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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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versuchte, lässt sich heute nur unter der Gefahr der Frivolität wiederholen. Kassners „fanatischer<br />

Fatalist“ kennt nur einen Weg des Eindringens in das Ziel seiner Sehnsucht: „Aufreißen,<br />

Aufschlitzen“, so, wie der Aztekenpriester - jener Vertreter des Prinzips der „Verschwendung“ 145 ,<br />

des Potlatsch, das Kassner an anderer Stelle gegen das Prinzip der Ökonomie ins Feld führt -, so,<br />

wie der Priester sich zum Herz seines Opfers mit dem Obsidianmesser den Weg freilegt und es d<strong>am</strong>it<br />

vernichtet, „indem er die Form vom Inhalt abhebt wie den Deckel von einem Gefäß oder einer Truhe<br />

[...], die Dimension oder Spanne des Unwirklichen dazwischen legt und d<strong>am</strong>it den Strom oder das<br />

Strömen der Dinge unterbindet“. 146<br />

Betrachten wir noch einmal Platons Höhlengleichnis. Kommen uns die an die Illusion der Schatten<br />

Gefesselten nicht wie ein Idyll vor? Doch die Schatten in Juntas Höhle kommen, mit Hämmern,<br />

Leitern und anderem Gerät, um den Inhalt und die Form in einem, die Linse, in der sich das Licht<br />

bricht, zu zerschlagen. Joachim Paech setzt gegen den Höhlenmythos das Bild des gefesselten<br />

Odysseus aus Horkeimer/Adornos Dialektik der Aufklärung: „Odysseus, von Circe kommend und<br />

von ihr gewarnt, segelt in den ‘Sendebereich’ der Sirenen, deren Gesang er wohl hören möchte ohne<br />

jedoch die katastrophalen Konsequenzen tragen zu müssen.“ 147 Denn „Odysseus erkennt die<br />

archaische Übermacht des Liedes an, indem er, technisch aufgeklärt, sich fesseln läßt. Er neigt sich<br />

dem Liede der Lust und vereitelt sie wie den Tod.“ 148 So gerät auch der Maler in den Sendebereich<br />

des blauen Lichtes, gewarnt durch die Dörfler. Doch anders als Odysseus fesselt er nicht sich selbst<br />

an das Schiff, bricht er nicht „das verführerische Gesetz des Mythos, das seine Wiederholung ist“, in<br />

dem er es „an sich selbst erfüllt“. 149 Er vernichtet die Sirenen und opfert das Mädchen, arglos<br />

liebend, ein naiver Parsifal, den das Licht nicht verzaubert hat. Und er schafft d<strong>am</strong>it einen neuen<br />

Mythos. Das blaue Licht, das er ausgeschaltet hat, leuchtet weiter.<br />

Auch die Hoffnung auf Odysseus hat seither Schaden genommen, und die Dialektik der Aufklärung<br />

hat den Zweifel an dessen List quälend artikuliert, als Zweifel an der Geschichte des menschlichen<br />

144<br />

Ebd.<br />

145<br />

Kassner, Anschauung und Beobachtung, S. 31.<br />

146<br />

Ebd., S. 63.<br />

147<br />

Paech, Medien-Macht und interaktive Medien, S. 11.<br />

148<br />

Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. <strong>Frankfurt</strong> <strong>am</strong><br />

<strong>Main</strong>: Fischer Taschenbuch, 1971 [1947], S. 55. Odysseus überlistet den Bann des Mythos und zesrtört d<strong>am</strong>it<br />

seine sinnliche Unmittelbarkeit. „Mit der Auflösung des Vertrags durch dessen wörtliche Befolgung ändert sich<br />

der geschichtliche Standort der Sprache: sie beginnt in Bezeichnung überzugehen.“ (S. 56) Ausdruck und<br />

Intention fallen auseinander.<br />

149<br />

Paech, Medien-Macht und interaktive Medien, S. 11.<br />

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