDLEITNER Friedrich *19.2.1895, gef. am<br />

4.11.1944 Linz, bei Luftangriff<br />

SCHMIEDSEDER Fritz *3.5.1926, Gaumberg 64, gef.<br />

am 30.12.1944 Centremange / Belgien<br />

SCHNEEFUSS Johann *23.7.1920, Graben 48, gef.<br />

am 17.6.1944 Invasionsfront / Frankreich<br />

SCHNEIDER Hans *6.7.1912, Haag 65, gefallen am<br />

21.1.1944 in Leningrad/Russland<br />

SCHNELLE Johannes Rudolf *26.8.1915, + nach<br />

Schwerstverwundung am 13.4.1945 in<br />

Oschatz<br />

SCHWARZ Martin *unbekannt, Knecht in Bergham 4,<br />

unbekannt gefallen<br />

SEEMANN Johann *unbekannt, Leonding, unbekannt<br />

gefallen 1944<br />

SEEMAYR Josef *1916, Leonding, unbekannt<br />

gefallen 1943 in Russland<br />

SILBER Alois *13.6.1913, Reith 10, gefallen am<br />

1.11.1942 in Riga-Ost / Kriegslazarett<br />

SONNLEITNER Raimund *18.1.1912, Gaumberg 61,<br />

gef. am 2.2.1944 Starino bei Dedno /<br />

Russland<br />

101


STADELBAUER Hermann *7.4.1911, Leonding 70,<br />

gefallen am 11.9.1941 bei Smolensk /<br />

Russland<br />

STADELBAUER Johann *28.4.1910, Gaumberg 11,<br />

gefallen im September 1943 in Russland<br />

STEGMÜLLER Oskar *3.1.1916, Untergaumberg 31,<br />

gefallen 4.3.1943 bei Dubischew /<br />

Russland<br />

STEINDL-ZAUNER Vorname unbekannt, Hart 38,<br />

unbekannt gefallen<br />

STIENEN Karl *19.12.1913, Berghm 29 („Jäger in<br />

Kürnberg“), gef. 19.7.1943 Kamenka /<br />

Donez / Russland<br />

STÖTTNER Johann *1904, Leonding, unbekannt<br />

gefallen 1945<br />

STÜRMER Johann *1913, Leonding, unbekannt<br />

gefallen 1945 in Rumänien<br />

STÜRMER Max *1921, Leonding, unbekannt gefallen<br />

1945 in Ungarn<br />

SULZERMEIER Sepp *13.3.1909, Alharting 21,<br />

gefallen 15.2.1945 Senohrad / Slowakei<br />

TANZMAIR Otto *1908, Leonding, unbekannt gefallen<br />

1945 in Schlesien<br />

TRAUNSTEINER Karl *25.6.1919, Enzenwinkel 2,<br />

gefallen am 6.2.1943 bei Okoliza /<br />

Russland<br />

TRAXLER Hans *8.4.1911, Haag 50, gefallen am<br />

30.12.1944 Köln / Deutz, Luftangriff<br />

UNTERSMAYR Franz *18.3.1919, Gaumberg 10, +<br />

9.8.1942 Lazarett-Dnjepopetrowsk /<br />

Russland<br />

WAGENEDER Friedrich *25.5.1896, Rufling 15,<br />

gefallen am 30.8.1943 Wien 23 / Lazarett<br />

102<br />

WALCH Josef *5.3.1915, Gaumberg 16, gef.<br />

30.7.1942 in Dalny / Pereskopskoje /<br />

Russland<br />

WALLNER Robert *29.5.1906, Bergham 26, gef.<br />

20.5.1942 in Gaidary bei Smijeff / Ukraine<br />

WEGSCHEIDER Franz *17.12.1921, Rufling 10,<br />

gefallen am 15.5.1944 bei Artena / Italien<br />

WEGSCHEIDER Leopold *1921, Rufling 40, gefallen<br />

am 12.8.1943 im Raum Wyasma /<br />

Russland<br />

WEHRL August *20.5.1912, Leonding 65, gefallen am<br />

12.9.1944 bei Wisniowa / Krakau<br />

WEINZIERL Raimund *16.5.1926, Leonding 45,<br />

gefallen am 7.10.1944 San Maria Unova /<br />

Italien<br />

WEIXELBAUMER Anton *13.7.1913, Hart 28, +<br />

14.9.1943 Kriegslazarett Kiew<br />

WEIXELBAUMER Eduard *11.3.1907, Hart 20,<br />

gefallen am 22.3.1944 auf der Nord-Krim /<br />

Russland<br />

WIESER Johann *1920, + 4.5.1942 im<br />

Reservelazarett Finsterwalde /<br />

Niederlausitz<br />

WILLIWALD Karl *unbekannt, Leonding 26,<br />

unbekannt gefallen am 1.10.1942<br />

in Russland<br />

WINDNER Franz *3.9.1912, Leonding 6, gefallen am<br />

8.12.1941 „im Osten“<br />

WINKLER Karl *unbekannt, Hofmeindlsohn,<br />

unbekannt gefallen<br />

WINTER Helmut *4.7.1925, Haag 17, gefallen am<br />

20.12.1944 „im Westen“<br />

WINTER Karl *15.3.1920, Imberg 7, am 5.1.1943 bei<br />

Augsburg abgestürzt, “Nachtjäger“<br />

WINTER Rudolf *9.3.1895, Leondg 117, + 27.11.1941<br />

Lazarett Salzburg<br />

WLACH Bruno *1910, unbekannt gefallen in<br />

Russland<br />

WÖRTHNER Roman *unbekannt, Untergaumberg,<br />

unbekannt gefallen 1940 beim<br />

Frankreichfeldzug<br />

ZEHETNER Josef *25.7.1913, gefallen am 30.9.1942<br />

bei Stalingrad<br />

ZOITL Ernst *19.4.1925, Gaumberg 16, gefallen am<br />

15.5.1944 Koschnitza / Dnjestr<br />

Übersicht - Leondinger Vermisste im 2. Weltkrieg<br />

AIGNER Ernst *11.12.1913, Bergham 19, vermisst<br />

12.10.1943 nordwestlich Kanew / Djepr,<br />

Russland<br />

AIGNER Hans *17.11.1921, Holzheim 1,<br />

Maschinenmaat, vermisst 15.9.1944 im<br />

Finnischen Meerbusen<br />

ARDELT Kurt *4.8.1910, Imberg 2, verm. im April<br />

1945 bei den Endkämpfen um Berlin<br />

AUBERGER Josef *19.4.1915, unbekannt vermisst<br />

1945 bei Poltawa / Russland<br />

BÄCK Wilhelm *Mai 1926, Berg 1, unbekannt<br />

vermisst 1945 in Polen<br />

BECKER Franz *20.9.1920, Alharting 14,<br />

vermisst seit 4.12.1942 in Russland<br />

BECKER Friedrich *21.5.1910, Alharting 14, vermisst<br />

seit 7.9.1944 bei Prijedor / Bosnien<br />

BRÄUER Karl *1903, unbekannt vermisst<br />

„zur See“ 1943<br />

BRUNNER Ernst *16.8.1924, Untergaumberg 19,<br />

verm. seit 12.7.1944 in Frankreich


BUCHHAMMER Gottfried *14.8.1920, Bergham 35,<br />

verm. 28.3.1944 am Djnestr. Übergang,<br />

Russland<br />

CZERWENKA Franz *14.5.1920, Gaumberg 66,<br />

verm. 2.3.1944, Triest-Partisanenüberfall<br />

CZERWENKA Karl *24.12.1918, Gaumberg 66, verm.<br />

seit 19.7.1944 in Lemberg/ Polen<br />

DERFLER Johann *16.12.1912, Leonding 92, verm.<br />

seit Juli 1944 Mittelabschnitt / Russland<br />

EDER Johann *16.12.1925, Alharting 21, vermisst<br />

seit 24.6.1944 in Russland<br />

EICHHORN Josef *14.3.1923, Berg 7, vermisst seit<br />

1944/45 im Kurland<br />

EICHINGER Gottfried *5.10.1924, unbekannt<br />

vermisst seit 7.4.1945 in Norwegen<br />

EIGL Alois *12.6.1911, Leonding 70, vermisst seit<br />

6.1.1943 bei Stalingrad / Russland<br />

ENZENHOFER Hermann *7.11.1904, Leonding 32,<br />

vermisst seit 22.8.1944 in Rumänien<br />

ENZENHOFER Johann *18.10.1901, Buchberg 1,<br />

unbekannt vermisst in Russland<br />

FADERL Rudolf *1.4.1915, Hart 44, vermisst seit<br />

11.8.1943 in Charkow, Russland<br />

FEIZLMAYR Johann *10.9.1908, Gaumberg 31,<br />

unbekannt verm. seit 30.4.1945 bei<br />

Breslau<br />

FISCHERAUER Franz *2.1.1909, Rufling 1,<br />

verm.3.8.1943 bei Dragunskoje /<br />

Belgorod / Russland<br />

FRANZL Josef *12.8.1907, Hart 21, vermisst seit<br />

24.6.1944 im Raum Witebsk, Russland<br />

FRIEDL Hermann *20.8.1924, Graben 1, verm. seit<br />

6.8.1943 südlich von Bjelgorod, Russland<br />

FURTHMAYR Max *13.7.1925, Doppl 9, verm. seit<br />

3.8.1944 bei St. Lo / Frankreich<br />

GEGNER Jakob *1904, Doppl, unbekannt vermisst<br />

„im 2. Weltkrieg“<br />

GRUBER Emmerich *25.9.1901, Gaumberg 18,<br />

vermisst seit 23.5.1945 „im Osten“<br />

GRUBER Rudolf *28.2.1909, Rufling 50, vermisst seit<br />

27.8.1943 bei Seewsk / Russland<br />

GSTÖTTNER Stefan *10.8.1910, Berg 4, unbek.<br />

vermisst seit 1945 in Italien / Futa Pass<br />

GUGLER Franz *1922, Haag 57, unbekannt vermisst<br />

seit 1944 in Russland<br />

HADERER Johann *31.8.1901, Bergham 16,<br />

unbekannt vermisst seit 30.4.1945<br />

HAMTENER Rudolf *16.4.1913, Leonding 46,<br />

vermisst 28.8.1943 bei Alferovo / Wjasma /<br />

Russland<br />

HARRER Hermann *7.7.1907, Leonding 121,<br />

vermisst seit 28.4.1944 im Raum<br />

Borissow / Russland<br />

HARTER Nikolaus *24.6.1917, Haag 58, vermisst seit<br />

31.8.1944 in Frankreich<br />

HARTL Engelbert *2.12.1913, Imberg 3, vermisst seit<br />

17.12.1942 bei Stalingrad<br />

HASLINGER Hans *5.5.1915, Hart 23, vermisst seit<br />

28.6.1944 im Raum Bobruisk / Russland<br />

HINTERBERGER Karl *18.1.1903, Rufling 12,<br />

unbekannt vermisst<br />

HINTERHÖLZL Franz *9.1.1920, Reith 18, vermisst<br />

seit 25.6.1944 bei Bobruisk / Russland<br />

HINTERHÖLZL Rudolf *25.8.1921, Reith 9/18,<br />

vermisst seit 28.1.1943 Kastornoje /<br />

Russland<br />

HOCHMAYR Hans *1926, Reith 8, unbekannt<br />

vermisst 1945 im Osten<br />

INGELSBERGER Karl *unbekannt,<br />

Holzheim/Bergham, unbekannt vermisst<br />

JANDA Hans *18.7.1910, Staudach 11,<br />

unbekannt vermisst 1944<br />

JENDRYSIK Josef *13.9.1910, Haag 42, vermisst seit<br />

12.5.1944 bei Sewastopol / Russland<br />

JOKLIK Franz *18.6.1917, Rufling 7, vermisst nach<br />

1942 bei Baku / Aserbeidschan<br />

KASTNER August *3.7.1909, Leonding 7, verm. seit<br />

12.1.1945 Smorgorzow / Polen<br />

KIRCHMAYR Ferdinand *29.5.1917, Hart 1, vermisst<br />

seit 20.11.1942 in Stalingrad<br />

KLEISS Rudolf *31.8.1912, Leonding 15, vermisst<br />

seit 18.7.1944 bei Widuty / Russland<br />

KLOTZ Gustav *1.4.1909, Hart 38, vermisst seit<br />

19.7.1944 im Raum Kamionka / Polen<br />

KNITSCHKE Adolf *16.5.1902, Graben 22, unbekannt<br />

vermisst in Russland seit 28.1.1944<br />

KÖCK Karl *15.8.1925, Hart 8, vermisst seit<br />

15.7.1944 bei Selvattelle / Südfrankreich<br />

KOGLER Ludwig *1920, unbekannt vermisst 1944<br />

in Russland<br />

KREINDL Franz *9.5.1921, Hart 38, seit 1943<br />

vermisst in Stalingrad<br />

KRENNMAYR Ferdinand *1903, unbekannt vermisst<br />

1944 in Russland<br />

LANGER Helmut *1.11.1915, Haag 46, vermisst seit<br />

Juni 1944 bei Witebsk / Russland<br />

LANGMAIR Josef *unbekannt, Gaumberg 16,<br />

vermisst seit 13.5.1944 bei Invasterpol /<br />

Russland<br />

LAUKOTER Walter *24.7.1924, Berg 14, vermisst seit<br />

14.1.1944 bei Nikopol / Südukraine<br />

103


LEHNER Friedrich Jos *3.8.1913, Hart 24, vermisst<br />

seit 2.12.1943 Ljuschewskaya / Russland<br />

LEITINGER Johann *6.3.1910, Holzheim 1,<br />

unbekannt vermisst seit 1944 „im Osten“<br />

LETTNER Josef *19.9.1914, Gaumberg 41, vermisst<br />

seit 18.11.1944 / bei Geilenkirchen /<br />

Deutschland<br />

LÖBLBAUER Max *14.5.1921, Hart 9, vermisst seit<br />

7.12.1942 im Donbogen / Russland<br />

LUTZ Wilhelm *13.6.1926, Haag 12, vermisst seit<br />

10.7.1944 südlich Carentan / Frankreich<br />

MALZNER Hans *unbekannt, Gaumberg 50,<br />

Fliegersoldat, unbekannt vermisst nach<br />

dem 29.4.1943<br />

MAURACHER Vorname unbekannt, *unbekannt,<br />

Gaumberg 10, unbekannt vermisst seit<br />

November 1944<br />

MAYR Johann *2.8.1912, Bergham 35, vermisst seit<br />

15.1.1945 in russischer Gefangenschaft<br />

MAYRHOFER Josef *1.7.1920, Gaumberg 27 /<br />

Leondingg 92, verm. seit 16.12.1944<br />

Cervia / Italien<br />

MIESENBERGER Franz *1912, Leonding 23,<br />

unbekannt vermisst seit 1945 „im Osten“<br />

MÜCK Alfred *15.8.1912, Leonding 49, vermisst seit<br />

20.2.1945 bei Chrzanow in Polen<br />

NIEDERMAYR Josef *24.1.1921, Hart 38, verm. seit<br />

23.6.1944 bei Sawjasje / Witebsk,<br />

Russland<br />

NÖSTLINGER Stefan *14.12.1907, Leonding 103,<br />

vermisst seit 23.3.1944 in Russland<br />

OBERMAYR Walter *1928, Berg 17, vermisst seit<br />

Frühjahr 19? in der CSR<br />

104<br />

ORTNER Rudolf *22.1.1911, Gaumberg 33,<br />

unbekannt vermisst ca. 1943 in Stalingrad<br />

PARZMAYR Alois *23.3.1907, Rufling 60, vermisst<br />

seit 11.11.1943 in Russland<br />

PAST Alois *30.5.1903, Untergaumberg 22, verm. seit<br />

Jänner 1943 Welikije Luki / Russland<br />

PEHERSTORFER Karl *unbekannt, Gaumberg 45,<br />

unbekannt vermisst in Albanien<br />

PERNSTEINER Vorname unbekannt, Rufling 45,<br />

unbekannt vermisst<br />

PIMINGSTORFER Max *10.2.1907, Gaumberg 23,<br />

vermisst seit Feber 1943 bei Smolensk /<br />

Russland<br />

PIRNGRUBR Karl *30.7.1925, Haag 35, unbekannt<br />

vermisst seit 20.8.1944 in Frankreich<br />

PREINFALK Josef *1907, Leonding, unbekannt<br />

vermisst seit 1945<br />

PRIECHENFRIED Karl *1908, Bergham, unbekannt<br />

vermisst seit 1945<br />

PROHASKA Karl *8.4.1925, Graben 21, vermisst seit<br />

11.2.1945 bei Budapest<br />

RANSMAYR Franz *1917, Staudach, unbekannt<br />

vermisst seit 1945<br />

RAUSCHER Alois *1914, Leonding, unbekannt<br />

vermisst 1943 in Russland<br />

REICHENBERGER Mathias *18.9.1901,<br />

Holzheim 15, vermisst 16.9.1942 in<br />

Donbogen / Russland<br />

REITMAYR Franz *1910, Rufling 36, unbekannt<br />

vermisst<br />

RESCHENEDER Alfred *25.3.1914, Haag 55,<br />

vermisst 30.11.1944 Schurikhausen /<br />

Westfront<br />

ROITMAYR Karl *15.12.1921, Rufling 38, vermisst<br />

seit 1943 in Stalingrad<br />

SCHALK Johann *6.12.1906, Leonding 16,<br />

unbekannt vermisst seit Jänner 1945<br />

SCHMIEDBERGER Alois *1909, Leonding,<br />

unbekannt vermisst seit 1945<br />

SCHMIDT Franz *16.2.1910, Leonding 82, vermisst<br />

seit 11.5.1943 / Afrikafeldzug<br />

SPIZA Heinz *19.9.1911, Hart 34, unbekannt vermisst<br />

seit Mai 1943 in Russland<br />

STEGMÜLLER Johannes *1917, Haag 77, vermisst<br />

seit 1.11.1944 bei Keczkemet / Ungarn<br />

STRASSER Karl *unbekannt, Leonding 63, vermisst<br />

seit 5.5.1945<br />

bei Küstrin/ deutsch-polnische Grenze<br />

STROHMEIER Adolf *1927, Bergham 21,vermisst<br />

seit 1945 bei Wien<br />

STUNTNER Josef *28.2.1908, Hart 21, vermisst seit<br />

10.7.1944 bei Chaby / Pinsk / Russland<br />

SULZERMAIER Ferdinand *23.4.1910, Alharting 15,<br />

vermisst seit 5.1.1943 im Raum Stalingrad<br />

WALLNER Karl *3.4.1923, Leonding 24, vermisst seit<br />

4.2.1944, Nordatlantik / zur See<br />

WASMAYR Franz *2.12.1902, Leonding 30,<br />

unbekannt vermisst seit 15.1.1945<br />

WEGERBAUER Josef *3.10.1914, Gaumberg 17,<br />

vermisst seit 11.11.1944 bei Waltersberg<br />

WEHNER Karl *23.6.1901, Graben 27, unbekannt<br />

vermisst in Frankreich<br />

WESTNER Ludwig *12.6.1910, Alharting 27, vermisst<br />

seit Anfang Feber 1943 in Stalingrad<br />

WICHERT Karl *21.10.1911, Haag 22, vermisst seit<br />

10.7.1944 bei Lida-Grodnow / Russland<br />

WIESINGER Franz *3.10.1915, Leonding 12,<br />

vermisst seit Ende August 44 bei Jassy /<br />

Rumänien<br />

WIMMER Franz *3.1.1922, Haag 1, unbekannt<br />

vermisst bei Stalingrad


WIMMER Josef *1915, unbekannt vermisst seit 1944<br />

in Rumänien<br />

WINTER Johann *7.6.1915, Holzheim 8, unbekannt<br />

vermisst in Stalingrad<br />

Weitere Kriegsopfer, gefallen oder getötet im<br />

Gemeindegebiet:<br />

BÖGEHOLD Wilfried Hugo *22.4.1941 kam beim<br />

Hantieren mit einem Kriegsrelikt<br />

(Sprengladung) auf gräßliche Weise ums<br />

Leben, ebenso dessen Bruder<br />

BÖGEHOLD Wolfram Karl *12.10.1937<br />

BÖHM Gustav *13.2.1888 aus Schlesien, Präsident<br />

des Gau-Arbeitsamtes, am 14.4.1945<br />

„wegen Fahnenflucht und Wehrzersetzung<br />

nach gerichtlicher Aburteilung in Leonding/<br />

Alharting standgerichtlich erschossen und<br />

in Leonding begraben<br />

HARRER Alois, Landwirt *19.3.1909, „Haibl“ in<br />

Jetzing Nr.8, wurde am 6.9.1945 von<br />

plündernden ehemaligen KZ-Häftlingen<br />

erschossen<br />

GADERMAIER Herta Flakhelferin *5.3.1926, am<br />

12.2.1944 im Bahnhof Leonding vom<br />

Schnellzug erfasst und getötet<br />

POLLERMANN Imre, Soldat, Bauer, Ungarn, gefallen<br />

Flakstellung Gaumberg<br />

ROBENS Paul Dipl Ing *31.1.1901 aus Köln -Am<br />

7.5.1945 auf der Straße im Hainzenbach<br />

von Unbekannt erschossen<br />

ROTARU Mihail Soldat *1922 in Plopi / Rumänien,<br />

Bauer, + Flakstellung Gaumberg<br />

SCHAUBER Otto Wehrpflichtiger *28.5.1911 aus<br />

St.Johann / Wimberg wurde am 8.5.1940<br />

nach Verurteilung (wahrsch.Wehrdienst<br />

verweigerung?) in Alharting erschossen<br />

Bombentote<br />

BOGNER Willibald *29.5.1884, Graben 45, am<br />

25.2.1945 in Linz von Bomben getötet<br />

DAXNER Johann *21.11.1891, Reichsbahner, Hart 1,<br />

am 25.2.45 Bombentod in Untergaumberg<br />

EDER Johann *1896, weitere Angaben fehlen,<br />

Bombentod<br />

GRÜNDLINGER, weitere Angaben fehlen,<br />

Bombentod<br />

KIRCHMAYR Franz *5.2.1901, Leonding 95,<br />

Reichsbahner, am 2.3.1945 auf der<br />

Dienstfahrt bei Tieffliegerangriff getötet<br />

MEITZLER Max *1909, 1944 durch Bomben getötet<br />

MÖDERL Karl *1.10.1913, am 25.7.1944 in Linz bei<br />

Bombenangriff getötet<br />

SCHMIDLEITNER Friedrich *1895, 1944<br />

Bombentod in Linz<br />

ZEINHOFER Leopoldine *1896, Tischlerbäurin<br />

Rufling 30, Bombentod am 27.12.1944<br />

Bei diesem Bombenangriff der Alliierten am<br />

27.12.1944 erhielt auch das „Nußböck-Ziegelwerk“<br />

einen Volltreffer. Sechs namentlich nicht bekannte<br />

kriegsgefangene Russen bzw. Polen wurden verschüttet,<br />

von deutschen Flaksoldaten zwar freigeschaufelt,<br />

zwei Opfer allerdings waren durch einstürzende<br />

Mauern bereits getötet. Missverständlich wird<br />

dieses Ereignis dadurch, dass der Gendarmeriechronist<br />

in dieser Sache von „Vier toten Soldaten der<br />

Flak, die dort ihre Kraftfahrzeuge untergestellt hatten,<br />

zwei verletzten Soldaten und drei Zivilisten“ 3 berichtet.<br />

In dem nächst dem „Gasthaus zur Pyhrnbahn“ liegenden<br />

Haus Gaumberg Nr. 9 waren zum selben<br />

Zeitpunkt (27.12.44) zehn Tote zu beklagen, die z.T.<br />

in Leonding begraben wurden, ohne dass man ihre<br />

Namen aufzeichnete. Auch der Saalanbau des Gast-<br />

hauses Hummenberger in Untergaumberg wurde an<br />

diesem Tag getroffen. Unter den vier namentlich wieder<br />

nicht erwähnten Toten war auch die Wirtin.<br />

Das „Drama beim Hammerl“<br />

Eine ähnlich katastrophale Wirkung hatte auch der<br />

Bombenangriff vom 25.2.1945, bei dem etwa 700<br />

Bomben auf Leondinger Gemeindegebiet fielen: Das<br />

Gasthaus Hammerl in Hart Nr. 4 wurde damals durch<br />

drei Bomben zerstört. Im Keller des Hauses lagen<br />

zwölf Tote unter den eingestürzten Mauern, dabei<br />

auch Hausleute. Zehn wurden verschüttet und zum<br />

Teil schwer verletzt.<br />

Die 12 Toten „beim Hammerl-Wirt wurden auf dem<br />

Leondinger Ortsfriedhof feierlich bestattet“ 4<br />

EBERHARDT Rosa geb. Lutterschmidt *25.2.1921<br />

aus Haag 44 und ihr Kind<br />

EBERHARDT Horst *12.7.1942<br />

GARGES Nikolaus *1925 in Kasani / Griechenland,<br />

Transportarbeiter<br />

HEINZE Gertrud geb. Sattler *14.3.1920 aus Haag 68<br />

mit ihrem Kind<br />

HEINZE Ingrid *29.6.1943<br />

KIRCHWEGER Irma geb. Kleinrath *28.3.1905,<br />

Hausgehilfin, Haag 50<br />

LACHNER Franz *26.1.1943, dessen Mutter Rosina<br />

Lachner aus Alharting 6 überlebte<br />

LEIDL Josef *1.5.1920, Schlosser aus Weißenbach in<br />

Niederdonau<br />

RATH Johann 18.3.1892, Angestellter aus<br />

Gramastetten, gebürtig Hart 4<br />

STADLMAYR Maria *23.12.1930, „Pflichtjahrmädl“,<br />

Hart , 4, aus Scharten<br />

VODITSCHKA Josef *10.8.1899, Landarbeiter<br />

WITT Siegfried *14.12.1915, Schirrmeister,<br />

Oberfeldwebel aus Landsberg am Lech<br />

105


61 62 63<br />

64 65 66 67<br />

106<br />

68 69 70


Kriegsopfer der Alliierten, in Leonding zu Tode<br />

gekommen:<br />

Auf dem Felde neben dem Hause Rufling Nr. 50<br />

wurde nach dem Luftangriff vom 16. Oktober 1944<br />

ein von der Flak abgeschossener amerikanischer<br />

viermotoriger Bomber gefunden, der brennend abgestürzt<br />

war. Sieben Mann der Besatzung verbrannten,<br />

zwei hatten sich durch Fallschirmabsprung retten<br />

können. Die sieben Amerikaner wurden zunächst auf<br />

dem Friedhof in Leonding begraben.<br />

Beim Großangriff auf Linz am 25. Feber 1945, bei<br />

dem über 600 Bomben allein auf Leondinger Gebiet<br />

fielen, stürzten durch Flakbeschuss abermals amerikanische<br />

Maschinen ab, u.a. eines über Staudach.<br />

Dreizehn Amerikaner fanden den Tod.<br />

In einer Meldung der Opferzahlen des damaligen<br />

Leondinger Bürgermeisters Josef Lehner vom<br />

5.10.1948 werden insgesamt 19 amerikanische<br />

Flieger als gefallen gemeldet, wobei zwei durch ihre<br />

Erkennungsmarken identifiziert werden konnten. 12<br />

waren [möglicherweise durch Personalpapiere] „bekannt“,<br />

„5 unbekannt und alle Namen und Daten<br />

bereits nach USA verbracht“.<br />

Die namentlich genannten Amerikaner:<br />

KRAMER Norman, FARQUHAR Raymond<br />

RILEYS George, TARINI John<br />

BERNSTEIN Robert, STUEVE Ralph H.<br />

SCHUELLER L.J., LOWOY Dale<br />

REILLIY James Francis, FOLLET Walter<br />

JOUNG Howard, OSBORN George<br />

SOMPTON David, LUBINSKY Richard<br />

Bürgermeister Lehners Meldung an die Bezirkshauptmannschaft<br />

erwähnt zusätzlich, leider namentlich<br />

nicht genannte Kriegsopfer aus Leonding „6 Flüchtlinge<br />

(1 Österreicher, 1 unbekannter Nation, 3<br />

Reichsdeutsche, 1 Rumäne)“<br />

Die Bilanz des Krieges 5<br />

Die nationalsozialistische Herrschaft und der Krieg<br />

hatten eine grausige Bilanz zu verzeichnen. Der<br />

Zweite Weltkrieg forderte insgesamt 56.000.000<br />

Todesopfer, wobei etwas 247.000 österreichische<br />

Militärtote eingerechnet sind. Mindestens 120.000<br />

Österreicher sind in Haft, in Konzentrationslagern und<br />

Euthanasieprogrammen umgekommen.<br />

Schätzungsweise 25.000 bis 30.000 Zivilisten sind<br />

bei Kriegshandlungen und Luftangriffen auf österreichischem<br />

Boden, getötet worden. „Von den etwa<br />

1,3 Millionen zur Deutschen Wehrmacht eingezogenen<br />

Soldaten aus Österreich trugen 170.000 eine<br />

dauernde Invalidität davon. Fast 500.000 waren in<br />

Kriegsgefangenschaft geraten, davon 200.000 bis<br />

230.000 in russische, aus der sie erst nach Jahren<br />

zurückkehrten. An die 370.000 Witwen und Waisen<br />

waren zu versorgen.“ 6<br />

Anmerkungen<br />

1 Vgl. den Bericht in den Oberösterreichischen Nachrichten<br />

vom 26. 5. 2004.<br />

2 Die Auflistung der Namen ist alphabethisch angeordnet,<br />

wobei der Nachname zuerst genannt wird, es folgen falls<br />

vorhanden die Geburtsdaten, falls bekannt der damalige<br />

Wohnort oder Berufshinweise, sowie die Sterbedaten und<br />

der Sterbeort. Abkürzungshinweise: * = geboren am; + =<br />

gestorben am; gef. = gefallen; verm. = vermisst.<br />

3 Gendarmeriechronik Eintragung vom 27.12.1944.<br />

4 Gendarmeriechronik Eintragung vom 25.2.1945.<br />

5 Ergänzung Thekla Weissengruber<br />

6 Sandgruber, Roman: Das 20. Jahrhundert. Reihe<br />

Geschichte Österreichs. Band VI. Wien 2003. S. 95. Vgl.<br />

auch: Die Presse. Chronik des 2. Weltkrieges. Illustrierte<br />

Geschichte des 2. Weltkrieges. 2005.<br />

107


ZIVILE OPFER TOTALITÄRER REGIME IN LEONDING 1934 - 1945<br />

VOM HARTEN DURCHGREIFEN ZUM AUSMERZEN UNWERTER<br />

Gerhard Tolar<br />

Österreich war in den Jahren von 1932 bis 1945 von<br />

Regierenden mit totalitärem Machtanspruch geprägt.<br />

Viele wurden Opfer von harten und zunehmend brutalen<br />

Maßnahmen. Für die militärischen Opfer, die<br />

verwundeten, gefallenen oder vermissten Soldaten<br />

z.B. wurden Denkmäler errichtet. Die Gesellschaft<br />

macht es sich im Übrigen dadurch leicht, dass sie<br />

diese Personengruppe pauschal zu Helden macht,<br />

ohne auf die Einzelperson, ihr leidvolles Schicksal<br />

und ihre Taten einzugehen. Die Opfer unter der<br />

Zivilbevölkerung erhalten weit weniger Beachtung,<br />

Gedenkstätten gibt es so gut wie keine. Dabei ist die<br />

Zahl dieser Personengruppe beachtlich.<br />

Die gesamte Periode ist geprägt vom<br />

Nationalsozialismus. Aber auch in der Zeit des so<br />

genannten „Ständestaates“ der Vaterländischen<br />

Front, sind Menschen Opfer harter Maßnahmen<br />

geworden.<br />

Unter „zivilen Opfern“ sind nicht nur jene gemeint, die<br />

zu Tode gekommen sind, sondern auch jene, die<br />

unter den Maßnahmen dieser Regime zu leiden hatten.<br />

Geschildert werden hier Fälle, die in Leonding<br />

aufgetreten sind, oder die mit Leonding oder<br />

108<br />

Leondingern zu tun haben. Es wird nicht nur die<br />

Geschichte der Opfer geschildert, sondern auch die<br />

Geschichte der Gesetze, der Vorschriften oder der<br />

Behörden, derentwegen Personen zu Opfern wurden.<br />

Zur Auswahl gelangten Fälle, die aktenkundig geworden<br />

sind und deren Akten heute noch erhalten sind.<br />

Der großen Zahl der ungenannten Opfer oder Opfergruppen<br />

sei hier generaliter gedacht. Die Einschränkung<br />

