12.12.2012 Aufrufe

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

„Jeder Künstler sucht seine Tahiti [...] und kann sie [...] nicht finden solange hier sich nicht alles so<br />

verändert, daß jedermann seine imaginären Tahiti überall herbeizaubern kann.“ 22<br />

Gemeins<strong>am</strong> mit Béla Bartók und Zoltán Kodály wollte Balázs nicht nur die Traditionen der<br />

„einfachen Formen“ 23 in Märchen und Liedern wiederentdecken, sondern auch die Oper und das<br />

Tanztheater revolutionieren. Sowohl Bartók als auch Kodály „setzten mehrere Gedichte von Ady<br />

und Béla Balázs in Musik“ 24 , für Bartók schrieb Balázs das Ballett Der hölzerne Prinz 25 , vor allem<br />

aber widmete er schon 1910 beiden Komponisten sein erstes Mysteriendr<strong>am</strong>a Herzog Blaubarts<br />

Burg. Balázs hoffte, dass Kodály sein Mysteriendr<strong>am</strong>a als Libretto für eine Oper verwenden würde.<br />

Doch Kodály fühlte keine Beziehung zu dem Stoff. Bartók hingegen nahm sich des Stückes an, und<br />

Herzog Blaubart’s Burg, Bartóks einzige Oper, wurde nach vielen Jahren schließlich ein Welterfolg.<br />

1913 noch lehnte die Staatsoper es allerdings ab, Herzogs Blaubarts Burg aufzuführen. Balázs’<br />

dr<strong>am</strong>atisches Gedicht hat wenig szenischen Reiz, dafür umso mehr symbolische „Tiefe“. Der Prolog<br />

deutet es an: „Ihr werdet’s tief in euch erkennen“ 26 - sein Schauplatz, die Burg, ist die menschliche<br />

Seele.<br />

Judith wird als Blaubarts Braut in die Burg eingelassen und sie erschrickt über das Dunkel der<br />

Seelenlandschaft, die sich ihr auftut. Fensterlos ist die Burg, kein Licht dringt herein. Doch sie<br />

entdeckt sieben Türen und drängt Blaubart, sie aufzuschließen, ihr die verborgenen K<strong>am</strong>mern seines<br />

Bewusstsein zu öffnen, Licht in das Dunkel seiner Seele zu bringen. Widerstrebend öffnet Blaubart<br />

ihr nacheinander die ersten fünf Türen: die Folterk<strong>am</strong>mer, die Waffenk<strong>am</strong>mer, seine Schatzk<strong>am</strong>mer<br />

(voll blutbefleckten Goldes), seinen Garten (mit blutgetränkter Erde), schließlich den Blick ins Freie<br />

auf das Land (auf das eine Wolke blutige Schatten wirft). In der Burg ist es hell geworden, doch<br />

Judith will auch die übrigen Türen öffnen. Blaubart weigert sich, heller würde es nicht mehr, doch<br />

Judith besteht darauf. Hinter der sechsten Türe erblickt sie einen See voller Tränen. Sie glaubt zu<br />

wissen, was sich hinter der siebten Tür verbirgt, und fordert den Schlüssel. Doch Blaubarts frühere<br />

Frauen hinter der Tür, sie leben, und Judith weicht erschreckt zurück. Drei Frauen, geschmückt mit<br />

Krone und Mantel, treten vor. Der ersten gehört der Morgen. Der zweiten der Mittag, der dritten<br />

22<br />

Georg Lukács, „Gauguin“, in: Huszadik Század, Jg. 8, H. 6 (Juni 1907), S. 559-562, zitiert nach Hellenbart, König<br />

Midas, S. 46.<br />

23<br />

Vgl. André Jolles, Einfache Formen: Legende, Sage, Mythe, Rätsel, Spruch, Kasus, Memorabile, Märchen,<br />

Witz. Halle: Niemeyer, 1956.<br />

24<br />

Horváth, Die Jahrhundertwende in Ungarn, S. 421.<br />

25<br />

Béla Balázs, A fából faragott királyfi. Szövegkönyv Bartók Béla táncjátékához [Der hölzerne Prinz. Libretto zu<br />

Béla Bartóks Ballett]. Gyoma: A Magyar Királyi Operaház Kiadása, 1917. In deutscher Übersetzung erschien das<br />

Libretto zuerst in: Balázs, Sieben Märchen, S. 147-176.<br />

26<br />

Béla Bartók, Herzog Blaubarts Burg. Text von Béla Balázs. Wien: Universal Edition, 1964 [1925], S. 6.<br />

27

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!