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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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nur vom Blut überwältigt und aufgehoben. Das Leben ist das erste und das letzte, das kosmische<br />

Dahinströmen in mikroskopischer Form. Es ist die Tatsache innerhalb der Welt der Geschichte. [...]<br />

Es handelt sich in der Geschichte um das Leben und immer nur um das Leben, die Rasse, den<br />

Triumph des Willens zur Macht, und nicht um den Sieg der Wahrheiten, Erfindungen oder Geld. Die<br />

Weltgeschichte ist das Weltgericht [...] und sie hat immer die Wahrheit und Gerechtigkeit der Macht,<br />

der Rasse geopfert und die Menschen und Völker zum Tode verurteilt, denen die Wahrheit wichtiger<br />

war als Taten, und Gerechtigkeit wesentlicher als Macht. [...] Wir haben nicht die Freiheit, dies oder<br />

jenes zu erreichen, aber die, das Notwendige zu tun oder nichts.“ 37<br />

Spengler, der das Werden und Vergehen ganzer Kulturen als unausweichliches Schicksal beschreibt,<br />

interpretiert auch die Technik als unausweichliches Schicksal des „faustischen Menschen“, und er<br />

sieht 1931 für „das Abendland“ nur einen, vorgezeichneten Weg: „Diese Maschinentechnik ist mit<br />

dem faustischen Menschen zu Ende und wird eines Tages zertrümmert und vergessen sein -<br />

Eisenbahnen und D<strong>am</strong>pfschiffe so gut wie einst die Römerstraße und die chinesische Mauer, unsere<br />

Riesenstädte mit ihren Wolkenkratzern ebenso wie die Paläste des alten Memphis und Babylon. Die<br />

Geschichte dieser Technik nähert sich schnell dem unausweichlichen Ende. Sie wird von innen her<br />

verzehrt werden wie alle großen Formen irgendeiner Kultur. [...] Angesichts dieses Schicksals gibt es<br />

nur eine Weltanschauung, die unser würdig ist, [...]: Lieber ein kurzes Leben voll Taten und Ruhm als<br />

ein langes ohne Inhalt. [...] Die Zeit läßt sich nicht anhalten; es gibt keine weise Umkehr, keinen<br />

klugen Verzicht. Nur Träumer glauben an Auswege. Optimismus ist Feigheit. Wir sind in diese Zeit<br />

geboren und müssen tapfer den Weg zu Ende gehen, der uns bestimmt ist. Es gibt keinen anderen.<br />

Auf dem verlorenen Posten ausharren ohne Hoffnung, ohne Rettung ist Pflicht. [...] Das ist Größe,<br />

das heißt Rasse haben. Dieses ehrliche Ende ist das einzige, das man dem Menschen nicht nehmen<br />

kann.“ 38 Spengler ist mit solchen Gedanken alles andere als allein. 1931 veröffentlicht auch Arnold<br />

Gehlen seine Habilitationsschrift Wirklicher und unwirklicher Geist. Hier nimmt seine spätere<br />

37<br />

Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes. Zweiter Band: Welthistorische Perspektiven. München:<br />

C.H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung, 1922, S. 634f.<br />

Wilhelm Worringer hat Spenglers „zeitsymptomatische und zeitrepräsentative“ (Worringer, Künstlerische<br />

Zeitfragen, S. 29) Konzeption des „Untergangs des Abendlandes“ mit dem ekstatischen Erleben des Todes<br />

verglichen, und zwar mit jener „Erfahrungstatsache [...], die von Bergsteigern erzählt wird, die beim Sturze mit dem<br />

Leben davon k<strong>am</strong>en, nämlich daß sie in den hundertstel Sekunden ihres sausenden Sturzes mit einer unheimlichen<br />

Überdeutlichkeit und Hellsichtigkeit ihr ganzes Leben in phantastischer Zus<strong>am</strong>mendrängung an ihrem<br />

Bewußtsein vorbeirasen sahen und eine visionäre Erkenntnissteigerung erfuhren, die von einer wunder- und<br />

traumhaften Subtilität und Präzision zugleich war.“ (Ebd.) Vielleicht sei solch „visionär hellsichtiger Historismus<br />

[...] nur im Absturz möglich, nur der Lucidität eines blutleer gewordenen Hirnes zu danken.“ (S. 30)<br />

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