12.12.2012 Aufrufe

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Industriefilm selbst bei vetraglichen Sicherungen öffentlich dazutun. Dieses Ziel ist erreicht worden -<br />

es war erreicht, als ich meinen Prozeß verloren hatte.“ 204 Balázs, den Brecht daraufhin als „Literat<br />

geringen Ranges“ 205 abkanzelt, geriet zwischen die Fronten, genauer: Er unterstützte Pabst und die<br />

Realisierung des Films, mit der Bertolt Brecht sich schließlich abfinden musste, nachdem er den<br />

Prozess in erster Instanz verloren und gegen Zahlungen der Nero-Film darauf verzichtete, Berufung<br />

einzulegen. 206 D<strong>am</strong>it hatte Balázs sich, wie es schien, auf die Seite eben jener geschlagen, die er<br />

selbst 1927/28 noch öffentlich kritisiert hatte: die Filmindustrie. Am 2. Oktober 1930 hob Herbert<br />

Jhering im Berliner Börsen-Courier die Bedeutung von Brechts Klage gegen die Nero-Film hervor<br />

und attackiert Balázs heftig, als „sogenannter linker Literat und Filmrevolutionär“, der immer erst<br />

hinterher, wenn seine Filme bei der Kritik durchgefallen seien, gegen die Filmfirmen protestiert<br />

habe. 207 Balázs, dessen Buch Der Geist des Films gerade erschien, verteidigte sich wütend im<br />

Film-Kurier und sein öffentlicher Streit mit Brechts „Fahnenträger“ 208 Jhering kulminierte im Februar<br />

und März 1931 in den Spalten der Weltbühne in einem Austausch von Polemiken, ohne <strong>am</strong> Ende<br />

mehr als Rechthaberei und persönliche Invektiven zu Tage gefördert zu haben. 209<br />

Im Januar 1931 war Balázs von einem enttäuschend endenden Abenteuer in Algerien zurückgekehrt.<br />

Ein Wiener Produzent, Dr. Klinger, hatte die Rechte an Ferdinand Ossendowskis Roman Die Löwin<br />

erworben und hatte vor, die im Atlas-Gebirge spielende Romanze mit ihrer offen antikolonialistischen<br />

Tendenz zu verfilmen. Balázs sollte das Drehbuch schreiben, als Regisseur hatte Klinger den Polen<br />

204<br />

Bertolt Brecht, „Der Dreigroschenprozeß. Ein soziologisches Experiment“, S. 155.<br />

205<br />

„Zwei Literaten geringen Ranges, Bela Balasz und I. Vayda [sic], haben sich bemüht, ‘den Stil zu wahren’, und<br />

der Richter entscheidet, ohne den Film zu sehen, intuitiv, daß es den beiden gelungen sei, die Schreibweise des<br />

Verfassers nachzuahmen, also mit verstellter Handschrift zu schreiben.“ (Ebd., S. 204) Brecht selbst hatte niemals<br />

Probleme d<strong>am</strong>it, Werke anderer Schriftsteller zu plagiieren, umzudichten oder auf der Bühne umzuinterpretieren.<br />

So enthält die Dreigroschenoper ganze Teile von Gedichten Villons in der Übersetzung von K.L. Ammer. Im<br />

Berliner Börsen-Courier vom 6.5.1929 „entschuldigte“ sich Brecht mit seiner grundsätzlichen Laxheit in Fragen des<br />

literarischen Eigentums. Die Grenze zwischen einem soziologischen und einem zynischen Experiment war für ihn<br />

offenkundig fließend.<br />

206<br />

Brecht erhielt d<strong>am</strong>als 16.000 Mark. Kurt Weill, der hingegen seinen Prozess gewonnen hatte, erhielt 50.000<br />

Mark. Brecht, dessen Geschäftstüchtigkeit durchaus bekannt war, hielt daran fest, dass es ihm höchstens darum<br />

gegangen wäre, einen größeren Schaden von sich abzuwenden, und der Zweck des Prozesses, das „soziologische<br />

Experiment“ ja schon erfüllt worden sei.<br />

207<br />

Herbert Jhering, „Die Autoren gegen den ‘Dreigroschenoper’-Film“, in: Berliner Börsen-Courier, Jg. 62, Nr.<br />

460 (2.10.1930), Morgen-Ausgabe.<br />

208<br />

So nannte Balázs Jhering spöttisch in seinen Polemiken in der Weltbühne.<br />

209<br />

Die ges<strong>am</strong>te Auseinandersetzung um den Dreigroschenoper-Film ist dokumentiert in dem Ausstellungskatalog:<br />

Photo: Casparius. Hg. von der Stiftung Deutsche Kinemathek. Idee, Konzeption und Zus<strong>am</strong>menstellung: Hans-<br />

Michael Bock, Jürgen Berger und Gero Gandert. Berlin: Stiftung Deutsche Kinemathek, 1978, S. 165-431. Vgl auch<br />

Zsuffa, Balázs, S. 393-399.<br />

416

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!