auf Fälle mit Leondingbezug bringt mit sich,<br />

dass einzelne Aspekte der Täter- und der Opferrolle<br />

schlaglichtartig betrachtet werden.<br />

Putzscharen des Ständestaates 1934 - 1938<br />

Die „Vaterländische Front“ war in Österreich seit 1933<br />

an der Macht. Es gab noch politische Parteien, die<br />

standen sich aber unversöhnlich gegenüber. Wenn<br />

man den Schriftverkehr zwischen dem Gendarmerieposten<br />

Leonding und seiner vorgesetzten<br />

Behörde aus dem Jahr 1933 bearbeitet, stößt man<br />

neben vielen Meldungen über Aktionen der Nationalsozialisten,<br />

Sozialdemokraten und Kommunisten –<br />

die nationalsozialistischen Störaktionen sind eindeutig<br />

in der Überzahl - auf zahlreiche Aktenstücke, die so<br />

genannte „Putzscharen“ betreffen 1 . Die Geschichte<br />

der „Putzscharen“ gibt ein Bild der damaligen öffentlichen<br />

Stimmung und der Gesetzeswerdung,so wie der<br />

politischen Parteien in Leonding.<br />

Vom 25. September 1933 liegt ein Schreiben der BH<br />

Linz-Land an alle Gemeindeämter und Gendarmeriepostenkommanden<br />

vor, das, angeregt von anderwärts<br />

getroffenen Maßnahmen auch hieramts Wünsche bezüglich<br />

Gliederung von so genannten ‚Putzscharen’<br />

vorgebracht wurden. … Die BH Linz konnte von Anfang<br />

an diesen Wünschen nicht in vollem Sinne entgegenkommen,<br />

weil sie diesbezüglich gewichtige<br />

rechtliche Bedenken hegte, die nun durch das Erscheinen<br />

der Verordnung vom 1.9.1933 2 BGBl. Nr.<br />

397 „…[Schritte] gerechtfertigt erscheinen lassen.“<br />

Die zitierte Verordnung wurde von Bundesminister<br />

Fey, damals Vizekanzler und Sicherheitsminister, entworfen<br />

und eingebracht. Er schreibt dazu 3 : „… § 2<br />

der neuen Verordnung hat den Zweck, die von den<br />

nachgeordneten Behörden vielfach in Anwendung gebrachten<br />

sogenannten ‚Putzscharen’ oder ‚Putzkompanien’<br />

nunmehr allgemein zu legalisieren.“<br />

Die Gendarmerieposten werden darin aufgefordert,<br />

Listen anzulegen, die Personen erfassen, die Anstifter<br />

oder Beihelfer für „verbotswidrige“ Handlungen


sein könnten. Diese Personen kann man dann die<br />

„verbotswidrig“ angebrachten ausgestreuten Gegenstände<br />

entfernen lassen, wenn man die Täter selbst<br />

nicht finden kann. Die „gewichtigen“ Bedenken der<br />

Bezirkshauptmannschaft Linz-Land gegen das, was<br />

sich offenbar „eingebürgert“ hat, wurden durch die<br />

Verordnung der Regierung ausgeschaltet.<br />

Begründet wurde die Verordnung übrigens im oben<br />

genannten Schreiben von BM Fey mit anwachsenden<br />

Kosten für die Behörden. Die Sache hatte aber starke<br />

Merkmale von Maßregelung und Demütigung der<br />

politischen Gegner.<br />

Mit Datum vom 6. November 1933 macht der Gendarmerieposten<br />

Leonding sechs Personen die zur<br />

Bildung einer Putzschar herangezogen werden können<br />

namhaft. Es ist dies der harte Kern der Leondinger<br />

Nationalsozialisten. Am 28. März 1934 wird<br />

eine Neubildung der Putzschar notwendig, da einige<br />

aus der früheren Liste aus dem Gemeindegebiete<br />

abgereist sind. Die Liste der Nationalsozialisten enthält<br />

jetzt 10 Namen mit Beschreibung der Tätigkeit in<br />

der NSDAP. Zusätzlich gibt es eine Liste von Sozialdemokraten<br />

(16) und Kommunisten (2). Als Begründung<br />

für die Aufnahme in diese Liste wird angeführt:<br />

Sämtliche waren „Schutzbündler“ und am 12.2. an<br />

der Revolte beteiligt. Die Regierung hatte ja nach<br />

Grün-dung der Vaterländischen Front im Mai 1933<br />

und nach Kundmachung der ständischen Verfassung<br />

im April 1934 nach und nach alle politischen Parteien<br />

und ihre Vorfeldorganisationen verboten, unter anderen<br />

auch den Republikanischen Schutzbund. Mit<br />

„Revolte“ war der Aufstand des Republikanischen<br />

Schutzbundes im Februar 1934 gemeint.<br />

Am 7. Juli 1934 ist eine weitere Ergänzung der Liste<br />

erforderlich, da in den Ortschaften Rufling und Bergham<br />

die nationalsozialistische Bewegung sehr auffal-<br />

lend ansteigt und in diesen Ortschaften noch keine<br />

Nationalsozialisten als Putzschar aufgestellt sind.<br />

Zwei Namen auf der Liste sollen gestrichen werden,<br />

einer, weil er jetzt bei der Heimwehr ist, ein anderer,<br />

weil er nach Deutschland geflüchtet ist.<br />

Mit 8. März 1936 wurde die letzte Neubildung der<br />

Putzschar notwendig. Sozialdemokraten seien nunmehr<br />

beim „Freiheitsbund“ (einem Wehrverband der<br />

christlichen Gewerkschaften) gelandet und daher<br />

auszuscheiden, etliche Nationalsozialisten verhielten<br />

sich ruhig. Alle in der neuen Liste angeführten Personen<br />

sind wegen illegaler nationalsozialistischer,<br />

sozialdemokratischer oder kommunistischer Betätigung<br />

vorbestraft. Die Liste der Nationalsozialisten<br />

enthält 18 Namen, die der „Schutzbündler“ 9, darunter<br />

6 Sozialdemokraten und 3 Kommunisten.<br />

In den Akten finden sich Berichte über Personen, die<br />

zur Beseitigung „verbotswidrig angebrachter oder<br />

ausgestreuter Gegenstände“, wie Flugblätter, Malereien<br />

auf Straßen oder Mauern oder Hakenkreuzen<br />

auf dem Schornstein der Ziegelei Gaumberg herangezogen<br />

worden sind.<br />

Die Österreichische Regierung verwendete seit der<br />

so genannten „Selbstausschaltung“ 4 des Nationalrates<br />

am 4. März 1933 Notverordnungen nach dem<br />

„Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetz“ 5 der<br />

Habsburgermonarchie. Dieses Gesetz war schon in<br />

der Monarchie heftig umstritten. Die Regierung Dollfuß<br />

verwendete dieses Gesetz 6 , um ohne Parlament<br />

Verordnungen mit Gesetzeskraft zu erlassen. Auch<br />

die Verfassung des Ständestaates aus dem Jahr<br />

1934 7 wurde so „verordnet“.<br />

Die Nationalsozialisten haben die Tradition der Demütigung<br />

ihrer Gegner weitergeführt, setzten ihre<br />

„Putztrupps“ allerdings weitaus brutaler ein: Sie<br />

ließen Mitte März 1938 Juden mit Handbürsten jene<br />

Wahlparolen und Krukenkreuze beseitigen, die die<br />

Vaterländische Front auf die Straße gemalt hatte.<br />

Brutalität und Zynismus werden später gesteigert: In<br />

Folge der so genannten „Reichskristallnacht“ – fast<br />

alle Synagogen und viele jüdische Friedhöfe in Deutschland<br />

und Österreich waren im November 1938<br />

zerstört worden – wurde von Hermann Göring als<br />

dem Beauftragten für den Vierjahresplan mit einer<br />

„Verordnung zur Wiederherstellung des Straßenbildes<br />

bei jüdischen Gewerbebetrieben“ 8 den Juden die<br />

Beseitigung der Schäden vor ihren Geschäften aufgebürdet.<br />

Zusätzlich wird mit einer weiteren „Verordnung<br />

über die Sühneleistung der Juden deutscher<br />

Staatsangehörigkeit“ 9 den Juden deutscher Staatsangehörigkeit<br />

in ihrer Gesamtheit die Zahlung einer<br />

Kontribution von 1000.000 000 Reichsmark an das<br />

Deutsche Reich auferlegt.<br />

Juliputsch 1934 – Zusammenrottung in Wilhering<br />

Das Jahr 1934 brachte für Österreich zwei bedeutsame<br />

Ereignisse. Im Februar und im Juli griffen Österreicher<br />

zu den Waffen und schossen auf Österreicher.<br />

Die Unruhen im Februar 1934 und die damaligen Ereignisse<br />

in Leonding sind bereits erschöpfend aufgearbeitet.<br />

10 Die Zusammenrottung von Leondinger<br />

Nationalsozialisten im Juli 1934 im Zuge des NS-<br />

Putsches aber nur eine Fußnote wert, obwohl die<br />

Ereignisse ebenso dramatisch waren und dort ein<br />

Gendarm aus Wilhering erschossen wurde.<br />

Anmerkenswert in diesem Zusammenhang ist die<br />

Beurteilung eines Zeitzeugen, des Pfarrers von Leonding,<br />

in der Pfarrchronik. Offenbar hat er seinen Kommentar<br />

zum Jahr 1934 und seine beiden „Explosionen“<br />

- wie er es nannte - nach 1945 verfasst. Er<br />

schreibt11 : „Die Erhebung im Februar halte ich für<br />

harmloser und ehrlicher als die im Juli.“ Es hat schon<br />

vor dem Putschversuch der Nationalsozialisten im Juli<br />

109


1934 und den damit verbundenen Revolten im<br />

ganzen Land Österreich Verdacht auf angebliche<br />

nationalsozialistische Umsturzpläne gegeben. Unter<br />

diesem Betreff liegt z. B. schon am 28. August 1933<br />

ein Schreiben des Sicherheitsdirektors für OÖ an alle<br />

Bezirkshauptmannschaften 12 in den Akten. Dort ist<br />

auch schon eine Verbindung zur Ausbildungsstätte<br />

Lager Lechfeld angesprochen – aus Österreich geflohene<br />

Nationalsozialisten wurden zur sog. Österreichischen<br />

Legion zusammengefasst und im Lager<br />

Lechfeld in Nahkampfphasen geschult. Die werden<br />

im Zuge des Putschversuches der Nationalsozialisten<br />

im Raum Oberösterreich eine Rolle spielen.<br />

Am 8. Februar 1934 13 schreibt das Gendarmeriepostenkommando<br />

Leonding, dass in der Nacht …<br />

Flugblätter datiert mit 5. Februar 1934 verbreitet wurden.<br />

Die Flugblätter sind im Akt enthalten und kündigen<br />

im Unterschied zu vorher verbreiteten Propagandamitteln<br />

deutlich Gewaltanwendung an: „Österreichisches<br />

Volk an die verhasste Regierung Dollfuß'<br />

„…Das Volk ist … daher entschlossen, nunmehr mit<br />

allen Mitteln, auch den schärfsten Mitteln dieser Gewaltherrschaft<br />

ein für allemal eine Ende zu setzen.<br />

Mit heutigem Tag proklamieren wir daher dieser Regierung<br />

gegenüber das Recht der Notwehr! …“<br />

Im Juli 1934 kam es dann tatsächlich zu einem<br />

Putschversuch der Nationalsozialisten und in der<br />

Folge zu Revolten, die auf ganz Österreich verteilt<br />

waren. Auch Leondinger waren daran beteiligt. Was<br />

da in Leonding geschehen ist, kann man heute nur<br />

mehr aus Akten entnehmen.<br />

Das erste Aktenstück zur Juli-Revolte in den politischen<br />

Akten des OÖ Landesarchivs stammt von einem<br />

Zeitpunkt, zu dem der Putsch und die Revolten<br />

schon niedergeschlagen waren. Der Putsch war ge-<br />

110<br />

scheitert, hatte Bundeskanzler Dollfuß und weiteren<br />

Hunderten das Leben gekostet. Der handgeschriebene<br />

Text – er trägt kein Datum - lautet 14 : „An alle Gendarmerieposten!<br />

Alle bekannten staatsfeindlichen<br />

Personen Sozialdemokraten, Nationalsozialisten,<br />

Kommunisten sind in Haft zu setzen event in Notarresten<br />

unterzubringen. Widerstand ist mit Brachialgewalt<br />

zu brechen, eigene Verluste sind zu vermeiden.<br />

Sicherheitsdirektor 18 h 50.“ In allen Aktenstücken,<br />

die Festnahmen in diesem Zusammenhang<br />

betreffen, wird eben dieser Befehl unter Nennung der<br />

Uhrzeit 18 h 50 zitiert.<br />

In weiterer Folge sind in den Akten Anzeigen und Vernehmungsprotokolle<br />

enthalten, denen man entnehmen<br />

kann, was in Leonding und in Wilhering im Zuge<br />

des Putsches damals geschehen ist: „In der Nacht<br />

zum 27. Juli 1934 haben sich in Ufer, Gemeinde<br />

Wilhering, Bezirk Linz, OÖ, mindestens 35 Nationalsozialisten<br />

und deren Anhänger zusammengerottet,<br />

um die Umsturzmöglichkeit der Nationalsozialisten in<br />

Wien und anderwärts in Österreich zu unterstützen,<br />

hiedurch auf eine gewaltsame Veränderung der<br />

Regierungsform und auf eine Vergrößerung der<br />

Gefahr für den Bundesstaat Österreich von außen,<br />

eine Empörung oder eines Bürgerkrieges im Innern<br />

hinzuarbeiten und der Obrigkeit mit Gewalt Widerstand<br />

zu leisten. Zur Abwehr dieser Gefahr sind die<br />

Gendarmeriebeamten, Bezirksinspektor Wehlend und<br />

Rayonsinspektor Beyerl des Postens Wilhering mit<br />

Schuko Assistenz eingeschritten. Bei dieser Amtshandlung<br />

ist der Rayonsinspector Beyerl vermutlich<br />

durch die Gewehrschüsse erschossen worden. Die im<br />

Nationale beschriebenen Personen sind verdächtig,<br />

an dem Verbrechen beteiligt gewesen zu sein, oder<br />

versucht zu haben, sich an dem Verbrechen zu beteiligen.“<br />

So lautet die Anzeige des Gendarmerie-<br />

postens Leonding vom 28. Juli 1934 an die<br />

Staatsanwaltschaft in Linz.<br />

Im „Nationale“ zur Anzeige sind 15 Leondinger angeführt.<br />

Die Angezeigten wurden festgenommen und ins<br />

Landesgericht Linz eingeliefert. Die Angaben der<br />

Beschuldigten klingen harmlos. Josef Miesenberger,<br />

der spätere NS-Bürgermeister von Leonding, gab an:<br />

„… Ein Herr, den er nicht kenne, sagte zu ihm im<br />

Gasthaus Kapeller in Leonding, ich solle zum Gasthaus<br />

in Ufer bei Wilhering kommen. … Er fuhr mit<br />

einem Fahrrad dorthin … Hörte nicht schießen …“<br />

(Später gab er an, dass er schießen in der Nähe<br />

hörte, als er weggefahren ist). … Vom Tod des<br />

Gendarmen erfuhr er erst am nächsten Tag Mittag.<br />

Die anderen, einige als Truppführer und Scharführer<br />

bezeichnet, verantworten sich ähnlich. Sie seien verständigt<br />

worden, spazierten nach Bergham und Ufer.<br />

Entgegenkommende sagten: „Es ist e nichts“ oder:<br />

„Sie sind verstaubt worden“. Schüsse hätten nur einige<br />

gehört. Manche wussten nicht, warum sie nach<br />

Wilhering gehen sollten. Einer war gerade beim<br />

Fensterln, als er verständigt wurde.<br />

In der Anzeige des Bezirksgendarmeriekommandos<br />

Linz gibt es eine anmerkenswerte Verwirrung: Es<br />

scheint ein Nöbauer auf, aber kein Miesenberger. Der<br />

Gendarmeriepostenkommandant von Leonding klärt<br />

auf. Dieser Nöbauer heißt Josef Miesenberger, der<br />

Hausname ist Nöbauer. Die Regierung reagierte auf<br />

den Putschversuch. Mit Verordnung 15 wurde ein eigener<br />

Militärgerichtshof eingerichtet und mit 30. Juli<br />

1934 wurde ein Bundesverfassungsgesetz „über<br />

besondere Maßnahmen gegen die an dem Umsturzversuch<br />

vom 25. Juli 1934 beteiligten Personen“<br />

erlassen. 16 Die Leondinger Beteiligten sind alle als<br />

Minderbeteiligte eingestuft worden. Im Gesetzt steht:<br />

„Minderbeteiligte sind unbeschadet der strafrechtli-


chen Verfolgung in einem bestimmten Orte anzuhalten.<br />

Sie sind ausnahmslos zu schwerer Zwangsarbeit<br />

zu verhalten.“ … „Das Vermögen der Personen,<br />

gegen die wegen einer mit dem Umsturzversuch am<br />

25. Juli 1934 im Zusammenhang stehenden strafbaren<br />

Handlung ein gerichtliches Verfahren eingeleitet<br />

worden ist, … ist beschlagnahmt.“<br />

Am 1. August 1934 erfolgt eine weitere Anzeige vom<br />

Gendarmerieposten Leonding gegen 11 weitere<br />

Personen. Sie betrifft hauptsächlich Personen aus<br />

dem Leondinger Ort Gaumberg. Die Verantwortung<br />

der Beschuldigten, die in dieser Anzeige enthalten ist,<br />

wird deutlicher. Erstmals werden Waffen erwähnt:<br />

„In Wilhering ist Appell, wer nicht mitgeht ist kein<br />

Mann. Wir waren etwa 150 Schritte weg. Es hieß, in<br />

Ufer sei Probealarm. Ich konnte bemerken, dass ein<br />

Schutzkorpsmann oder dgl. daherkam und „Hände<br />

hoch“ gerufen hat. Ein Gewehr haben wir vergraben.“<br />

Der Stutzen… war geladen, und zwar zu dem Zwecke,<br />

damit gegen die Exekutive geschossen werden<br />

konnte. Ein Schuss wurde aus der Waffe nicht abgegeben.<br />

In der Mulde zeigte uns ein älterer Mann, der<br />

vermutlich aus Alkoven war, wie man die Sperrklappe<br />

öffnet und wie die Waffe gesichert ist. … In Ufer<br />

waren wir Untergaumberger die ersten. Wir sind deshalb<br />

vor dem Morde weggegangen, weil wir verjagt<br />

wurden. Das Gewehr wurde erst in Ufer geladen, dies<br />

besorgte ein Alkovner. In Ufer wurde uns gesagt,<br />

dass wir nach Ottensheim überführt werden, da um<br />

24 Uhr angeblich dort die österr. Legion eintreffen<br />

sollte. Einige Tage vor dem 26.7. kamen in der Wohnung<br />

meiner Angehörigen … einige Bekannte …. ,<br />

um das Gewehr zu besichtigen, bzw. damit zu üben.“<br />

Gleichzeitig wird angezeigt, dass in der Zeit vom 27.,<br />

Juli bis 31. Juli 1934 insgesamt 17 Haus- und Wohnungsdurchsuchungen<br />

in Verbindung mit der so<br />

genannten „Wilheringer Aktion“ vorgenommen wurden.<br />

„Es konnte nur … in Bergham ein Militärgewehr<br />

… gefunden werden“. Am 21. September 1934 erlässt<br />

der Sicherheitsdirektor für Oberösterreich eine<br />

Weisung betreffend Behandlung der Minderbeteiligten.<br />

„Die Minderbeteiligten sind in ein Verzeichnis<br />

aufzunehmen und nach Vermögensstande zu reihen.<br />

… Bei jenen, welche Vermögen verfügen oder zahlungskräftige<br />

Verwandte besitzen besteht die Möglichkeit,<br />

sie durch Erlag eines Sühnebetrages zur<br />

Feststellung ihrer nunmehr vaterländischen Einstellung<br />

auf freien Fuß zu setzen. … Den ärmeren<br />

Schichten muss die Möglichkeit gegeben sein, durch<br />

die Tat zu beweisen, dass sie sich nunmehr positiv<br />

zum Vaterland eingestellt haben, indem sie vor das<br />

Amt geladen und ihnen dort eindringlichst vorgehalten<br />

werde, dass sie sich nunmehr vaterländisch einzustellen<br />

haben. … Erst der letzte Rest ist auf eine<br />

Abgabe nach Wöllersdorf zu senden.“<br />

Damit endet der Akt über die Juli-Revolte in Wilhering<br />

in den Gendarmerieprotokollen im Oberösterreichischen<br />

Landesarchiv. Die Sache geht zu den Gerichten.<br />

Für Standgerichtsfälle war der Senat des Militärgerichts<br />

in Wien zuständig. Die Akte dieser Behörde<br />

sind im Österreichischen Staatsarchiv aufbewahrt.<br />

Leider ist ein Großteil der betreffenden Gerichtsakte<br />

selbst nicht mehr auffindbar, aber aus erhaltenen<br />

Namensregistern 17 kann man gewisse Angaben entnehmen.<br />

Insgesamt sind offenbar zur Sache „Unruhen<br />

in Wilhering“ 5 Akte 18 angelegt worden. In diesen<br />

Registern sind 139 Personen erfasst - unter<br />

ihnen auch die verhafteten Leondinger - und die<br />

Paragraphen der Anklage angeführt. Daraus ergibt<br />

sich folgendes Bild: (siehe Tabelle unten)<br />

61 Angeklagte (44 %) wurden also als minder belastet<br />

eingestuft. Das waren jene, denen man lediglich<br />

Aufstand oder Aufruhr zur Last legte, die nicht minder<br />

belasteten 56 % wurden des Hochverrats, der öffentlichen<br />

Gewalttätigkeit, des Mordes oder Totschlags<br />

angeklagt. Leider ist der Gerichtsakt selbst nicht mehr<br />

auffindbar. Man kann aus den unvollständig erhaltenen<br />

Akten keine Information erhalten, ob man Hauptschuldige<br />

gefunden hat, oder ob und zu welchen<br />

Strafen die Beteiligten verurteilt wurden. Das erscheint<br />

aber aus heutiger Sicht nicht mehr wichtig.<br />

Wir wollen nicht nach Schuldigen oder Sündenböcken<br />

suchen, sondern nur versuchen darzustellen,<br />

was damals geschah.<br />

Aus anderen Quellen erfährt man noch mehr darüber,<br />

was bei diesen Zusammenrottungen geplant war. Der<br />

111


Aufstandsplan der SA für Oberösterreich ging davon<br />

aus, dass die Österreichische Legion aus ihren Ausbildungsstätten<br />

in Bayern in den Raum Oberösterreich<br />

einmarschiert. Die SA-Führer und die Mannschaften<br />

waren instruiert, durch Kampfhandlungen<br />

die Exekutive zu binden und durch lokale Aktionen<br />

das Vordringen der Legion zu erleichtern, von dieser<br />

Waffen zu empfangen und dann mit ihr gemeinsam<br />

den Aufstand durchzuführen. 19 Ähnliche Inhalte lassen<br />

sich aus den oben zitierten Vernehmungen der<br />

Leondinger Beteiligten herauslesen. Auch die Strafakte<br />

einer Linzer Gruppe, die über Ottensheim und<br />

die Überfuhr zu den Wilheringern stoßen sollte gibt<br />

ähnliche Angaben. 20<br />

Die Leondinger haben vergeblich auf die Österreichische<br />

Legion gewartet, aber in Kollerschlag, Hanging<br />

und Haselbach im oberen Mühlviertel kam es zur einzigen<br />

Aktion einer kleinen, aus Bayern eingefallenen<br />

Einheit der Österreichischen Legion, bei der Schutzkorpsleute<br />

zu Tode kamen. 21 Hier fand man auch<br />

Hinweise, die weiteren Aufschluss über die lokalen<br />

Pläne geben. Beim Grenzübertritt in Hanging wurde<br />

Franz Heel, ein deutscher Staatsbürger, festgenommen,<br />

bei dem man unter dem Hemd und in den<br />

Schuhen versteckt zwei Dokumente, das so genannte<br />

„Kollerschlager Dokument“, eine Disposition für die<br />

Einleitung und Durchführung eines revolutionären<br />

Umsturzes in Österreich, und einen Chiffrenschlüssel<br />

für telegraphische Meldungen fand. Die erste Chiffre<br />

galt dem Tod des Bundeskanzlers Dr. Dollfuß: Für<br />

„Dollfuß tot“ sollte die Chiffre „alte Besteckmuster eingetroffen“<br />

verwendet werden. 22<br />

Die SA hat entsprechende Instruktionen für das Verhalten<br />

von Nationalsozialisten bei Verhaftungen erstellt.<br />

23 Darin kann man lesen: „… Alle Vorhalte hat<br />

112<br />

der Beschuldigte ruhig aber fest zu bestreiten und<br />

jeden Zusammenhang seiner Person mit der Tat, sei<br />

sie auch noch so erwiesen, zu leugnen …“ In einem<br />

„Leitfaden für politische Verbrecher“ aus dem Jahr<br />

1936 24 steht es noch deutlicher: „Ruhe … nicht deine<br />

Pflicht ist es, deine Unschuld mit Beweisen zu erhärten,<br />

was man dir zum Vorwurf macht, muss man dir<br />

auch nachweisen … Stelle dich dumm! … Suche Zeit<br />

zum Nachdenken zu gewinnen … von dem du wissen<br />

musst, dass man es dir widerlegen kann, sag lieber,<br />

du erinnerst dich nicht, du weißt es nicht … Vergiss<br />

nie: Du bist der schwächere Teil, nicht Gewalt, nicht<br />

ein Geständnis, nur List, Klugheit und Charakterstärke<br />

können dir helfen …“ Dieses Vorwissen spürt<br />

man deutlich aus jedem Vernehmungsprotokoll.<br />

Aus den Vernehmungsprotokollen kann man auch<br />

entnehmen, dass die Trupps regelmäßig Übungen<br />

durchführten. Wie es da zugegangen ist, kann man<br />

aus der oben zitierten Aussage entnehmen: „Wer<br />

nicht mitkommt, ist ein Feigling“ oder noch deutlicher<br />

aus einem Linzer Polizeiprotokoll 25 : „Ich stelle in Abrede,<br />

an die SA-Männer eine Anrede gehalten und sie<br />

mit dem Erschießen bedroht zu haben, falls der eine<br />

oder andere auszukneifen versuche. Ebenso wenig<br />

erzählte ich den Leuten, dass wir auf die Legion warten<br />

und dann mit dieser nach Linz marschieren.“<br />

Der Putsch der Nationalsozialisten war gescheitert.<br />

Hitler war mit Göring, Goebbels und Heß zu der Zeit<br />

zu den Bayreuther Festspielen gekommen. Auch<br />

Franz von Papen, damals noch Vizekanzler im Kabinett<br />

Hitler, später Botschafter in Österreich, war<br />

zugegen. Er fand Hitler in einem Zustand der Hysterie<br />

über die Unbesonnenheit der österreichischen<br />

Parteigenossen, die ihn in diese scheußliche Lage<br />

gebracht hatten. 26 Hitler leitete in der Folge Veränderungen<br />

bei der Führung der Nationalsozialisten in<br />

Österreich ein. Übrigens soll auch Hitlers Neffe aus<br />

dem Waldviertel, Anton Schmidt, einen Putschistentrupp<br />

aufzustellen versucht haben. Auch er wurde von<br />

der Polizei gestoppt. 27<br />

Abb.71 u. 72: Gedenkstein Revierinspektor Josef Beyerl<br />

An den Tod von Revierinspektor Josef Beyerl erinnert<br />

ein heute noch vorhandener Gedenkstein an der Linzer<br />

Straße in Wilhering (siehe Abbildung). Im Jahr<br />

2007 ist sein Sohn, Dipl.-Ing. Richard Beyerl, verstorben,<br />

der in der Nähe der Unglücksstelle in Wilhering<br />

Unterhöf gelebt hat.<br />

Das „Bettlerunwesen“<br />

Auch die nächste Geschichte über Opfer der wirtschaftlichen<br />

Verhältnisse und der Politik spielt noch in<br />

der Zeit des „Ständestaates“. Die Informationen dazu<br />

entnehmen wir Situationsberichten 28 , die das<br />

Gendarmerie Bezirkskommandos Linz-Land an das<br />

Landesgendarmeriekommando monatlich zu schreiben<br />

hatte. Ab dem Dezember 1934 tauchen darin<br />

Berichte über Bettler auf. Damals gab es eine große<br />

Zahl von Arbeitslosen und Ausgesteuerten. Die<br />

Arbeitslosenversorgung – von der man ohnedies<br />

nicht leben konnte - war zeitlich begrenzt.


