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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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des Lichtes und d<strong>am</strong>it auch der Illusion der Schatten nachzugehen, stand für Platon für die<br />

Weigerung sich mit der Wahrheit zu konfrontieren. „Platon, der auf Sokrates’ Tod anspielt, hält es<br />

für unmöglich, daß die Rede des Weisen, der in die Höhle mit der Nachricht von der Wahrheit des<br />

Sonnenlichts zurückgekehrt ist, die Disposition der in Unwahrheit Lebenden ändern kann, eher<br />

würden sie ihn (Sokrates) töten, als ihre Fesseln ablegen.“ 50 Den Zurückkehrenden, so schreibt<br />

Platon, würden sie auslachen, „er sei mit verdorbenen Augen von oben zurückgekommen“. 51 Und<br />

tatsächlich, der Schauende wäre geblendet von dem Licht der Sonne. 52<br />

Platon beschreibt dieses Schattenspiel sehr konkret als Projektion, in der „allerlei Gefäße ... und<br />

Bildsäulen und andere, steinerne und hölzerne Bilder“ vor der Lichtquelle, dem Höhleneingang<br />

vorbeigetragen werden und ihren Schatten auf die Höhlenwand werfen, der die Gefesselten<br />

zugewandt sind.<br />

Baudrys Deutung dieses Dispositivs und des Realitätseindrucks, den es erzeugt, verweist auf eine<br />

„Existenzweise des Menschen“ 53 , einen „Existenzzustand“ der „die erzwungene Unbeweglichkeit des<br />

Neugeborenen [bezeichnet], dem die motorischen Hilfsmittel fehlen, sowie die ebenfalls erzwungene<br />

Unbeweglichkeit des Schlafenden, der bekanntlich den nachgeburtlichen Zustand oder gar das<br />

intrauterine Leben wiederholt, aber es ist auch die Unbeweglichkeit, die der Besucher des dunklen<br />

Saales wiederfindet, der sich in seinen Sessel vergraben hat“. 54 So liest Baudry in Platons<br />

Höhlengleichnis den Ausdruck eines Wunsches, „der einer angestrebten, aktiven Wirkung innewohnt,<br />

die vom Kino gewollt und zum Ausdruck gebracht wird“. 55 Von dieser Verbindung von Film und<br />

Traumzustand, von Film und der Phantasie des Mutterleibs wird noch zu sprechen sein.<br />

Balázs schildert das Erlebnis der Schatten als eine kindliche Wunschphantasie <strong>am</strong> Rande des<br />

Schlafes, die ihn in seinen Bann zieht, auftauchend aus dem Dunkel, das zunächst noch sein Zimmer<br />

völlig umfängt, „das eigentlich Wirkliche hinter den lichten Bildern des Tages“. 56 Das Kind entdeckt<br />

50 Paech, Medien-Macht, S. 9.<br />

51 Zit. nach Baudry, „Das Dispositiv“, S. 1053.<br />

52 Karl Abrah<strong>am</strong> beschreibt die Ambivalenz von Schaulust und Lichtscheu in einer Studie „Über Einschränkungen<br />

und Umwandlungen der Schaulust bei den Psychoneurotikern nebst Bemerkungen über analoge Erscheinungen<br />

in der Völkerpsychologie“ [1914], in: ders., Psychoanalytische Studien Bd. 1. Hg. von Johannes Cremerius.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>am</strong> <strong>Main</strong>: S. Fischer, 1971, S. 324-351. Die phantasierte „Gefahr der Blendung“ (S. 327) verweist auf den<br />

Charakter der Sonne als ein „sublimiertes Vatersymbol“ (S. 327), im anderen Fall einer bisexuellen Bedeutung auch<br />

auf die Mutter, die man „nicht ansehen darf“ (S. 331).<br />

53 Baudry, „Das Dispositiv“, S. 1049.<br />

54 Ebd., S. 1053.<br />

55 Ebd., S. 1059.<br />

56 Balázs, Die Jugend eines Träumers, S. 30f.<br />

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