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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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III.<br />

Das Leben und die Dinge<br />

3.1 „Das Leben vom Leben begriffen“<br />

Simmel und Bergson: Philosophien des Lebens und des Todes<br />

„Martha: ‘[...] Aber ich bin trotzdem sehr froh darüber, dass du kein Gelehrter bist, nur ein Dichter.’<br />

Michael (lächelnd): ‘Warum?’<br />

Martha: Weil all dies doch so spielerisch gesagt wurde, und wenn du ein Gelehrter wärst, glaube ich,<br />

würde jeder es für eine Dummheit halten. Da es aber ein Dichter gesagt hat, kann es sein, dass es<br />

auch die Gelehrten ernst nehmen werden.’“ 1<br />

Balázs’ theoretische und essayistische Texte sind Rätsel eines Künstlers, der wissen möchte, was ein<br />

Künstler ist, der danach fragt, welche Ursprungserlebnisse künstlerische Formen bedingen, und der<br />

nach Ausdrucksformen sucht, jenseits aller Grenzen der Genres und Gattungen. Später einmal, als<br />

Emigrant in Wien, wird Balázs in einem möglicherweise an Sigmund Freud gerichteten Briefentwurf<br />

die Geburt eines Werkes als sexuell erregte Halluzination, als phantastische Begegnung mit etwas<br />

immer schon Dagewesenem, mit einer Astralgestalt, schildern. 2<br />

Balázs bleibt ein Dilettant der Philosophie und der Ästhetik, der keinerlei Hemmungen hat, seine<br />

Bilder in Theorie und seine Theorien in Bilder zu kleiden. Seine Lektüre nähert sich den in der<br />

Todesästhetik vorgestellten Fragen nicht systematisch, sondern sprunghaft und assoziativ: Wilhelm<br />

Wundts Völkerpsychologie und die darin enthaltene Märchentheorie, Otto Weiningers Geschlecht<br />

und Charakter, seine Aphorismen und ekstatischen Geistesblitze, Oscar Wildes Bunbury und<br />

Bernhard Shaws Mensch und Übermensch, Gustav Freytags Technik des Dr<strong>am</strong>as, Nietzsche,<br />

Schopenhauer und Kierkegaard, und immer wieder die Dr<strong>am</strong>en Friedrich Hebbels.<br />

1<br />

Béla Balázs, Dialógus a dialógusról [Dialog über den Dialog]. Budapest: Athenaeum, 1913, S. 51f. [zitiert nach<br />

einer Übersetzung von Magdalena Ochsenfeld].<br />

2<br />

Balázs an „S. geehrter Hr. Dr.“, Manuskript eines Briefentwurfes, vermutlich Wien Anfang der zwanziger Jahre,<br />

in: Balázs -Nachlass, MTA, Ms 5014/74. Joseph Zsuffa hat die Eingangsfrage des Textes „Wie kommt der Dichter<br />

zur Konception seines Werkes und welcher Art ist der Vorgang aus dem die ‘Idee’ geboren wird“ als Paraphrase<br />

des Beginns von Sigmund Freuds Aufsatz „Der Dichter und das Phantasieren“ (zuerst erschienen 1908 in der<br />

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