72<br />

Schrittweise wurde die Unterstützungsdauer auf 12<br />

und 30 Wochen im Jahr erhöht. Nach dem Ablauf der<br />

Berechtigungsfrist war man „ausgesteuert“. Man war<br />

auf die Fürsorge oder private Wohltätigkeit angewiesen.<br />

Dafür gab es aber keinen Rechtsanspruch. 29<br />

Viele von den Betroffenen sahen als einzigen Ausweg,<br />

betteln zu gehen. Die Arbeitslosen, Ausgesteuerten<br />

und Bettler belasteten die Gesellschaft. Im<br />

ländlichen Raum war man zwar arm, aber man hatte<br />

einen besseren Zugang zu Lebensmitteln. So zogen<br />

die Arbeitslosen und Ausgesteuerten durch die Lande<br />

und bettelten. Davon war der Bezirk Linz-Land besonders<br />

betroffen.<br />

Unser Chronist aus dem Bezirkskommando Linz Land<br />

schreibt in seinen Situationsberichten: „Im Dezember<br />

1934 werden die Sicherheitsverhältnisse trotz der<br />

großen Zahl der Arbeitslosen, Ausgesteuerten und<br />

Bettler als normal bezeichnet. Aber im Mai 1935 wird<br />

das „Bettlerunwesen“ als eine schwere Landplage<br />

bezeichnet, dagegen sollte energisch entgegengetreten<br />

werden. Bettler begehen auf ihren Streifzügen<br />

auch Verbrechen. Das Bettlertum hat noch nicht<br />

nachgelassen. Es ist daher besonders wertvoll, die<br />

Errichtung von Haftlagern für Bettler und Landstreicher,<br />

weil nur dadurch dem arbeitslosen Gesindel in<br />

ihrer Tätigkeit Einhalt geboten werden kann“, schreibt<br />

unser Chronist im Juli 1935. Die Arbeitslosen werden<br />

in der öffentlichen Meinung Gesindel.<br />

In Oberösterreich wird in Schlögen vom Ständestaat<br />

ein Haftlager für 100 bis 150 Bettler errichtet. 30<br />

Oberösterreich ist da Vorreiter, später werden auch in<br />

Kärnten nach dem Oberösterreichischen Vorbild<br />

Bettlerlager errichtet.<br />

Unser Chronist der Situationsberichte gibt Zahlen für<br />

die Arbeitslosen und die Ausgesteuerten für den Be-<br />

zirk Linz-Land an. Seine Zahl der Arbeitslosen steigt<br />

von etwa 2500 Mitte 1932 auf etwa 4000 das Jahr<br />

1935, um dann abzunehmen. Für die Zahl der Ausgesteuerten<br />

im Bezirk Linz-Land nennt er etwa 500<br />

im Jahr 1932, die stetig auf etwa 900 im Jahr 1937<br />

anwachsen. Zur Orientierung: Die Einwohnerzahl<br />

beträgt im Bezirk nach der Volkszählung vom Jahr<br />

1934 51.370, schreibt der Chronist im Februar 1935.<br />

Hauptbetroffen von Arbeitslosigkeit im Bezirk sind<br />

Textil-, Bau- und Holzarbeiter, weiter die Gehilfen im<br />

Kleingewerbe, weil dafür die sozialen Lasten unerschwinglich<br />

sind. (April 1936)<br />

Die letzte Station für die Ausgesteuerten ist die Armenfürsorge<br />

der Gemeinden. Die Armenlasten der<br />

Gemeinden sind noch im Steigen begriffen. Auch in<br />

der Winterhilfe ist die Zahl der Unterstützten um fast<br />

24 % gegenüber dem Vorjahre gestiegen, schreibt<br />

der Chronist im Jänner 1937.<br />

Die Regierung, die Länder und Gemeinden betreiben<br />

Arbeitsbeschaffungsprogramme. Es besteht bei der<br />

staatlichen Kremsregulierung in der Gemeinde Neuhofen<br />

ein freiwilliger Arbeitsdienst mit einem Stand<br />

von durchschnittlich 40 Mann. Es sind Leute aus dem<br />

ganzen Bundesgebiet (September 1934).<br />

In Leonding wird die Füchselbachregulierung fortgesetzt.<br />

Sie war nach dem Hochwasser im Jahr 1909,<br />

in den Jahren 1911-1913 begonnen worden, durch<br />

den 1. Weltkrieg unterbrochen, im Jahr 1935 weitergeführt<br />

worden. 31 Im Jahr 1937 wird in Leonding die<br />

Hainzenbachstraße für den Güter- und Radfahrverkehr<br />

über Alharting-Aichberg und durch das Hainzenbachtal<br />

zur Donau gebaut. 32 Alle diese Maßnahmen<br />

zeitigten zwar Teilerfolge, der durchschlagende Erfolg<br />

blieb aber aus. Es kam zu keinem Ankurbeln der Gesamtwirtschaft.<br />

Die Regierung des Ständestaates ver-<br />

113


folgte einen Kurs der Ausgeglichenheit des Staatshaushaltes,<br />

anders als in den USA im Rahmen des<br />

New Deal oder im nationalsozialistischen Deutschland.<br />

Bei der Beurteilung der Haltung der österreichischen<br />

Regierung ist jedoch festzustellen, dass die<br />

österreichische Währungs- und Wirtschaftspolitik seit<br />

Aufnahme einer Völkerbundanleihe einer Kontrolle<br />

des Völkerbundes unterworfen war und sich zu Einsparungsmaßnahmen<br />

verpflichten musste. 33 Die<br />

Rolle des Völkerbundes und seiner Beauftragten ist<br />

gesondert zu beurteilen.<br />

Weiter unser Chronist der Situationsberichte: „So<br />

mancher Landwirt könnte zur Behebung der Arbeitslosigkeit<br />

unter den Dienstboten dadurch mithelfen,<br />

dass er noch den einen oder anderen einstellt. (April<br />

1936). Am Lande herrscht vielfach Wohnungsnot für<br />

die armen Leute, da die Bauern ihre Nebenhäuser<br />

mehr und mehr verfallen lassen.“ (Februar 1937)<br />

Die Situation in der Wirtschaft im Bezirk sieht nach<br />

unserem Chronisten so aus: „Die Landwirtschaft klagt<br />

unter den Preisunterschieden zwischen Produzent<br />

und Konsument (Februar 1934), Viele Bauern kritisieren<br />

die niederen Preise ihrer Produkte und die hohen<br />

Abgaben, sowie die Spanne … wegen des Zwischenhandels<br />

wird stark kritisiert. (Juni 1935). Die Bauern<br />

sympathisieren vielfach mit Deutschland, weil dort<br />

höhere Preise für ihre Produkte gezahlt werden<br />

(März 1936). Die Landwirte erhoffen sich durch das<br />

Abkommen mit Deutschland eine erhöhte Nachfrage<br />

nach ihren Produkten. Die Auswanderung landwirtschaftlicher<br />

Saison-Arbeiter nach Deutschland wird<br />

mit Besorgnis betrachtet, weil für die Zeit der Ernte<br />

mit einem Arbeitermangel und einem Steigen der<br />

Löhne gerechnet wird (April 1937). In der Landwirtschaft<br />

ist die Lage keineswegs ungünstig zu nennen<br />

und kann jeder Bauer der sparsam ist und die<br />

114<br />

Wirtschaft versteht, gut auskommen, was auch von<br />

einem Großteil der Landwirte anerkannt wird und sich<br />

speziell in einem Zunehmen der Motorrad-Anschaffungen<br />

und Reparaturen an Hausbesitzen äußert.<br />

(April 1937)<br />

Landwirte, die auch bei der Ausstellung in München<br />

waren und als durchaus vaterländisch eingestellt<br />

angesehen werden müssen, erzählen, dass die<br />

Mechanisierung komme. Im Übrigen sei die österreichische<br />

Landwirtschaft in der Qualität ihrer Erzeugnisse<br />

voraus, in der Organisation und in technischen<br />

Hilfsmitteln bleibe sie jedoch zurück. (Juni 1937)<br />

Der Besuch der Gast- und Vergnügungsstätten ist<br />

schwach. Geldmangel macht sich überall bemerkbar.<br />

(Februar 1935). In der Umgebung von Linz beklagen<br />

sich die Wirte über die von den Bauern errichteten<br />

Mostschänken. (Mai 1935). Kleingewerbetreibende<br />

leiden infolge geringen Absatzes. Dagegen verdienen<br />

Fleischhauer und Bäcker sehr gut. (August 1935).<br />

Der Fremdenverkehr, hier nur im Durchzugsverkehr<br />

bemerkbar, beschränkt sich fast ausschließlich auf<br />

Wintersportler (Februar 1935). Der Bezirk Linz-Land<br />

ist von der 1000-Mark-Sperre durch Deutschland<br />

nicht sehr betroffen.“<br />

So etwa sah die Wirtschaftssituation im Zeitraum<br />

1932 bis 1937 für eine Landgemeinde im Bezirk Linz-<br />

Land aus. Eine schwierige Situation für die Menschen<br />

und die Gesellschaft. Sie war für einen Großteil der<br />

Bevölkerung geprägt von Armut, Arbeitslosigkeit und<br />

Wohnungsnot. Viele wussten sich nicht anders zu<br />

helfen, als betteln zu gehen. Die Gesellschaft begann<br />

damals, diese Personen auszugrenzen und sie in<br />

Arbeitslager einzuweisen.<br />

Sondergerichtsverfahren gegen Leondinger<br />

Mit anderen Besen kehrten die Nationalsozialisten.<br />

Sie richteten nach ihrer Machtübernahme in Österreich<br />

Sondergerichte ein. Die Akten des Sondergerichtes<br />

sind erhalten geblieben, lagern im OÖ<br />

Landesarchiv. 34<br />

In den Verzeichnissen konnten 3 Fälle, von denen<br />

Leondinger betroffen waren, aufgefunden werden.<br />

Für 2 Fälle sind die Akte selbst erhalten und in der<br />

Folge dargestellt.<br />

Ein Leondinger, der 4 Fahrräder gestohlen hat, wird<br />

1943 als „Volksschädling“ zum Tod verurteilt. In der<br />

Urteilsbegründung kann man lesen, dass der Landbevölkerung<br />

die nötige Gewandtheit und Erfahrung<br />

fehle, und das erfordere, dass der Angeklagte aus der<br />

Volksgemeinschaft ausgemerzt wird. 35 Vier Leondingerinnen<br />

haben Gerüchte kritiklos nachgeschwätzt<br />

und wurden zu mehreren Monaten Haft verurteilt. Wie<br />

konnte es zu solchen Urteilen kommen?<br />

Gesetzliche Grundlagen<br />

Die Sondergerichte wurden von Roland Freisler, ab<br />

1942 Präsident des Volksgerichtshofs, so charakterisiert:<br />

„Sie müssen ebenso schnell sein wie die Panzertruppe,<br />

sie sind mit großer Kampfkraft ausgestattet.<br />

Kein Sondergericht kann sagen, daß der Gesetzgeber<br />

ihm nicht genügend Kampfkraft gegeben habe.<br />

Sie müssen denselben Drang und dieselbe Fähigkeit<br />

haben, den Feind aufzusuchen, zu finden und zu stellen,<br />

und sie müssen die gleiche durchschlagende<br />

Treff- und Vernichtungsgenauigkeit gegenüber dem<br />

erkannten Feind haben.“ 36 Von den Sondergerichten<br />

wurden „politisch“ eingestufte Straftaten behandelt –<br />

der Spielraum, was „politisch“ sei, war wie die obigen<br />

Beispiele schon zeigen sehr breit, während den<br />

Volksgerichtshöfen Hoch- und Landesverrat gegen<br />

den NS-Staat zugewiesen war. In beiden Gerichts-


höfen wurden den Angeklagten fast sämtliche Rechte<br />

genommen. 37<br />

Sondergerichte hat es schon vor den Nationalsozialisten<br />

gegeben, sie erhielten aber „Kampfkraft,<br />

Treff- und Vernichtungsgenauigkeit“ durch die gesetzlichen<br />

Bestimmungen, mit denen sie die Nationalsozialisten<br />

ausstatteten, besonders durch die „Volksschädlingsverordnung“<br />

und das „Heimtückegesetz“.<br />

In Österreich traten sofort nach der Machtübernahme<br />

der Nationalsozialisten die Strafgesetze des Deutschen<br />

Reiches in Kraft. Von 1871, dem Gründungsjahr<br />

des Deutschen Reiches und des Strafgesetzbuches,<br />

bis 1933 waren nur Mord und Mordversuch<br />

mit der Todesstrafe bedroht gewesen, vom NS-<br />

Regime wurde schon 1934 die Todesstrafe auf weitere<br />

13 Straftatbestände ausgeweitet. 38 Zusätzliche<br />

Straftatbestände wurden 1939 mit der „Verordnung<br />

gegen Volksschädlinge“ 39 mit Todesstrafe belegt:<br />

Plünderung im frei gemachten Gebiet, Verbrechen bei<br />

Fliegergefahr, Gemeingefährliche Verbrechen und<br />

Ausnutzung des Kriegszustandes als Strafschärfung.<br />

Der letzte Punkt enthält eine Formulierung, die einen<br />

Richter in die Lage versetzt, praktisch jede Straftat<br />

mit dem Tode zu bestrafen: § 4 dieser Verordnung<br />

lautet: „Wer vorsätzlich unter Ausnutzung der durch<br />

den Kriegszustand verursachten außergewöhnlichen<br />

Verhältnisse eine sonstige Straftat begeht, wird unter<br />

Überschreitung des regelmäßigen Strafrahmens mit<br />

Zuchthaus bis zu 15 Jahren, mit lebenslangem Zuchthaus<br />

oder mit dem Tode bestraft, wenn dies das gesunde<br />

Volksempfinden wegen der besonderen Verwerflichkeit<br />

der Straftat erfordert.“<br />

Mit dieser Formulierung wird der Strafrahmen von der<br />

Straftat unabhängig und nur mehr von einer „Einstufung“<br />

des Täters abhängig gemacht.<br />

Eine weitere Ausdehnung der Todesstrafe ist im<br />

Gesetz zur Änderung des Reichsstrafgesetzbuches<br />

vom 4. September 1941 40 enthalten: „Der gefährliche<br />

Gewohnheitsverbrecher (§ 20 a des Strafgesetzbuchs)<br />

und der Sittlichkeitsverbrecher (§§ 176 bis<br />

178 des Strafgesetzbuchs) verfallen der Todesstrafe,<br />

wenn der Schutz der Volksgemeinschaft oder das Bedürfnis<br />

nach gerechter Sühne es erfordern.“ § 20a<br />

des Strafgesetzbuches in der ostmärkischen Form 41<br />

legte fest, dass man als Gewohnheitsverbrecher galt,<br />

wenn man zwei Vorstrafen aufweisen konnte, in der<br />

Version des Altreiches konnte man sich übrigens drei<br />

Vorstrafen leisten.<br />

Schließlich wurde mit dem steigenden Einfluss der<br />

Polizei die Entscheidung den Gerichten entzogen.<br />

Die Polizei entschied letztlich, ob ein aus der Strafhaft<br />

entlassener tatsächlich frei kam oder in Schutzhaft<br />

genommen wurde oder in ein KZ zum Zweck der<br />

Vernichtung durch Arbeit eingewiesen wurde. 42<br />

Im OLG-Bezirk Linz gab es 6365 sondergerichtliche<br />

Ermittlungsverfahren der Sondergerichte, gegen 2722<br />

Angeklagte ergingen Urteile. Nach Haftende wurden<br />

viele der Gestapo übergeben, in Arbeitserziehungslager<br />

oder Konzentrationslager eingewiesen. Es wurden<br />

gegen 67 Männer und 3 Frauen Todesurteile verhängt.<br />

Die Statistik der Verfahren zeigt deutlich den<br />

politischen Einfluss durch Anstiege nach der Niederlage<br />

bei Stalingrad und besonders vor dem Ende der<br />

NS-Herrschaft. 43<br />

Der Leondinger Volksschädling<br />

Aber zurück zu unserem Leondinger Volksschädling.<br />

Der 40-jährige Melker Rudolf S. 44 , gebürtig aus Leonding,<br />

hatte im Laufe des Jahres 1942 mehrfach Fahrräder<br />

gestohlen. Er stammte aus einfachen Verhältnissen,<br />

ist in Untergaumberg aufgewachsen. Mit 9<br />

Jahren schon kam er zu einem Bauern, wo er Schafe<br />

hütete. Als er 13 Jahre alt war, starb seine Mutter, der<br />

Vater brachte ihn in eine Erziehungsanstalt - er hatte<br />

kleine Gelddiebstähle begangen. Später erlernte er<br />

die Melkerei. Als Müllerlehrling – er war 16 - zündete<br />

er einen Schuppen an, das Feuer griff auf die Mühle<br />

über. Das Verfahren wurde eingestellt, weil er nach<br />

einem gerichtsärztlichen Gutachten wegen eines<br />

moralischen Defekts der Tragweite der impulsiven<br />

Handlung nicht zurechnungsfähig war. In der Folge<br />

wurde er noch elfmal wegen Diebstahls, Betrugs und<br />

Veruntreuung verurteilt.<br />

Ab 1940 kam es schließlich zu den 4 Fahrraddiebstählen<br />

begleitet von Betrügereien und Diebereien.<br />

17 Straftaten wurden ihm vorgeworfen, in vier Fällen<br />

konnte ihm keine Schuld nachgewiesen werden.<br />

Unser Delinquent hatte 12 Vorstrafen auf seinem<br />

Vorstrafenregister. Das waren mehr als zwei. Er wird<br />

als gefährlicher Gewohnheitsverbrecher eingestuft<br />

und habe damit eine Freiheitsstrafe verwirkt.<br />

Angeklagt war er wegen § 4 der Verordnung gegen<br />

Volksschädlinge, zum Tode verurteilt wird er aber<br />

nach § 1 des Gesetzes zur Änderung des Reichsstrafgesetzbuches<br />

am 22. Jänner 1943 vom Sondergericht<br />

Linz als gefährlicher Gewohnheitsverbrecher.<br />

Weiter geht es schnell. Schon am 24. Jänner, noch<br />

vor Erledigung des Gnadengesuches, wurde beim<br />

Vater angefragt, was mit der Leiche seines Sohnes<br />

geschehen solle. Am 23. Jänner war er ins Landesgericht<br />

Wien überführt worden und der Scharfrichter<br />

115


Abb.73: Schreiben des Leondinger Bürgermeisters zum Gnadengesuch 45<br />

in München informiert. Die Nichtigkeitsbeschwerde<br />

durch den Anwalt wurde nicht angenommen. Der<br />

Reichsminister der Justiz macht von seinem Begnadigungsrecht<br />

keinen Gebrauch, sondern lässt der<br />

Gerechtigkeit freien Lauf. Den Termin der Vollstrek-<br />

116<br />

kung der Todesstrafe hat der Oberstaatsanwalt für<br />

24. März 1942, 6 Uhr früh festgesetzt.<br />

Im Handakt des Staatsanwaltes ist ein Schreiben des<br />

Bürgermeisters von Leonding vom 30. Jänner 1942<br />

enthalten (siehe Abbildung). Das Schreiben endet<br />

mit: „… dass dieses Urteil bei der Bevölkerung sehr<br />

zufrieden stellend aufgenommen wurde. Eine Begnadigung<br />

würde das Gegenteil ergeben.“ Wie solche Art<br />

von Volkesstimme zustande kam, wäre eine gesonderte<br />

Betrachtung wert.<br />

Im Handakt enthalten sind auch eine Pressemitteilung<br />

und die Bestellung von 50 Stück Plakaten zur<br />

öffentlichen Bekanntmachung nach vollzogener Hinrichtung.<br />

Solche Plakate sind wahrscheinlich auch in<br />

Leonding ausgehängt worden.<br />

Im einem so genannten „Vollstreckungsheft“ in rotem<br />

Einband sind alle diese Schriftstücke zusammengefasst.<br />

Zur Vollstreckung mit dem Fallbeil reist ein<br />

Scharfrichter aus München an. Die Niederschrift der<br />

Vollstreckung ist auf einem vorgedruckten Formular<br />

abgefasst, in das nur noch Namen und Daten einzutragen<br />

waren. Auch Angaben zum Verhalten des Delinquenten<br />

sind schon vorgedruckt. Das letzte Blatt<br />

des Vollstreckungsheftes ist eine Kostenrechnung:<br />

1 x Hinrichtungsgebühr RM 383.<br />

Anklage des Heimtückevergehens<br />

Gegen 5 Personen, vier davon in Gaumberg, Gemeinde<br />

Leonding, wohnhaft, wird vom Sondergericht<br />

Anklage des Heimtückevergehens erhoben. 46 Lt.<br />

Anklage haben sich im August 1943 folgende zwei<br />

Ereignisse zugetragen:<br />

Fall (1) Die Angeschuldigte W. erzählt der Angeschuldigten<br />

R, dass eines Tages über Linz der Himmel von<br />

amerikanischen Fallschirmjägern wimmeln werde,<br />

dass sie aber nicht zu erschrecken brauche, weil es<br />

sich nur um die Absetzung feindlicher Fallschirmjäger<br />

handeln werde, die die Ostmark beschützen würden.<br />

Amerika habe dem Führer ein Ultimatum gestellt, bis<br />

Mitte August die Ostmark freizugeben, widrigenfalls


die Ostmark vergast werden. Der Führer gebe aber<br />

die Ostmark nicht frei, er lasse sie lieber vergasen.<br />

Die Angeschuldigte R. erzählte die Gerüchte der<br />

Angeschuldigten A., die ihrerseits dem Mechaniker<br />

H., ebenfalls aus Gaumberg, Gemeinde Leonding,<br />

davon Mitteilung machte.<br />

Fall (2) Die Angeschuldigte S. erzählte der Angeschuldigten<br />

H., dass eine Kürzung der Fleischrationen<br />

um 100 g bevorstehe. Die neuen Fleischkarten<br />

würden schon gedruckt werden. Dieses<br />

Gerücht gab die Angeschuldigte H. an die Angeschuldigte<br />

R. weiter, die wieder ihrer Wohnungsnachbarin<br />

davon erzählte.<br />

Die Angeschuldigten waren geständig, durch ihre Gerüchtemacherei<br />

hätten sie vorsätzlich unwahre Behauptungen<br />

verbreitet, die geeignet seien, das Wohl<br />

des Reiches und das Ansehen der Reichsregierung<br />

zu schädigen.<br />

Im Urteil heißt es: „Die Angeklagten W. und R. werden<br />

zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt, die Angeklagte<br />

A. zu zwei, die Angeklagte S. zu einem Monat<br />

Gefängnis. Die Angeklagte H. wird freigesprochen.<br />

Das Gericht erhielt den Eindruck, dass die Angeklagten<br />

einfältige Frauen seien, die jedes ihnen zukommende<br />

Gerücht, und sei es noch so unsinnig, ohne<br />

zu denken kritiklos nachschwätzen. Deshalb glaubte<br />

das Gericht mit den erkannten Strafen das Auslangen<br />

zu finden.“<br />

Anzumerken ist, dass in dem gesamten Akt kein einziger<br />

Paragraph zitiert ist. Das Heimtückevergehen<br />

wurde zuerst 1933 als „Heimtückeverordnung“ 47<br />

gleichzeitig mit der Bildung von Sondergerichten<br />

erlassen, später 1934 als „Heimtückegesetz“ 48 Gesetz<br />

gegen heimtückische Angriffe auf Staat und<br />

Partei und zum Schutz der Parteiuniformen. Drei Monate<br />

bis 2 Jahre Gefängnis konnte man ausfassen,<br />

„wer vorsätzlich eine unwahre oder gröblich entstellte<br />

Behauptung … aufstellt oder verbreitet, die geeignet<br />

ist, das Wohl des Reichs oder das Ansehen der<br />

Reichsregierung oder das der Nationalsozialistischen<br />

Deutschen Arbeiterpartei … schwer zu schädigen…“<br />

„Widerstand“ in Leonding vor Sondergerichten<br />

Widerstand gegen das NS-Regime in Leonding<br />

taucht nur in wenigen Dokumenten auf.<br />

Das Dokumentationsarchiv des österreichischen<br />

