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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Anders als in den letzten Wiener Jahren sucht Balázs nun auch wieder Wirkungsmöglichkeiten auf<br />

dem Theater. Schon 1927 gehört er zum dr<strong>am</strong>aturgischen Kollektiv 187 von Erwin Piscators Theater<br />

<strong>am</strong> Nollendorf-Platz. Sein Stück Menschen auf der Barrikade wird für die Spielzeit 1927/28<br />

vorgesehen, aber nicht realisiert, vermutlich weil das Thema - die Selbstjustiz der Revolution - zu<br />

heikel war. 188 Ebenfalls 1927 entsteht das Ballett M<strong>am</strong>mon (gemeins<strong>am</strong> mit Heinrich Kröller, Musik:<br />

Ernst Krenek), das in Stuttgart uraufgeführt wird.<br />

Im April 1928 wird Balázs zum Künstlerischen Leiter des „Arbeiter-Theater-Bundes Deutschlands“<br />

gewählt, bis Gustav von Wangenheim nach heftigen Auseinandersetzungen mit Balázs diese Position<br />

übernehmen wird. 189 Für die „Proletarische Versuchsbühne Prenzlauerberg“ schreibt und inszeniert<br />

er das Stück die „Die Mauer der Föderierten“ über den Fall der Pariser Commune. 190 Und er<br />

übernimmt die Leitung der Agit-Prop-Truppe „Die Ketzer“. 1928 entsteht auch seine Pantomime<br />

„Das Baby in der Bar“, Balázs’ Beitrag zur K<strong>am</strong>pagne zur Abschaffung des § 218. 191<br />

Im April 1929 folgt das musikalische Dr<strong>am</strong>a „Katastrophe 1940“ (es spielt in einem Flugzeug mit<br />

Fernseher und Tonfilm). 192 Ebenfalls 1929, wie in den beiden zuletzt genannten Stücken mit Musik<br />

von Wilhelm Grosz, entsteht das proletarische Kinderstück Hans Urian geht nach Brot 193 nach der<br />

Vorlage von Lisa Tetzner.<br />

186 Michel, „Unmögliche Menschen“, S. 361.<br />

187 Eine große Gruppe von linken Autoren, darunter Brecht, Kisch, Becher, Toller und Heinrich Mann.<br />

188 Das zuweilen ins Groteske reichende Stück stellt die ethische Frage nach der kommunistischen Disziplin und<br />

der Notwendigkeit, für den Sieg den Einzelnen, die Liebe, ja sogar die Moral zu opfern, ähnlich wie Brechts Die<br />

Massnahme. Das Stück spielt in einer von der roten Armee gehaltenen Stadt, die gegen eine weißen Angriff<br />

verteidigt werden muss, auch wenn dies die Zus<strong>am</strong>menarbeit mit den verhassten politischen Vertretern der<br />

Bauern bedeutet. Zwischen zwei aufrechten Bolschewiken kommt es zum schicksalhaften, schließlich tödlichen<br />

Konflikt. „Dronin: ‘Amokläufer sind wir! Amokläufer! Schneiden uns unterwegs selber die Adern auf! Und wer<br />

kommt dann ans Ziel? Die, die es nicht kennen, die es gar nicht wollen [...]. Smirnow: ‘Das Menschliche... Das gibt<br />

es noch nicht... Das wird erst sein, wenn das Proletariat gesiegt hat, wenn es keine Klassen mehr gibt.“ Das Stück<br />

endet d<strong>am</strong>it, dass Dronin, der kämpfende Schriftsteller, sich selbst vor dem Revolutionsgericht „schuldig“ spricht,<br />

um den Sieg der Revolution nicht zu behindern, und Smirnow, der unerbittliche Stratege, wie vernichtet<br />

zurückbleibt um heroisch den K<strong>am</strong>pf zu Ende zu führen. (Béla Balázs, Menschen auf der Barrikade. Freiburg i.Br.:<br />

Max Reichard Verlag, 1929; zitiert aus dem Typoskript im Balázs -Nachlass, MTA, Ms 5013/2.)<br />

189 1936 wird von Wangenheim in einer Parteivers<strong>am</strong>mlung der deutschen Schriftsteller in Moskau die Version<br />

verbreiten, es habe 1929/30 im ATBD Streit über Balázs’ „Haltung in der Intellektuellenfrage“ gegeben. Balázs sei<br />

d<strong>am</strong>als von der Partei des Trotzkismus verdächtigt worden.<br />

190 Veröffentlicht unter dem Titel 1871 - Die Mauer von Pére la Chaise.<br />

191 Die Pantomime, zu der Wilhelm Grosz eine groteske, jazz-artige Musik schrieb, wurde 1928 in Hannover<br />

uraufgeführt, mit Yvonne Georgi als „Baby“ und Harald Kreutzberg als „Barmann“. Das Manuskript befindet sich<br />

im Balázs -Nachlass, MTA, Ms 5013/13.<br />

Wilhelm Grosz (1894-1939), Pianist, Dirigent und Komponist, zieht 1927 von Wien nach Berlin. Schreibt dort<br />

Balletmusiken, Opern, K<strong>am</strong>mermusik, Orchesterwerke und Filmmusik. 1934 Emigration nach London, wo er den<br />

Künstlern<strong>am</strong>en Hugh Willi<strong>am</strong>s wählt, und 1938 nach New York.<br />

192 Die Musik dafür schrieb erneut Wilhelm Grosz. Eine „Tonfunkfilmszene“ daraus erschien im Film-Kurier,<br />

10.8.1929. Ein Typoskript dieser (einzigen erhaltenen) Szene befindet sich im Balázs -Nachlass, MTA, Ms 5016/13.<br />

193 Béla Balázs, Hans Urian geht nach Brot: Eine Kindermärchenkomödie von heute. Von B. Balázs, mit<br />

Verwendung einiger Ideen von L. Tetzner. Freiburg i.Br.: Max Reichard Verlag, 1929.<br />

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