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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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gespeicherte Energie, also Pflanzen und andere Tiere suchen und sich einverleiben zu müssen) als das<br />

Resultat eines Mangels, der sich in der Vorform des Bewusstseins, des Instinktes äußere und dem<br />

Tier einen ihm gemäßen Betätigungskreis eröffne, es zum Handelnden mache. Daneben stellt Bergson<br />

die Entwicklung des menschlichen Bewusstsein, des Intellektes, der, und auch hier nimmt Bergson<br />

Gehlens Anthropologie des „Mängelwesens“ vorweg, aus der „Unzulänglichkeit seiner natürlichen<br />

Mittel“ 59 erwächst und in die Fähigkeit mündet, die potentiell unbeschränkte Indeterminiertheit der<br />

möglichen Handlungen reflektierend zu durchmessen und zu wählen. 60 Auf die Umformung der<br />

Materie zu selbstgesetzten Zwecken drängen, so Bergson, zwangsläufig die Kräfte des Intellekts.<br />

Doch d<strong>am</strong>it weist er dem Intellekt die leblose Materie als seinen primären Gegenstand zu, „weshalb<br />

sich dieser noch heute unwandelbar so verhält, als sei er fasziniert vom Anschauen der leblosen<br />

Materie. Er ist das nach außen blickende, sich außerhalb seiner selbst stellende Leben [...]. Wie er<br />

es auch anfange, er löst das Organische in Anorganisches auf.“ 61<br />

Bergson fasst seine Anschauung über das menschliche Denken schließlich wie folgt zus<strong>am</strong>men: der<br />

Mechanismus, der diese Verwandlung von Leben in Lebloses, von Dauer in Momente, von<br />

Bewegung in Punkte kennzeichnet, „der Mechanismus unseres gewöhnlichen Denkens ist<br />

kinematographischen Wesens“. 62 Indem das Bewusstsein von der es umgebenden, der<br />

vorübergleitenden Realität nur Momentbilder aufnehme und sie „längs eines abstrakten,<br />

gleichförmigen, unsichtbaren [...] Werdens “ 63 aufreihe, adaptiert es die Welt seinen Möglichkeiten,<br />

Handlungen vorzubereiten und zu koordinieren. 64<br />

Lebenszus<strong>am</strong>menhang bewahrende Art des Verhaltens neben der intellektuellen.“ (Simmel, „Henri Bergson“, S.<br />

141)<br />

59 Bergson, Schöpferische Entwicklung, S. 147.<br />

60 „Instinkt also ist angeborene Erkenntnis einer Sache. Intellekt dagegen ist die Fähigkeit, anorganische, d.h.<br />

künstliche Werkzeuge zu verfertigen. Und wenn mit ihm die Natur darauf verzichtet hat, das Lebewesen mit dem<br />

gemäßen Werkzeug auszurüsten, so nur deshalb, d<strong>am</strong>it dies Lebewesen seine Verfertigungen je nach den<br />

Umständen zu wandeln vermöge; derart, daß also die wesentliche Funktion des Intellekts darin besteht, in jeder<br />

beliebigen Lage die Mittel ausfindig zu machen, um sich aus der Verlegenheit zu ziehen.“ (Ebd., S. 155)<br />

61 Ebd., S. 166.<br />

62 Ebd., S. 309.<br />

63 Ebd.<br />

64 Gilles Deleuze hat darauf verwiesen, dass Bergson den tatsächlichen Möglichkeiten des Kinos 1896 in Materie<br />

und Gedächtnis - ohne es zu wissen - schon näher gekommen war. „Die Entwicklung des Films, die Eroberung<br />

seiner Wesenseigentümlichkeit oder Neuartigkeit, setzt mit der Montage, der beweglichen K<strong>am</strong>era und der<br />

Trennung von Aufnahme und Projektion ein. [...] die Schnittebene ist nicht mehr unbeweglich, wird beweglicher<br />

Schnitt. Der Film wird sich exakt im Bewegungsbild aus dem ersten Kapitel von Matière et mémoire<br />

wiederfinden.“ (Deleuze, Das Bewegungs-Bild. Kino 1, S. 16)<br />

Bergson hatte in Materie und Gedächtnis die uns umgebenden Bilder (das heißt: die uns umgebende Realität) als<br />

Korrespondenz möglicher eigener Bewegung gedeutet. „Es wird sich also für uns alles so vollziehen, als ob wir<br />

das Licht, das von den Oberflächen ausgeht, auf sie zurückwürfen, ein Licht, das niemals sichtbar geworden wäre,<br />

wenn es sich ungestört fortgepflanzt hätte. Die uns umgebenden Bilder scheinen nun unserem Körper jene Seite,<br />

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