Widerstandes arbeitete seit 1977 an einer wissenschaftlichen<br />

Erfassung der Widerstandstätigkeiten in<br />

Oberösterreich. Die Arbeit wurde 1982 beendet. Darin<br />

sind auch einige Aktivitäten enthalten, die Leonding<br />

und Leondinger betreffen, die vor den Sondergerichten<br />

des NS-Staates abgewickelt wurden und als<br />

Widerstandshandlungen eingestuft werden können. 49<br />

Der Werkmeister der Deutschen Reichsbahn Josef<br />

Lehner, wohnhaft in Leonding Nr. 64, wird mit 6 anderen<br />

der Vorbereitung zum Hochverrat, des Abhörens<br />

ausländischer Sender und der Verbreitung ihrer Hetznachrichten<br />

angeklagt. Sie hätten seit Sommer 1942<br />

bis März 1943 im Reichsbahnausbesserungswerk in<br />

Linz- eine kommunistische Gesinnungs- und Betriebsgemeinschaft<br />

gebildet, fortlaufend ausländische<br />

Rundfunksender abgehört und deren Nachrichten bei<br />

regelmäßigen Zusammenkünften untereinander diskutiert<br />

und verbreitet. Alle Angeschuldigten waren<br />

langjährige Mitglieder der SPÖ und später der illegalen<br />

revolutionären Sozialisten. Josef Lehner wird zu<br />

zwei Jahren Zuchthaus und zu zwei Jahren Ehrverlust<br />

verurteilt. 50<br />

In einem Verzeichnis 51 sind neben Josef Lehner noch<br />

weitere Leondinger Eisenbahner angeführt, die zu<br />

Gefängnisstrafen verurteilt worden sind. Die betref-<br />

fenden Einträge lauten: „Josef Gahleitner, Gaumberg<br />

59 Leonding, 1 Jahr, entlassen; Johann Leitner,<br />

Gaumberg 13 Leonding, 4 Jahre, entlassen.“ Leider<br />

sind ihre Vergehen nicht aktenkundig.<br />

Die folgende Geschichte trug sich in Leonding zu und<br />

gibt ein Bild vom damaligen politschen Diskurs und<br />

Wertung. Karl Luckinger aus Linz wird zu einem Jahr<br />

Gefängnis nach dem Heimtückegesetz verurteilt, weil<br />

er folgendes angestellt hat: Im Gasthof Wiesinger in<br />

Leonding hielt sich der Gefreite Robert Hagmüller<br />

auf, später kam Luckinger hinzu. Hagmüller sprach<br />

mit dem Wirt über den Krieg und behauptete, dass<br />

die Russen schon sehr schlecht ausgerüstet seien.<br />

Jetzt kommt das Vergehen des Linzers Luckinger: Er<br />

stellte die Behauptungen Hagmüllers als unglaubwürdig<br />

hin und begründete dies mit der Möglichkeit der<br />

Amerikaner, den Russen über den Persischen Golf<br />

Material zuzuführen. 52<br />

Pater Ferdinand Weinberger, geboren in Leonding,<br />

Priester und Kanzleidirektor des Bischofs in Linz wird<br />

in eine Sache hineinverwickelt, für die er zu zwei<br />

Jahren und sechs Monaten Gefängnis und Ehrverlust<br />

verurteilt wird. Insgesamt hat er vier Jahre in 14 verschiedenen<br />

Gefängnissen verbracht. 53 Er habe mit<br />

anderen von der Tätigkeit der legitimistischen Organisation<br />

„Großösterreichische Freiheitsbewegung“ erfahren<br />

und es unterlassen, die Behörde davon zu<br />

benachrichtigen, wirft ihm der Ankläger vor. 54 Das<br />

Ziel der Großösterreichischen Freiheitsbewegung<br />

bestand in der Schaffung einer so genannten Realunion<br />

mitteleuropäischer Staaten unter österreichischer<br />

Führung. Sie vertritt die so genannte „Großraum-Idee“,<br />

d.h. die Schaffung eines übernationalen<br />

Staatengebildes, analog der ehem. Österreich-<br />

Ungarischen Monarchie in größerem Umfange. 55<br />

117


Von dieser Geschichte berichten auch Leondinger<br />

Zeitzeugen 56 , die von regelmäßigen Zusammenkünften<br />

von Pater Ferdinand Weinberger, Josef Tomschi<br />

und einem Herrn Karigl in einem Gasthof in Leonding<br />

nach dem Krieg berichten. Weinberger und Tomschi<br />

waren in die Sache „Großösterreichische Freiheitsbewegung“<br />

verwickelt. Karigl soll KZ-Häftling gewesen<br />

sein. Im Gasthaus hat er einmal - später nie wieder<br />

- die Geschichte seiner grausamen Behandlung<br />

im KZ erzählt und die Narben seiner dort erlittenen<br />

Wunden gezeigt. Leider haben wir bis jetzt keine<br />

Dokumente darüber gefunden.<br />

Einer Widerstandsgruppe in Linz mit Namen „Orel“<br />

wird Kontakt zu einigen Leuten in Leonding nachgesagt.<br />

Mehr dazu und eine Beurteilung des Widerstandes<br />

gegen das NS-Regime in Leonding ist im<br />

Beitrag „Umgang mit Erbe – Die Gemeinde Leonding<br />

und ihr Umgang mit der NS-Vergangenheit“ enthalten.<br />

Weitere Aktionen, die als Widerstandstätigkeit<br />

eingestuft werden können, sind im Beitrag „NS-Vermögensentzug<br />

in Leonding“ enthalten. Die Sängerrunde<br />

Gaumberg wird aufgelöst und die Lizenz für<br />

eine Tabaktrafik wird entzogen. In beiden Fällen wird<br />

Gegnerschaft zum Regime als Begründung angegeben.<br />

Hinrichtungen in Leonding<br />

In Leonding weiß man über Hinrichtungen in der NS-<br />

Zeit, die auf Leondinger Gebiet u. z. am Schießplatz<br />

Alharting oder in Leondinger Steinbrüchen stattgefunden<br />

haben. Aktenstudium in den Archiven hat einige<br />

solche Fälle aktenmäßig belegen lassen.<br />

118<br />

Durch Akten belegte Exekutionen in Leonding:<br />

Hinrichtung von Soldaten der deutschen Wehrmacht:<br />

Je ein Soldat am 23. März, am 18. April, am<br />

8. Mai , am 22. Mai und am 25. Mai 1940, sowie am<br />

3. Dezember 1941.<br />

Hinrichtung von Fremdarbeitern als Plünderer:<br />

Am 2. März 1944: zwei junge Griechen und ein Franzose.<br />

Hinrichtung eines Beamten am 15. April 1945.<br />

Hinrichtung von Soldaten der deutschen<br />

Wehrmacht<br />

Im Dokumentationsarchiv des Österreichischen<br />

Widerstandes wird ein Dokument 57 aus dem Nachlass<br />

von Konsulent Hans Rödhammer mit dem Titel<br />

„Verzeichnis der auf dem Schießplatz Allharting, Gemeinde<br />

Leonding, hingerichteten Österreicher als<br />

Soldaten der deutschen Wehrmacht“ aufbewahrt. In<br />

dieser Liste sind 6 Namen angeführt. Sie wurden bei<br />

fünf verschiedenen Exekutionen zwischen März und<br />

Mai 1940 und im Dezember 1941 hingerichtet. Die<br />

Dienstgrade waren Soldat, Schütze, Oberschütze<br />

oder Gefreiter. Sie sind alle am Linzer St. Barbara<br />

Friedhof begraben. Die Liste enthält keine Angaben<br />

über die Vergehen, deretwegen sie hingerichtet wurden.<br />

Es fehlt an einer Übersicht über das Wirken der Militärgerichte<br />

im Reichsgau Oberdonau. Es konnten<br />

lediglich die Vollstreckungshefte eines Gerichtes, des<br />

Divisionsgerichtes 487, ausgewertet werden. Die dort<br />

behandelten 170 Fälle setzen sich folgendermaßen<br />

zusammen: 20 wegen Wehrkraftzersetzung, 20 wegen<br />

unerlaubter Entfernung, wozu auch die Überziehung<br />

des Urlaubs zählte, 50 wegen Fahnenflucht, 6<br />

wegen Gehorsamsverweigerung, 2 wegen Feigheit<br />

vor dem Feind, 2 wegen verbotenem Umgang mit<br />

Kriegsgefangenen, 70 wegen Wirtschaftsdelikten,<br />

davon 1 Kameradschaftsdiebstahl, sonst Diebstahl<br />

von Wehrmitteln. 58<br />

Wenn man versucht, die nationalsozialistische Militärgerichtsbarkeit<br />

einzustufen, indem man sie z. B. mit<br />

jener der Kriegsgegner als auch mit jener im ersten<br />

Weltkrieg vergleicht, muss man feststellen, dass die<br />

Militärgerichtsbarkeit der Nationalsozialisten als eines<br />

der dunkelsten Kapitel der Justizgeschichte bezeichnet<br />

werden muss. 59<br />

Hinrichtung von Fremdarbeitern als Plünderer<br />

Am 2. März 1944 wurden in Leonding, Schießplatz<br />

Alharting, zwischen 17 Uhr 29 und 17 Uhr 33 drei<br />

Personen hingerichtet, 1 Franzose und 2 Griechen.<br />

Sie waren als Arbeiter bei Aufräumarbeiten in Steyr<br />

beschäftigt. Die Akte liegen im Oberösterreichischen<br />

Landesarchiv auf. Die Fälle sind in der Literatur ausführlich<br />

beschrieben 60 , weil sie in mehrfacher Hinsicht<br />

exemplarisch waren. Wir wollen uns hier nur auf die<br />

Wiedergabe der wesentlichen Punkte beschränken.<br />

Die Namen der Hingerichteten sind weder in der<br />

Literatur noch hier anonymisiert. In „Justiz in Oberdonau“<br />

weisen die Verfasser auf die Nennungen in<br />

der wissenschaftlichen Literatur und beabsichtigen<br />

damit, diesen Opfern der NS-Justiz ein ‚Gesicht’ zu<br />

geben. 61<br />

Ein Franzose „plündert“<br />

Der Franzose Marius Berry 62 war 47 Jahre alt und<br />

ehemals Straßenkehrer in Clermont-Ferrand, bevor er<br />

als Arbeiter in die Steyr-Werke kam. Am 27. Februar<br />

1944, dem Sonntag nach den Bombenangriffen, erhielt<br />

er den Auftrag, aus einem zerstörten LKW Treibstoff<br />

abzupumpen. Nach getaner Arbeit kletterte er<br />

ins zerstörte Führerhaus des LKWs und fand dort


Kleidungsstücke und ein Stück Brot. Die Kleidungsstücke<br />

versuchte er zu verkaufen. Seine Käufer bekamen<br />

„kalte Füße“ und verständigten den Werksschutz<br />

der Steyr-Werke. Er verteidigt sich, dass ihm nicht<br />

bekannt war, dass er durch seine Handlungen eine<br />

Plünderung begehe, sondern glaubte, einen Fund<br />

gemacht zu haben.<br />

Es hatte früher schon zwei Vorstrafen ausgefasst:<br />

Nur wenige Wochen nach seiner Ankunft in Steyr, am<br />

22. Dezember 1942, wurde Berry wegen Arbeitsvertragsbruchs<br />

vor Gericht gestellt, weil er die ihm zugewiesene<br />

Arbeit in einem Steinbruch verweigert hatte -<br />

offenbar entsprach ein derartiger Arbeitsplatz nicht<br />

dem, was er sich von der Arbeit in der deutschen<br />

Rüstungsindustrie erwartet hatte. Er wurde zu sechs<br />

Wochen Gefängnis verurteilt. Im August 1943 folgte<br />

eine viermonatige Gefängnisstrafe, weil er aus dem<br />

Spind eines Arbeitskollegen eine Uhr gestohlen hatte.<br />

Der Staatsanwalt schreibt in seiner Anklageschrift:<br />

„Nach dem Inhalt der Vorakten erscheint seine Persönlichkeit<br />

in sehr schlechtem Licht. Die jetzt gesetzte<br />

Tathandlung lässt keinen Zweifel darüber bestehen,<br />

dass es sich um einen Volksschädling handelt.“<br />

Am 1. März 1944 wird er verurteilt: „Der Angeklagte<br />

hat sich am 27. 2. 1944 bei den Steyr-Werken in<br />

Steyr aus einem bombenbeschädigten Kraftwagen<br />

eine Ärmelweste, 1 Paar Damenschuhe und 1<br />

Damenhemd angeeignet. Er wird hierfür als Plünderer<br />

zum Tode verurteilt.“ Am 2. März 1944 wird er am<br />

Schießplatz Alharting hingerichtet.<br />

Zwei junge Griechen sterben für zwei Hosen<br />

Zwei Griechen waren am 29. Februar 1944 bei den<br />

Aufräumarbeiten nach den Bombenangriffen beschäftigt.<br />

Sie wurden beobachtet, wie sie sich Gegenstände<br />

in die Taschen steckten. Sie geben an, sie<br />

hätten nicht geplündert, sondern höchstens gestohlen.<br />

Der Staatsanwalt beantragt bei der Gerichtsverhandlung<br />

am 1. März 1944, die beiden Angeklagten<br />

als Plünderer zum Tode zu verurteilen. Die<br />

ganze Verhandlung dauert 1 Stunde und 15 Minuten.<br />

Das Urteil nach geheimer Beratung lautet: „Die<br />

Angeklagten Nikolaus Kondojianis und Adreas<br />

Dadopulos haben sich am 29.2.1944 in Steyr aus den<br />

Trümmern eines bombengeschädigten Hauses zwei<br />

Hosen und im bombengetroffenen Werksgelände der<br />

Steyr-Werke 2 Pistolentaschen angeeignet. Beide<br />

werden hiefür als Plünderer zum Tode verurteilt.“ 63<br />

Sie werden am 2. März 1944 am Schießplatz<br />

Alharting hingerichtet.<br />

Laut Sterbeurkunde war Dadopulos 23 Jahre alt,<br />

Kondojianis im zwanzigsten Lebensjahr. Der Leondinger<br />

Standesbeamte Johann Koglgruber weigerte<br />

sich, Sterbeurkunden auszustellen: Es wurde mir<br />

weder bekannt, dass derselbe hingerichtet noch<br />

irgendwie auf eine andere Art verstorben sei, verantwortet<br />

er sich. Eine Beurkundung könne erst erfolgen,<br />

wenn das jeweilige Geburtsstandesamt kontaktiert<br />

würde. Das Gericht lehnte solche Erkundigungen ab.<br />

Der Leondinger Standesbeamte musste drei Leerformulare<br />

übersenden, das Gericht setzte die Daten<br />

ein. 64 Der Standesbeamte Johann Koglgruber trug<br />

die Daten im Sterbebuch von Leonding nach. Die<br />

Verwahrungsstelle des Landesgerichts Steyr mühte<br />

sich, die beiden Hosen und die beiden Pistolentaschen<br />

loszuwerden. Ein umfangreicher Schriftakt<br />

folgte. Man fand keine Abnehmer. Im zerbombten<br />

Haus waren alle tot. 65<br />

Zu den Steyrer „Plünderungen“<br />

In einem Lagebericht an den Reichsjustizminister<br />

schreibt der zuständige Generalstaatsanwalt am 5.<br />

Juli 1944 zu den Ereignissen in Steyr: „Es kamen<br />

mehrere Fälle von Plünderung zur Anzeige. Achtmal<br />

wurde Anklage erhoben (davon siebenmal gegen<br />

Ausländer), in drei Fällen verhängte das Sondergericht<br />

ein Todesurteil, das auch vollstreckt wurde. 66<br />

Bei den angezeigten Fällen handelte es sich nicht um<br />

„Plünderungen“ im herkömmlichen Sinn, um herumziehende<br />

„plündernde Horden“. Bei den unerwarteten<br />

Bombenangriffen wurden in der Stadt und in den<br />

Steyr-Werken große Zerstörungen angerichtet.“<br />

Tausende ausländische und heimische Arbeiter halfen<br />

bei den Aufräumarbeiten mit, die allerdings unkoordiniert<br />

und chaotisch verliefen. Das rasche und überharte<br />

Vorgehen der NS-Behörden gegen Ausländer<br />

deutet auf einen Zusammenhang mit dem nun auch<br />

über Oberdonau hereinbrechenden Bombenkrieg hin.<br />

Man wollte jegliche Befürchtung von Unsicherheit bei<br />

der „arischen“ Bevölkerung im Keim ersticken. Die<br />

scharfen Maßnahmen waren hauptsächlich gegen<br />

Ausländer gerichtet. 67<br />

„Sofortige“ Hinrichtungen<br />

In den Akten sind zahlreiche Informationen enthalten,<br />

dass die Behörden alle Hebel in Bewegung setzten,<br />

eine sofortige Erschießung zu ermöglichen. Das war<br />

ein Abweichen von der vorgeschriebenen Vollstreckungsordnung.<br />

Betreiber war der Generalstaatsanwalt<br />

Dr. Rudolf Löderer. Mit dieser Vorgangsweise erhielt<br />

die Aktion eher den Charakter einer Geiselerschiessung<br />

als einer Hinrichtung. Löderer legt darüber<br />

einen äußerst umfangreichen Aktenvermerk an, um<br />

seinen Sonderweg zu rechtfertigen. 68 Daraus sei nur<br />

die Passage entnommen, wie Leonding ausgewählt<br />

wurde: „Die Schutzpolizei in Linz, die erst nach langem<br />

Zögern die allfällige Vollstreckung des Todesurteils<br />

übernahm, übergab die tatsächliche Durchführung<br />

dem KZ-Lager Mauthausen. Dort war der<br />

119


Kommandant nicht zu sprechen (verreist, Rückkehr<br />

nicht vor Abend des 3. 3. 1944), sein Stellvertreter<br />

erklärte, dass sich der Kommandant den Vollzug der<br />

Todesstrafe vorbehalten habe und daher ein solcher<br />

Vollzug nicht vor seiner Rückkehr aus Wien möglich<br />

sei. Die Dienststelle des Standortältesten der Wehrmacht<br />

in Steyr (Offizier vom Dienst) gab bekannt,<br />

dass nur dann die Wehrmacht den Vollzug übernehmen<br />

würde, wenn ein diesbezüglicher ausdrücklicher<br />

Befehl des Wehrkreiskommandos Wien vorliege. Eine<br />

telefonische Anfrage bei dieser Wehrmachtdienststelle<br />

ergab, dass der diensthabende Offizier erst seinen<br />

Kommandanten befragen müsse. In einem Anruf<br />

seitens des Wehrkreiskommandos Wien erklärte<br />

Major Leber, dass die Wehrmacht nur dann den Vollzug<br />

der Todesstrafe übernehme, wenn sich an dem<br />

betreffenden Ort keine Polizei befindet. Dies sei auch<br />

der Standpunkt des Kommandeurs des Wehrkreises.<br />

Nunmehr erklärte sich die Schutzpolizei mit dem<br />

Vollzug einverstanden, und zwar, da in Steyr keine<br />

geeignete Abteilung bestehe, mit dem Vollzug in Linz<br />

(Steinbruch bei Leonding).“<br />

Hinrichtung eines Beamten in den letzten<br />

Kriegstagen<br />

In der Chronik von Leonding erscheint folgender<br />

Eintrag: „15. April 1945: nachm. wurde am<br />

Schießplatz Alharting der Präsident des Arbeitsamtes<br />

in Linz, Ing. Gustav Böhm erschossen, weil er seinen<br />

Posten verlassen hatte“ .69<br />

Und in der Gendarmeriechronik Leonding kann man<br />

lesen: „Am 12.4.1945 wurde der Präsident des<br />

Gauarbeitsamtes in Linz, der Volkssturmangehöriger<br />

war, wegen Fahnenflucht und Wehrzersetzung in der<br />

Reisetbauer-Sandgrube in Alharting nach gerichtlicher<br />

Aburteilung unter Aufsicht des Volkssturmangehörigen<br />

N. Gold aus Linz standrechtlich von Volks-<br />

120<br />

sturmmännern erschossen. Die Leiche wurden geborgen<br />

und am Friedhofe in Leonding ohne Zeremonie<br />

begraben.“ 70<br />

Was war geschehen: Der aus Preußen stammende<br />

Böhm hatte versucht, sich gemeinsam mit seiner<br />

Frau und seiner Sekretärin vor den anrückenden<br />

Russen gegen den Befehl des Gauleiters abzusetzen.<br />

Er wurde auf Weisung von Gauleiter Eigruber<br />

vor Gericht gestellt, von einem Standgericht zum<br />

Tode verurteilt und hingerichtet. 71<br />

Einen wesentlichen Anteil an der Situation der letzten<br />

Kriegstage trug August Eigruber, Gauleiter von Oberdonau<br />

und Landeshauptmann von Oberösterreich,<br />

der zum Reichsverteidigungskommissär ernannt worden<br />

war. Er dürfte drei Wochen nach Dr. Böhm, am 3.<br />

Mai 1945, seinen Posten verlassen haben. 72 Er<br />

wurde 1947 im Mauthausenprozess zum Tod verurteilt<br />

und hingerichtet. 73<br />

Was Zeitzeugen berichten<br />

In Leonding spricht man darüber, dass in der Schießanlage<br />

Alharting und in den benachbarten Steinbrüchen<br />

noch viel mehr Hinrichtungen stattgefunden<br />

haben, als hier angeführt sind. Das wurde alles von<br />

den Behörden streng geheim gehalten und abgeriegelt,<br />

aber die Anrainer bekamen doch einiges mit.<br />

Man sagte sich in der Bevölkerung, das wären Feinde<br />

von Adolf Hitler, des Regimes und sonstige Verbrecher.<br />

Besonders in Erinnerung bleibt die Erschiessung<br />

von einer Truppe von etwa 15 versprengten jungen<br />

Soldaten, die in den letzten Kriegstagen ohne<br />

Papiere von der Feldgendarmerie aufgegriffen worden<br />

waren und vor ihrer Hinrichtung lauthals Gott und<br />

ihre Mutter um Hilfe anriefen. 74<br />

Ein Jugendstreich in Leonding kostet den Kopf<br />

Ein Berliner Rechtsanwalt namens Dietrich Wilde hat<br />

unter dem Pseudonym Dietrich Güstrow im Jahr 1980<br />

seine Erinnerungen aufgeschrieben und schildert<br />

einen Fall, bei dem ein Jugendstreich in Leonding zu<br />

einer Hinrichtung geführt hat. 75 Die Geschichte findet<br />

Eingang in das Nachrichtenmagazin Spiegel 76 und in<br />

die Oberösterreichischen Nachrichten 77 .<br />

Die Geschichte spielt in der zweiten Jahreshälfte des<br />

Jahres 1943. Laut Strafakte Eugen Wasner habe sich<br />

in einer Kompanie an der Russischen Mittelfront folgendes<br />

zugetragen:<br />

„Ach, der Adolf! [gemeint ist Adolf Hitler] Der ist ja<br />

deppert schon von kleinauf, wo ihm doch ein Ziegenbock<br />

den halben Zippedäus abgebissen hat!“ Und,<br />

vom Staunen seiner Kameraden angespornt, war er<br />

fortgefahren: „Jawohl, ich bin doch selbst dabeigewesen.<br />

Eine Wette hat er gemacht, der Adi, daß er<br />

einem Ziegenbock ins Maul pinkeln würde. …“ So<br />

sprach Eugen Wasner, Buchhalter von Beruf und<br />

Anfang 50. Er wäre mit Adolf Hitler zusammen in<br />

Leonding in die Volksschule gegangen. Der Kompaniekommandant<br />

vernimmt Wasner noch selbst. Der<br />

erklärt: „Jawohl, das habe ich erzählt als einen Spaß<br />

aus des Führers Jugend“. Schon zwei Tage später<br />

war Wasner verhaftet und landete im WehrmachtsuntersuchungsgefängnisBerlin-Spandau.Rechtsanwalt<br />

Dietrich Wilde wird mit der Verteidigung beauftragt.<br />

Es gab da noch einen Zeugen, Bruno Kneisel, der<br />

dem Ziegenbock eine Maulsperre verabreicht hatte.<br />

Aus Leonding erhielt man die Auskunft, der sei hier<br />

wohl geboren, aber schon 1939 an Lungenentzündung<br />

gestorben. Der Herr Rechtsanwalt drückte den<br />

Verdacht aus, dass ihn der lange Arm des Führers<br />

zuerst erreicht haben könnte.


