12.12.2012 Aufrufe

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Gegenüber den Theorien der Einfühlung, auf die sich Worringer (vor allem in ihrer prononcierten<br />

Formulierung durch Theodor Lipps) zunächst beruft, behält sein Dualismus eine deutliche Reserve.<br />

„Einfühlung“ erscheint in Worringers theoretischem Rahmen von Beginn an als ein vorläufiges, fast<br />

ephemeres Phänomen gegenüber dem Wesen der Selbstentäußerung, der expressiven Abstraktion.<br />

Joachim Paech 120 hat die Entwicklung der Einfühlungs-Ästhetik von Friedrich Theodor Vischer bis zu<br />

Theodor Lipps und ihre Wirkung auf Fragestellungen der Filmtheorie beschrieben und deutlich<br />

gemacht, wie der Begriffsrahmen der „Einfühlung“ seit Mitte des 19. Jahrhunderts zur<br />

Subjektivierung der Kunsttheorie und zugleich zur Erweiterung ihres Gegenstandes beigetragen hatte.<br />

Ausgehend von einer Kritik an Hegels Ästhetik und ihrer Beschränkung auf das „Kunstschöne“ hatte<br />

Friedrich Theodor Vischer die subjektive Existenz des Schönen und die Fähigkeit der Phantasie<br />

betont, „das Schöne in die Natur hineinzuschauen“. 121 D<strong>am</strong>it war nicht nur das „Naturschöne“ zum<br />

Gegenstand der Ästhetik erhoben und gar die Tür zu einer Ästhetik des Alltags geöffnet, sondern<br />

zugleich auch das Subjekt ins Zentrum der ästhetischen Anschauung gerückt. Friedrich Theodor<br />

Vischers Sohn Robert Vischer verwies „auf die Natur im Menschen selbst, die den Drang hat, sich<br />

pantheistisch mit der ganzen Natur zu verbinden. Was sich dann in eine Landschaft einfühlt und diese<br />

Natur in sinnlicher und geistiger Harmonie zu einer Landschaft symbolisiert und noch dazu zu einer<br />

‘seelenvollen Landschaft’ macht ist ein Doppelwesen. ‘Im Menschen lebt sozusagen ein zweiter<br />

Mensch, ein idealer Bildgeist, das Ich der Phantasie’.“ 122 Theodor Lipps schließlich tat einen<br />

weiteren entschiedenen Schritt in Richtung dessen, was Georg Lukács später einmal abfällig<br />

„psychologischen Impressionismus“ 123 nennen und in den Kontext der Lebensphilosophie stellen<br />

sollte, als Ausdruck bürgerlicher „Fluchtideologie“, als deren Höhepunkt er Wilhelm Worringer<br />

ausmachte.<br />

Theodor Lipps hatte, so Worringer, „eine klare und umfassende Formulierung“ der modernen<br />

Ästhetik, des „ästhetischen Subjektivismus“ der „Einfühlungslehre“ 124 vorgestellt. „Was ich einfühle“,<br />

120<br />

Joachim Paech, „Dispositionen der Einfühlung. Anmerkungen zum Einfluß der Einfühlungs-Ästhetik des 19.<br />

Jahrhunderts auf die Theorie des Kinofilms“, in: Knut Hickethier u.a. (Hg.), Der Film in der Geschichte.<br />

Dokumentation der GFF-Tagung. Berlin: edition sigma, 1997, S. 106-121.<br />

121<br />

Friedrich Theodor Vischer, Ästhetik. Bd. 2, 1848, S. 358, zitiert nach Paech, „Dispositionen der Einfühlung“, S.<br />

107.<br />

122<br />

Paech, „Dispositionen der Einfühlung“, S. 109. (Paech zitiert Robert Vischer, „Über ästhetische<br />

Naturbetrachtung“, in: ders., Drei Schriften zum ästhetischen Formproblem. Halle/Saale 1927 [1874], S. 56-58)<br />

123<br />

Lukács, „‘Größe und Verfall’ des Expressionismus“, S. 159.<br />

124 Worringer, Abstraktion und Einfühlung, S. 2.<br />

69

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!