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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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so hatte Lipps geschrieben, „ist ganz allgemein Leben. Und Leben ist Kraft, innerstes Arbeiten,<br />

Streben und Vollbringen.“ 125<br />

Lipps Aufsatz über Einfühlung und ästhetischen Genuss, der die Grundzüge seiner Ästhetik und<br />

Wahrnehmungslehre 126 zus<strong>am</strong>menfasste, gipfelt in dem Satz: „Ich genieße mich selbst in einem von<br />

mir unterschiedenen sinnlichen Gegenstand. Dieser Art ist der ästhetische Genuß. Er ist objektivirter<br />

Selbstgenuß.“ 127 Am Beispiel einer Linie beschreibt Lipps den Wahrnehmungsvorgang als inneres<br />

Durchlaufen, als Einfühlung in die Bewegung, als Selbstbetätigung im Einklang mit dem Gegenstand,<br />

dem Lustgefühl einer freien, einer reibungslosen Übereinstimmung mit dem Zugemuteten. So existiere<br />

das Objekt „für mich“ erst als „Produkt aus den beiden Faktoren, nämlich dem sinnlich Gegebenen<br />

und meiner Thätigkeit. [...] Dies ist nur das Material, aus dem durch meine Thätigkeit das Objekt für<br />

mich erst sich aufbaut. [...] Form ist immer das Geformtsein durch mich oder ist meine Thätigkeit.“ 128<br />

Lipps kantianischer Dualismus und der Versuch seiner Synthese im Begriff der „Sympathie“ 129<br />

schließt auch das Hässliche, Schmerzhafte, Entsetzliche noch mit ein, wenn es menschliches Leben<br />

offenbare. 130<br />

Worringer stellt nun die subjektivistische Einfühlungsäthethik auf den Kopf, indem er sie mit der<br />

psychologischen Ästhetik von Alois Riegl kont<strong>am</strong>iniert. Keineswegs sei der „Einfühlungsprozeß zu<br />

allen Zeiten und allerorten die Voraussetzung künstlerischen Schaffens gewesen“. 131<br />

Von Alois Riegl und dessen kunstgeschichtlicher Methodik übernimmt Worringer vor allem den<br />

Begriff des „Kunstwollens“, der Stileigentümlichkeiten und Entwicklung in scharfem Gegensatz zur<br />

„materialistische[n] Anschauungsweise“ 132 nicht auf unterschiedliches, sich vervollkommnendes<br />

Können, „sondern auf ein [jeweils] andersgerichtetes Wollen“ 133 zurückführte. Riegl hatte d<strong>am</strong>it das<br />

ges<strong>am</strong>te System der Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts auf den Kopf gestellt und seiner<br />

125<br />

Theodor Lipps, „Einfühlung und ästhetischer Genuß“ [1906], in: Emil Utitz, Ästhetik [Quellen/Handbücher der<br />

Philosophie]. Berlin: Pan, 1923, S. 152.<br />

126<br />

Vgl. dazu Theodor Lipps, Einheiten und Relationen. Eine Skizze zur Psychologie der Apperzeption. Leipzig:<br />

Verlag Johann Ambrosius Barth, 1902.<br />

127 Lipps, „Einfühlung und ästhetischer Genuß“, S. 152.<br />

128 Ebd., S. 158.<br />

129 Ebd., S. 159; 164.<br />

130 „Die höchste Zumutung“ ästhetischen Erlebens sieht Lipps folgerichtig in der „sinnliche[n] Erscheinung des<br />

Menschen“ (ebd., S. 161), im Anblick des Gesichtes und seiner veränderlichen Züge.<br />

131 Worringer, Abstraktion und Einfühlung, S. 6.<br />

132 Ebd., S. 7.<br />

133 Ebd., S. 9. So hätte die Renaissance die Zentralperspektive nur „gefunden, weil es sie gesucht hat; frühere<br />

Zeiten haben sie schlechtweg gemieden. Nicht sie konnten früher nicht perspektivisch darstellen, sondern sie<br />

wollten nicht perspektivisch darstellen.“ (Alois Riegl, Die Entstehung der Barockarchitektur in Rom.<br />

München/Mittenwald: Mäander Kunstverlag, 1977 [1908], S. 52)<br />

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