Die Verhandlung vor dem Zentralgericht des Heeres<br />

verlief kurz und militärisch. Der Angeklagte erklärt, er<br />

habe seinen Kameraden nur einen gemeinsamen<br />

Jugendstreich als Scherz erzählen wollen. Das Urteil<br />

„im Namen des Volkes“: „Der Angeklagte Eugen Wasner<br />

hat Deutschlands Führer und Reichskanzler in<br />

übelster Weise heimtückisch beleidigt und verleumdet.<br />

Er hat hierdurch und durch weitere defätistische<br />

Äußerungen die Wehrkraft des deutschen Volkes zersetzt.<br />

Er wird deshalb mit dem Tode bestraft“.<br />

Der Rechtsanwalt verfasste ein Gnadengesuch. Das<br />

wurde abgelehnt im Auftrag des Generalfeldmarschalls<br />

Keitel und von Generalrichter Dr. Sack unterzeichnet.<br />

Zwei Tage später kam die Nachricht, dass<br />

die Vollstreckung des Todesurteils morgens 4.30 Uhr<br />

am nächstfolgenden Tage stattfinde. Der Gefängnisgeistliche<br />

und der Verteidiger durften den Verurteilten<br />

eine halbe Stunde vor der Hinrichtung für zehn Minuten<br />

aufsuchen.<br />

Wasner war gefaßt, er saß mit Drillichhose, Holzpantoffeln<br />

und einem offenen Leinenhemd auf seiner<br />

Pritsche. Der Rechtsanwalt drückte ihm sein Bedauern<br />

aus, dass er nichts für ihn hätte erreichen<br />

können. In diesem Moment kam mit schweren Tritten<br />

der genagelten Stiefel das Begleitkommando von<br />

sechs Soldaten und einem Unteroffizier, dazu der<br />

Oberkriegsgerichtsrat der Anklage; der Geistliche<br />

stand an der Zellentür. Wasner stand auf, gab seinem<br />

Rechsanwalt ohne ein Wort die Hand und ging zum<br />

Geistlichen, der ihn am Arm nahm und in den Gang<br />

führte. Er blieb neben ihm, als sich die Gruppe in<br />

Marsch setzte.<br />

Das ist die Geschichte des Eugen Wasner, seines<br />

Freundes Bruno Kneisel, eines Ziegenbocks und Adolf<br />

Hitlers. Wasners Rechtsanwalt schreibt in seinen<br />

Erinnerungen, dass er an dem Wahrheitsgehalt von<br />

Wasners Bericht, der ein naiver, aber tief gottesfürchtiger<br />

Mensch war, nie einen Zweifel gehabt habe.<br />

Die Geschichte hat nur einen Haken. Wir haben – bis<br />

jetzt – weder Eugen Wasner noch Bruno Kneisel mit<br />

Leonding in Verbindung bringen können. War Adolf<br />

Hitlers Arm auch hier tätig, sind die Namen bei Wilde<br />

alias Güstrow anonymisiert oder ist die Geschichte<br />

doch erfunden?<br />

„Zigeuner“ in Leonding<br />

Im Juni 1950 erscheint Frau Rosa Weinrich, damals<br />

61 Jahre alt, bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-<br />

Land und gibt folgende Geschichte an, die in einer<br />

Niederschrift 78 festgehalten wird:<br />

„Ich wurde aus rassischen Gründen am 30.1.1941,<br />

samt meinem Ehegatten Johann Weinrich in das KZ<br />

Mauthausen eingeliefert. Von dort wurde ich, mein<br />

Mann und 1 Sohn, nach 1 fi Jahren in das Lager<br />

Lackenbach überstellt. Dort verblieb ich bis zum<br />

9.5.1945. Mein Mann ist an Typhus im Lager<br />

Lackenbach gestorben.“<br />

Sie bittet um eine Bescheinigung und eine Rente nach<br />

dem Opferfürsorgegesetz, da sie infolge der im KZ<br />

erlittenen Strapazen nicht mehr arbeitsfähig sei. Das<br />

Gemeindeamt Leonding könne bestätigen, dass sie<br />

seinerzeit in das KZ eingeliefert wurde. Die Familie<br />

Weinrich hat damals in Hart 26 in der Gemeinde<br />

Leonding gewohnt. Die „Zigeuner“ waren früh der rassischen<br />

Verfolgung ausgesetzt. Mit „anderen“ konnte<br />

das NS-Regime nur auf brutale Weise umgehen. Das<br />

Schicksal der „Zigeuner“ wird auch dadurch gekennzeichnet,<br />

dass sie – wie auch andere Minderheiten,<br />

die vom NS-Regime verfolgt wurden – keine Lobby<br />

hatten, niemanden, der sich für sie einsetzte.<br />

Zivile Opfer durch Kriegseinwirkung<br />

In Leonding hat es große Schäden durch Bomben<br />

und Kriegseinwirkung gegeben. Der Schreiber der<br />

Chronik von Leonding hat das Leid, das durch die<br />

lange Kriegsdauer entstanden ist, und die Ereignisse<br />

rundherum offenbar tagtäglich aufgeschrieben. Das<br />

gibt ein „hautnahes“ Bild der damaligen Ereignisse in<br />

Leonding. 79<br />

Den ersten Fliegeralarm gab es schon im Jahr 1940:<br />

21. Oktober: heute nachts 1/2 2h - 1/2 3h (2 mal)<br />

Fliegeralarm! 27. Oktober 1940: Im Gemeindegebiet<br />

Leonding sind mehrere Flakstellungen errichtet …<br />

Abend leuchten dann die riesigen Scheinwerfer den<br />

Himmel ab … das sieht zwar schön aus, erweckt<br />

aber keine Freude! 80<br />

Das Territorium vom Österreich war ja lange von<br />

Kriegswirkungen verschont geblieben. Das lag an der<br />

begrenzten Reichweite der alliierten Bomber. Das<br />

änderte sich, als Italien von den Alliierten besetzt<br />

wurde und die Seiten wechselte. 81<br />

Der Chronist schreibt am 25. Juli 1944: „Angriff auf<br />

Linz! Schon vor der Alarmmeldung wird hier vernebelt<br />

…unsere Flak in Gaumberg feuert heftig. Nun wird’s<br />

also auch bei uns ernst! … Blindgänger in Landwied<br />

gefunden!“ 82<br />

„16. Oktober 1944: In Ruefling gingen einige Bomben<br />

in ein Feld und bei 90 Bomben um den Exerzierplatz<br />

(beim Lindmayr i. Berg). 7 Amerikanern wurden nach<br />

dem Angriff am Friedhof begraben. Totalschäden:<br />

Holzheim 2 (Niederberger), Holzheim 4 (Platzer).<br />

Schwere Schäden: Graben 37 (Steiner), Holzheim 3<br />

(Mich. Platzer) und 5 (Niederberger). Diese 3 Objekte<br />

sind wieder bewohnbar.“<br />

Jeder der weiteren Schäden durch Bomben auf<br />

Leonding wird vom Chronisten vermerkt und die<br />

Opfer angeführt. Die Bombenangriffe galten offenbar<br />

Linz, Leonding war zum Teil nur von Kollateral- oder<br />

121


Begleitschäden betroffen. Rund um Leonding waren<br />

Fliegerabwehrkanonen postiert, die auch Wirkung<br />

erzielten, wie die obige Meldung zeigt. Auch das kann<br />

feindliche Bombenangriffe auf Leonding ausgelöst<br />

haben.<br />

Zu einem verheerenden Angriff kam es am 27. Dezember<br />

1944 83 : „In Ruefling und im Raum Gaumberg<br />

und Haag fielen zahlreiche Bomben. Totalschäden<br />

und schwere Schäden gab es in Ruefling, Landwied<br />

und Untergaumberg. Totalschaden erlitt auch die<br />

Theresienkirche in Landwied und die Ziegelwerke in<br />

Gaumberg und Haag. 10 Tote!“<br />

Ein weiterer schwerer Angriff traf Leonding am 25.<br />

Februar 1945 84 : „Die Zahl der Toten betrug etwa 30,<br />

11 Personen kamen allein in einem Luftschutzkeller<br />

ums Leben. Der Raum Hart, Gaumberg, Untergaumberg,<br />

Imberg, Leonding Ort bis Staudach war von<br />

schwersten Schäden betroffen.“<br />

In der Pfarrchronik kann man zu diesem Angriff<br />

lesen 85 : „Die Michael-Statue war am 25.II.1945 bei<br />

einem Großangriff durch die Saugwirkung einer<br />

Bombe, die 2 m vor der Statue explodierte, bis zur<br />

Unkenntlichkeit entstellt. 6 Bomben fielen in einem<br />

Umkreis von 200 m≈. Wären sie 20 m weiter südlich<br />

gefallen, wären wir im Pfarrhof unter Trümmern begraben,<br />

oder die Pfarre wäre ähnlich wie die Theresienkirche<br />

in Schutt. Es ist meine feste Überzeugung,<br />

dass der Schutzpatron sein Gotteshaus vor der Zerstörung<br />

bewahrt hat.“<br />

In weiteren Berichten des Chronisten erfährt man<br />

auch, dass die zahlreichen Alarme, das damit verbundene<br />

mühselige Aufsuchen der Schutzkeller und die<br />

große Unsicherheit die Bevölkerung stark belastete.<br />

Der Aufenthalt im ‚Schutzraum’ wird ja schon zur Qual.<br />

122<br />

„Ostersonntag, 31. März 1945: … Bombenabwürfe<br />

über Linz … Das Licht im Stollen ist erloschen …<br />

man erfährt, dass auch Gaumberg und Untergaumberg<br />

mitgenommen ist. Wie wird es ausschauen<br />

daheim?“ … 86 Es folgen die Schilderungen der nach<br />

dem Verlassen des Kellers aufgefundenen Schäden.<br />

Diese und andere Aufzeichnungen wurden später<br />

ergänzt und aufgearbeitet in den Gemeindebriefen<br />

von Leonding. 87 Die Zahl der zivilen Opfer Leondings<br />

durch Kriegseinwirkung lässt sich heute nicht mehr<br />

genau bestimmen. Einige Opfer sind in Leonding<br />

begraben worden, viele jedoch in Linz und anderswo.<br />

Man kann davon ausgehen, dass die Zahl der Personen,<br />

die den Kriegseinwirkungen in Leonding zum<br />

Opfer gefallen sind in die Hundert geht.<br />

Ausländische Arbeitskräfte in Leonding<br />

Die Arbeitslosigkeit war in Oberösterreich schon mit<br />

Ende des „Anschlussjahres“ praktisch erloschen. Fast<br />

übergangslos stellte sich ein Arbeitskräftemangel ein,<br />

der durch die einsetzende Beschäftigung ausländischer<br />

Arbeitskräfte nie ausgeglichen werden konnte.<br />

1938 gingen österreichische Facharbeiter (die Zahl<br />

dürfte etwa 5000 betragen haben 88 ) nach Deutschland<br />

und kehrten nicht wieder. Mit Kriegsbeginn war<br />

die junge männliche Bevölkerung „eingerückt“, die<br />

fehlte als Arbeitskraft in der Heimat. 89<br />

Das NS-Reich sorgte für Ersatz. Ausländische<br />

Arbeitskräfte wurden auch in Leonding eingesetzt.<br />

Der Leondinger Chronist schreibt z.B. in der Pfarrchronik<br />

90 , dass die bäuerlichen Dienstboten jetzt im<br />

4. Kriegsjahr [1943] meist nur aus Ausländern bestehen.<br />

Leider ist über die Zahl und die nationale Zusammensetzung<br />

dieser in Leonding beschäftigten<br />

„fremden“ Arbeitskräfte wenig bekannt. Der Chronist<br />

der Pfarrchronik gibt einen Hinweis, dass Ostarbeiter<br />

darunter waren, und setzt ihnen ein – zumindest reli-<br />

giöses - Denkmal. Er schreibt: 91 : …, „man hat doch in<br />

den Ostarbeitern viel Religiosität erlebt.“<br />

Zahlen über den Anteil der ausländischen Arbeitskräfte<br />

in landwirtschaftlichen Betrieben liegen für den<br />

Reichsgau Oberdonau vor. Er war hier mit 37 - 40 %<br />

wesentlich höher als im Durchschnitt der Ostmark. 92<br />

Zahlen über die Art der zivilen ausländischen Arbeitskräfte<br />

und die Opfer unter ihnen für ganz Österreich<br />

liegen vor. In Österreich waren etwa 500.000 Personen<br />

zivile ausländische Arbeitskräfte, das waren 23<br />

Prozent aller zivilen Beschäftigten. Kriegsgefangene<br />

auf Österreichischem Boden waren etwa 200.000<br />

Personen, davon waren 170.000 zur Arbeit eingesetzt,<br />

etwa 25.000 kamen ums Leben. Mindestens<br />

55.000 ungarische Juden sind 1944 insbesondere<br />

nach Ostösterreich zur Zwangsarbeit deportiert worden,<br />

etwa die Hälfte von ihnen ist ums Leben gekommen.<br />

Auf österreichischem Gebiet wurden an die<br />

200.000 Personen in Konzentrationslager eingewiesen,<br />

etwa 60.000 Häftlinge waren in Außenlagern zur<br />

Arbeit in der Industrie bestimmt. Überwog bis 1942<br />

die politische Funktion der Lagerhaft, wie Bekämpfung<br />

und Vernichtung politischer Gegner und Verfolgung<br />

von Minderheiten im Vordergrund, so führte ab<br />

1942 der Arbeitskräftemangel zur Ausbeutung der<br />

Arbeitskraft von Häftlingen für die Kriegswirtschaft.<br />

KZ-Häftlinge stellten einen Anteil von 8 Prozent der<br />

Beschäftigten insbesondere in der Industrie. Die<br />

Sterblichkeit unter ihnen war hoch, sie betrug zum<br />

Teil über 30 Prozent. 93<br />

Die vier Gruppen von ausländischen Arbeitskräften<br />

waren unterschiedlich untergebracht, unterschiedlich<br />

entlohnt, unterschiedlich gekleidet, aber relativ einheitlich<br />

– nämlich miserabel – verköstigt. 94 Die in der<br />

Landwirtschaft eingesetzten waren noch relativ gün-


stig dran. Sie wurden oftmals in den Familienverband<br />

aufgenommen und waren teilweise besser verpflegt.<br />

Gauleiter Eigruber wetterte dagegen, er gab dem<br />

Klerus Schuld und wollte sie – meist waren es<br />

Kriegsgefangene – von den Bauernhöfen abziehen.<br />

Das blieb aber Theorie. 95 Sowohl die Bauern als<br />

auch die bei ihnen beschäftigten standen unter<br />

Druck. Bauern waren unabkömmlich (UK) gestellt, es<br />

drohte aber die Einberufung zur Wehrmacht, wenn<br />

die Ablieferung von Lebensmitteln ungenügend war.<br />

Den ausländischen Arbeitskräften drohten bei kleinsten<br />

Unzukömmlichkeiten schwere Strafen bis zur<br />

Einweisung ins KZ. 96<br />

Die ausländischen Beschäftigten waren aber nicht<br />

nur als Arbeitskräfte unentbehrlich. Das Deutsche<br />

Reich entwickelte Strategien, aus diesen Arbeitskräften<br />

Geld für die Reichskasse zu ziehen. Sie zahlten<br />

von ihrem niedrigen Tariflohn zunächst Steuer,<br />

wie alle anderen auch. Bald wurden für sie Sondersteuern<br />

geschaffen, für sie gab es nur niedrige<br />

Steuerklassen, Kinderfreibeträge wurden für sie<br />

gestrichen. So zahlte ein „Ausländer“ dreimal soviel<br />

Steuer und Sozialabgaben wie ein Deutscher, hatte<br />

aber einen Anteil von seinem Verdienst noch auf ein<br />

Sammelkonto zu überweisen. Man entwickelte das<br />

„Ostarbeiter-Sparen“: Für Ostarbeiter wurden Sparmarken<br />

geklebt, der Gegenwert an die Reichshauptkasse<br />

überwiesen. Der einzelne Arbeiter sollte das<br />

angeblich Gesparte bei seiner Rückkehr in die Heimat<br />

voll und mit zwei Prozent verzinst auf die Hand<br />

bekommen. Auch Überweisungen von Arbeitern in die<br />

Heimat wurden auf ein Sammelkonto der Reichsbank<br />

gebucht, die Angehörigen bekamen den Gegenwert<br />

aus dem Besatzungskostenhaushalt ausbezahlt, den<br />

das jeweilige Land zu tragen hatte. Die besetzten<br />

Länder zahlten auf diese Weise einen Teil des Loh-<br />

nes ihrer Arbeiter in Deutschland. Man schätzt allein<br />

das Lohnsteueraufkommen aus industrieller Zwangsarbeit<br />

auf ein Viertel des gesamten Lohnsteueraufkommens.<br />

Die Beträge, die durch die Überweisungsund<br />

Sparaktionen in die Reichskasse flossen, sind<br />

darin nicht enthalten. Diese Vorgangsweise freute<br />

den Finanzminister, nicht jedoch die besetzten<br />

Länder. z.B. beschwerte sich der Generalgouverneur<br />

in Polen, Hans Frank, - unter den Fremdarbeitern war<br />

der Polenanteil sehr hoch - schon 1940 vehement<br />

über diese Vorgangsweise. 97<br />

Leondinger Opfer der NS-Erbgesundheitspolitik<br />

Von den NS-Machthabern wurden auch Sondergerichte<br />

für Erbgesundheit geschaffen. In den Akten<br />

des Sondergerichts für Erbgesundheit 98 finden sich<br />

auch solche über Leondinger.<br />

Insgesamt sind 7 solche Fälle aktenkundig. 99 Als<br />

Krankheit wurde in 6 Fällen angeborener Schwachsinn<br />

attestiert, in einem Fall Epilepsie. In 4 Fällen<br />

wurde vom Erbgesundheitsgericht die Unfruchtbarmachung<br />

beschlossen, in 3 Fällen auch durchgeführt.<br />

In 3 Fällen wurden die Akte an andere Ämter weitergegeben,<br />

die Art deren Erledigung ist nicht nachvollziehbar.<br />

Die ostmärkischen Behörden arbeiteten auf<br />

Basis des Ehegesundheitsgesetzes, das am 1.<br />

Jänner 1940 in Kraft getreten ist. 100 Im Altreich gab<br />

es so ein Gesetz schon seit 1933. 101<br />

Auf Basis dieser Gesetze wurden bei den Oberlandesgerichten<br />

Erbgesundheitsgerichte eingerichtet,<br />

die aus einem Amtsrichter, amtsärztlichen und nicht<br />

beamteten ärztlichen Beisitzern bestanden. In 252<br />

Fällen des Erbgesundheitsobergerichtes Linz sind<br />

Diagnosen erhalten. Diese verteilen sich wie folgt:<br />

Schwachsinn (190), Schizophrenie (31), Epilepsie<br />

(14), Taubheit (8), körperliche Missbildung (4),<br />

manisch-depressives Irresein (3), Veitstanz (1),<br />

Blindheit (1). Drei Viertel aller Beschwerden führten<br />

zu endgültigen Sterilisationsurteilen des Erbgesundheitsobergerichts,<br />

gegen die – wie bei allen<br />

Urteilen der Sondergerichte – kein Rechtsmittel mehr<br />

zur Verfügung stand.<br />

Ein Fall des Landkreises Braunau sei hier zitiert, dessen<br />

Begründung der Verfahrenseinstellung seltsam<br />

anmutet: Die Diagnose war Schizophrenie, das Verfahren<br />

wurde als nicht „kriegsdienlich“ eingestellt, weil<br />

sich der Proband freiwillig zur SS meldete. 102<br />

Leondinger Opfer der NS-Euthanasie<br />

In den Archiven der Dokumentationsstelle Hartheim<br />

des OÖ Landesarchivs lagern Aufzeichnungen über<br />

Opfer der NS-Euthanasie. Unter diesen befinden sich<br />

6 Personen mit Leondingbezug, zwei davon sind in<br />

Leonding geboren, 4 haben in Leonding gewohnt.<br />

Von drei der aufgelisteten Leondinger Opfer liegt der<br />

Krankenakt aus der „OÖ Landes-Heil- und Pflegeanstalt<br />

für Geisteskranke in Niedernhart/Linz“ vor. 103<br />

Darin werden die oft jahrelange Krankengeschichte<br />

und endlich die Suche der Verwandten nach dem<br />

„Verschwinden“ der Angehörigen und die ausweichenden<br />

Antworten der Krankenhausverwaltung<br />

geschildert, die die Krankentötungen verschleiern<br />

sollten. Das Verschleiern war übliche Taktik. Auch in<br />

den Transportlisten nach Hartheim sind zur<br />

Verschleierung andere Orte der Tötung angegeben.<br />

104<br />

In den Archiven der Dokumentationsstelle Hartheim<br />

des OÖ Landesarchivs lagern auch Sterbelisten aus<br />

der „OÖ Landes-Heil- und Pflegeanstalt für<br />

Geisteskranke in Niedernhart/Linz“. Darin sind 13<br />

Personen zu finden, die in Leonding geboren sind<br />

oder in Leonding gewohnt haben. Man kann aus der<br />

123


angegebenen Todesursache nicht auf Tötung<br />

schließen, allerdings ist anzunehmen, dass einige der<br />

hier verzeichneten nicht eines natürlichen Todes<br />

gestorben sind. Aber die Zustände in den<br />

Krankenanstalten wurden damals so katastrophal,<br />

dass auch die natürlichen Tode in die Nähe von<br />

Morden rücken.<br />

Einem Aussageprotokoll eines nach dem Krieg verurteilten<br />

Leondinger Helfers in Niedernhart kann man<br />

entnehmen, wie dort die Tötungen durchgeführt wurden.<br />

Unruhigen Patienten wurden Beruhigungsmittel<br />

verabreicht. Ärzte setzten die tödlichen Injektionen.<br />

Die fraglichen Patienten sind dann gewöhnlich am<br />

nächsten Morgen tot aufgefunden worden. Der Helfer<br />

berichtet auch, dass die tötenden Ärzte von den Helfern<br />

verlangten, der Direktion verschiedene Sterbezeiten<br />

zu melden, wenn mehrere Patienten zur gleichen<br />

Zeit getötet wurden. 105<br />

Sterilisation - Euthanasie - Genozid<br />

Sterilisation und „Euthanasie“ gehörten zum wesentlichen<br />

Instrumentarium der nationalsozialistischen Sozialpolitik.<br />

Aber man kann die Nationalsozialisten<br />

nicht als ihre Erfinder betrachten. Solche Ansichten<br />

gab es aber schon in der Weimarer Republik. Rassenhygienische<br />

Gesetze - auch mit Zwangsmaßnahmen -<br />

gab es auch in einigen amerikanischen Bundesstaaten,<br />

in der kanadischen Provinz Alberta, im<br />

Schweizer Kanton Waadt und in Dänemark.<br />

Der wesentliche Unterschied zwischen den genannten<br />

Vorläufern und den NS-Maßnahmen lag in der Zahl<br />

der Unfruchtbarmachungen. Diese haben in den zitierten<br />

Ländern einige Hundert betragen. In Deutschland<br />

setzte aber eine Radikalisierung großen Ausmaßes<br />

ein. Allein im Jahr 1934 wurden in Deutschland über<br />

30.000 Menschen unfruchtbar gemacht. In Deutschland<br />

folgte ein weiterer Schritt im Radikalisierungs-<br />

124<br />

prozess, der über Ausweitung der Abtreibung zur<br />

„Euthanasie“ und zum Genozid führte. Tendenzen zur<br />

Vernichtung gesellschaftlicher Minderheiten wurden<br />

offenbar durch juristische, politische, soziale und kulturelle<br />

Sicherungen demokratischer Strukturen verhindert.<br />

106<br />

Von Adolf Hitler existiert eine kurze schriftliche Anweisung<br />

an seinen Kanzleileiter Philipp Bouhler und<br />

seinen Begleitarzt Dr. Karl Brandt, die die Tötung<br />

unheilbar Kranker einleitet. Die genannten werden<br />

unter Verantwortung beauftragt, die Befugnisse namentlich<br />

zu bestimmender Ärzte so zu erweitern,<br />

dass nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken<br />

bei kritischster Beurteilung ihres Krankheitszustandes<br />

der Gnadentod gewährt werden kann.<br />

Anmerkenswert ist auch die auf dem Originaldokument<br />

enthaltene Notiz des damaligen Reichsjustizministers<br />

Franz Gürtner, dass der Befehl erst 1940<br />

von Bouhler dem Reichsjustizministerium übergeben<br />

worden ist. (siehe Abbildung 76)<br />

Die Ärzte fanden neue Gestaltungsmöglichkeiten<br />

und betrachteten sich als „Wächter am Ufer des Erbstroms“.<br />

107 Sie und die NS-Behörden setzten eine<br />

Tötungsmaschinerie in Gang. Aber schon bald regte<br />

sich in der Öffentlichkeit Widerstand. Am bekanntesten<br />

und bestens dokumentiert sind die Aktionen von<br />

Clemens August Graf von Galen, damals Bischof von<br />

Münster, der schon 1941 vehement die Vernichtung<br />

„lebensunwerten Lebens“ und den organisierten Mord<br />

an Altersschwachen und Geisteskranken anprangerte.<br />

108 Diese Protestaktionen hatten Erfolg. Die „Aktion<br />

T4“ – die Bezeichnung war ein verharmlosender Tarnnahme<br />

nach der Adresse Tiergartenstraße 4, wo das<br />

Sonderbüro der Kanzlei des „Führers“ eingerichtet<br />

war 109 – wurde offiziell eingestellt, aber dezentral<br />

weitergeführt. In Niedernhart zum Beispiel begann<br />

diese Tötungsmaschinerie zu diesem Zeitpunkt erst<br />

zu laufen, wie sich am sprunghaften Ansteigen der<br />

von der Anstalt ausgestellten Totenscheine von 50<br />

pro Jahr auf nahezu 400 zeigen lässt. 110 In Hartheim<br />

begannen übergreifend Vergasungen von KZ-Gefangenen<br />

aus Mauthausen. Diese Aktion lief unter dem<br />

verschleiernden Decknamen „14f13“.<br />

Die Bevölkerung war über diese Tötungsmaschinerie<br />

und andere Gräueltaten des Regimes informiert.<br />

Spätestens für das Jahresende des Jahres 1943 lässt<br />

sich das auch für Leonding nachweisen. Am 2. und 3.<br />

Adventsonntag des Jahres 1943 wurden nämlich von<br />

der Leondinger Kanzel in 2 Teilen der Hirtenbrief der<br />

deutschen Bischöfe „Über die 10 Gebote als Lebensgesetz<br />

der Völker“ verlesen, wie man in der Pfarrchronik<br />

lesen kann. 111 Der damaligen Weihbischof<br />

und Kapitelvikar der Diözese Linz, Josef Calasanctius<br />

Fliesser, schreibt eine Einleitung. Der Hirtenbrief 112<br />

selbst stellt den 10 Geboten die Verhaltensweisen der<br />

NS-Machthaber entgegen. Zum fünften Gebot „Du<br />

sollst nicht töten“ wird ausgesagt: „Das Gemeinwohl<br />

darf nur mit sittlich erlaubten Mitteln angestrebt und<br />

verwirklicht werden. Und Tötung ist in sich schlecht,<br />

auch wenn sie angeblich im Interesse des Gemeinwohls<br />

verübt würde: an schuld- und wehrlosen Geistesschwachen<br />

und -kranken, an unheilbar Siechen<br />

und tödlich Verletzten, an erblich Belasteten und<br />

lebensuntüchtigen Neugeborenen; an unschuldigen<br />

Geiseln und entwaffneten Kriegs- oder Strafgefangenen,<br />

an Menschen fremder Rassen und Abstammung.<br />

Auch die Obrigkeit kann und darf nur wirklich<br />

todeswürdige Verbrecher mit dem Tode bestrafen.“<br />

Schlussanmerkung<br />

Die Liste der zivilen Opfer wird immer eine unvoll-


ständige bleiben, da die Dokumente in den Archiven<br />

z.T. schwer zugänglich sind, ständig durch Neuzugänge<br />

und neue Forschungen erweitert werden<br />

oder gesperrt sind oder vor kurzem erst freigegeben<br />

wurden. Nicht aufgenommen wurden in diese Auflistung<br />

jene, die vor der nationalsozialistischen Ideologie<br />

geflohen sind, auswanderten oder von den<br />

Nationalsozialisten vertriebene Leondinger und<br />

Leondingerinnen.<br />

Abb.74: Die Einleitung der Euthanasie durch Adolf Hitler<br />

Anmerkungen<br />

1 Wenn nicht anders angegeben finden sich die Akte in:<br />

Politische Akte; OÖLA; Sch 17, Film 8, Akt Nr. 152/33<br />

2 Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich, Jg. 1933,<br />

vom 5. September 1933, 125. Stück<br />

3 Österreichisches Staatsarchiv ÖStA; Schreiben BM Fey an<br />

die GenDir f.d. öff. Sicherheit vom 2. September 1933<br />

4 Detaillierte Beschreibung siehe z. B.: Huemer, Peter,<br />

Sektionschef R. Hecht und die Zerstörung der Demokratie in<br />

Österreich, Wien 1975.<br />

5 Reichsgesetzblatt Jg. 1917, 80. Stk, vom 27. Juli 1917<br />

6 detaillierte Beschreibung der Vorgänge siehe z.B. bei<br />

Peter Huemer, a.a.O.<br />

7 Bundesgesetzblatt für den Bundesstaat Österreich BGBl<br />

239/1934, Stk. Nr. 70, StkDat. 30. Apr. 1934<br />

8 Deutsches Reichsgesetzblatt, Teil 1, Inneres RGBl. I 1938,<br />

Stk. Nr. 189, Seite 1581, Verordnung vom 12. November<br />

1938<br />

9 RGBl. I 1938, Stk. Nr. 189, Seite 1579, Verordnung vom<br />

12. November 1938<br />

10 siehe z.B.: J. A. Kauer, Über die Februarunruhen vor 50<br />

Jahren; Leondinger Gemeindebriefe; Nr. 47; Jg. 1984, Seite<br />

12-16<br />

11 Pfarrchronik Leonding; Band B; S. 151f.<br />

12 Oberösterreichisches Landesarchiv OÖLA, Pol. Akte,<br />

Sch. 18, Film 10, Akt Nr. 69/33<br />

13 OÖLA, Pol. Akte, Sch. 20, Film 10, Akt Nr. 25/34<br />

14 OÖLA, Pol. Akte; Sch. 16, Film 8; Akt Nr. 174<br />

15 BGBl 152/1934<br />

16 163. Bundesverfassungsgesetz vom 30. Juli 1934, Jg<br />

1934, Stück 56.<br />

17 ÖSTA; Militärgerichtshof Wien, Namensregister 1934-1938<br />

18 ÖSTA; Militärgericht, Aktenzahlen 34/103, 34/125, 35/008,<br />

35/015 und 35/233<br />

19 Jagschitz, Gerhard; Der Putsch; Die Nationalsozialisten<br />

1934 in Österreich; Graz 1976, Seite 162<br />

20 OÖLA; Gerichtsakte Vr 242/34<br />

21 Jagschitz; a.a.O. S 163<br />

22 Beiträge zur Vorgeschichte und Geschichte der<br />

Julirevolte; herausgegeben auf Grund von amtlichen Quellen<br />

Wien 1934; Seite 53ff<br />

23 Abschrift siehe OÖLA, Pol. Akte; Sch. 16, Film 8; Akt Nr.<br />

725<br />

24 OÖLA, Pol. Akte; Sch. 16, Film 8; Akt Nr. 93<br />

25 OÖLA Polizeidirektion Linz Niederschrift vom 8.8.1934,<br />

Pol. 3154<br />

26 Papen, Franz von; Die Wahrheit eine Gasse, Innsbruck<br />

1952; Seite 381<br />

27 Zdral, Wolfgang; Die Hitlers, FrankfurtM 2005, Seite 213<br />

28 OÖLA, Pol. Akte, Situationsberichte 1934 Sch 20, AktNr.<br />

5, 1935: Sch 21, AktNr. 10, 1936 Sch 22, AktNr. 1<br />

29 Talos, Emmerich; Staatliche Sozialpolitik in Österreich.<br />

Rekonstruktion und Analyse, Wien 1981, Seite 210ff<br />

30 Grundlage: Armengesetznovelle (Landesgesetzblatt für<br />

OÖ, Nr. 23 vom 9. Juli 1935, Seite 55) und Haftlagergesetz<br />

(Landesgesetzblatt für OÖ, Nr. 24 vom 9. Juli 1935, Seite 58)<br />

31 Chronik Leonding, Band 1, Seite 206f<br />

32 Chronik Leonding, Band 1, Seite 329<br />

33 Hofmeister, Herbert; Arbeitsvermittlung und<br />

Arbeitslosenversorgung in Österreich; in Benöhr, Hans-<br />

Peter; (Hg.), Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversorgung<br />

