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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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utopische Realisierung einer magischen Raum-Zeit zu bestimmen, wie sie Ernst Cassirer, Lévy-Bruhl<br />

folgend, in den Mittelpunkt seiner Interpretation der symbolischen Formen gestellt hat. „Die<br />

Anschauung des Raumes erwies sich insofern als ein Grundmoment des mythischen Denkens, als<br />

dieses sich von der Tendenz beherrscht zeigte, alle Unterschiede, die es setzt und begreift, in<br />

räumliche Unterschiede zu verwandeln und sie sich in dieser Form unmittelbar zu<br />

vergegenwärtigen.“ 135 Der magische (Cassirer nennt ihn den mythischen) Raum transzendiert sowohl<br />

den homogenen Raum der Geometrie, wie auch den sinnlichen der Wahrnehmung. Er kennt keine<br />

Punkte, keine bloßen Lagen, sondern nur qualitativ bestimmte Orte, die auf jeweils<br />

unverwechselbare Weise die Totalität des Seins verkörpern, und die zugleich scharf in profane und<br />

heilige Bereiche getrennt sind. Diese Raumform als Lebensform 136 prägt in der magischen Kultur alle<br />

entscheidenden krisenhaften Momente der Existenz, die allgemein als räumliche Übergänge begriffen<br />

und symbolisiert werden. „Ein eigenes mythisch-religiöses Urgefühl knüpft sich an die Tatsache der<br />

räumlichen ‘Schwelle’. [...] Der Übergang von einem mythisch-religiösen Bezirk in den anderen ist<br />

stets an sorgfältig zu beobachtende Übergangsriten gebunden. Sie sind es, die nicht nur den<br />

Übertritt von einer Stadt in die andere, von einem Land ins andere, sondern auch den Eintritt in jede<br />

neue Lebensphase, den Übergang von der Kindheit zur Mannbarkeit, von der Ehelosigkeit zur Ehe,<br />

zur Mutterschaft usf. regeln.“ 137<br />

Indem der magische Raum immer zugleich Medium einer räumlichen Repräsentanz der Qualitäten ist,<br />

weist er über die Welt der gegebenen Anschauung hinaus, stellt er gegenüber den zufälligen<br />

Wahrnehmungen eine verbindliche Allgemeinheit symbolischer Beziehungen her. Die Raumwelt des<br />

magischen Denkens, und schließlich auch noch des Mythos kennt keinen objektivierten Maßstab, sie<br />

repräsentiere im Großen wie im Kleinen immer nur dieselbe Grundsubstanz des Kosmos. „Aller<br />

Zus<strong>am</strong>menhang im mythischen Raum beruht zuletzt auf dieser ursprünglichen Identität.“ 138 Dem<br />

magischen Denken gilt die Form des Daseins nicht als „Ineinanderwirken der mannigfaltigsten<br />

kausalen Bedingungen“ 139 , sondern als Realisation prädeterminierter Anlage oder magischer<br />

Willensakte, die sich nur räumlich entfalten. Erst im zweiten Schritt bindet sich diese räumliche<br />

Entfaltung an ein Vergehen der Zeit. Und hier verortet Cassirer die Enstehung des Mythos. „Der<br />

echte Mythos beginnt erst dort, wo nicht nur die Anschauung des Universums und seiner einzelnen<br />

135 Cassirer, Philosophie der symbolischen Formen. Bd. 2, S. 116.<br />

136 Vgl. ebd., S. 123.<br />

137 Ebd., S. 128.<br />

138 Ebd., S. 110f.<br />

139 Ebd., S. 111.<br />

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