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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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wird zum König von Ungarn gekrönt und d<strong>am</strong>it die Doppelmonarchie installiert. Ein Jahr darauf wird<br />

ein Nationalitätengesetz verabschiedet, dass auch den nicht-ungarischen Nationalitäten innerhalb des<br />

ungarischen Königreiches Rechte einräumen soll, dessen Anwendung umstritten bleibt. Die<br />

Nationalitätenfrage bleibt jedoch bis zum Weltkrieg ungelöst. 1910 geben bei der Volkszählung 45,9<br />

% der insges<strong>am</strong>t ca. 20 Millionen Menschen umfassenden Bevölkerung Ungarns nicht die ungarische<br />

als ihre Muttersprache an 103 , dabei bekannte sich die jüdische Bevölkerung Ungarns fast vollständig<br />

zur ungarischen Nationalität. Dennoch vertraten im ungarischen Parl<strong>am</strong>ent selbst nach den Wahlen<br />

1910 nur 20 von 393 Abgeordneten die nicht-ungarischen Nationalitäten. Auch Angehörige der<br />

nicht-ungarischen Nationalitäten gaben freilich ihre Stimme oft den ungarischen Kandidaten. Oskar<br />

Jászi 104 , einer der führenden intellektuellen Köpfe der bürgerlichen Radikalen, die lange Zeit<br />

außerhalb des Parl<strong>am</strong>entes operierten, argumentierte bis zum Krieg vehement für eine Stärkung der<br />

Nationalitätenrechte, vor allem aber für die Bewahrung und Demokratisierung eines multiethnischen<br />

Groß-Ungarns und d<strong>am</strong>it gegen eine Föderalisierung auf ethnisch-territorialer Grundlage, die er als<br />

einer demokratischen Entwicklung abträglich empfand. 105 Zugleich benutzten die „herrschenden<br />

Klassen“ die „ihnen wohlbekannte Nationalitätenfrage [...] als Waffe [...], um die Demokratisierung<br />

des Landes zu hintertreiben“. 106 Nicht nur die monarchistischen Eliten, auch die kritischen<br />

Intellektuellen empfanden die Nationalitätenfrage als Zwickmühle. „Die Ungarn stehen vor einem<br />

fürchterlichen Dilemma: Jede staatliche und gesellschaftliche Reform, die zu ihrer Erhaltung nötig<br />

wäre, würde zugleich ihren Zerfall verhängnisvoll beschleunigen.“ 107<br />

Die Doppelmonarchie bringt unterdessen eine Welle kapitalistischer industrieller Entwicklung über<br />

das Land. Die Städte Pest, Buda und Óbuda wachsen in dieser Zeit zu einer Metropole zus<strong>am</strong>men,<br />

die mit den Hauptstädten Europas zu konkurrieren versucht, während soziale und politische<br />

Press, 1967. Zur Geschichte der aufstrebenden assimilierten Juden in den ungarischen Eliten siehe McCagg Jr.,<br />

Jewish Nobles.<br />

103 Siehe Horváth, Die Jahrhundertwende in Ungarn, S. 434. Neben „ethnischen“ Ungarn lebten im ungarischen<br />

Staatsgebiet nach den Daten der Volkszählung von 1910 mindestens 9 Millionen Rumänen, Deutsche, Slowaken,<br />

Ruthenen, Serben und Kroaten. Das ungarische Staatsgebiet umfasste zu dieser Zeit große Teile des heutigen<br />

Rumäniens (Banat, Siebenbürgen etc.), von Jugoslawien, Kroatien und der Slowakei.<br />

104 Oskar Jászi (1875-1957), Publizist, Rechtsgelehrter und Soziologe, Mitbegründer der Zeitschrift Huszadik<br />

Század [20. Jahrhundert] und der Soziologischen Gesellschaft. 1912 veröffentlichte er sein Buch A nemzeti<br />

áll<strong>am</strong>ok kialakulása és a nemzetiségi kérdés [Die Entstehung der Nationalstaaten und das<br />

Nationalitätenproblem]. Budapest: Társadalomtudományi Könyvtár, 1912.<br />

105 Stattdessen sah er sein Ziel darin, „aus der einsprachigen Klassenherrschaft eine vielsprachige Demokratie<br />

zustande zu bringen unter dem Schutz des ungarischen Staates und der friedlichen Hegemonie des kultivierten<br />

Ungartums...“. Zitiert nach Horváth, Die Jahrhundertwende in Ungarn, S. 449.<br />

106 Horváth, Die Jahrhundertwende in Ungarn, S. 436.<br />

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