in der neueren deutschen Rechtsgeschichte, Seiten 217-<br />

235, hier Seite 229<br />

34 OÖLA; Gerichtsarchive; Indexbuch, Die Akte tragen die<br />

Kurzzeichen Js, KLs, KMs und Sg<br />

35 Garscha, Winfried R., Scharf, Franz; Justiz in Oberdonau,<br />

Linz 2007; Seite 268f<br />

36 Zitiert in Weckbecker, Gerd; Zwischen Freispruch und<br />

Todesstrafe, 1998, Seite 40<br />

37 Garscha / Scharf, a.a.O., Seite 252<br />

38 Garscha / Scharf, a.a.O., Seite 14<br />

39 Reichsgesetzblatt I S. 1679 vom 5. September 1939<br />

40 RGBl. I 549; Gesetz zur Änderung des<br />

Reichsstrafgesetzbuches vom 4. September 1941<br />

125


41 RGBl. I 581; Verordnung zur Durchführung der Änderung<br />

des Reichsstrafgesetzbuches vom 24. Sept. 1941.<br />

42 Garscha / Scharf, a.a.O., Seite 252<br />

43 Garscha / Scharf, a.a.O., Seite 127f<br />

44 OÖLA / Sondergerichte Linz / SG Linz, Sch. 715, KLs<br />

6/42 (KLs Js Handakt in Ebenda, Sch. 806)<br />

45 OÖLA / Sondergerichte Linz Handakt KLs Js Sch. 806<br />

46 OÖLA, Gerichtsakte, KMS 57/43<br />

47 RGBl. I 135 vom 21. März 1933<br />

48 RGBl. I 1269 vom 20. Dezember 1934<br />

49 Dokumentationsarchiv des österreichischen<br />

Widerstandes [DÖW] (Hg.) Widerstand und Verfolgung in<br />

Oberösterreich 1934-1945, 2 Bände, Linz 1982<br />

50 DOW a.a.O. Band 1 Seite 313ff; OLG Wien 7 OJs<br />

286/43;DÖW DokNr. 2336 und 6345b<br />

51 Verzeichnis der 1934-1945 politisch gemaßregelten<br />

Eisenbahner in Oberösterreich, beigestellt von der<br />

Gewerkschaft der Eisenbahner ohne Datum etwa 1971;<br />

DOW DokNr. 6345b<br />

52 DÖW a.a.O. Band 1 Seite 437; LG Linz, KMs 34/43:<br />

DÖW DokNr. 13.571<br />

53 Zinnhofer, Rudolf, Das Bistum Linz, Seine Bischöfe und<br />

Generalvikare, Linz 2002<br />

54 Urteil DÖW a.a.O. Band 2 Seite 284, Anklageschrift beim<br />

Volksgericht Berlin 8 J 206/41 vom 16. September 1943<br />

DÖW DokNr. 4294<br />

55 DÖW DokNr. 3034b, Seite 106f<br />

56 lt. Bericht eines nicht näher genannten Zeitzeugen;<br />

Gespräch vom 7.7.2008<br />

57 Dokumentationsarchiv des Österreichischen<br />

Widerstandes, Wien, DÖW Nr. 19420<br />

58 Garscha / Scharf, a.a.O., Seite 170<br />

59 Thomas Walter, Schnelle Justiz – gute Justiz, Seite 27<br />

60 z.B. in Garscha / Scharf, a.a.O., Seiten 270ff<br />

61 Garscha / Scharf, a.a.O., S 271 Fußnote 49:<br />

62 Garscha / Scharf, a.a.O., S 278f: OÖLA / Sondergerichte<br />

Linz / SG Linz, Sch. 747, KLs 28/44; Ebenda, KLs Js-<br />

126<br />

Handakten, Sch. 820, zu KLs 28/44; Ebenda, Handakten der<br />

GStA Linz, Sch. 1035, II Sg 54/44. Der Urteilstenor ist abgedruckt<br />

in: Widerstand und Verfolgung m Oberösterreich, 2,<br />

441. Das „Gegenstück“ zum Handakt II Sg 54/44 des Linzer<br />

Generalstaatsanwalts im Reichsjustizministerium befindet<br />

sich in Kopie im Dokumentationsarchiv des österreichischen<br />

Widerstandes (DÖW-Akt 14.784).<br />

63 OÖLA / Sondergerichte Linz, SG Linz, Sch. 747, KLs<br />

29/44<br />

64 Garscha / Scharf, a.a.O., Seite 281<br />

65 Garscha / Scharf, a.a.O., Seite 285<br />

66 In: Form/ Uthe, NS-Justiz in Österreich, 290.<br />

67 Garscha / Scharf, a.a.O., S 270<br />

68 OÖLA / Sondergerichte Linz / Handakten der GStA Linz,<br />

Sch. 1035, II Sg 56/44.<br />

69 Chronik Leonding, Band 1, Seite 462<br />

70 DÖW Nr. 12.319<br />

71 Garscha / Scharf, a.a.O., 201; OÖLA; Handschriften Nr.<br />

18, LNr. 5 StG KLs 1/45. Siehe auch Slapnicka,<br />

Oberösterreich – als es Oberdonau hieß, Seite 446,<br />

Widerstand und Verfolgung in Oberösterreich, Band 2, Seite<br />

599 (Anm. 7)<br />

72 Chronik von Leonding, Band 1 Seite 496<br />

73 Freund, Florian; Der Mauthausen-Prozeß, in: Dachauer<br />

Hefte 13 - Gericht und Gerechtigkeit; Hrsg.: Comité<br />

International de Dachau, Brüssel 1997<br />

74 lt. Bericht eines nicht näher genannten Zeitzeugen;<br />

Gespräch vom 7.7.2008<br />

75 Güstrow, Dietrich; Tödlicher Alltag – Strafverteidiger im<br />

Dritten Reich, Berlin 1980, Seiten 133 bis 144<br />

76 DER SPIEGEL 43/1987 vom 19.10.1987, Seite 112-119<br />

77 OÖ Nachrichten, Dienstag, 7. April 1981, Seite 2<br />

78 DÖW, Dok. Nr. 14.592<br />

79 Vgl. Beitrag J. A. Kauer und Gemeindebriefe Leonding<br />

Nr. 41/1983: Aus der Nachkriegszeit, Seite 10-14<br />

80 Chronik Leonding, Band 1, Seite 367<br />

81 vgl. Ulrich, Johann; Der Luftkrieg über Österreich 1939-<br />

45, Wien 11967<br />

82 Chronik Leonding, Band 1 Seite 389ff<br />

83 Chronik Leonding Band 1 Seite 412ff<br />

84 Chronik Leonding Band 1 Seite 428f<br />

85 Pfarrchronik Leonding Band 2 Seite 189<br />

86 Chronik Leonding, Band 1, Seite 459<br />

87 z.B.: J.A. Kauer, Aus der Nachkriegszeit Nr. 41/1983,<br />

Seite 10-14<br />

88 MMF T 77 Rolle 774 Kriegstagebuch 2 01.01.1940-<br />

31.03.1940<br />

89 Slapnicka, Harry; Einsatz und Ausbeutung „fremdvölkischer<br />

Arbeitskräfte in Oberösterreich“ in R. Ardelt (Hg.)<br />

Arbeiterschaft und Nationalsozialismus in Österreich; Wien<br />

1990 dort S. 470<br />

90 Pfarrchronik Leonding, Band 2, Seite 145<br />

91 Pfarrchronik Leonding, Band 2, Seite 150<br />

92 Freund, Florian; Perz, Bertrand; Spoerer, Max;<br />

Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen auf dem Gebiet<br />

der Republik Österreich 1939-1945; Historikerkommission<br />

Band 26/1, Seite 118<br />

93 Freund, Zwangsarbeit, a.a.O.216f und Herbert, Ulrich;<br />

Zwangsarbeit im Dritten Reich“, in Gabriella Hauch (Hg.),<br />

Industrie und Zwangsarbeit im Nationalsozialismus, Seite 11<br />

bis 35, hier Seite 13<br />

94 Slapnicka; a.a.O. S. 471<br />

95 Slapnicka; a.a.O. S. 473<br />

96 Slapnicka; a.a.O. S. 479<br />

97 Aly, Götz; Hitlers Volksstaat, FrankfurtM 2006, Seite 181ff<br />

98 OÖLA, Sondergericht Linz, Schachtel 1183:<br />

Erbgesundheitssachen XIII: 1940-1943<br />

99 Akte 16/42, 51/42, 83/42, 4/43, 13/43, 45/43 und 8/44<br />

100 „Verordnung über die Einführung des Gesetzes zur<br />

Verhütung erbkranken Nachwuchses und des Gesetzes zum<br />

Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes<br />

(Ehegesundheitsgesetz) in der Ostmark“: Gesetzblatt für das<br />

Land Österreich, Nr. 1483


101 Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses<br />

(Erbgesundheitsgesetz, Sterilisierungsgesetz) vom 14. Juli<br />

1933; RGBl. 1933 I 529<br />

102 Goldberger Josef: NS-Gesundheitspolitik im Reichsgau<br />

Oberdonau 1938-1945, Dissertation Universität Wien, Seite<br />

186-219<br />

103 OÖLA; Akte Niedernhart; Akt Nr. 13.586, 12.614 und<br />

14.596<br />

104 Mitteilung der Dokumentationsstelle Hartheim des OÖ<br />

Landesarchivs, Hr. Schwanninger<br />

105 Mitteilung der Dokumentationsstelle Hartheim des OÖ<br />

Landesarchivs, Hr. Schwanninger<br />

106 Schmuhl, H.W.; Sterilisation, „Euthanasie“, „Endlösung“<br />

Seite 295ff; in Frei, Norbert (Hg.) Medizin und<br />

Gesundheitspolitik in der NS-Zeit; Oldenbourg 1991<br />

107 Frei, Norbert; (Hg.) Medizin und Gesundheitspolitik in<br />

der NS-Zeit, S. 37<br />

108 siehe z. B. Portmann, Heinrich; Der Bischof von<br />

Münster, Münster 1946, S 16f. und S. 35<br />

109 Nowak, Kurt; Widerstand, Zustimmung, Hinnahme: in<br />

Norbert Frei (Hg.) a.a.O. S. 244<br />

110 Schwanninger, Florian; Hartheim und Niedernhart. Zwei<br />

oberösterreichische Orte der NS-Euthanasie; unveröffentlichter<br />

Text<br />

111 Pfarrchronik Leonding, Band B, Seite 146<br />

112 Einleitung und Hirtenbrief in: Linzer Diözesanblatt 1943,<br />

Nr. 10 (als Beilage mitgebunden)<br />

127


DAS ERBE<br />

UMGANG MIT ERBE<br />

DIE GEMEINDE LEONDING UND IHR UMGANG MIT DER NS-VERGANGENHEIT<br />

Thekla Weissengruber<br />

Kulturelles Erbe ist allgemein positiv konnotiert, handelt<br />

es sich doch meist um herausragende kulturelle<br />

Errungenschaften, um Wertvolles und um Schutzbedürftiges.<br />

Dennoch muss jede ernsthaft geführte<br />

Auseinandersetzung mit dem Erbe zwangsläufig zu<br />

der Einsicht führen, dass auch Unangenehmes,<br />

wenig Erhaltenswertes und schlechte Erinnerungen<br />

überliefert wurden. 1 So führt es immer noch zu<br />

großem Erstaunen, wenn sich seit 1979 das<br />

Konzentrationslager Ausschwitz und seit 1996 das<br />

zerbombte Kaufhaus „Genbaku Dome“ in Hiroshima<br />

in der Liste des Weltkulturerbes der UNESCO befinden.<br />

„Jede Erinnerung als zelebrierte Kultur und alle Museen<br />

verdanken ihre Geburt der Verstörung, der<br />

Zerstörung, dem Ende einer Kultur, dem Ende einer<br />

Lebensphase, dem Verlust.“ 2 Voraussetzung für jegliche<br />

Beschäftigung mit Erinnerung der Vergangenheit<br />

ist das Ende und der Beginn einer neuen Epoche.<br />

Das was eine Gesellschaft aber nicht wahrhaben will<br />

und nicht als erinnerungswürdig erklärt, wird auch<br />

niemals in den Status des kulturellen Erbes gehoben.<br />

Es sei denn, es geschieht aus einem schlechten<br />

128<br />

Gewissen heraus und entspricht den gegenwärtigen<br />

Norm- und Wertvorstellungen. Jegliches Erbe ist<br />

immer eine gefühlsträchtige Angelegenheit, 3 ganz<br />

besonders heikel wird es, wenn es um ein lästiges<br />

Erbe, um unangenehme Gefühle geht, die man am<br />

liebsten beiseite schieben möchte.<br />

So auch in Leonding, wo nach Jahrzehnten des<br />

Schweigens nun eine offensive Geschichtsarbeit einsetzt.<br />

Eine Geschichtsarbeit, die zeitgleich in Österreich<br />

erst seit wenigen Jahren eingesetzt hat, da sich<br />

Österreich, vorbereitet durch die Moskauer Deklaration<br />

vom 30. Oktober 1943, viele Jahrzehnte hindurch<br />

als erstes freies Land, das Hitlers Angriffspolitik<br />

zum Opfer gefallen ist, verstanden hat. Österreich hat<br />

sich in der Opferrolle all die Jahre ganz gut gefallen,<br />

waren doch dadurch auch mögliche Wiedergutmachungen<br />

ausgeschlossen. Eine Umorientierung kam<br />

erst durch die sog. „Waldheim-Affäre“ 1986 in Gang.<br />

Am 8.6.1991 erklärte in Weiterführung dieser neuen<br />

Anschauung Bundeskanzler Franz Vranitzky im Nationalrat<br />

eine Mitverantwortung einzelner Bürger Österreichs<br />

an den Folgen des Nationalsozialismus. Seine<br />

am 10. Juni 1993 in Jerusalem an der Hebräischen<br />

Universität gehaltene Rede fand international breite<br />

Anerkennung und befreite Österreich aus der Isolation,<br />

die Aussagen des Bundespräsidenten Kurt<br />

Waldheims ausgelöst hatten. In der Folge wurde<br />

1995 das Nationalfondsgesetz beschlossen und die<br />

Geschichte des Landes neu geschrieben. 4<br />

Die Auseinandersetzung mit der jüngsten, soeben<br />

erfahrenen und negativ ausgegangenen Geschichte in<br />

Leonding verlief in verschiedenen Sphären. Zum<br />

einen wurde der von staatlicher Seite geforderten politischen<br />

Umorientierung Rechnung getragen und die<br />

Entnazifizierung der Gemeindebelegschaft umgesetzt,<br />

sowie die Informationen, sofern möglich an die übergeordneten<br />

Stellen weitergegeben. Weiters bestand in<br />

Leonding aber noch eine weitere Ebene, die des<br />

Umganges bedurfte. Die Relikte einstiger Bewunderung<br />

zehntausender Besucher waren und sind noch<br />

immer vorhanden und bedurften einer „besonderen“<br />

Behandlung. Im Folgenden soll anhand der aufgefundenen<br />

Zeitungsartikel zu diesen Themen, der vorhandenen<br />

Chroniken, aber auch anhand der Stadtrats-,<br />

Gemeindevorstands- und Gemeindeausschussproto-


kolle dieser Umgang beschrieben werden. 5<br />

Bevor allerdings auf den eigentlichen „Umgang“ eingegangen<br />

wird, sollte kurz über das Thema „Widerstand“<br />

in Leonding reflektiert werden. Von einer möglichen<br />

Aktion von Leondinger Einwohnern gegen das<br />

nationalsozialistische Regime ist im Zuge der Recherchen<br />

wenig gefunden worden. Ein Nebensatz im Artikel<br />

von Siegwald Ganglmair über Widerstand und<br />

Verfolgung lässt aufhorchen, wo über die Linzer Widerstandsgruppe<br />

„Orel“ berichtet wird. Wenngleich<br />

diese keine „nennenswerten Leistungen“ aufweisen<br />

konnte, wird der Kontakt zu einigen Leuten in Traun<br />

und Leonding angeführt. 6 In den Sammlungen des<br />

Dokumentationsarchives des österreichischen Widerstandes<br />

(DÖW) sind einige Fälle angeführt, die vor<br />

Sondergerichten landeten und als Widerstandstätigkeit<br />

bezeichnet werden können. 7 Offensichtlich und<br />

durch zahlreiche Notizen belegbar, sind jedoch die<br />

Kriegsmüdigkeit der Leondinger, die zunehmende<br />

Unzufriedenheit gegen Ende des Krieges und der<br />

vermutlich damit verbundene passive Widerstand.<br />

Offene Worte und Taten waren viel zu gefährlich, jedoch<br />

war vielen Leuten bereits Ende 1943 klar, dass<br />

der Krieg nicht mehr gewonnen werden konnte.<br />

Der Mangel an Hinweisen auf Widerstand in Leonding<br />

erklärt sich aber auch daraus, dass Leonding in<br />

den Anfangsjahren der neuen Herrschaft von den<br />

Umständen um die Heimatstadt des Führers durchaus<br />

auch profitiert hat. Die unzähligen Gäste und<br />

Besucher wollten bewirtet, die Blumen und Kränze<br />

eingekauft werden und die Aufmerksamkeit durch die<br />

internationale Presse, die Besuche hoher Prominenz<br />

mögen viele in diesen Jahren auch mit Stolz erfüllt<br />

haben. Zudem war die Eingemeindung nach Linz<br />

durch direktes Intervenieren Hitlers über Martin<br />

Bormann verhindert worden.<br />

Entnazifizierung<br />

Mit einer sog. „Note“ wurde am 19. Juni 1933 der<br />

Gemeindeverwaltung Leonding mitgeteilt, dass „die<br />

Mitgliedschaft bei der Nationalsozialistischen Deutschen<br />

Arbeiterpartei und beim steirischen Heimatschutz<br />

sowie die Mitgliedschaft bei Vereinen, die die<br />

Grundlage für die Zugehörigkeit zu diesen Parteien<br />

bildet, in Anbetracht der Bestrebungen dieser Parteien<br />

und der Art ihrer Betätigung den Dienstpflichten<br />

der Bundesangestellten“ [widerspricht]. 8 In der Folge<br />

mussten die betroffenen Bediensteten und Angestellten<br />

eine Eidesformel unterzeichnen und<br />

schwören, „dass sie einer ausländischen, politische<br />

Zwecke verfolgenden Gesellschaft weder gegenwärtig<br />

angehören noch einer solchen Gesellschaft in<br />

Zukunft angehören werden.“ In Leonding betraf dies<br />

den Gemeindesekretär, einen Gemeindebeamten,<br />

den Gemeindepolizeidiener und einen Praktikanten. 9<br />

Das bedeutet, dass die nationalsozialistische<br />

Tätigkeit den Gemeindevorstehern bekannt war und<br />

eigentlich geduldet wurde. Der Sekretär wurde mit<br />

Juli 1938 in den Ruhestand versetzt und durch den<br />

gleich gesinnten Beamten ersetzt. Dies zur<br />

Vorgeschichte.<br />

Bereits am 23. Mai 1945 fand die erste Gemeinderatssitzung<br />

unter der amerikanischen Militärregierung<br />

statt. Sie wurde zur konstitutierenden Sitzung des<br />

Gemeinderates unter dem Vorsitz Josef Miesenbergers,<br />

der bereits die letzten Jahre als Bürgermeister<br />

agiert hatte. Er wurde aber bereits bei einer<br />

der nächsten Sitzungen von Franz Bäck ersetzt.<br />

Bereits in der Sitzung vom 3. November 1945 beschließt<br />

der Gemeinderat einstimmig, dass man<br />

einem Nationalsozialisten [dem Gemeindeinspektor<br />

F.P.] nicht ohne Gegenleistung ein Gehalt weiterbezahlen<br />

kann. Leider fehlt der Hinweis, was den Ge-<br />

meindeinspektor von seiner Arbeit abgehalten haben<br />

mag, jedoch dürfen wir annehmen, dass er aufgrund<br />

seiner Parteizugehörigkeit „politisch überprüft“ wurde.<br />

In der darauffolgenden Sitzung wurden die zwei Angestellten<br />

aus dem Beamten- bzw. Angestelltenverhältnis<br />

mit Wirksamkeit vom 31.12.1945 entlassen. 10<br />

Beide Beamten befanden sich zur Untersuchung ihrer<br />

nationalsozialistischen Tätigkeit in Untersuchungshaft.<br />

Auch der damalige Gemeinde-Oberinspektor<br />

und eine weitere Bedienstete wurden aus dem Dienst<br />

entlassen. Damit trug die Gemeinde den gesetzlichen<br />

Vorgaben Rechnung. Auch die Gewerbetreibenden in<br />

Leonding wurden gemäß ihrer politischen Gesinnung<br />

überprüft, da vom Amt der o.ö. Landesregierung infolge<br />

der Wirtschaftsprüfung eine „Stellungnahme durch<br />

den Gemeindeausschuß erfolgen musste, die im wesentlichen<br />

dahingeht, ob die Fortführung des Betriebes<br />

durch den bisherigen Gewerbeinhaber öffentliches<br />

Ärgernis erregen würde.“ 11 Von den 39 zu überprüfenden<br />

Parteien wurden 32 von der Gemeinde als<br />

tragbar anerkannt, die restlichen wurden mit ausführlicher<br />

Begründung zur Weiterführung ihrer Geschäfte<br />

als untragbar beurteilt.<br />

Es handelte sich dabei um einen Transportunternehmer,<br />

4 Trafikanten, einen Dreschmaschinenverleiher<br />

und einen Kaufmann. Besonders 1947 und<br />

1948 werden auf Veranlassung der Bezirkshauptmannschaft<br />

nach dem NS- und Wirtschaftssäuberungsgesetz<br />

aus dem Gemeindedienst einige Beamte<br />

und Angestellte entlassen. Prominentes Beispiel<br />

wurde der damalige allseits beliebte Gemeindearzt<br />

Dr. P., für den Unterschriften gesammelt wurden und<br />

für den nach der Entnazifizierung eine Sonderstellung<br />

einberaumt wurde. 12 Auch jener erste Gemeindesekretär,<br />

der inzwischen amnestiert worden war, wurde<br />

aufgrund seiner Vorkenntnisse und beruflichen Qua-<br />

129


litäten wiedereingestellt. 13 Im alltäglichen Leben verlief<br />

die Entnazifizierung unter der Bevölkerung oftmals<br />

in heute unverständlichen Wegen. Einstige<br />

Opfer oder Unbeteiligte wurden zu Tätern und rächten<br />

sich so an ihrem persönlichen Leid, Elend und<br />

der Schmach des „Verlierers“. Einer Zeitzeugin verdanken<br />

wir Hinweise über das Vorgehen gegen die<br />

„Nazi-Kinder“. Da sie als Tochter eines überzeugten<br />

Nationalsozialisten auch keine kirchlichen Weihen<br />

bekommen hatte, wurde sie auch aus den karikativen<br />

Hilfen des Pfarrers von Leonding ausgenommen. Erst<br />

nachdem diese Weihen nachgeholt waren, konnte<br />

man wieder etwas bekommen. Ebenso musste sie<br />

am eigenen Leib als kleines Mädchen erfahren, dass<br />

auch im Sozialdienst tätige Krankenschwestern, nicht<br />

vergessen konnten, dass die Eltern einst auf der<br />

anderen Seite gestanden hatten. Kinder können freilich<br />

