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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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des mythischen Augenblicks, in dem der Archetypus zum ersten Male offenbart worden ist“ 145 ,<br />

letztlich die Substanz des Verhältnisses von Mensch und Natur, vor der sich alle anderen Begriffe<br />

von Geschichte als Schein erweisen. Cassirers unscharfe Abgrenzung von Magie und Mythos<br />

präzisierend, ließe sich, so Ulrich Gaier, freilich auch erweisen, dass sich der Mythos der ewigen<br />

Wiederkehr eher als signifikante Übergangsform, als „Mischprodukt“ 146 darstellt, „das bei der<br />

Herausarbeitung der Mythen aus den magischen Praktiken entstanden sei und die originäre, die<br />

Struktur der ewigen Wiederkehr gerade überwindende Zeitform der Mythen eher verstelle als<br />

offenbare“. 147<br />

Balázs’ beschreitet diesen Weg in umgekehrter Richtung. Der Mythos, die Filmerzählung, die Fabel,<br />

öffnet sich jenem „qualitative[n] ‘Ineinander’ aller Zeitmomente“ 148 von dem Cassirer spricht, und<br />

das Balázs nun auch als den Kern seiner Bergson-Lektüre, seiner Lektüre der „durée“ offenbart. Mit<br />

ihr macht Balázs sich daran, nicht nur den Raum zu physiognomieren, sondern die Physiognomie<br />

selbst als Tor zu einer neuen Dimension zu begreifen.<br />

Balázs interessiert an Bergsons Begriff der „durée“ nicht nur die Charakterisierung der Zeit als<br />

Dauer, so wie auch Bergson selbst mit dem Begriff der „Dauer“ ein universelles Modell des<br />

Verhältnisses zwischen den Dingen und ihrer Repräsentanz in der Vorstellung entwerfen wollte.<br />

Bergson entwickelte <strong>am</strong> Beispiel einer Tonfolge in der Zeit, einer Melodie, die Vorstellung einer<br />

Sukzession, die auf „gegenseitige Durchdringung“ beruht, die sich als „eine Solidarität, eine intime<br />

Organisation von Elementen begreifen [lässt], deren jedes das Ganze vertritt und von diesem nur<br />

durch ein abstraktionsfähiges Denken zu unterscheiden und zu isolieren ist“. 149<br />

Auf Balázs hatte dieses Modell nachhaltigen Eindruck gemacht, ja er stellt es schließlich an den<br />

Anfang seiner Autobiographie, als Grundempfindung seines Lebens.<br />

„Man lebt vor sich hin und merkt plötzlich, daß das Ganze ein deutliches und sinnvolles Gebilde<br />

werden will, wie eine Melodie. Dann hält man inne und sieht sich nach dem Anfang um. Und längst<br />

145 Ebd., S. 88.<br />

146 Ulrich Gaier, “Hölderlin und der Mythos“, in: Manfred Fuhrmann (Hg.), Terror und Spiel. Probleme der<br />

Mythenrezeption [= Poetik und Hermeneutik IV]. München: Wilhelm Fink, 1990, S. 308. Ulrich Gaier betont, dass<br />

viele Forscher nicht genügend zwischen „magisch-substantialer und mythisch-polarer Struktur“ (ebd. S. 307)<br />

unterschieden.<br />

147 Winfried Menninghaus, Schwellenkunde. Walter Benj<strong>am</strong>ins Passage des Mythos. <strong>Frankfurt</strong> <strong>am</strong> <strong>Main</strong>:<br />

Suhrk<strong>am</strong>p, 1986, S. 95.<br />

148 Cassirer, Philosophie der symbolischen Formen. Bd. 2, S. 137.<br />

149 Bergson, Zeit und Freiheit, S. 79.<br />

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