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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Als der Krieg zu Ende ist, gehen für Balázs auch 26 Jahre Exil zu Ende. Doch nicht nur seinen<br />

Aufenthalt im Paradies, auch die Rückkehr in seine Heimat hat er sich anders vorgestellt, als es k<strong>am</strong>.<br />

Béla Balázs hat seine Jugend eines Träumers erst 1946 vollenden können. 1945 war er mit großen<br />

Hoffnungen nach Budapest zurückgekehrt. Er schloss nicht nur das in der Sowjetunion begonnene<br />

Manuskript ab - er begann auch d<strong>am</strong>it, die weiteren Bände seiner Autobiographie zu planen.<br />

„Ekstase“ sollte der zweite Teil, die Jahre des Studiums in Budapest, Berlin und Paris, überschrieben<br />

sein.<br />

Als Ende 1946 Die Jugend eines Träumers herausk<strong>am</strong>, schrieb Aladár Komlós 75 - sein alter<br />

Bekannter, mit dem er 1920 in Wien im Kreis der Emigranten im Café Stöckl zus<strong>am</strong>mengesessen<br />

hatte und der 1945 zu den wenigen gehörte, die sich über Balázs’ Rückkehr offen und<br />

uneingeschränkt zu freuen schienen - Balázs sei mit diesem Buch wieder in die ihm eigene Welt der<br />

Geheimnisse zurückgekehrt, seiner Poesie, in der er „nur zwischen den Zeilen deutlich werden [ließ],<br />

was er sagen wollte - als ob er Angst gehabt hätte, dass die Gedanken ihre Frische verlieren, wenn<br />

er sie mit Gewalt festhalten will.“ 76 Komlós wusste, was von Balázs’ Versuchen zu halten war, eine<br />

Ideologie zu finden, die ihm doch nur falsche Sicherheit bot, und er fand dafür empathische Worte:<br />

„Die Emigration ist für einen Dichter immer gefährlich, aber sie ist doppelt gefährlich, wenn der<br />

Dichter dann in einer Welt lebt, deren Weltanschauung den ursprünglichen Veranlagungen des<br />

Dichters widerspricht [...] eine Weltanschauung [...], die keine Geheimnisse kennt.“ Für Balázs<br />

hingegen sei die Poesie ein „schaudernerweckendes tiefstes Erlebnis, das in ihm durch einen<br />

schlechten Satz, einen nichtssagenden Ausdruck, aber <strong>am</strong> ehesten durch ein nicht verstandenes Wort<br />

entsteht. Ein berauschendes Gefühl, in dem die ganze Welt zu schweben scheint.“ Balázs wird diese<br />

Nachempfindung seiner Fremdheit mit gemischten Gefühlen aufgenommen haben. Komlós’ hatte eine<br />

sicheres Gespür für das Ideologische in Balázs’ Schilderungen seiner letzten Jahre vor dem Abitur in<br />

Szeged, mit denen das Buch <strong>am</strong> Ende eine Brücke zum Volk, ja zur Revolution schlagen soll. „Ich<br />

glaube, diese Volkstümlichkeit, die Balázs für das erste Melden seines revolutionären Geistes hält, ist<br />

[...] eher ein unbewußter Snobismus eines pubertären jüdischen Dichters. Die Pointe in seiner<br />

Begeisterung für das Volk [...]: die Bauerburschen verprügeln das verdächtige Judenkind.“<br />

75 Aladár Komlós (1892-1980), Schriftsteller, Kritiker und Literaturhistoriker, gehörte dem Galilei-Kreis an, 1919<br />

nach Wien emigriert und 1921 zurückgekehrt, 1937 erneut Emigration in die Tschechoslowakei, überlebt den<br />

Holocaust und kehrt 1945 nach Budapest zurück, ab 1950 als Lehrer <strong>am</strong> Jüdischen Gymnasium in Budapest und ab<br />

1956 <strong>am</strong> Institut für Literaturwissenschaft.<br />

76 Aladár Komlós, „Balázs Béla önéletrajza“ [Béla Balázs’ Autobiographie], in: Haladás, Nr. 21, 1947 [zitiert nach<br />

einer Übersetzung von Peter Zalán].<br />

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