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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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literarische Zeitschrift dieser Jahre, die <strong>am</strong> 1.1.1908 von Ignotus (d.i. Hugo Veigelsberg) 84 und „drei<br />

anderen jüdischen Literaten“ 85 , wie Gyula Hellenbart nicht ohne Tendenz hervorhebt, begründet<br />

wurde und mehr als dreißig Jahre lang erschien. Balázs und Lukács gehörten vom ersten Heft an<br />

immer wieder zu den Autoren des Nyugat, der sich nicht nur als „liberales S<strong>am</strong>melbecken“ 86<br />

verstand, sondern als „literarische Bewegung“ 87 der „Wahrhaftigkeit“ 88 , der „Revolutionierung der<br />

ungarischen Kultur“. 89 Um den Nyugat scharten sich in kurzer Zeit die unterschiedlichsten Autoren,<br />

von Endre Ady bis Mihály Babits, von Zsigmund Móricz bis Frigyes Karinthy. Balázs und Lukács<br />

nutzten den Nyugat zwar als Forum für ihre literaturästhetischen Versuche, gingen innerlich aber<br />

schon bald auf Distanz zur „l’art pour l’art-Haltung“, die sie Ignotus vorwarfen. In der Tat lautete<br />

dessen vielzitierte Devise: „Es ist egal, was der Schriftsteller schreibt, wenn er gut schreibt“, oder,<br />

wie Lajos Hatvany es 1910 formulierte: „Jeder Schriftsteller kann bei uns auftreten, auch wenn er uns<br />

bekämpft - mit Talent... Nyugat ist nur die Arena, wo der K<strong>am</strong>pf ausgetragen wird.“ 90<br />

Für Gyula Hellenbart repräsentieren „Ady und Babits [...] grundverschiedene Denkhaltungen“ 91 , ein<br />

Gegensatz, an dem Hellenbart freilich seine eigene These über die fatale Ergebenheit östlicher<br />

Intellektueller gegenüber „dem Westen“ zu belegen sucht. 92 Babits, neben Ady der bedeutendste<br />

84<br />

Ignotus [d.i. Hugo Veigelsberg] (1869-1949), Dichter, Kritiker und Publizist, Mitbegründer und Chefredakteur<br />

der Zeitschrift Nyugat.<br />

85<br />

Hellenbart, König Midas, S. 41. Hellenbart betont hier auch die Mehrdeutigkeit des Wortes „Nyugat“.<br />

86<br />

Hellenbart, König Midas, S. 41.<br />

87<br />

Horváth, Die Jahrhundertwende in Ungarn, S. 386.<br />

88<br />

Ebd., S. 387.<br />

89<br />

Vgl. Willi<strong>am</strong> O. McCagg Jr., Jewish Nobles and Genuises in Modern Hungary [= East European Quarterly,<br />

Boulder]. New York: Columbia University Press, 1972, S. 71: „Proudly and consciously it assumed the mission of<br />

‘revolutionizing’ Hungarian culture.“<br />

90<br />

Nyugat, Bd. 2, S. 1132ff, zitiert nach Horváth, Die Jahrhundertwende in Ungarn, S. 387.<br />

Lajos Hatvany (1880-1961) war eine schillernde Persönlichkeit. 1880 als Sohn eines jüdischen „Weizen- und<br />

Zuckerbarons“ geboren, gehörte der Literaturwissenschaftler, Schriftsteller und Kritiker zu den Gründern des<br />

Nyugat, vor allem als dessen entscheidender Finanzier. 1910 deutete er an, sich vom Nyugat finanziell<br />

zurückziehen zu wollen, um die jungen Literaten zu mehr Selbständigkeit zu „ermuntern“. Eine heftige<br />

Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Autoren war die Folge. Hatvany ging nach Berlin und propagierte<br />

dort mit einer neuen Zeitschrift junge ungarische Schriftsteller. 1917 kehrte er nach Budapest zurück und gründete<br />

eine Tageszeitung. Vgl. McCagg, Jewish Nobles, S. 71.<br />

91<br />

Hellenbart, König Midas, S. 90.<br />

92<br />

In seinem Buch unternimmt Hellenbart den Versuch, <strong>am</strong> Beispiel Lukács’ das Verhältnis der ungarischen<br />

Intellektuellen zum Westen und zur „eigenen Kultur“ auszuloten. Fasziniert von den westlichen Vorbildern sei in<br />

Osteuropa den „Eliten dieser Regionen ihr eigenes, selbständiges Denken blockiert“ (S. 16). Auch Hellenbart<br />

vermag freilich nicht zu sagen, worin die von ihm eingeklagte „Authentizität“ ungarischer Kultur im Gegensatz<br />

zum Westen, zu „Verstädterung, Industrialisierung, Demokratisierung“ (S. 17), aber auch zum „westlichen“ Ideal<br />

einer autonomen Kunst eigentlich bestehen solle.<br />

So behält die von ihm konstruierte Polarität einerseits chimärenhafte Züge, erweist sich zugleich aber selbst als<br />

Teil des von ihm geahnten Problems. Wo liegt dieser „Westen“? In Deutschland, das für die von Hellenbart<br />

angeprangerten „europa-orientierten“ Intellektuellen eine solche Bedeutung besitzt, selbst aber zur gleichen Zeit<br />

kulturell zutiefst anti-westliche Ressentiments entwickelt, die Hellenbart selbst erwähnt? In der griechischen<br />

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