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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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fühllose und darum unethische Sittenstrenge und Pedanterie, ungeheures Wissen verbissener Fleiß<br />

überlegene Klugheit und kleine feige Eitelkeiten und kleinlichste Karrierenpolitik. Aber es sind<br />

wahrscheinlich die allerletzten Fragen, wo wir im selben Boden wurzeln und darum unsere<br />

Widersprüche doppelt heftig und unerbittlich fühlen.“ 57<br />

Noch einmal antwortet Balázs, Anfang Februar, und macht seiner Seele Luft: „Ich mag ein<br />

rettungslos idealistischer, wertloser Theoretiker und ein gänzlich verfahrener Schriftsteller sein. Aber<br />

immer nur mit meiner Feder, und hatte nie Fühlung mit literaturpolitischen Geheimbünden.“ Mit<br />

Sicherheit glaubt er in diesem Moment, was er sagt. „Es hat mich interessiert zu sehen, dass Du Dich<br />

auf Freud berufst. Jedoch ist es Dir ohne Zweifel bekannt, dass nach seinen Theorien nicht die<br />

hemmunglos sich auslebenden zynisch <strong>am</strong>oralischen, gewissenlosen Wollüstlinge es sind, die <strong>am</strong><br />

meisten unter Verdrängungen und ihren Folgen leiden. [...] So, dies wäre erledigt. Und jetzt werden<br />

wir beide an unsere Arbeit gehen. Herbert“ 58<br />

Es wird kein Zufall sein, so schreibt Joseph Zsuffa, dass Balázs 1940 die Nähe Vilj<strong>am</strong>-Vilmonts<br />

sucht, eines russischen Literaturästhetikers, der in der an Schärfe zunehmenden Debatte zu Lukács’<br />

und Lifschitz’ gefährlichsten Gegnern zählen wird. Vilj<strong>am</strong>-Vilmont wirft ihnen „Revision des<br />

Marxismus-Leninismus“, ja die „Inthronisierung von Oswald Spengler“ 59 vor und kommt schließlich<br />

ebenfalls auf das bedrohliche Argument zurück, das mittlerweile zum Standard der Vorwürfe gehört:<br />

Lukács und Lifschitz hätten „vom Vorteil einer reaktionären Weltanschauung“ 60 gesprochen.<br />

Auch Balázs liefert noch einen Beitrag zu dieser absurd anmutenden Diskussion in einer polemischen<br />

Antwort auf Lifschitz’ Frage in der Literaturnaia gazeta, warum denn Volksmärchen und<br />

griechische Mythen schön seien. Balázs kommt zu dem Schluss, die Märchen seien „vielleicht in<br />

gewissem Sinne ‘Dank’ eines Aberglaubens entstanden, aber einen künstlerischen Wert haben sie für<br />

uns nur ‘trotz’ des Aberglaubens.“ 61 Balázs hat keinen Grund, daran zu zweifeln. Verborgen in den<br />

Märchen liegt für ihn kein Aberglauben, sondern eine tiefe menschliche Wahrheit. In der Phantastik<br />

57 Balázs, „naplói. Isztra-Moskva“. Eintrag vom 22.1.1940.<br />

58 Balázs an Georg Lukács, Anfang Februar 1940, in: Balázs Béla levelei Lukács Györgyhöz, S. 170f.<br />

59 In der Mai/Juni Nummer der Internatsionalnaia Literatura.<br />

60 Ebd., zitiert nach Pike, Deutsche Schriftsteller im sowjetischen Exil, S. 404.<br />

61 Béla Balázs, „Warum sind Volksmärchen und griechische Mythen schön ?“, Manuskript, in: Balázs -Nachlass,<br />

MTA, Ms 5014/82. Balázs hat dieses Manuskript vermutlich an die Literaturnaia gazeta gesandt.<br />

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