solche Maßnahmen oder wollen wir sagen<br />

Repressalien in Notzeiten nicht verstehen. 14<br />

Das „Elterngrab“<br />

Das Grab der Eltern Adolf Hitlers befindet sich auf<br />

Pfarrgrund und obliegt demgemäß auch der kirchlichen<br />

Verwaltung. Somit hatte sich auch die Kirche<br />

damit auseinanderzusetzen, was mit dem Hauptziel<br />

nationalsozialistischer Agitationen in Leonding nun<br />

weiter zu passieren hat. So beginnt der Umgang<br />

damit bereits am 5. Mai 1945, am Tag der Kapitulation<br />

Leondings an die amerikanischen Besatzer.<br />

„Wir flohen vom Friedhof, wo wir noch schnell die<br />

Gräber der 20 gefallenen und hier begrabenen Amerikaner<br />

geschmückt hatten. Wir entfernten auch noch<br />

schnell die große Hakenkreuzfahne, die auf dem<br />

Hitlergrab lag. Keiner der einstigen Grabbetreuer<br />

wollte sie nehmen und verwahren. Als die Amerikaner<br />

in den Pfarrhof kamen, präsentierte ich ihnen die<br />

Liste ihrer gefallenen Piloten.“ 15 Die Überreste der<br />

130<br />

Abb.75: Elterngrab A. Hitlers 2008<br />

Amerikanischen Soldaten wurden exhumiert und in<br />

deren Heimat überführt. Als Betreuer des Hitlerhauses,<br />

das gleich nach dem Einmarsch der Amerikaner<br />

abgesperrt wurde, verwahrte der Pfarrer auch<br />

die vorhandenen Gästebücher, die aber in der Folge<br />

verschwanden und verschollen sind. Abbildungen aus<br />

den Jahren nach dem Krieg beweisen, dass das<br />

Grab, so wie bereits vor 1936 einen ziemlich verwaisten<br />

Eindruck machte. Alsbald auftauchende Gerüchte,<br />

dass auch Adolf Hitler hier heimlich begraben<br />

wurde, wurde von kirchlicher Seite stets vehement<br />

dementiert und muss, wie so viele andere Behauptungen<br />

in die Reihe der Legenden und Mythen eingereiht<br />

werden. 16 In der Folge organisierte sich eine<br />

Grabpflege, die aber hier nicht näher ausgeführt werden<br />

soll. Das Grab der Eltern hat schließlich nichts<br />

mit den Taten des Sohnes zu tun, obgleich einige<br />

Besucher des Friedhofes dies anzunehmen scheinen<br />

und die jeweiligen Pfarrer oftmals auf den Umstand<br />

angesprochen wurden und werden.<br />

Heute kümmert sich eine ortsansässige Gärtnerei um<br />

die Grabpflege. Im Frühjahr 2008 wurde die Einfassung<br />

und Fundamentierung erneuert.<br />

Dennoch wurde das Elterngrab auch nach 1945<br />

immer wieder Ziel Ewiggestriger oder Schaulustiger.<br />

Die Meldung eines Gendarmen über eine Kranzniederlegung<br />

von einer Volksdeutschen aus der Tschechoslowakei<br />

am Grabe der Eltern Adolf Hitlers am 1.<br />

November 1947 in Leonding wurde in der Presse<br />

ausführlich diskutiert. Handelt es sich dabei um eine<br />

politische Demonstration, um eine Provokation, um<br />

katholische Christenpflicht oder um eine Ehrerweisung<br />

vor der Mutter? „Wir in Oberösterreich haben<br />

auch noch besonders heikle Taktfragen zu lösen, wie<br />

wir uns angesichts des Grabes der Eltern jenes<br />

Mannes verhalten sollen, dessen Leben und Tod<br />

heute, vom weltgeschichtlichen Standpunkt aus<br />

betrachtet, noch völlig ungeklärt in blutige Nebel<br />

gehüllt erscheinen. Es mag für die Organe der österreichischen<br />

Exekutive nicht leicht sein, mit klugem<br />

Fingerspitzengefühl das Richtige zu tun, wenn sie<br />

pflichtgemäß, über höheren Auftrag, darüber zu<br />

wachen haben, ob dieses Grab auf dem Leondinger<br />

Friedhof nicht zu einer politischen Demonstration missbraucht<br />

wird.“ 17<br />

Besonders in den 1960er bis 1980er Jahren wurde<br />

das Grab zu den neuralgischen Terminen um Allerheiligen<br />

und zum 20. April gerne besucht. Der Gendarmerieposten<br />

Leonding war dazu angehalten den<br />

auffälligen Grabschmuck zu beseitigen und die Friedhofseingänge<br />

zu beobachten. 18 Jegliche Ausschwei-


fungen sollten bereits im Keim erstickt werden. Zu<br />

bemerkenswerten Aktionen rund um das Grab ist es<br />

in den vielen Jahren nach 1945 nicht gekommen. Seit<br />

den 1980er Jahren hat der Besuch deutlich nachgelassen<br />

– lediglich einige wenige Grablichter und<br />

Blumen schmücken das Grab zu den genannten<br />

Terminen.<br />

Das sog. „Hitlerhaus“<br />

1947 entließ die Militärregierung Oberösterreich das<br />

ehemalige Hitlerhaus in Leonding Nr. 61 aus ihrer<br />

Kontrolle zur weiteren Verwaltung an die O.Ö. Landesregierung,<br />

Amt für Vermögenssicherung und<br />

Wiedergutmachung in Linz. 19 Während der Subverwaltung<br />

durch die Oberbank wurde das Haus von der<br />

Gemeinde beaufsichtigt und kontrolliert. Ein Eigentumsinteresse<br />

wurde damals bereits angemeldet. 20<br />

Aber erst am 2. März 1955 kam die Liegenschaft zur<br />

öffentlichen Versteigerung. Der Ausrufspreis betrug<br />

damals 75.000 Schilling, das geringste Anbot<br />

50.000.-. Der Gemeindevorstand beschloss einstimmig,<br />

bei der Versteigerung als Bieter aufzutreten und<br />

bis zu einer Summe von 80.000 Schilling zu gehen. 21<br />

Damals stand das Gebäude offensichtlich noch nicht<br />

im allgemeinen Interesse, denn es konnte am 10.<br />

März 1955 um 52.000 Schilling ersteigert werden. 22<br />

Zwischenzeitlich war das Haus von verschiedenen<br />

Personen bewohnt worden. Zwei Jahre später bewarb<br />

sich der damalige Gemeindearzt darum, die<br />

Mansardenzimmer anzumieten. In den folgenden<br />

Jahren wurde jeweils auf Antrag dieses Mieters das<br />

Haus saniert und 1960 flatterte das Ansuchen des<br />

Arztes mit dem Wunsch auf käufliche Überlassung<br />

des „Hitlerhauses“ ins Amt. Da er aber mit einem<br />

Grundtausch in gleichem Ausmaß direkt neben dem<br />

bestehenden Gemeindeamtshaus und einer Entschädigung<br />

der bisherigen Kosten nicht einverstan-<br />

den war, verlief sich die ganze Angelegenheit im<br />

Sand. 23 Wenige Jahre darauf wurde ein baufälliges<br />

Nebengebäude abgerissen und ein neues an gleicher<br />

Stelle errichtet. 24 Da sich der Arzt anderweitig einen<br />

Neubau errichtet hatte, wurden in der Folge im Gemeindewohnhaus<br />

Michaelsbergstraße Nr. 16, 25 dem<br />

ehemaligen Wohnhaus der Familie Hitler die Räumlichkeiten<br />

der Gemeinde-Leichenbestattung zur Verfügung<br />

gestellt. 26 Dennoch beriet die Gemeinde noch<br />

im gleichen Jahr ausführlich aufgrund der Baufälligkeit<br />

über eine Adaptierung oder mögliche<br />

Abtragung. 27<br />

Der Gemeinderat beschloß am 11. November 1970<br />

einstimmig: „Das Haus Michaelsbergstraße 16 soll<br />

zur vorübergehenden Unterbringung der Leichenbestattung<br />

(Lagerung der Särge, Umkleideraum für<br />

Träger, Wohnmöglichkeit für Arrangeurin) provisorisch<br />

instandgesetzt und erst dann abgetragen werden,<br />

wenn auf dem Grundstück ein Pavillon für die Bestattung<br />

– einschließlich Dienstwohnung – errichtet<br />

ist. Die verbleibende Fläche soll soweit wie möglich<br />

als Parkplatz ausgebildet werden.“ 28 Dies alles wird<br />

entschieden, ohne zu bedenken, dass das Gebäude<br />

seinerzeit in die Reihe der denkmalwürdigen Gebäude<br />

eingereiht wurde. Einen Antrag auf Aussetzung<br />

aus dieser Liste hat es nie gegeben und so wurde<br />

das Gebäude Michaelsbergstraße 16 nicht abgerissen.<br />

29 Kurz vor der Stadterhebungsfeier 1976 wurden<br />

alle Gemeindegebäude gestrichen und die Fassade<br />

saniert. In diese Entscheidung war der Landeskonservator<br />

einbezogen. 30<br />

Die bisherigen Erläuterungen bringen zutage, dass im<br />

Gemeindevorstand offensichtlich ein unverkrampfter<br />

Umgang mit dem ehemaligen Wohnhaus der Familie<br />

Hitler bestand. Da gerade an dieser Stelle die Micha-<br />

elsbergstraße relativ schmal ist, taucht immer wieder<br />

der Gedanke auf, das Gebäude abzutragen. Die<br />

Installierung der Bestattung seit 1970 erklärt sich<br />

auch aus dem Umstand, dass sich das Haus direkt<br />

gegenüber dem Friedhofseingang befindet.<br />

Abb.76 - 78: Hitlerhaus im Wandel der Zeit<br />

131


Abb.79: Artikel über Bestattungsbetrieb im Hitlerhaus<br />

Ein kleiner Artikel in den Oberösterreichischen<br />

Nachrichten im März 1976 lässt aufhorchen. Anscheinend<br />

bestehen jährlich Gerüchte über eine<br />

Errichtung eines Heimathauses im Hitlerhaus mit<br />

einer Dokumentation über Hitler, die vom damaligen<br />

Bürgermeister Finster auch bestätigt werden. Relativierend<br />

wird er zitiert: „Es hätte ja gar keinen Sinn, in<br />

diesem Haus so etwas einzurichten, weil wir keine<br />

Exponate haben. Mit ein paar Bildern kann man so<br />

etwas nicht machen.“ Der Redakteur hofft, dass es<br />

sich hier noch um einen Faschingsscherz handelt und<br />

dass die Gemeinde Leonding nie in den Besitz von<br />

brauchbaren Exponaten kommt. 31 Schon 1949 war<br />

am 1. April eine Meldung aufgetaucht, nachdem das<br />

132<br />

Elternhaus des Führers nach Amerika verkauft werden<br />

sollte. 32 Obgleich sich diese Meldung als Aprilscherz<br />

erwies, ging die Meldung um die ganze Welt<br />

und beweist somit das internationale Interesse an<br />

den „Relikten“. Auch im darauffolgenden Jahr wurde<br />

über den Aprilscherz des Linzer Volksblattes berichtet.<br />

„Es ließ einen angeblichen Mister McCrazy von<br />

der Firstap-Rilfun-Company (den Herrn „Verrückt“ von<br />

der Ersten-April-Gesellschaft) das Hitlerhaus in Leonding<br />

kaufen, abtragen und in Flugzeugen nach Amerika<br />

schaffen. Wir hegten damals Zweifel, ob auch die<br />

Zeder vor dem Haus mittransportiert werden würde.<br />

Nunmehr hat sich dieser Zweifel gelöst. Der Wiener<br />

Korrespondent der „Augsburger Tagespost“ berichtete<br />

am 8. Dezember 1949 seinem Blatte – und dieses<br />

druckte es getreulich nach - von dem Verkauf des<br />

Hitler-Hauses, seiner Zerlegung in einzelne Bauteile<br />

und seiner Wiederaufstellung in den Vereinigten<br />

Staaten - samt der bewussten Zeder – und wusste<br />

die Mär noch durch manche Details auszuschmücken,<br />

die er sich offenbar als<br />

„Sonderkorrespondent“ eigens in Leonding – aus den<br />

Fingern gesogen hat. Aus der „Augsburger<br />

Tagespost“ ging der sensationelle Bericht in die<br />

„Neue Zeitung“ in München über und tauchte am 28.<br />

Dezember noch einmal im „Hamburger Echo“ auf.“<br />

Die Meldung war bereits am 2. April 1949 von der<br />

Rundschau richtig gestellt worden. 33 Pfarrer Haudum


erichtet, dass er am selben Tage der Zeitungsente<br />

(1. 4. 1949) von einem Landesrat in Linz auf diesen<br />

Vorfall angesprochen wurde – ob denn die Leute<br />

ganz verrückt seien. „Wahr ist, dass die Ami sich für<br />

das Hitlergrab eine Zeitlang interessiert haben.“ 34<br />

Diese Zeitungsmeldungen und das offensichtliche<br />

Interesse beweisen allerdings, dass Hitler immer ein<br />

Thema wert ist, gerne auch benutzt wird, um sich<br />

wichtig zu machen oder auch einmal international zu<br />

punkten. In der Folge wird es von Seiten der<br />

Gemeinde sehr ruhig um das Hitlerhaus – jegliche<br />

Aktivitäten werden im nicht öffentlichen<br />

Gemeindevorstand – später im Stadtrat behandelt.<br />

Die Gemeinde ist bemüht diesbezüglich nicht aufzufallen,<br />

will man doch zweifelhafte „Touristen“ abhalten.<br />

So wird ein Kaufinteresse von einem Journalisten<br />

aus Hamburg in der Stadtratssitzung vom 16. 7. 1981<br />

unter Allfälliges abgetan. 35 Dennoch sind jegliche<br />

Prominentenbesuche immer eine Zeitungsmeldung<br />

wert. So zum Beispiel am 8. Juli 1981 über den<br />

Besuch des angeblichen „Sohnes“ von Adolf Hitler<br />

Jean Loret in Leonding. 36 Oder 1995 als Shirley<br />

MacLaine das Hitler-Haus in Leonding besuchte.<br />

Über ihre Beweggründe wollte sie sich nicht äußern. 37<br />

Ein großes Medieninteresse verursachte eine Dringlichkeitseingabe<br />

an den Gemeinderat Leonding vom<br />

Liberalen Forum unter dem Vorsitz von Gemeinderat<br />

Dorn-Fussenegger vom 29. Februar 2000. Als Leondinger<br />

hätte man die Aufgabe, sich dieses Teils der<br />

Geschichte zu stellen und eine Gedenktafel am sog.<br />

Hitlerhaus anzubringen. 38 Das Thema wurde im<br />

Stadtrat und Gemeinderat in der Folge ausführlich<br />

diskutiert. 39 Begleitet von unzähligen Zeitungsausschnitten,<br />

die einer neuen „Gedenkstätte“, einem<br />

„Haus der Toleranz“ sehr unterschiedlich gegenüber<br />

standen, 40 wurde ein Gutachten von der Universität<br />

Linz – Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik von<br />

Univ. Prof. Dr. Josef Weidenholzer und Dr. Brigitte<br />

Kepplinger eingefordert. 41 Das Gutachten sieht nun<br />

von der Errichtung einer Gedenkstätte ab, da die<br />

Anbringung einer Gedenktafel, dem Haus und dem<br />

Ort eine Bedeutung verleihen würde, die ihm nach<br />

Kenntnis der historischen Zusammenhänge nicht<br />

zukommt. Erinnerungsorte können nicht beliebig<br />

geschaffen und inszeniert werden, sie sollten an<br />

Stätten der Verfolgung und Vernichtung errichtet werden.<br />

42 Aufgrund der abschlägigen Beurteilung richtete<br />

der Bürgermeister ein Abbruchgesuch an das Bundesdenkmalamt,<br />

da die Sanierung des Objektes erheblich<br />

Kosten benötigen würde und für das Gebäude<br />

offenbar kein öffentliches Interesse bestehe. 43<br />

Selbst ein Verein wurde gegründet und eine Unterschriftenaktion<br />

des Liberalen Forums zur Errichtung<br />

einer Gedenkstätte gestartet. Das alles aber ohne<br />

Erfolg, schließlich war im Stadtrat bereits mit eindeutiger<br />

Stimmenmehrheit dieser Antrag abgelehnt worden.<br />

Letztlich wurde das Gebäude unter Einbeziehung<br />

des Denkmalamtes in Wien mithilfe einer<br />

großzügigen Subvention aufwändig saniert und wiederum<br />

als Ort des Leondinger<br />

Bestattungsunternehmens installiert. Das<br />

Nebengebäude, das nachweislich erst 1962 errichtet<br />

worden war, durfte abgerissen werden. 44 Der Antrag<br />

des Liberalen Forums eine weitere Behandlung des<br />

heiklen Themas dem Kulturausschuss zu übereignen,<br />

wurde ebenfalls abgewiesen. 45 Mit 1. Jänner 2003<br />

wurde mit der Bestattung Leonding ein unbefristeter<br />

Mietvertrag unterzeichnet. 46<br />

Der Umgang der Gemeinde als Thema an sich<br />

Oskar Zemme „Heimatland“<br />

„Heimatland ist die groteske Tragödie des Sparvereins<br />

Alpenrose, einer Handvoll gestrandeter Men-<br />

schen, die sich auf den Trümmern ihrer Existenzen<br />

eine kuriose Lebensform aufgebaut haben, die tief in<br />

der Vergangenheit fußt.<br />

Es ist zweifelhaft, ob diese Sparvereinsmitglieder je-<br />

Abb.80 u. 81: Landestheaterprogramm und Artikel in OÖN 4.10.79<br />

133


mals überzeugte Nationalsozialisten gewesen sind –<br />

eher Mitläufer, Opportunisten, Nutznießer-Typen, wie<br />

sie auch heute unter uns leben.<br />

In einer Schnapslaune wird das braune Gespenst<br />

exhumiert. Die „Leiche“ erweist sich jedoch als sehr<br />

lebendiges Gespinst in den Gehirnen der Beteiligten.<br />

Unversehens gerät man in beklemmende Realität.<br />

Dass dabei ein Mensch auf der Strecke bleibt, ist für<br />

sie kein Anlass zur Resignation. Man zieht sich in die<br />

Grenzen des Sparvereins zurück, um vielleicht bei<br />

nächster Gelegenheit wieder vorzupreschen.<br />

Auch der Ortsgendarm arrangiert sich auf seine<br />

Weise. Im Ort ist alles „intakt“.<br />

Leonding ist also nur ein Synonym.“<br />

So spricht der Autor Oskar Zemme (*1931) selbst<br />

über sein Schauspiel, das am 5. Oktober 1979 am<br />

Linzer Landestheater uraufgeführt wurde. In diesem<br />

Stück verfällt eine Stadt in Hitler-Hysterie, nachdem<br />

ein greiser Landstreicher von der Sparvereins-Wirtshausrunde<br />

für den heimgekehrten „Führer“ gehalten<br />

wird. Als Ort der Handlung wurde Leonding gewählt,<br />

was einen medialen Skandal auslöste, weniger weil<br />

hier tatsächlich ein historischer Bezug möglich gewesen<br />

wäre, sondern weil eine Leondinger Gemeindefraktion<br />

die sofortige Absetzung des Stückes verlangte.<br />

„In Leonding ist man gegen Hitler-Bezüge allergisch“,<br />

wurden die Proteste vom Intendanten des<br />

Landestheaters kommentiert. 47 Oskar Zemme wollte<br />

damit aber keinesfalls einen Skandal heraufbeschwören,<br />

sondern lediglich einen Denkanstoß geben<br />

und aufzeigen, dass der „Führer“ in seinem<br />

„Heimatland“ noch recht gegenwärtig ist. 48<br />

Die Ausführungen haben gezeigt, dass in Leonding<br />

der Umgang mit Erbe zeitweilig unbedacht und die<br />

134<br />

Gemeinde in der ersten Zeit offensichtlich damit überfordert<br />

war. Aus der Tatsache heraus, dass sich hier<br />

lediglich eine ehemalige Wohnstätte und das Grab<br />

der Eltern befindet, lässt sich keine Mahnstätte konstruieren,<br />

schließlich handelt es sich nicht um einen<br />

Ort der Tat, d.h. um einen Ort wo Schreckenstaten<br />

begangen wurden. Die missbräuchliche Nutzung des<br />

Ortes von den Nationalsozialisten zu propagandistischen<br />

Zwecken, die Nutznießung für die Gemeinde<br />

und die Taten von Einzelpersonen, sind längst gesühnt<br />

und sollten in den Bereich vollzogener Vergangenheitbewältigung<br />

eingereiht werden, auch wenn<br />

sie niemals vergessen oder verdrängt werden sollten.<br />

Hier hat sich die Gemeinde nach dem Krieg, so wie<br />

viele andere Gemeinden verhalten – wenn nicht gar<br />

noch „genauer“ und „bedachter“. Ob allerdings der<br />

immer wieder diskutierte Abriss des Hitlerhauses der<br />

richtige Weg sein kann, um Ewiggestrige, zweifelhafte<br />

Touristen von der Ortschaft abzulenken und fernzuhalten,<br />

muss hier abgewiesen werden, denn schließlich<br />

lässt sich die Geschichte durch einen Abriss nicht<br />

einfach „beiseite“ schieben.<br />

Viel zielführender ist der Weg, den die Gemeinde in<br />

den letzten Jahren bestritten hat und der schließlich<br />

zu dem Nutzen für die Gegenwart und Zukunft führen<br />

wird, der für die nachfolgenden Generationen einzig<br />

nachvollziehbar sein kann. Nämlich, dass man sich<br />

der Geschichte stellt, diese nicht nur von der eigenen<br />

Bevölkerung, sondern auch von außen stehenden<br />

Forschern aufarbeiten lässt, und so den unbelasteten<br />

Weg in die Zukunft antreten kann.


