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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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verhaftet. Seit 1934 hat Ervin eine Professur als Biologe an der <strong>Universität</strong> Leningrad inne, im<br />

Grunde keine besonders gefährdete, ideologisch heikle Position, aber in einer Stadt, die Stalin<br />

verhasst war. Der Grund für die Verhaftung ist unbekannt. Balázs weiß, wie schnell der Blick auch<br />

auf die Verwandtschaft des Verhafteten fallen kann, und er beeilt sich, der deutschen Sektion der<br />

Komintern mitzuteilen, dass ihr „von Kindheit“ an schlechtes Verhältnis „in der Emigration bald einen<br />

politischen Inhalt [bek<strong>am</strong>] dadurch, daß Erwin Bauer sich der sogenannten ‘Kun-Fraktion’ anschloß<br />

und ich, so wie meine Frau der ‘Landler-Fraktion’ nahe standen.“ 15 Auf Landler zu verweisen war<br />

das klügste, was Balázs tun konnte. Kuns innerparteilicher Kontrahent war schon 1928 gestorben<br />

und galt nun als der Vertreter der „richtigen“ Linie. 1942 stirbt Ervin Bauer in einem stalinistischen<br />

Lager. 16<br />

Schon sein größter Erfolg in der Sowjetunion war mit unvermuteten Gefahren verbunden gewesen.<br />

Es war der Erfolg einer antifaschistischen Kindergeschichte. Als Kinderbuchautor hatte Balázs in<br />

der Sowjetunion schließlich die einzige Nische gefunden, in der man ihn tatsächlich eine Zeit lang<br />

gewähren ließ. „Karlchen, durchhalten!“ 17 , die phantastisch anmutende, mit der Realität in<br />

Deutschland wenig Berührung findende Geschichte eines Kindes, das seine Mutter aus den Fängen<br />

der Gestapo befreit, eine Geschichte, die in Zeiten stalinistischer Volksfront-Politik an vielen Schulen<br />

der Sowjetunion zur Pflichtlektüre wurde 18 , hatte Balázs zuvor schon in Odessa als Film in Szene<br />

gesetzt. 19 Der Film KARL BRUNNER k<strong>am</strong> in die Kinos, zwar verstümmelt, wie Balázs protestierend<br />

feststellte, aber mit einigem Erfolg, der freilich nicht lange währte. Ideologisch Eifrige, zum Beispiel in<br />

der Redaktion der Deutschen Zentral-Zeitung 20 , meinten bald, in der Szenerie des Films die<br />

Geschichte Ruth Fischers erkannt zu haben, die als ehemalige „Anhängerin“ Sinowjews schon 1926<br />

aus der KPD ausgeschlossen wurde und nun als besonders gefährliche „Trotzkistin“ galt. Balázs<br />

entging mit viel Glück einer Anklage, auch als Gustav von Wangenheim, der Balázs seinerzeit in<br />

Berlin von der künstlerischen Leitung des Arbeiter-Theater-Bundes verdrängt hatte, ihm <strong>am</strong><br />

15 Vermerk Balázs’ an die deutsche Sektion der Komintern. MTA, Ms 50188/188.<br />

16 So schreibt jedenfalls Zsuffa, Béla Balázs, S. 331, bezugnehmend auf einen Brief von Balázs an seine Frau vom<br />

5.8.1946.<br />

17 Béla Balázs, Karlchen, durchhalten! Roman für Kinder. Moskau: Verlagsgenossenschaft ausländischer<br />

Arbeiter in der UdSSR, 1936.<br />

18 Die Einnahmen aus seinen Kinderbüchern, deren Auflage in verschiedenen Sprachen an die Millionen gingen,<br />

verschafften Balázs wenigstens materiell eine Zeitlang Unabhängigkeit.<br />

19 KARL BRUNNER (SU, 1935-36), Regie: L. Masliukov, Béla Balázs; Drehbuch: Béla Balázs.<br />

20 Nach einem Konflikt zwischen Lukács und Andor Gábor auf der einen, Herbert Wehner, Walter Ullbricht und<br />

der Redaktion der D.Z.Z. auf der anderen Seite (in den auch Balázs zugunsten Gábors eingriff), wurde Anfang 1938<br />

fast die ges<strong>am</strong>te Redaktion der D.Z.Z. vom N.K.W.D. verhaftet.<br />

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