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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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und in den Zauberwesen der Märchen, so resümiert er, „ist die menschliche Wirklichkeit genau so zu<br />

sinnlicher Lebendigkeit gestaltet, wie in einem guten, realistischen Roman“. 62<br />

Das war nun alles andere als marxistisch argumentiert, aber vor dem Hintergrund des immer<br />

phantastischer werdenden Personenkults um Josef Stalin politisch durchaus brauchbar.<br />

Balázs’ Tagebuch endet <strong>am</strong> 1. Februar 1940. 63 Die Arbeit an der Jugend eines Träumers scheint,<br />

neben all den anderen Projekten - der gerade begonnenen Komödie „Himmlische und irdische<br />

Liebe“ 64 und der Aufführung seiner Stücke „Die Rückkehr“ und „Mozart“ sowie der geplanten<br />

Überarbeitung seines Einakters „Achtung Aufnahme“, seinen Gedichten und Aufsätzen - noch gut<br />

voran zu kommen. Im April 1940 ist in einem Brief Balázs’ an den Verlag Meschdunarodnaja Kniga<br />

schon davon die Rede, dass der Roman noch in diesem Jahr erscheinen soll, verbunden mit der Bitte<br />

(„jetzt wo ich den Aufbau des Buches schon klar vor mir sehe“), ihm 20 Druckbögen statt der<br />

geplanten 15 zu reservieren. 65 Balázs schreibt eine „Rechtfertigung“ seines Vorhabens, als müsse er<br />

sich für den Blick zurück entschuldigen.<br />

Möglicherweise sollte der Text d<strong>am</strong>als als Vorwort dienen: „Ich beginne die Niederschrift meiner<br />

Lebenserinnerungen im Winter 1940. In dem Jahr, in dem Zehnmillionen Flüchtlinge über die<br />

verwüsteten Felder Frankreichs irrten, dem erntelosen Jahr Westeuropas, dem Jahr der Krüppel,<br />

der Toten und der grossen Dividenden, dem Jahr der Massenemigration aus aller Welt in alle Welt.<br />

Tausende von Flugzeugen streuen Bomben aus den Wolken aller Himmelsstriche. Ich aber sitze auf<br />

der einzigen sicheren Insel, im glücklichen Lande des Sozialismus, und maße mir an, die<br />

Aufmerks<strong>am</strong>keit der Leser für die Erzählung eines Privatlebens zu erwerben.“ 66<br />

Doch Die Jugend eines Träumers ist in Moskau nicht mehr erschienen. Seine Komödie<br />

Himmlische und irdische Liebe und auch das Dr<strong>am</strong>a über den inneren Konflikt ungarischer<br />

Kämpfer in der Roten Armee während des russischen Bürgerkrieges, Die Rückkehr 67 , wurden in<br />

Moskau nicht mehr aufgeführt. 68 Nicht realisiert worden war 1938 schon Balázs’ Adaption von Willy<br />

62<br />

Ebd.<br />

63<br />

Noch zweimal, im Dezember 1941 in Alma Ata und kurz vor seiner Rückkehr nach Budapest 1945, wird Balázs<br />

versuchen, ein Tagebuch zu schreiben. Und es nach wenigen Seiten wieder aufgeben.<br />

64<br />

Nach dem schon in Berlin geschriebenen Filmexposé.<br />

65<br />

Balázs an den „Genossen Gittermann“, 9.4.1940. MTA, Ms 5021/99.<br />

66<br />

Béla Balázs, „Rechtfertigung“. MTA, Ms 5014/91.<br />

67<br />

Das Stück geht auf das Filmszenario „Die Internationalisten“ zurück, das Balázs 1936 für die Kiewer Filmfabrik<br />

geschrieben hatte und das niemals realisiert wurde.<br />

68<br />

Himmlische und irdische Liebe diente 1948 als Vo rlage für den DEFA-Film CHEMIE UND LIEBE.<br />

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