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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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zerfällt so in Materie, d.h. Form, und in die Sphäre eines diese Form durchströmenden „unteilbaren<br />

Impulses“ 50 , des „Elan Vital“. Während Simmel die Formen als Emanationen des dem Leben<br />

innewohnenden Gesetzes begreift, als Äußerungen, sieht Bergson dualistisch die Materie als<br />

Äußerlichkeit, als leere Stofflichkeit, durch die die Energie des Lebensstromes, sich zugleich<br />

sympathetisch anschmiegend und sich Bahn brechend, hindurchfließt. „So entstehen ohne Unterlaß<br />

Seelen, die indes in gewissem Sinn präexistieren. Sie sind nur die Rinnsale, in die sich der große, den<br />

Körper der Menschheit durchflutende Lebensstrom teilt. Die Bewegung eines Stromes aber ist von<br />

dem Boden geschieden, der er durchfließt, wenn gleich er dessen Krümmungen mit Notwendigkeit<br />

annimmt.“ 51 Das Bewußtsein bleibt für Bergson von der Materie, vom Organismus streng<br />

geschieden, „es ist die Freiheit selber“ 52 und, obwohl gebunden an die Notwendigkeit, nur der den<br />

Intellekt überschreitenden Intuition unmittelbar zugänglich, in den Momenten einer blitzartigen<br />

„Sichtbarwerdung eines einzigen, der Bewegung der Materie entgegengesetzten, und in sich<br />

unteilbaren Impulses“ 53 , der selbst die größten Widerstände überwinden könne - „vielleicht selbst<br />

den Tod“. 54<br />

Bergson interpretiert den Entwicklungsprozess des Lebens in einer grandios synthetisierenden Sicht<br />

als Differenzierungsprozess unterschiedlicher Existenzweisen, die jeweils nach immer<br />

vollkommeneren Formen streben, als „Reservoir der Indeterminiertheit“ 55 , aus dem immer freiere<br />

Formen der Aktivität hervorgingen. Bergsons Reihe beginnt mit der „pflanzlichen Dumpfheit“ 56 , die<br />

aus dem Vermögen resultiere, „organische Materie unmittelbar aus mineralischen - der Atmosphäre,<br />

dem Wasser, der Erde entnommenen - Stoffen zu schaffen“ 57 , sich also einem Automatismus der<br />

Existenz vor jedem Bewusstsein verdankt. Von dieser vollkommenen Bewusstlosigkeit führen, wie<br />

er schreibt „zwei divergierende Straßen [...], deren eine zum Instinkt, die andere zum Intellekt<br />

führt.“ 58 So beschreibt er die tierische Beweglichkeit (die gerade aus der Not resultiere, schon<br />

Beispiel bewiesen, das man allgemein gerade für <strong>am</strong> ungeeignetsten halten wird, und es ergäbe sich die<br />

Notwendigkeit, den Geist zu einer selbständigen Realität zu erheben.“ (Bergson, Materie und Gedächtnis, S. 62)<br />

50<br />

Bergson, Schöpferische Entwicklung, S. 275.<br />

51<br />

Ebd., S. 273.<br />

52<br />

Ebd., S. 274.<br />

53<br />

Ebd., S. 274f.<br />

54<br />

Ebd. S. 275.<br />

55<br />

Ebd., S. 131.<br />

56<br />

Ebd., S. 139.<br />

57<br />

Ebd., S. 113.<br />

58<br />

Ebd., S. 139. „Es gehört zu Bergsons originellsten Gedanken, daß der Instinkt nicht eine Vorstufe ist, aus der<br />

sich der Intellekt entwickelt, ebensowenig auch eine Nachfrucht des Intellekts, eine unbewußt gewordene<br />

Aufhäufung einzelner Erfahrungen der Gattung; sondern eine ursprüngliche, den eigentlichen<br />

57

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