12.12.2012 Aufrufe

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Jan Kuharski verpflichtet. Im Oktober reiste Balázs zus<strong>am</strong>men mit seiner Frau nach Paris und Anna<br />

begleitete das Te<strong>am</strong> im Dezember auch nach Algerien, von wo Balázs Berichte über den Alltag des<br />

Kolonialismus nach Berlin an die Weltbühne schickte. In einem unveröffentlichten Manuskript<br />

schildert Balázs auch die Dreharbeiten in Bou-Saada. 210 Das Filmte<strong>am</strong> benötigte für manche Szenen<br />

arabische Laiendarsteller. Verblüfft reagierten sie darauf, vor der K<strong>am</strong>era lügen zu sollen, Gefühle zu<br />

äußern, die sie gar nicht besaßen. Sie stellten fest: „Diese Weißen lügen, dass sie lügen.“ Und mit<br />

noch größerem Erstaunen „mit Schauder“ beobachteten sie schließlich die Schauspieler bei ihrem<br />

„magischen Ritus“ vor dem Aufnahmeapparat, der solche Lügen in Wahrheit verwandelt, „wenn uns<br />

die große Besessenheit überkommt und das magische Mysterium geschieht, und aus dem Schein und<br />

der Lüge der Wahrheit doch eine wahre Wirklichkeit entsteht.“<br />

Nach Balázs’ Rückkehr nach Berlin trafen alarmierende Nachrichten von Kuharski ein. Emil<br />

Schünemann, der K<strong>am</strong>er<strong>am</strong>ann, hatte begonnen, offen gegen die antikolonialistische Tendenz des<br />

Filmes zu opponieren und weigerte sich, Kuharski die Negative des Films auszuhändigen. Kuharski<br />

beobachtete, wie Schünemann heimlich die Filmbüchsen mit Sand füllte und ließ Schünemanns<br />

Hotelzimmer durchsuchen, wo sich in einem Versteck die Filmrollen fanden. Schünemann wurde<br />

entlassen und kehrte nach Berlin zurück, nicht ohne das Filmte<strong>am</strong> vorher bei den französischen<br />

Behörden denunziert zu haben. Als Kuharski im Februar nach Frankreich zurückkehrte, wurden die<br />

Filmrollen beschlagnahmt. Der Film DIE LÖWIN ist niemals fertiggestellt worden. 211<br />

Brechts „Fahnenträger“ Herbert Jhering hat nach 1945 seine Meinung über den Film deutlich revidiert und den<br />

Film als „Beispiel für die Kunsthöhe, die der deutsche Film in der Weimarer Republik erreicht habe“ bezeichnet.<br />

(Gersch, Film bei Brecht, S. 51)<br />

210<br />

Béla Balázs, „Arab történet“ [Arabische Geschichte], Typoskript, in: Balázs -Nachlass, MTA, Ms 5014/203<br />

[zitiert nach einer Übersetzung von Péter Zalán].<br />

211<br />

Vgl. zur Produktionsgeschichte des Films Zsuffa, Balázs, S. 186-192, sowie insbesondere Kuharskis Briefe an<br />

Klinger und Balázs, in: Balázs -Nachlass, MTA, Ms 5021/256-258. Joseph Zsuffa fand bei seinen Recherchen in<br />

Balázs’ Nachlass in Budapest Teile des Manuskripts, die Balázs in der Sowjetunion auf Grund des Papiermangels<br />

als Konzeptpapier für Briefe und ähnliches benutzte. Emil Schünemann sollte auch nach 1933 als Querulant<br />

auffallen, freilich nicht als politischer Gegner der Nationalsozialisten. 1934 weigerte er sich unter der Leitung einer<br />

Frau zu arbeiten. An den Dreharbeiten des geplanten Films über den Reichsparteitag der NSDAP hätte er sonst<br />

gerne teilgenommen.<br />

417

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!