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Komplett - DAS Sauerlandmagazin Ausgabe März/April 2017

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DER SCHNEEWEISSE BEWEIS<br />

EIN HUBBI-KURZKRIMI Von Pia Mester<br />

Hubbi drückte den warmen Apfelstrudel fester an sich. Es war<br />

kalt geworden im Sauerland. Typisches Winterwetter: Kalt<br />

und diesig. Zu Weihnachten hätte sie sich Schnee gewünscht,<br />

der mal wieder ausgeblieben war. Jetzt, Anfang Februar,<br />

konnte sie gut und gerne darauf verzichten. Vor allem, da<br />

die Winterreifen ihres in die Jahre gekommenen VW Caddys<br />

blankgescheuert waren wie die Sonntagsschuhe ihres Vaters.<br />

Deshalb war sie auch zu Fuß gekommen. Ihr Rauhaardackel<br />

Meter zitterte und schaute sie von unten böse an.<br />

Hubbi klingelte an dem schnuckeligen Einfamilienhaus,<br />

das ihre Freundin Lotte kürzlich zusammen mit ihrem<br />

Mann gekauft hatte. Es dauerte keine zehn Sekunden, und<br />

eine strahlende Hausbesitzerin öffnete die Tür.<br />

„Schön, dass du es geschafft hast“, sagte sie und umarmte<br />

Hubbi stürmisch. „Du siehst aber durchgefroren aus.“<br />

„Ich dachte mir, ein kleiner Spaziergang tut gut“, log Hubbi<br />

und schielte an Lotte vorbei ins Wohnzimmer, in dem das<br />

Feuer im Kamin brannte. Sie sehnte sich nach einer Tasse<br />

heißen Kaffee.<br />

„Stimmt, ich könnte auch noch ein bisschen frische Luft<br />

gebrauchen.“ Lotte nahm Hubbi die Dose mit dem Apfelstrudel<br />

ab, stellte sie ins Schuhregal, schnappte sich ihre<br />

Jacke und zog zu Hubbis Enttäuschung die Haustür hinter<br />

sich zu. „Ich muss dir unbedingt was zeigen.“<br />

Missmutig folgte Hubbi ihrer Freundin. Apfelstrudel<br />

schmeckte warm am besten. Außerdem begann es in diesem<br />

Moment zu schneien. Meter blieb immer wieder protestierend<br />

stehen, so dass Hubbi in geradezu hinter sich<br />

herschleifen musste.<br />

Lotte hüpfte geradezu die Straße entlang. An einem<br />

beeren farbenen Auto blieb sie stehen und breitete die<br />

Arme aus. „Tadaaaa! Wie findest du ihn?“<br />

Hubbi zog eine Augenbraue hoch. „Den Wagen?“<br />

„Nee, den Bordstein. Natürlich den Wagen.“<br />

Es gab nichts, was Hubbi in diesem Moment mehr am Allerwertesten<br />

vorbei gehen konnte als dieses Auto. Aber<br />

Lotte strahlte so voller Stolz, dass Hubbi ihr die Freude<br />

nicht vermiesen wollte.<br />

„Schicker Flitzer!“<br />

„Mein erster Neuwagen.“ Lotte grinste von einem Ohr zum<br />

anderen. „Und guck mal, was der alles kann.“<br />

Eine halbe Stunde lang musste sich Hubbi die vielen Funktionen<br />

von Lottes neuem Auto erklären lassen. Um halb<br />

vier hatte ihre Freundin endlich genug. Als sie ins Haus<br />

kamen, war der Apfelstrudel wirklich schon kalt. Immerhin<br />

gab es frischen Kaffee und Lotte legte noch einmal Holz im<br />

Kamin nach. Meter kuschelte sich ans Feuer und die beiden<br />

Freundinnen verquatschten den Nachmittag. Lotte schien<br />

das Eheleben gut zu bekommen, dachte Hubbi. Sie ging<br />

voll im Dekorieren ihres neuen Hauses und im Kochen, Backen<br />

und Putzen auf. Sogar der Wocheneinkauf schien ihr<br />

mit ihrem neuen Auto Spaß zu machen.<br />

„Ich glaube, Meter muss mal“, sagte Lotte um kurz nach<br />

sieben.<br />

Hubbi schaute zu ihrem Dackel, der unruhig vor der<br />

Einganstür auf und ab lief. „Du hast recht. Ich werde mich<br />

dann auch mal auf den Weg machen.“ In einer Stunde<br />

musste sie die ihre Kneipe, die Nuckelpinne, öffnen.<br />

Lotte begleitete ihre Freundin zur Tür und verabschiedete<br />

sie. Draußen lag mittlerweile schwerer, nasser Schnee.<br />

Hubbi schaute auf ihre Schuhe - dunkelrote Wildlederstiefel<br />

aus dem Winterschlussverkauf - und seufzte.<br />

Als sie an Lottes Wagen vorbeikam, blieb sie stehen. So ein<br />

moderner Wagen hatte schon was. Irgendwann würde sie<br />

sich das auch leisten können. Auf einmal stach ihr etwas<br />

ins Auge: Am Kotflügel war der Schnee nicht ganz so dick<br />

wie auf dem Rest des Wagens. Sie wischte mit der Hand<br />

darüber und erkannte den Grund: Eine dicke Beule und<br />

zwei dicke Kratzer verunstalteten den Lack.<br />

Schnurstracks ging Hubbi zurück zu Lottes Haus.<br />

„Hast du was vergessen?“, fragte die, als sie Hubbi sah.<br />

„Nein. Komm mal mit.“<br />

„Oh nein! Wie konnte das denn passieren?“, rief Lotte, als<br />

sie die Beuel sah. Hubbi konnte sehen, dass ihr Tränen in<br />

den Augen standen. Lotte tat ihr leid.<br />

„Fahrerflucht“, stellte sie lapidar fest. Sie kramte eine kleine<br />

Taschenlampe aus ihrer Handtasche und schaute sich<br />

den Schaden von Nahem an. In dem Kratzer sah man eindeutig<br />

Spuren von neongrünem Lack. Sie grinste: „Allzu<br />

viele neongrüne Autos dürfte es ja in der Nachbarschaft<br />

nicht geben.“<br />

Mit einem widerspenstigen Dackel im Schlepptau stapften<br />

sie los. Hubbi ging systematisch vor, oder bildete sich das<br />

zumindest ein. Zum Glück gab es nicht so viele Straßen in<br />

Affeln, so dass sie alle noch an diesem Abend absuchen<br />

konnten.<br />

In einer Sackgasse stießen sie tatsächlich auf einen giftgrünen<br />

Wagen mit imposanten Felgen. Hubbi ging einmal<br />

um das Auto herum. Meter inspizierte derweil den Unterboden<br />

des Wagens und verknotete dabei seine Leine mit<br />

dem Vorderrad. Hubbi musste sich bücken, um die Leine zu<br />

entwirren und ihren Dackel unter dem Wagen wegzuzie-<br />

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