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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Rekonstruktion ist nicht so sehr eine Semiotik des Films als eine rezeptionstheoretisch verankerte<br />

Ästhetik des Kino - und der sich für Béla Balázs darin verkörpernden Utopie einer neuen Identität<br />

von Kultur und Ritual, von Ausdruck und Erleben.<br />

Ausgehend von Balázs’ frühen, noch unmittelbar von der Lebensphilosophie geprägten<br />

Todesästhetik von 1907 und der dort schon folgenreich geprägten Bezugnahme jeder Ästhetik auf<br />

das Durchleben einer Grenzsituation zwischen Leben und Tod, macht diese Arbeit den Versuch,<br />

Balázs’ Schriften, seine Tagebücher und Romane, seine Dr<strong>am</strong>en und Mysterien, seine Briefe und<br />

Essays auf die „symbolische Szene“ der Initiation „anzusprechen“. Sie steht im Zentrum der<br />

angestrebten Radikalisierung der von ihm kritisch vorgefundenen Filmproduktion zu einer „neuen<br />

visuellen Kultur“ der Verschmelzung auf Distanz, die seine Kino-Theorie bestimmen wird.<br />

Dabei erhält ein in Bezug auf den Film bislang zwar oft erwähntes, aber kaum grundlegend<br />

thematisiertes Genre traditionellen Erzählens ein besonderes Gewicht: die Tradition des Märchens.<br />

Eine Auseinandersetzung mit der Geschichte und der Theorie des Märchens, in der die genannten<br />

philosophischen, ethnographischen und psychoanalytischen Deutungen in besonderer Weise<br />

aufeinander Bezug nehmen, ist daher unerlässlich, um sich Balázs’ Poetik des Kinos anzunähern.<br />

Anhand von Texten von Vladimir Propp, Max Lüthi, Claude Levi-Strauss, Mircea Eliade, Walter<br />

Benj<strong>am</strong>in u.a. werden unterschiedliche Modelle der Märcheninterpretation auf Motive von Balázs’<br />

Poetik und Kinoästhetik bezogen.<br />

Balázs’ Wendung zum Film, für die er sein Interesse an Märchen, Dr<strong>am</strong>en und Prosa freilich nie<br />

aufgab, wird als Versuch gelesen, im Kontext der modernen, technisierten Massengesellschaft ein<br />

dem Märchen entsprechendes populäres Medium zu etablieren, das Entfremdung in einem<br />

Initiationsakt rituell und kontrolliert aufzuheben vermag - um den Preis freilich, die reale Erfüllung der<br />

Sehnsucht gegen einen Akt visueller Vereinigung mit dem Erträumten einzutauschen.<br />

Die Rastlosigkeit dieser Suche nach Verschmelzung verrät eine tiefsitzende Verunsicherung: über die<br />

Beziehungen zwischen den Menschen (als soziale Verdinglichung von Herrschaft empfunden) und<br />

zwischen den Menschen und Gott (Profanisierung), zwischen den Menschen und ihren Körpern<br />

(Versachlichung) und zwischen den Menschen und den Dingen (Entzauberung), schließlich auch über<br />

die Entfremdung zwischen dem Künstler und den Massen (dem Ästhetizismus eines überall<br />

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