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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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13.11.1936 auf einer Vers<strong>am</strong>mlung der deutschen Kommunisten in Moskau unterstellte, ein<br />

Trotzkist zu sein. Schon zwei Monate zuvor, <strong>am</strong> 8.9.1936, hatte von Wangenheim in einer<br />

geschlossenen Parteivers<strong>am</strong>mlung der deutschen Kommission des sowjetischen<br />

Schriftstellerverbandes „berichtet“, Balázs’ sei als künstlerischer Leiter des Arbeiter Theater Bundes<br />

Deutschlands 1930 durch ihn abgelöst worden, nachdem es Auseinandersetzungen über Balázs’<br />

“Haltung zur Intellektuellenfrage“ gegeben habe und aus der Partei der Vorwurf des Trotzkismus<br />

gegen ihn erhoben worden sei. Von Wangenheim wollte sich noch nicht festlegen. „Ich weiß nicht,<br />

was an den Vorwürfen eigentlich war oder nicht.“ Aber eines will er vorsorglich mit dem Beispiel<br />

belegen: „Wo ich eine Andeutung des Trotzkismus gespürt habe, habe ich den K<strong>am</strong>pf<br />

aufgenommen.“ 21<br />

In Moskau tobte ein unsichtbarer K<strong>am</strong>pf, in dem es keine Fronten gab. Am Ende dieser von<br />

gegenseitiger Denunziation angeheizten Verfolgungswelle zwischen 1936 und 1939 waren 70% der<br />

deutschen emigrierten Schriftsteller und Journalisten verhaftet 22 und mehr als 80% der Führung der<br />

ungarischen Kommunisten liquidiert worden. 23 Inmitten dieser Selbstzerfleischung des<br />

kommunistischen Exils - in dem sich, wie durch ein Brennglas konzentriert, die Selbstzerfleischung<br />

der kommunistischen Gesellschaft widerspiegelte - führte Lukács ab 1937 mit Ernst Bloch, Bertolt<br />

Brecht und Hanns Eisler und schließlich in konzilianterem Tone auch mit Anna Seghers die<br />

sogenannte „Expressionismus-Debatte“, die er im Grunde schon 1933/4 mit seinem Aufsatz „‘Größe<br />

und Verfall’ des Expressionismus“ eröffnet hatte. 24 In Balázs’ eigenen Worten waren es die<br />

„schweren, nervösen, vergifteten Jahre nach den großen Prozessen. Verhaftungen zu<br />

Hunderttausenden. Jene inneren Feinde um selbst dem Verdacht zu entschlüpfen, verleumdeten,<br />

zeigten an und da sie teils in der N.K.W.D. saßen verhafteten sie die anständigsten Kommunisten um<br />

21 Die Säuberung. Moskau 1936: Stenogr<strong>am</strong>m einer geschlossenen Parteivers<strong>am</strong>mlung. Hg. von Reinhard<br />

Müller. Reinbek: Rowohlt, 1991, S. 400. Balázs war bei der fraglichen viertägigen Sitzung, deren Stenogr<strong>am</strong>m in<br />

Gänze veröffentlicht ist, wie zwei weitere der insges<strong>am</strong>t etwa 25 Mitglieder „wegen Urlaub entschuldigt“.<br />

22 David Pike, Deutsche Schriftsteller im sowjetischen Exil. 1933-1945. <strong>Frankfurt</strong> <strong>am</strong> <strong>Main</strong>: Suhrk<strong>am</strong>p, 1981, S.<br />

471. David Pike hat in seinem Buch die Selbstzerfleischung und die stalinistische Verfolgung des deutschen Exils<br />

in der Sowjetunion minutiös beschrieben.<br />

23 Zsuffa, Béla Balázs, S. 263.<br />

24 Zu Lukács’ Rolle in der „Expressionismus-Debatte“ siehe u.a. Pike, Deutsche Schriftsteller im sowjetischen<br />

Exil, S. 352-416; Dialog und Kontroverse mit Georg Lukács. Der Methodenstreit deutscher sozialistischer<br />

Schriftsteller. Leipzig: Recl<strong>am</strong>, 1975. Die Debatte im engeren Sinne wurde 1937 durch die Moskauer Redaktion der<br />

Zeitschrift Das Wort provoziert und gesteuert, die sich davon offenkundig versprach, Autoren wie Brecht und<br />

Bloch, die es vorgezogen hatten, nicht in die Sowjetunion zu emigrieren, aus der Deckung zu locken und als<br />

bürgerliche Verfallserscheinungen zu entlarven. „Tahü-Tata! Jetzt steckt die Katze den Kopf aus dem Sack“,<br />

schreibt Alfred Kurella an Fritz Erpenbeck (beide Redakteure der Zeitschrift) <strong>am</strong> 8. Juni 1938, als Brecht, selbst<br />

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