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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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gemacht hätte, dass der Film weit eher der Epik als dem Dr<strong>am</strong>a verwandt sei und daher auch viele<br />

im Filmszenarium wertvolle Motive und Konflikte für das Dr<strong>am</strong>a keine Basis böten. Balázs hatte das<br />

1938 in einer ersten Fassung veröffentlichte Mozartdr<strong>am</strong>a 1939 überarbeitet und dabei offenbar<br />

vieles von Lukács’ Kritik beherzigt, mehr als er später zugeben wollte. Doch nun zog Lukács aus<br />

diesem Streit weitreichende Konsequenzen, für die ihm Balázs nur noch als - an sich bedeutungsloses<br />

- Beispiel galt.<br />

Balázs schreibt nun seinerseits einen Aufsatz, „Stoff und Gattung“, als „polemisches Vorwort“ zu<br />

seinem Mozart-Dr<strong>am</strong>a und reicht es ebenfalls bei der Redaktion der Internationalen Literatur, der<br />

Kernzelle der deutschsprachigen Schriftsteller in der Moskauer Emigration, ein. Balázs verteidigt<br />

vehement die Fragen des „Ateliers“ gegen die „bedenkliche Mißachtung seitens mancher<br />

Literatursoziologen“ 37 und er betont, wie eng die Fragen literarischer Technik mit den<br />

weltanschaulichen Fragen zus<strong>am</strong>menhingen. Man solle nicht verächtlich von „Atelier“, sondern von<br />

„Werkstatt“ sprechen. Mühelos weist er die absurden Momente in Lukács’ ideologischer<br />

Generalabrechnung nach, der jede Arbeitsteilung schon als „kapitalistische Dekadenzerscheinung“ 38<br />

gelte, die jedes Filmdrehbuch als „Halbfabrikat“ 39 verspottet und „Montageromane“ 40 als Beweis für<br />

die historische Auflösung der Grenzen des Genres durch den Kapitalismus heranzieht. Auch er nennt<br />

den N<strong>am</strong>en Lukács nicht. Doch jeder weiß, wer gemeint ist.<br />

Balázs wägt seine Worte gewissenhaft, spielt arglos und bemüht zugleich auf der Klaviatur des<br />

„dialektischen Materialismus“. Er versucht sich nun seinerseits an einer Analyse der Unterschiede<br />

zwischen den Gesetzen des Dr<strong>am</strong>as, des Romans und des Filmszenarios, so <strong>am</strong> Beispiel des<br />

Charakters der jeweils realisierten Konflikte in den unterschiedlichen Gattungen. Am Ende steht bei<br />

ihm die Perspektive eines im Kommunismus zu sich selbst findenden Dr<strong>am</strong>as, in dem zwar der „Held<br />

37<br />

Béla Balázs, „Stoff und Gattung. Ein polemisches Vorwort zu zwei Dr<strong>am</strong>en“, in: Balázs Béla levelei Lukács<br />

Györgyhöz, S. 192-222.<br />

38<br />

Ebd., S. 197.<br />

39<br />

Balázs plädiert stattdessen, Filmszenarien als neues Genre anzuerkennen. Vgl. dazu auch Béla Balázs, „Das<br />

Filmszenarium, eine neue literarische Gattung“, in: Internationale Literatur, H. 11 (1939), S. 113-122. Balázs stellt<br />

hier das Filmdrehbuch neben das Dr<strong>am</strong>a oder die musikalische Komposition, die niemand als „Halbfabrikate“<br />

bezeichnen würde, auch wenn sie selbstverständlich erst in der Aufführung „ihre letzte Realität“ (ebd., S. 116)<br />

gewännen. Balázs’ Vorstellung eines Autorenfilms, dessen vollkommene Verdichtung schon im Szenarium<br />

möglich sei, wird der Bedeutung des arbeitsteiligen Produktionsprozesses für die Herstellung einer visuellen<br />

Erzählung im Vergleich zur Interpretation von Sprache im Dr<strong>am</strong>a nicht immer gerecht, ist aber aus dem Wunsch<br />

heraus verständlich, den Film als künstlerische Ausdrucksform zu etablieren.<br />

40<br />

Balázs fragt, ob denn „Montageromane“ problematischer seien als die früher so verbreiteten „Briefromane“, und<br />

wo seien denn die Genres so in Fluss geraten, wie beispielsweise in der deutschen Romantik, als von<br />

kapitalistischer Dekadenz noch nicht die Rede sein konnte? (Ebd., S. 198f.)<br />

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