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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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den Krieg als katastrophische Form der Verausgabung und die Tradition des Rivalitätsgeschenks,<br />

also den rituellen Tausch von Dingen (von Energie) gegen Prestige, in Beziehung zueinander gesetzt.<br />

Allen gemeins<strong>am</strong> sei, so Bataille, der Versuch, die Verdinglichung, die im Gebrauch, in der<br />

Nützlichkeit von Gegenständen, Beziehungen und Menschen läge, gewalts<strong>am</strong> aufzulösen 77 - eine<br />

Verdinglichung, die auch dem „Eigentümer [...] selbst die Grenzen eines Dinges geben würde“. 78<br />

D<strong>am</strong>it wendete Bataille sich nicht zuletzt gegen den Versuch von Marcel Mauss, den „Potlatsch“, das<br />

traditionelle Rivalitätsgeschenk in seinen vielfältigen Formen als Urphänomen, als Basis des Sozialen<br />

zu bestimmen. 79<br />

Für Bergson ist die Verbrennung, die Explosion, die Verausgabung nicht nur eine Notwendigkeit, die<br />

sich aus dem Überschuss der ges<strong>am</strong>melten Energie ergibt, sondern das eigentliche Ziel des Lebens,<br />

auch wenn er dies eher in seiner Argumentation eher beiläufig ausspricht. Dem rätselhaften Satz <strong>am</strong><br />

Ende des entwicklungsgeschichtlichen Argumentationsganges von Schöpferische Entwicklung, der<br />

davon spricht, dass die Menschheit fähig sei, „alle Hindernisse zu überreiten, und die größten<br />

Widerstände zu überwinden - vielleicht selbst den Tod“ 80 , wächst von diesem Ziel aus ein paradoxer,<br />

oder wenn man so will tautologischer Sinn zu: dem der Überwindung des Todes im Opfer, im<br />

Verströmen des Lebensstromes, im Feuer.<br />

Georg Simmel schien dieser, den Dualismus existentialistisch aufsprengende Gedanke Bergsons<br />

entgangen zu sein - oder er spürte, dass er ihm zu nahe ging.<br />

Statt dessen wendete er gegen Bergsons manifesten Dualismus ein:<br />

„Es ist, als ob er die Tragik davon gar nicht bemerkte, daß das Leben, um nur existieren zu können,<br />

sich in Nichtleben verwandeln muß. [...] daß dies gerade seiner eigenen Aufhebung, der Erstarrung<br />

zu seinem eigenen Gegenteil bedarf, nicht um einer tragischen Dialektik, nicht um eines<br />

metaphysischen Dualismus willen, sondern einfach, um seine Wirklichkeit äußerlich durchzusetzen -<br />

notwendig waren: Der Sinn der Kriege war die Verzehrung, nicht die Eroberung, und die Mexikaner glaubten,<br />

wenn sie aufhörten, würde auch die Sonne zu leuchten aufhören.“ (Bataille, Die Aufhebung der Ökonomie, S. 78)<br />

77 „Das Opfer gibt der heiligen Welt zurück, was der dienstbare Gebrauch degradiert, profaniert hat. Der dienstbare<br />

Gebrauch hat ein Ding (ein Objekt) aus dem gemacht, was sich mit dem Subjekt in einer Beziehung intimer<br />

Partizipation befindet.“ (Ebd., S. 86) Die Zerstörung sei, so Bataille, der effektivste Weg, die utilitaristische<br />

Beziehung zwischen Mensch und Tier oder Pflanze, aber auch zwischen Herr und Sklave aufzuheben und die<br />

intime Partizipation wieder herzustellen. Das Opferritual könne aber auch nur die symbolische Zerstörung des<br />

Nützlichkeitscharakters, das heißt ihre Konsumption in Festen und religiösen Zeremonien fordern.<br />

78 Ebd., S. 86.<br />

79 Vgl. dazu Marcel Mauss, Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>am</strong> <strong>Main</strong>: Suhrk<strong>am</strong>p, 1968 [Originalausgabe: Essai sur le don, 1950].<br />

80 Bergson, Schöpferische Entwicklung, S. 275.<br />

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