12.12.2012 Aufrufe

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

sollte ja noch schlafen; was ich sah, war nicht für mich bestimmt. Also war hier das Heimliche,<br />

Verborgene, das eigentlich Wirkliche hinter den lichten Bildern des Tages. Tisch, Schrank, Stühle<br />

hatten ihre Masken abgelegt und zeigten ihr eigentliches, dunkles Schattengesicht. Auch Marinka<br />

gehörte zu ihnen. [...] Und dann begann die große Schlacht an der Wand. Golden flackernd<br />

erschienen die ersten Lichtstreifen, sprangen kühn vor, vereinigten sich, drangen tief in die schwarze<br />

Masse des Schattenheers. [...] Nie konnte das Licht ganz siegen, aber auch das Dunkel nicht. Ich<br />

meinte, daß dort die Entscheidung fallen müsse, von der mein Schicksal abhing. Ich sah wirklich die<br />

Mächte der Finsternis mit den lichten Gewalten kämpfen - an meiner Zimmerwand.“ 43 Für Gaston<br />

Bachelard symbolisiert das Feuer, wie nichts anderes, die „beiden entgegengesetzten Werte“<br />

zugleich, „das Gute und das Böse.[...] Es ist das Feuer des Herdes und der Brand der<br />

Apokalypse.“ 44 Auch Bachelard verbindet diese Wahrnehmung mit Erinnerung an Wintermorgende<br />

in seiner Kindheit, in denen im Dunkeln das Herdfeuer brannte, und mit dem Wachtraum, der<br />

Träumerei. Bachelard findet in dieser Träumerei des Prometheus, im „Prometheuskomplex“ 45 , im<br />

Grübeln und Phantasieren vor dem Feuer den „Willen zur Intellektualität“ 46 , den Willen „zu wissen“. 47<br />

Untrennbar erscheint Bachelard die Beziehung zwischen dem Raub des Feuers, dem Wissen um die<br />

Geheimnisse der Natur und der Sexualität, als deren Symbol das Entzünden des Feuers durch<br />

Reibung quer durch alle Kulturen erscheint.<br />

Nicht von ungefähr erinnert Balázs’ Schattenspiel, das ihn als Kind so sehr beschäftigte, an Platons<br />

Höhlengleichnis aus der Politeia, das schon so häufig als Modell der Kinosituation diskutiert worden<br />

ist, von Edgar Morin 48 bis zu Jean-Louis Baudry in seinem Aufsatz über „das Dispositiv“ des<br />

Kinos. 49 Das Schattenspiel, dem die in der Höhle Gefangenen, zur Bewegungslosigkeit verurteilt,<br />

zusehen und das sie selbst dann der Realität vorziehen, wenn sie eine Chance erhalten, der Quelle<br />

43 Balázs, Die Jugend eines Träumers, S. 31.<br />

44 Gaston Bachelard, Psychoanalyse des Feuers. München/Wien: Hanser, 1985 [Originalausgabe: La<br />

psychanalyse du feu, 1949], S. 13.<br />

45 Ebd., S. 13ff.<br />

46 Ebd., S. 19.<br />

47 Ebd., S. 20. Es ist der Wunsch, „mehr zu wissen als unsere Väter. [...] Der Prometheuskomplex ist der<br />

Ödipuskomplex des intellektuellen Lebens.“ (Ebd.) Balázs hat später Lukács’ These vom Luziferismus der Kunst<br />

(der Kunst als Aufstand gegen Gott) entgegengehalten, die Kunst sei der Aufstand des Prometheus.<br />

48 Edgar Morin, Der Mensch und das Kino. Eine anthropologische Untersuchung. Stuttgart: Klett, 1959<br />

[Originalausgabe: Le cinéma ou l’homme imaginaire, 1956], S. 15f.<br />

49 Jean-Louis Baudry, „Das Dispositiv: Metapsychologische Betrachtungen des Realitätseindrucks“, in: Psyche,<br />

Jg. 48, H. 11 (1994), S. 1047-1074 (zuerst erschienen auf Französisch: „Le dispositif: approches<br />

métapsychologiques de l’impression de réalité“, 1975).Vgl dazu auch: Joachim Paech, Medien-Macht und<br />

interaktive Medien [Düsseldorfer Medienwissenschaftliche Vorträge, 12]. Bonn: ZV Zeitungs-Verlags Service,<br />

1997.<br />

32

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!