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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Verwirrung und Panik zu stiften.“ 25 Balázs’ Deutung freilich lässt sich leicht als Teil des Problems -<br />

einer kollektiven Paranoia - identifizieren, die hinter buchstäblich jedem einen potentiellen<br />

Verschwörer, einen möglichen Feind zu sehen begann.<br />

Balázs spielte dieses zerstörerische Spiel mit, so gut er konnte, wehrte sich gegen solche „Intrigen“<br />

mit gleichen Mitteln - so schließlich funktionierte das System. Vor allem aber: so erforderte es<br />

schließlich die eigene Ideologie, die die Realität zum Paradies erklärt hatte und nun in jedem Konflikt,<br />

jedem Widerspruch nur noch einen hinterhältigen Angriff auf das schon Verwirklichte erkennen<br />

konnte. Was für das Handeln galt, galt erst recht für das Denken, für jede intellektuelle Äußerung,<br />

und sei es der Literaturtheorie. Wirklich Geglaubtes, strategisch Konstruiertes und taktisch scheinbar<br />

Unumgängliches ist unter solchen Bedingungen irgendwann nicht mehr voneinander zu unterscheiden.<br />

Noch 1940 notiert Balázs im Tagebuch befriedigt, dass der „Verschwörerbande“, mit der er in<br />

Odessa während der Produktion von KARL BRUNNER zu kämpfen hatte, mittlerweile der Prozess<br />

gemacht worden sei, dass sein K<strong>am</strong>pf gegen „die Direktion der Fabrik, gegen die dortige<br />

Parteiorganisation, gegen die Kiewer Trustleitung, gegen die Kiewer Parteizentrale, gegen die C.K.<br />

Komsomol, gegen die Hauptleitung der Sowjetkinematographie, gegen Schumjatski 26 der seitdem<br />

auch erschossen ist“, dass sein K<strong>am</strong>pf um den Film „Karlchen, durchhalten!“ ein K<strong>am</strong>pf gegen eine<br />

„unheimliche dunkle Macht“, gegen eine „organisierte gegenrevolutionäre Kraft“ 27 gewesen sei. Auch<br />

seine alten Freunde Andor Gábor und Georg Lukács zählt Balázs 1940 schließlich zu den gegen ihn<br />

verschworenen Verleumdern. Und Balázs ist bereit einiges zu tun, um sich gegen weitere<br />

Verleumdungen und Angriffe zu schützen.<br />

Balázs’ Talent, eine Geschichte in unterschiedlichen Genres, Gattungen und Medien zu erzählen, das<br />

er 1937/8 auch an der Geschichte Wolfgang Amadeus Mozarts 28 erprobt hatte, in einem Dr<strong>am</strong>a und<br />

Mitherausgeber von Das Wort, sich im fernen Dänemark endlich rührt und gegen die pauschale Verurteilung<br />

experimenteller Literatur protestiert. (Siehe Pike, Deutsche Schriftsteller im sowjetischen Exil, S. 395)<br />

25 Balázs, „naplói. Isztra-Moskva“. Eintrag vom 2.1.1940.<br />

26 Boris Schumjatski hatte Balázs lange Zeit unterstützt. Seine Beziehung zu ihm hätte für Balázs 1937 zu einem<br />

heftigen Problem werden können, als Schumjatski der Prozess gemacht wurde.<br />

27 Balázs, „naplói. Isztra-Moskva“. Eintrag vom 2.1.1940.<br />

28 In seinem Dr<strong>am</strong>a wie in seinem Filmszenario hatte Balázs die Rebellion der Künstlerpersönlichkeit gegen die<br />

Enge der bürgerlichen und feudalen Welt, seine Suche nach künstlerischer Freiheit und seine Konflikte mit dem<br />

Vater und der weltlichen wie kirchlichen Obrigkeit in Szene gesetzt.<br />

Die deutsche Fassung des Mozart erschien nach dem Krieg in Wien im Georg Marton Verlag als<br />

Bühnenmanuskript. Das schon 1937 fertiggestellte Film-Szenario mit dem Titel „Der Liebling“ erschien noch im<br />

gleichen Jahr in der Zeitschrift Internationale Literatur, H. 5 (1937).<br />

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