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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Dem Zus<strong>am</strong>menhang von „Geldwirtschaft [...] und Verstandesherrschaft“ und die ihnen gemeins<strong>am</strong>e<br />

„reine Sachlichkeit in der Behandlung von Menschen und Dingen“ 34 hatte Simmel auch in der<br />

konkreten Alltagswelt der Großstädte nachgespürt. Er hatte dabei die Verwandlung des<br />

menschlichen K<strong>am</strong>pfes mit der Natur in die Auseinandersetzung des Menschen mit den<br />

übermächtigen Ansprüchen der „Gesellschaft, des geschichtlich Ererbten, der äußerlichen Kultur und<br />

Technik“ 35 im Zeichen der Moderne im Blick. In relativ kurzer Zeit hatten die Folgen der<br />

Industrialisierung insbesondere in den Großstädten die Lebenswelt radikal verändert. Neben der<br />

Erfahrung der Arbeitsteilung und der Unterwerfung der Arbeiter unter den Rhythmus und die<br />

Geschwindigkeit der Maschinen so wie der Vernetzung der Individuen und Haushalte in den<br />

großstädtischen Abhängigkeitverhältnissen, wie sie durch Gas-, Wasser- und Stromversorgung<br />

geschaffen waren, die bis in die Privatsphäre hinein das Alltagsleben veränderte, waren es vor allem<br />

die ebenfalls mit der Geschwindigkeit neuer Verkehrsmittel und deren alltäglicher Benutzung<br />

verbundenen neuartigen Wahrnehmungserlebnisse, die symbolisch für den ges<strong>am</strong>ten Epochenwandel<br />

standen. 36 Auch Georg Simmel verstand den Schock der radikal veränderten Alltagswelt in erster<br />

Linie als einen Schock der Wahrnehmung. „Die psychologische Grundlage, auf der der Typus<br />

großstädtischer Individualitäten sich erhebt, ist die Steigerung des Nervenlebens, die aus dem<br />

raschen und ununterbrochenen Wechsel äußerer und innerer Eindrücke hervorgeht. [...] die rasche<br />

Zus<strong>am</strong>mendrängung wechselnder Bilder, der schroffe Abstand innerhalb dessen, was man mit einem<br />

Blick umfasst [...].“ 37 Die so gekennzeichnete Ekstase der Wahrnehmung wird bald zur Grundlage<br />

für erste Versuche werden, dem neuen Medium, das die wechselnden Bilder zu organisieren<br />

versucht, eine grundlegende Deutung zu geben, im positiven wie im negativen Sinne. Doch anders als<br />

Henri Bergson äußert sich Georg Simmel zum Kino nicht.<br />

Statt dessen untersucht er die Formen der Abwehr, mittels derer der Großstädter der von Simmel<br />

konstatierten Reizüberflutung zu begegnen sucht. Als „Schutzorgan gegen die Entwurzelung“ 38 diene<br />

34<br />

Georg Simmel, „Die Großstädte und das Geistesleben“ [1903], in: ders., Das Individuum und die Freiheit. Berlin:<br />

Klaus Wagenbach, 1984 [1957], S. 193.<br />

35<br />

Ebd., S. 192.<br />

36<br />

Vgl. dazu nur exemplarisch das Buch von Wolfgang Schivelbusch, Geschichte der Eisenbahnreise. Zur<br />

Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert. <strong>Frankfurt</strong> <strong>am</strong> <strong>Main</strong>/Berlin/Wien: Ullstein, 1979.<br />

37<br />

Simmel, „Die Großstädte und das Geistesleben“, S. 192. Zur Großstadt als Wahrnehmungsraum der Moderne<br />

vgl. Eckhardt Köhn, Straßenrausch. Flanerie und kleine Form. Versuch zur Literaturgeschichte des Flaneurs<br />

bis 1933. Berlin: Das Arsenal, 1989. „Es ist nicht übertrieben, davon zu sprechen, daß Simmels Denken einem<br />

zweiten Anfang der Großstadtdarstellung in der Literatur der Moderne theoretisch den Boden bereitet hat.“ (S.<br />

133)<br />

38<br />

Simmel, „Die Großstädte und das Geistesleben“, S. 193.<br />

55

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