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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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einem Unbekannten“ 71 sei von ganz besonderer Art, nämlich gepaart mit einem grenzenlosen<br />

„Vertrauen zu allem und jedem“ 72 , ein Eins<strong>am</strong>keitsgefühl, das zugleich „hinter der fremden Maske“ 73<br />

jedes Unbekannten ein bekanntes Gesicht vermutete. „Ich war innerlich eins<strong>am</strong>, aber nie<br />

verlassen“ 74 , wartend auf Offenbarung. Balázs kann die Urszene dieser <strong>am</strong>bivalenten Symbolisierung<br />

des in die Welt Geworfenseins, des nirgends heimisch, aber überall zu Hause zu sein, nicht<br />

aufdecken. Sie liegt vor jeder Erinnerung, wie ein „Nebel“ 75 , der zugleich bis weit in spätere Zeiten<br />

hineinreicht.<br />

Die Struktur aber, die er dieser unbekannten, vielleicht gar nicht vorhandenen, aber seiner<br />

Wahrnehmung Perspektive verleihenden Szene unterlegt, die Bilder, die er als ihre Emanationen<br />

deutet, die Szenen, die er um diesen gedachten Mittelpunkt gruppiert, werden für Balázs selbst zu<br />

einem ästhetischen Progr<strong>am</strong>m.<br />

Balázs durchstreift die Wälder und Berge um Löcse, allein und mit Freunden, erlebt auf Berggipfeln<br />

das Gefühl „einer kosmischen Situation“, macht sich mit Fackeln auf, das Innere von Tropfstein- und<br />

Eishöhlen zu entdecken, durchlebt Abenteuer und Initiationsrituale, Zustände zwischen Leben und<br />

Tod, organischem Leben und Animismus, zwischen Physiognomien und Masken.<br />

Die Jugend eines Träumers endet mit Balázs’ Matura und seinem Weggang von Szeged 1902,<br />

seiner Aufnahme <strong>am</strong> Eötvös-Kolleg in Budapest und dem Beginn des Studiums. Die Jahre davor<br />

beschreibt Balázs auch in seinem Tagebuch, dessen Eintragungen vermutlich schon 1897 beginnen,<br />

das aber erst vom Januar 1899 an erhalten ist. In diese Zeit fällt auch Balázs’ Begegnung mit Eszter<br />

Löw, der Tochter des Rabbiners von Szeged, Immanuel Löw. 76 Die schwärmerische Liebe zu der<br />

jungen Geigerin, die Balázs’ Gefühle nicht ernst zu nehmen vermag, wird ihn noch viele Jahre<br />

beschäftigen. 77<br />

Balázs schildert die Verhältnisse in Szeged, die Bourgeoisie und auch die bäuerliche Welt der<br />

ungarischen Tiefebene, von der er sich angezogen fühlt. In der Jugend eines Träumers schildert er<br />

mit politischer Romantik den K<strong>am</strong>pf der Bauern gegen die Herren. Das Tagebuch zeugt eher von der<br />

70<br />

Balázs, Jugend eines Träumers, S. 37.<br />

71<br />

Ebd., S. 38<br />

72<br />

Ebd.<br />

73<br />

Ebd.<br />

74<br />

Ebd., S. 39<br />

75<br />

Ebd.<br />

76<br />

In der Jugend eines Träumers ist aus Eszter, der Rabbinerstochter, die Arzttochter Agathe geworden.<br />

77<br />

Am 8.11.1906, gerade in Berlin angekommen, erfährt er von ihrer Verlobung. „Ich habe sie beweint, obwohl ich<br />

nicht verliebt bin.“ (Balázs, Napló 1903-1914, S. 357) Das Tagebuch erwähnt „Eszti“ noch bis in die Kriegsjahre.<br />

36

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