Anmerkungen<br />

1 Die Auseinandersetzung mit Unkultur / Umgang mit negativem<br />

Erbe wird seit einigen Jahren geführt, scheint aber<br />

hochaktuell zu sein, wie gegenwärtige Forschungsprojekte<br />

beweisen: Matthias Hacklmair: „Die Geburtsstadt Adolf<br />

Hitlers“. Der Umgang der Stadtgemeinde Braunau am Inn<br />

mit dem Stigma der Geburtsstadt Hitlers in der Zeit von<br />

1945 bis 2007. (Diplomarbeit in Vorbereitung. Johannes<br />

Kepler Universität Linz. Institut für Neuere Geschichte und<br />

Zeitgeschichte. Univ. Ass. Dr. Birgit Kirchmayr). – Matthias<br />

Fischerlehner: Leonding 1898-1938-2008. Seminararbeit.<br />

Johannes Kepler Universität Linz. Institut für Sozial- und<br />

Wirtschaftsgeschichte. Nationalsozialismus in der „Provinz“<br />

WS 2007/2008. Univ. Prof. Dr. Michael John. Diese Arbeit<br />

entstand in enger Kooperation mit der Projektleitung<br />

„Spurensuche Leonding 1898-1938-2008“. – Ebenso:<br />

Haider, Margret: (K)a schene Leich in Zwentendorf. Ein<br />

Atomkraftwerk zwischen Altlast und Denkmal. In: bricolage.<br />

Innsbrucker Zeitschrift für Europäische Ethnologie. Heft 3:<br />

Kulturelles Erbe. Innsbruck 2005. S. 163-177. – Schneider,<br />

Ingo: Zur Semantik des kulturellen Erbes. Mehr Fragen als<br />

Antworten. In: bricolage. Innsbrucker Zeitschrift für<br />

Europäische Ethnologie. Heft 3: Kulturelles Erbe. Innsbruck<br />

2005. S. 37-51. – 25. Österreichische Volkskundetagung.<br />

Erb.gut? Kulturelles Erbe in Wissenschaft und Gesellschaft.<br />

Innsbruck 14.11.2007-17.11.2007. bes. der Beitrag von<br />

Peter Egger und Dr. Michaela Haibl (Wien): Unierwünschtes<br />

Erbe. Die „Unkultur“ der Konzentrationslager als kulturelles<br />

Erbe? Tagungsprogramm. Abstracts der Vorträge S. 25-26.<br />

Eine Drucklegung der Beiträgt liegt noch nicht vor.<br />

2 Köstlin, Konrad: Historiographie, Gedächtnis und<br />

Erinnerung. In: Fendl, Elisabeth (Hrsg.): Zur Ikonographie<br />

des Heimwehs. Erinnerungskultur von Heimatvertriebenen.<br />

Freiburg 2002. (= Schriftenreihe des Johannes-Künzig-<br />

Institutes, 6.) S. 11-28. Hier S. 24.<br />

3 Langbein, Ulrike: Erbsachen: Erbprozeß und kulturelle<br />

Ordnung. In: Götsch, Silke; Köhle-Hezinger, Christel (Hrsg.):<br />

Komplexe Welt. Kulturelle Ordnungssysteme als<br />

Orientierung. Münster u.a. 2001. S. 333-341. Hier S. 335.<br />

4 Vgl. hierzu die Vorlesung von Wolfgang Neugebauer und<br />

Brigitte Bailer-Galander. Universität im Wintersemester<br />

2007/2008 „Das Erbe des Natioanlsozialismus. Aspekte der<br />

Geschichte Österreichs nach 1945. Gerhard Tolar sei für die<br />

Überlassung der Niederschrift zur Vorlesung herzlich<br />

gedankt. – Vgl. auch: Sandgruber, Roman: das 20.<br />

Jahrhundert.. Geschichte Österreichs Band VI. Wien 2003.<br />

S. 170 ff, bzw. S. 102 ff.<br />

5 Die Gelegenheit sei hier genutzt für die Einsichtnahme in<br />

die nicht öffentlich zugänglichen Akten der Stadtgemeinde<br />

Leonding zu danken, insbesondere Bürgermeister Dr. H.<br />

Sperl, Franz Danninger und Doris Bäck.<br />

6 Ganglmair, Siegwald: Widerstand und Verfolgung in Linz in<br />

der NS-Zeit. In: Mayrhofer, Fritz; Schuster, Walter (Hrsg.):<br />

Nationalsozialismus in Linz. Band II. Linz 2000. S. 1433.<br />

7 Vgl. Beitrag von G. Tolar über zivile Opfer in Leonding.<br />

8 Ratsarchiv Leonding. Mappe Gemeindeausschuss-<br />

Beschlüsse 1933.<br />

9 Ratsarchiv Leonding a.a.O.<br />

10 Ratsarchiv Leonding. Niederschrift des Sitzungsprotokolls<br />

vom 7.12.1945, sowie vom 3. 11. 1945.<br />

11 Ratsarchiv Leonding. Niederschrift der<br />

Gemeindeausschußsitzung vom 19. 9. 1946.<br />

Sitzungsprotokolle 1945-1947.<br />

12 Ratsarchiv Leonding. Sitzungsprotokoll 1945-1947.<br />

Niederschrift zur Gemeinde-Vorstandssitzung vom<br />

28.8.1947.<br />

13 Ratsarchiv Leonding. Sitzungsprotokolle 1948-1949. S.<br />

152. Sitzungsprotokoll der Gemeindevorstandssitzung vom<br />

8. Juli 1948.<br />

14 Hinweise aus dem Zeitzeugengespräch mit Friederike<br />

Haderer. Dezember 2007.<br />

15 Pfarrchonik, verfasst von Pfarrer Johann Haudum. S. 162.<br />

16 Pfarrchronik a.a.O.<br />

17 Lose beigelegter Zeitungsausschnitt in der Pfarrchronik<br />

datiert mit 20. November 1947. Titel „Eine politische<br />

Demonstration“.<br />

18 Mitteilung des früheren Leondinger<br />

Gendarmeriepostenkommandanten.<br />

19 Ratsarchiv Leonding. Sitzungsprotokolle 1945-1947.<br />

Niederschrift anlässlich der Gemeinde-Vorstandssitzung<br />

vom 24. Juli 1947. S. 85.<br />

20 A.a.O. S. 85-86. Laut Grundbuchsauszug wird das<br />

Gebäude aufgrund des Urteiles des Landesgerichtes für<br />

Strafsachen in Linz als Volksgericht vom 19.12.1951, Bg 10<br />

Vr 6122/47-Hv 232/51, wird das Eigentumsrecht für die<br />

Republik Österreich einverleibt. Als weitere Eintragung findet<br />

sich hier der Vermerk, dass zufolge des Beschlusses des<br />

Landesgerichtes für ZRS. Wien Abt, 49, S 77/52-27 wird die<br />

Eröffnung des Konkurses bei dem der Republik Österreich<br />

verfallenen Vermögen des Martin Bormann angemerkt.<br />

21 Ratsarchiv Leonding. Gemeindevorstands-<br />

Sitzungsprotokolle 1955. S. 124. Niederschrift der Sitzung<br />

des Gemeindevorstandes vom 4. 2. 1955.<br />

22 Ratsarchiv Leonding. Gemeindevorstands-<br />

Sitzungsprotokolle 1955. S. 134. Niederschrift der Sitzung<br />

des Gemeindevorstandes vom 22.3.1955.<br />

23 Ratsarchiv Leonding. Gemeindevorstands-<br />

Sitzungsprotokolle 1960. S. 697-698, S. 719 und 758.<br />

24 Ratsarchiv Leonding. Gemeindevorstands-<br />

Sitzungsprotokolle 1962. S. 59-60. Vorstandsitzung vom 2.<br />

Juli 1962.<br />

25 Inzwischen war eine neue Hausnummerierung eingeführt<br />

worden. Das Gebäude Leonding Nr. 61 ist ident mit<br />

Michaelsbergstr. 16.<br />

26 Ratsarchiv Leonding. Gemeindevorstands-<br />

Sitzungsprotokolle 1970. S. 42. Vgl. auch die<br />

Zeitungsmeldung vom Linzer Volksblatt vom 8. 10. 1969.<br />

„Was geschieht mit Hitlers Elternhaus? Haus beim<br />

Leondinger Friedhof wird frei: Der Gemeindearzt zieht aus in<br />

eine neue Ordination, es wird die Frage akut, was mit diesem<br />

Haus geschieht. Es gibt Pläne für eine Umbau zu<br />

135


einem Kindergarten oder aber, es wegzureißen und an diese<br />

Stelle nahe dem Leondinger Ortszentrum ein Hochhaus zu<br />

errichten. Die Entscheidung steht noch aus.“<br />

Gemeindechronik Band 2. S. 448.<br />

27 Ratsarchiv Leonding. A.a.O. S. 140-141. Sitzung vom<br />

19.10. 1970: S. 149-150. Sitzung vom 11.11.1970.<br />

28 A.a.o. S. 150.<br />

29 Leider ist der dazugehörige Akt im Bundesdenkmalamt<br />

Oberösterreich nicht vorhanden.<br />

30 Ratsarchiv Leonding.<br />

Gemeindevorstandssitzungsprotokolle 1976. S. 176-179.<br />

31 Oberösterreichische Nachrichten. Meldung vom 4. März<br />

1976. S. 7. Vgl. aber auch Gemeinderatsprotokolle 1970.<br />

Verhandlungsschrift über die öffentliche Sitzung des<br />

Gemeinderates vom 23. 11. 1970. S. 226-227.<br />

32 Gemeindechronik Band 2. S. 168.<br />

33 Aprilscherze sind langlebig. Linzer Volksblatt vom 7. 1.<br />

1950. Pfarrchronik S. 188.<br />

34 Pfarrchronik S. 188.<br />

35 Ratsarchiv. Stadtrat 1981. Verhandlungsschrift über die<br />

nicht öffentliche Sitzung des Stadtrates der Stadtgemeinde<br />

Leonding vom 16. 7. 1981. S. 313.<br />

36 Oberösterreichische Nachrichten vom 8. 7. 1981. S. 7.<br />

„Hitlers „Sohn“ in Leonding.<br />

37 Oberösterreichische Nachrichten. Linz: Extra vom<br />

9.3.1995. S. 6.<br />

38 Ratsarchiv. Gemeinderat Jänner-Mai 2000.S. 184.<br />

39 Ratsarchiv. Stadtratsprotkolle Verhandlungsschrift vom<br />

23. 3. 2000. S. 137-143.; Verhandlungsschrift vom 22. 5.<br />

2000. S. 226ff. Gemeinderatsprotokolle Jänner – Mai 2000.<br />

vom 29. 2. 2000. S. 286-288.<br />

40 Oberösterreichische Nachrichten vom 7. 3. 2000. S. 16.<br />

„Diskussionen um Mahntafel“ - Oberösterreichische<br />

Nachrichten vom 16.3.2000. Seite Nachrichten. –<br />

Oberösterreichische Nachrichten vom 25. 3. 2000. S. 23.<br />

„Keine Tafel für Hitlerhaus“ – Oberösterreichische<br />

Nachrichten vom 30. 3. 2000 „Hitler-Haus: „Nichts wird<br />

136<br />

gemacht!“ – Oberösterreichische Nachrichten vom 11. 4.<br />

2000 S. 14 und 27. von Eike-Clemens Kullmann „Neuer<br />

Anlauf um Hitler-Haus-Nutzung.“ – Oberösterreichische<br />

Nachrichten vom 18. 5. 2000 „Hitler-Haus: LIF lässt nicht<br />

locker“ – „Toleranz-Haus“ für Leonding. Oberösterreich<br />

Krone März 2000. S. 31. - Oberösterreichische Nachrichten<br />

vom 20. 3. 2002. S. 16. Eberhard Gstöttner: „Hitler-Haus<br />

wird Heimstätte der Leondinger Totengräber“. –<br />

Oberösterreichische Nachrichten vom 7.3. 2002 „Hitler-Haus<br />

wird saniert“ – Salzburger Nachrichten vom 20. 3. 2002 S. 5<br />

„Hitlers Wohnhaus: Abriss oder Sanierung“ –<br />

Oberösterreichische Nachrichten vom 19.3.2002 Leserbrief<br />

von Dr. Claudia Müller-Wechselberger, Leonding „Weg mit<br />

Hitler-Haus“ – Gemeindebrief Leonding Folge 156. Juli<br />

2002. – Gemeindebrief Leonding Folge 158 November<br />

2002. Darüber wurde aber auch im Internet international<br />

reflektiert: London, September 27, 2000 „Dilapidated structure<br />

is being renovated as coffin warehouse“ by George Jahn.<br />

(Adolf Hitler and Real History)<br />

41 Akte des Bundesdenkmalamtes Oberösterreich. Linz<br />

Land. Leonding. Michaelsbergstr. 16, Hochstr. 2.<br />

42 Das Gutachten wurde mit Datum vom 18. 10. 2000 an die<br />

Stadtgemeinde übermittelt. Vgl. Akte des<br />

Bundesdenkmalamtes a.a.O.<br />

43 Schreiben vom 11. Dezember 2000 an den<br />

Landeskonservator. Akte des Bundesdenkmalamtes a.a.O.<br />

44 Akte des Bundesdenkmalamtes Oberösterreich. A.a.O.<br />

45 Zuweisung des Themas „Hitler-Haus“ an den<br />

Kulturausschuss – Antrag des Liberalen Forums.<br />

Gemeinderatsprotokolle Jänner – Mai 2000. S. 370-373,<br />

390.<br />

46 Stadtratsprotokolle Juni – Dezember 2002. Sitzung vom<br />

5. Dezember 2002. Tagesordnungspunkt Nr. 9.<br />

47 Lehr, Rudolf. Landeschronik Oberösterreich. Wien 2000.<br />

S. 456.<br />

48 Programmheft zur Aufführung 1979. Vgl. die<br />

Zeitungsberichte: Kammesberger, Ursula: Proteste aus der<br />

Nachbarstadt. Vor der Uraufführung von Oskar Zemmes<br />

„Heimatland“ in Linz. Volksblatt 4.10.1979. – Störend für die<br />

VP-Leonding. „Heimatland“-Aufführung am 5. Oktober in<br />

Linz. Neue Zeit 4.10.1979. – Kammesberger, Ursula:<br />

Verfrühter Protest. Volksblatt 4.10.1979. – Leonding:<br />

Aufregung über ein Hitler-Stück. VP der Stadt protestiert<br />

gegen „Heimatland“ – Aufführung Freitag. Salzburger<br />

Nachrichten 4.10.1979. - Helfmann, Gabriel: Auferstehung<br />

im Heimatland. Zemme-Uraufführung in den Linzer<br />

Kammerspielen. Kronen-Zeitung 7.10.1979. - Sonvico,<br />

Werner: „Der is hin, Gott sei Dank!“ Hitlers Wiederkehr in<br />

den Kammerspielen. Oberösterreichisches Tagblatt<br />

8.10.1979. – Schwabeneder, Franz: Panoptikum fürs Landl.<br />

Oskar Zemmes Groteske „Heimatland“ wurde im<br />

Landestheater Linz uraufgeführt. Oberösterreichische<br />

Nachrichten 8.10.1979. - Kraml, Karin: Jugendliche und<br />

„Führer“. Die Furche 17.10.1979. – Die Gelegenheit sei hier<br />

genutzt dem Archivar des OÖ Landestheaters für die<br />

Bereitstellung der Unterlagen zu danken.


DIE AUSEINANDERSETZUNG MIT<br />

DER GESCHICHTE IN LEONDING<br />

„Nachklang - Widerhall“<br />

Am Freitag, den 11. Mai 2007 konnte unter dem<br />

Ehrenschutz des Bundespräsidenten Dr. Heinz<br />

Fischer ein Projekt von Kult-Ex, einer Kulturinitiative,<br />

vor großem Publikum eröffnet werden. Hinter Kult-Ex<br />

stehen Sabine Belezanski, Michael Dunzendorfer,<br />

Ajnita Eyth, Thomas Hinterberger, Andrea Hummer,<br />

Bernhard Hummer, Regina Klambauer, Doris Schuller.<br />

Der Entwurf für die Stele stammt von Georg<br />

Lindorfer und die Keramik von Monika Hinterberger.<br />

NACHKLANG-WIDERHALL ist ein Klang-Denkmal<br />

am Alten Kirchenplatz in Leonding bei Linz (Oberösterreich)<br />

zur Erinnerung an die Verfolgung, Vertreibung,<br />

Vernichtung und den Widerstand von Jüdinnen<br />

und Juden, Roma, Sinti und Jenischen, behinderten<br />

Menschen, Angehörigen von Religionsgemeinschaften,<br />

Deserteuren, Homosexuellen,<br />

Kriegsdienstverweigerern, Kriegsgefangenen,<br />

politischen GegenerInnen, ZwangsarbeiterInnen<br />

und allen anderen Opfern des Nationalsozialismus.<br />

Zu hören sind Texte von: Michael Amon, Heimrad<br />

Bäcker, Bogdan Bogdanovic, Franzobel, Karl-Markus<br />

Gauß, Eva Geber, Elfriede Gerstl, Sabine Gruber,<br />

82<br />

Henriette Haill, Josef Haslinger, Elfriede Jelinek,<br />

Eugenie Kain, Franz Kain, Leo Katz, Alois Kaufmann,<br />

Ruth Klüger, Walter Kohl, Traude Korosa, Theodor<br />

Kramer, Ludwig Laher, Gitta Martl, Martin Pollack,<br />

Christian Qualtinger, Doron Rabinovici, Schoschana<br />

Rabinovici, elisabeth Reichart, Erwien Riess, Kathrin<br />

Röggla, Stella Rotenberg, Gerhard Ruiss, Robert<br />

Schindel, Simone Schönett, Ceija Stojka, George<br />

Tabori, Peter Turrini, Vladimir Vertlib, Susanne<br />

Wantoch, Ruth Weiss und Rosa Winter.<br />

Zum Hintergrund:<br />

In Leonding befinden sich zwei Kriegerdenkmäler für<br />

die Gefallenen und Vermissten des Zweiten und auch<br />

des Ersten Weltkriegs an einem symbolträchtigen Ort:<br />

Mitten im Zentrum, am Alten Kirchenplatz, der unmittelbar<br />

in den Eingang zum Friedhof mündet, wo sich<br />

das Grab von Hitlers Eltern befindet und in der Nähe<br />

des Wohnhauses, wo Adolf Hitler von 1898 bis 1904<br />

lebte.<br />

Was bisher fehlt, ist eine symbolische Imagination der<br />

historischen und gesellschaftlichen Realitäten des<br />

Nationalsozialismus und seiner Verfolgungs- und<br />

Vernichtungspolitik. Diese hat vor allem in Oberösterreich<br />

mit dem Konzentrationslager Mauthausen<br />

und den vielen Nebenlagern sowie mit der Tötungsanstalt<br />

Hartheim nachhaltige Spuren hinterlassen. Im<br />

Gedächtnis der Stadt Leonding haben die Opfer bisher<br />

keinen Platz gefunden. Die Leidensgeschichte,<br />

der Widerstandskampf und die Warnung an die Nachgeborenen<br />

warten noch unverändert auf eine deutlich<br />

wahrnehmbare Erzählung.<br />

Stellvertretend für Opfer, denen dieser Status lange<br />

Jahre verweigert wurde, sei hier auf Deserteure und<br />

die vom Nationalsozialismus als „Asoziale“ bezeichnete<br />

Gruppe der Obdachlosen und Fürsorgebedürftigen<br />

verwiesen. Auch die „Kinder vom Spiegelgrund“,<br />

die der Menschen verachtenden NS-Medizin zum<br />

Opfer gefallen waren, wurden jahrzehntelang nicht<br />

anerkannt.<br />

Von den Frauen, die Opfer des Nationalsozialismus<br />

waren, ist in der österreichischen Erinnerungskultur<br />

wenig zu hören. Dies betrifft vertriebene und ermordete<br />

Jüdinnen, ermordete und zwangssterilisierte<br />

Romnia, Sintiza und Jenische, Frauen mit körperli-<br />

137


cher oder psychischer Beeinträchtigung, verschleppte<br />

Zwangsarbeiterinnen, Frauen, die Opfer organisierter<br />

Vergewaltigung in so genannten „Wehrmachtsbordellen“<br />

wurden, ebenso wie Widerstandskämpferinnen<br />

und Partisaninnen.<br />

NACHKLANG-WIDERHALL zielt auf Sichtbarkeit ab<br />

und erweitert diese um akustische Wahrnehmungszugänge.<br />

Die 3 Meter hohe Klangsäule ist eine künstlerisch<br />

gestaltet Installation, die sich dem flüchtigen<br />

Blick widersetzt. Die Opfer des Nationalsozialismus<br />

haben in den Texten der AutorInnen eine Stimme<br />

gefunden und sind auf Doppel-CD erschienen (ISBN<br />

978-3-200-00877-9). Weitere Informationen siehe:<br />

www.nachklang-widerhall.at<br />

Abb.82 u. 83: Klangstele hinter 44er Haus in Leonding<br />

138<br />

Das Projekt der HTBLA Leonding<br />

Der offene und freie Umgang mit der eigenen Geschichte;<br />

die Aufklärung und Kenntnis über mögliche<br />

Folgen von Faschismus und Diktatur muss in jungen<br />

Jahren beginnen. Aus diesem Grund ist es immer<br />

wieder wichtig, derartige Themen Jugendlichen nahe<br />

zubringen und über die Folgen zu informieren. Sämtliche<br />

Schulen in Leonding wurden im Sommer 2007<br />

eingeladen, sich kreativ bei dem Projekt „Spurensuche<br />

Leonding 1898-1938-2008“ einzubringen.<br />

Ganz bewusst wurde auch die Art und Weise einer<br />

Beteiligung offen gehalten. Projektbeteiligungen konnten<br />

im Rahmen einer Geschichtswerkstatt, Zeitzeugenbefragung,<br />

eigenen Ausstellungsteilen oder<br />

eigenen Kunstprojekten stattfinden. Das Projekt der<br />

5. AHDVM (Medientechnik) der HTBLA Leonding soll<br />

hier eine eigene Darstellung finden.<br />

Geschichte „Ausarbeiten“<br />

„Als 3. Generation nach dem Zweiten Weltkrieg ist es<br />

für uns interessant gewesen, die Möglichkeit zu bekommen,<br />

sich mit diesem Thema auseinander zu setzen.<br />

Das Spannende an diesem Projekt ist das Erleben<br />

der Geschichte im Zusammenhang mit dem<br />

Heimatort beziehungsweise dem Schulort.“<br />

Bericht zur Ideenfindung von Florian Gnadlinger<br />

Nachdem die Teilnahme am Projekt „Spurensuche<br />

Leonding 1898-1938-2008“ fixiert war, veranstaltete<br />

der Klassenvorstand der Maturaklasse 2007/2008<br />

Frau Mag. Elisabeth Auberger, einen klasseninternen<br />

Ideenwettbewerb. Hier wurden alt bewährte Dinge,<br />

wie Interviews von Zeitzeugen oder kurze Dokumentarfilme<br />

diskutiert. Aber allen war bewusst, dass<br />

etwas Spektakuläres, eine tiefsinnigere Idee gesucht<br />

wurde.<br />

Die zweifellos spektakulärste Idee war fraglos, das<br />

Wohnhaus der Familie Hitler in Leonding, im Sinne<br />

des berühmten Künstlers Christo zu verhüllen! Jedoch<br />

war uns gleich klar, dass diese Aktion zu „spektakulär“<br />

geworden wäre und Leonding in ungewollte<br />

Schlagzeilen gebracht hätte. Man merkt, dass bei dieser<br />

Ideenfindung viel angedacht und besprochen<br />

wurde. In dieser Diskussion wurden immer wieder<br />

Sprachbilder verwendet, wie „den Dingen auf den<br />

Grund gehen!“ oder „man muss tief schürfen um verdrängte<br />

Vergangenheit freizulegen“. Ein Geistesblitz<br />

brachte mich auf die Idee, diese Sprachbilder wörtlich<br />

zu nehmen. Das Konzept war also nun da, und wir<br />

versuchten eine „Archäologische Fundstelle“ abzubilden.<br />

Aus diesem Konzept entstand dann unser Ausstellungsstück.<br />

Dieses zeigt Bilder aus dem Jahr<br />

1938 die unter Sand vergraben sind. Diese können<br />

und sollen von den Besuchern „wieder“ entdeckt werden.<br />

Für uns junge Generation bedeutet diese Möglichkeit<br />

der Auseinandersetzung mit diesem Thema<br />

sehr viel. Besonders da unsere Eltern den Krieg nicht<br />

mehr miterlebt haben und die letzten Zeitzeugen die<br />

uns davon berichten können eine verschwindend kleine<br />

Zahl angenommen haben. Solche Projekte sind<br />

also sehr wichtig für meine Generation denn wir wollen<br />

„den Dingen auf den Grund gehen“ „tief schürfen…“<br />

„….um gegen das Vergessen anzukämpfen“<br />

„denn nichts ist schlimmer als nichts aus der<br />

Vergangenheit gelernt zu haben“.<br />

Bericht zur Umsetzung von Philipp Täubel<br />

Nach der Ideenfindung haben wir ein Team gegründet,<br />

das unter der Projektleitung von Jürgen Kleiß,<br />

noch von Florian Gnadlinger, Stefan Bodenski,<br />

Philipp Rößler, Fabian Weickl und Philipp Täubel<br />

unterstützt wurde.


Abb.84: Installationsentwurf der HTL Leonding<br />

Wie sind wir von der Idee zum fertigen Objekt<br />

gekommen? Es stellten sich einige Fragen, wie z.B.:<br />

- Wie setzen wir es um? - Welche Fragen zu Leonding<br />

wollen wir stellen? und von wo bekommen wir<br />

die Informationen dafür? - Welche Bilder werden wir<br />

dazu zeigen? und wo werden wir diese finden?<br />

Die ersten Kontakte hat Fr. Prof. Auberger über Herrn<br />

Nöhmayer, den damaligen Leiter der Kulturstelle in<br />

Leonding angebahnt. Nach einer kurzen Besprechung<br />

stellte sich heraus, dass unsere eigentlichen<br />

Ansprechpartnerinnen Fr. Judith Wurst-Varjai vom<br />

Turmmuseum und Fr. Dr. Thekla Weissengruber vom<br />

Schlossmuseum sind. Nun, nachdem wir eine Besprechung<br />

mit Fr. Wurst und Fr. Dr. Weissengruber<br />

im Turmmuseum mit anschließender Privatführung<br />

hatten, wurde die Vorgehensweise wie wir zu unserem<br />

fertigen Objekt kommen schon sehr klar.<br />

Denn ein Tisch in perfekten Maßen stand leer und<br />

würde für uns aufbereitet werden. Somit mussten wir<br />

uns nun nur noch um den Inhalt des Tisches kümmern.<br />

Hierzu nahmen wir Kontakt mit Herrn Asen und<br />

Herrn Marwan auf, der uns freundlicherweise Einblick<br />

in das Stadtgeschichte Buch Leondings gewährte,<br />

was mich als Leondinger auch interessierte, aus dessen<br />

Inhalt wir die geeigneten Bilder und<br />

Informationen heraussuchten und sie in digitale und<br />

geeignete Form brachten. Aus den Informationen<br />

haben wir Fragen geformt und Jürgen Kleiß hat das<br />

Design, also den Hintergrund des Tisches entwickelt<br />

und die einzelnen Elemente darauf angeordnet. Nach<br />

letzten Besprechungen mit Fr. Wurst und Fr. Dr.<br />

Weissengruber war es endlich knapp vor der Matura<br />

doch noch vollbracht und unser Projekt war fertig<br />

gestellt.<br />

139


140


Bildnachweis (fortlaufende Nummerierung)<br />

Heimatkundliche Sammlung Leonding<br />

Abb. S. 12, Abbildungen Nr. 1, 2, 14, 24, 26; 28, 29,<br />

30; 31; 32, 33, 34, 35, 36, 39, 40, 42, 43, 44, 45, 46,<br />

47, 48, 49, 50, 51, 52, 54, 56, 59, 60, 61-70 S. 106,<br />

Nr. 76, 78, 79<br />

Bayerische Staatsbibliothek München<br />

Fotoarchiv Hoffmann<br />

Abb. S. 25, Abb. S. 79, Abbildungen Nr. 6, 7, 8, 9, 10,<br />

11, 12, 13, 41, 77<br />

Oberösterreichisches Landesarchiv<br />

Aufnahme G. Tolar<br />

Abb. Nr. 3, 4 5, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 73, 74<br />

Stadtmuseum Linz NORDICO<br />

Aufnahme J. Wurst-Varjai<br />

Abb. Nr. 53, 57, 58<br />

Oberösterreichisches Landesmuseum / Bibliothek<br />

Abb. Nr. 2, 37, 38<br />

Oberösterreichisches Landesmuseum<br />

Graphische Sammlung<br />

Abb. Nr. 55<br />

Aufnahme J. Wurst-Varjai<br />

Abb. Nr. 23, 25, 27, 82, 83<br />

Aufnahme G. Tolar<br />

Abb. Nr. 71, 72a, 72b<br />

Aufnahme T. Weissengruber<br />

Abb. Nr. 75<br />

Oberösterreichische Nachrichten Archiv<br />

Abb. Nr. 81<br />

Archiv des Landestheaters Linz<br />

Abb. Nr. 80<br />

Archiv Verena Wagner<br />

Abb. Nr. 16<br />

Linz Aktiv / Archiv Michael John<br />

Abb. Nr. 15<br />

HTL Leonding<br />

Abb. Nr. 84<br />

141

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