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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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mehreren Gegenständen herstellt, jedes andere bedingend und ihm die Bedeutung zurückgebend, die<br />

es von ihm empfängt.“ 88<br />

Simmels Versuch der „Aufhebung der klassischen Aporien der Wert- und Geldtheorie in der<br />

totalisierenden Form des Lebensbegriffs“ 89 zielt auf eine Figur, die Bergson näher ist, als Simmel es<br />

selbst vermutet. Das Opfer nämlich ist für Simmel die eigentliche Synthese von Begehren und<br />

aufzuwendender Mühe, die sich im Tausch vollzieht. „Den praktisch wirks<strong>am</strong>en Wert verleiht dem<br />

Gegenstand nicht sein Begehrtwerden allein, sondern das Begehrtwerden eines anderen. Ihn<br />

charakterisiert nicht die Beziehung auf das empfindende Subjekt, sondern daß es zu dieser Beziehung<br />

erst um den Preis eines Opfers gelangt.“ 90 Das Maß an Hingabe, Arbeitszeit, Kraft, Geduld, „die<br />

Schwierigkeit des Erlangens, d.h. die Größe des in den Tausch einzusetzenden Opfers ist das<br />

eigentümliche konstitutive Wertmoment.“ 91<br />

Mit Recht beharrt Simmel darauf, dass jenseits der unmittelbar genossenen Qualität des<br />

Gegenstandes ein intersubjektiver Wert erst aus dem Wechselverhältnis mit anderen Gegenständen<br />

oder anderen Ressourcen, wie Energie- oder Zeitquanten, zu bestimmen ist - und das heißt aus der<br />

Entscheidung, aus der Wahl, die immer Verzicht auf das eine für das andere darstellt. Eine Wahl<br />

also, die sich keineswegs auf den Vergleich von Arbeits(zeit)quanten bei vorausgesetzt gleichem<br />

Gebrauchswert beschränkt. D<strong>am</strong>it aber wohnt zugleich jeder Ökonomie, die auf Werten und nicht<br />

88 Ebd., S. 61. Marx setzt, wie auch die klassische Nationalökonomie Ad<strong>am</strong> Smiths oder David Ricardos, die<br />

menschliche Arbeit als Basisgröße des Werts. „Die Arbeit jedoch, welche die Substanz der Werte bildet, ist die<br />

gleiche menschliche Arbeit, Verausgabung derselben menschlichen Arbeitskraft. [...] Gesellschaftlich notwendige<br />

Arbeitszeit.“ (Karl Marx, Das Kapital. Erster Band. MEW Bd. 23. Berlin: Dietz, 1979, S. 53)<br />

Simmel weist die „Arbeitstheorie“ zurück und auch die komplementäre Setzung im dritten Band des Kapital, die<br />

„Bedingung alles Wertes [...] sei der Gebrauchswert“ (Simmel, Philosophie des Geldes, S. 476). Dies setze einen<br />

qualitativ einheitlich gedachten Ges<strong>am</strong>tbedarf der Gesellschaft voraus, eine Gleichwertigkeit von Arbeit und vor<br />

allem eine Gleichrangigkeit von Bedürfnissen. Alle drei Annahmen hält Simmel für unrealistisch. „Die Annäherung<br />

an diesen völlig utopischen Zustand scheint nur so technisch möglich zu sein, daß überhaupt nur das unmittelbar<br />

Unentbehrliche, das ganz indiskutabel zum Leben gehörige produziert wird. [...] Sobald man dagegen in die<br />

höheren Gebiete aufsteigt, auf denen einerseits Bedarf und Nützlichkeitsschätzung unvermeidlich individueller,<br />

andrerseits die Intensitäten der Arbeit schwerer festzustellen sind, wird keine Regulierung der<br />

Produktionsquanten bewirken können, daß das Verhältnis zwischen Bedarf und aufgewandter Arbeit überall das<br />

gleiche sei.“ (S. 478) Und d<strong>am</strong>it würden weder die verwendete Arbeitszeit noch der Gebrauchswert<br />

wertbestimmend sein können. Walter Benj<strong>am</strong>in, der 1939 mit Theodor W. Adorno anlässlich seiner Arbeit <strong>am</strong><br />

Passagen-Werk über Simmels Philosophie der Großstadt stritt, verteidigte Simmel, bei aller Kritik: „Ihr scheeler<br />

Blick auf Simmel -. Sollte es nicht Zeit werden, einen der Ahnen des Kulturbolschewismus in ihm zu respektieren?<br />

[...] Letzthin nahm ich seine ‘Philosophie des Geldes’ vor. [...] Man kann aber in dem Buch, wenn man von seinem<br />

Grundgedanken abzusehen entschlossen ist, sehr Interessantes finden. Mir war die Kritik der Werttheorie von<br />

Marx frappant.“ (Walter Benj<strong>am</strong>in an Theodor W. Adorno, 23.2.1939, in: Walter Benj<strong>am</strong>in, Ges<strong>am</strong>melte Schriften.<br />

I.3 [werkausgabe Band 3], S. 1117.<br />

89 Annemarie Wolfer-Melior, Motive konservativer Kritik in der „Philosophie des Geldes“ von Georg Simmel.<br />

Unveröffentlichte Diplom-Arbeit. <strong>Frankfurt</strong> <strong>am</strong> <strong>Main</strong> 1982, S. V.<br />

90 Simmel, Philosophie des Geldes, S. 31.<br />

91 Ebd., S. 60.<br />

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