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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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philosophischen, ethnographischen und psychoanalytischen Deutungen in besonderer Weise<br />

aufeinander Bezug nehmen, scheint daher unerlässlich zu sein, um sich Balázs’ Poetik des Kinos<br />

anzunähern. Anhand von Texten von Vladimir Propp, Max Lüthi, Claude Levi-Strauss, Mircea<br />

Eliade, Walter Benj<strong>am</strong>in u.a. werden unterschiedliche Modelle der Märcheninterpretation auf Motive<br />

von Balázs’ Poetik und Kinoästhetik bezogen.<br />

Biographische Rekonstruktion hingegen bedeutet in diesem Fall nicht nur die poetologische Erhellung<br />

eines Hintergrunds ästhetischer Produktion. In Balázs’ Biographie verbindet sich - ob als Experiment<br />

der Suche nach einem „wirklichen Leben“ oder als fortwährende Reflexion - prekäres<br />

Vorwegnehmen und empathisches Nachleben der Ideen, und nicht zuletzt: rechtfertigende<br />

Stilisierung. Diesen Knoten aufzulösen, seine Fäden zu identifizieren und an ihnen entlang die<br />

verschiedenen Möglichkeiten von Balázs’ literarischer Existenz zu verfolgen, stellt die erste<br />

Herausforderung an diesen Text.<br />

Balázs’ Schreiben nimmt seinen Ausgang an der Krisenerfahrung der Intellektuellen an der Schwelle<br />

des Jahrhunderts. Das Leiden an der Entfremdung motiviert Balázs’ unermüdliche Suche nach einem<br />

Ausdrucksmedium, eine Suche, deren Experimentierwut zugleich in romantischem Anti-Rationalismus<br />

schwelgt und sich in unterschiedlichen Medien, Gattungen und Genres erprobt. Balázs schreibt<br />

Dr<strong>am</strong>en und Mysterienspiele, Gedichte, Märchen und Romane, Novellen und Feuilletons,<br />

Opernlibretti und Ballette, Schatten- und Puppenspiele, Kinderbücher und schließlich auch<br />

Drehbücher für den Film. „Der Film, in seiner Eigenschaft als gesellschaftliche Kunst“, so schreibt<br />

Massimo Locatelli, „also irgendwie aus den Wünschen des Publikums und nicht denen des<br />

Schöpfers entspringend, sollte die Möglichkeit einer unmittelbaren Einheit der beiden - Zuschauer<br />

und Künstler - bieten und deswegen auch eine unmittelbare Kommunikation zwischen den beiden<br />

betroffenen gesellschaftlichen Parteien: Volk und Intellektuellen. Im Film bot sich also eine Lösung<br />

des romantischen Mythos einer Kommunikation mit dem Anderen durch das Kunstwerk.“ 2<br />

Die Rastlosigkeit dieser Suche verrät eine tiefsitzende Verunsicherung: über die Beziehungen<br />

zwischen den Menschen (als soziale Verdinglichung von Herrschaft empfunden) und zwischen den<br />

Menschen und Gott (Profanisierung), zwischen den Menschen und ihren Körpern (Versachlichung)<br />

2 Massimo Locatelli, Bela Balázs. Die Physiognomik des Films. [Beiträge zur Film- und Fernsehwissenschaft,<br />

Band 54, 40. Jahrgang]. Berlin: Vistas, 1999, S. 77f.<br />

III

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